Hesekiel, Das Buch – Bibel-Lexikon

Die Prophetie des Buches Hesekiel umfasst das ganze Volk Israel. In ihm werden die Regierungswege Gottes auf der Erde gezeigt, in deren Zentrum das Volk Israel steht (5. Mo 32,8). Aus diesem Grund erstreckt sich die Prophetie - ohne die Zeit der Nationen oder die vier Weltreiche auch nur zu erwähnen - bis zur Endzeit, in der der Thron der Regierung Gottes wieder nach Jerusalem zurückkehren wird. Das Buch selbst kann in vier Abschnitte eingeteilt werden:

  1. Der erste reicht bis Kapitel 24; nach dem ersten Kapitel folgt das Zeugnis gegen Israel im Allgemeinen und Jerusalem im Speziellen. Dieser Teil der Prophetie wurde vor der Zerstörung Jerusalems gegeben, ein wehmütiges Ereignis, dass naturgemäß einen großen Platz in den Weissagungen einnimmt.
  2. Der zweite Abschnitt (Kapitel 25 bis 32) beschäftigt sich mit Gottes Gerichten über die Nationen, die das verheißene Land umgeben und mehr oder weniger in Verbindung mit Israel standen.
  3. Der dritte Abschnitt (Kapitel 33 bis 39) beinhaltet das Gericht über Israel, sowie über Gog und seine Verbündeten in der Zukunft. Es folgen Segnungen für ganz Israel.
  4. Der vierte Abschnitt (Kapitel 40 bis 48) handelt von dem zukünftigen Tempel, dem Dienst darin und der Einteilung des Landes. Er endet mit der freudigen Nachricht, dass der Name der Stadt Jerusalem „Der HERR ist hier" (hebr. Jahwe-Schamma) heißen wird.

Kapitel 1

1Wir finden hier eine wunderbare Vision der Regierung und Vorsehung Gottes auf der Erde, verbunden mit dem Thron im Himmel. Vergleiche die vier lebendigen Wesen mit denen, die in Offenbarung 4,6-8 beschrieben werden.

Kapitel 2 und 3

Kapitel 2 und 3 geben die Vorbereitung Hesekiels zu seinem Dienst wieder. Er sollte weissagen - egal, ob Israel hören würde oder nicht; er musste die Buchrolle der Weissagung essen (d.h. sich damit einsmachen) und treu darin sein, die Ungerechten zu warnen.

Kapitel 4 bis 7

Die Zerstörung Jerusalems. Sie wurde auf einem Ziegelstein dargestellt, und der Prophet musste sich für Israel 390 Tage auf seine linke, und 40 Tage für Juda auf seine rechte Seite legen, jeweils ein Tag für ein Jahr ihrer Ungerechtigkeit. Die 390 Jahre werden möglicherweise von der Reichsteilung bis zur Zerstörung Jerusalems gezählt. „Israel" steht dabei für das Zehnstämmereich, und damit für den Hauptteil der Nation. Es ist nicht so sicher, worauf sich die 40 Jahre Judas beziehen. Sie waren für die Ungerechtigkeit Judas und könnten auf die Regierungszeit Manasses vor seiner Gefangenschaft und Wiederherstellung hindeuten. Die Taten Manasses werden in 2. Könige 21,11-13 nämlich als Hauptgrund für die Wegführung in die Gefangenschaft genannt.2

Kapitel 8

Kapitel 8 spricht von dem Götzendienst in Verbindung mit dem Tempel, auch wenn er vielfach noch im Verborgenen geschah. Dieser sollte weggetan werden.

Kapitel 9

Der Überrest, der unter den verübten Gräueln seufzt, bekommt ein Zeichen an seine Stirn. Es ist Gott wohlgefällig, dass alle über das Böse klagen, das in Verbindung mit seinem Namen getan wird, auch wenn sie es nicht beseitigen können.

Kapitel 10 und 11

Die Cherubim führen Gericht gegen Jerusalem aus. Die Führer werden verurteilt, aber es gibt Barmherzigkeit und Wiederherstellung für den treuen Überrest.

Kapitel 12

Die Flucht, Gefangennahme und Wegführung Zedekias wird vorausgesagt.

Kapitel 13

Die falschen Propheten Jerusalems werden gerichtet. Man muss in allen Zeiten den Willen Gottes kennen, um den Lehren solcher zu entfliehen.

Kapitel 14 und 15

Gottes Gericht über Jerusalem und seine Bewohner.

Kapitel 16

Der ursprüngliche Zustand Jerusalems als ein verworfener Säugling, von Gott aber geliebt und wertgeschätzt; die große Sünde der Stadt wird aufgezeigt, zum Schluss aber die Gnade Gottes.

Kapitel 17 bis 20

Belehrung durch verschiedene Gleichnisse.

Kapitel 21 bis 24

Die Einnahme und Zerstörung Jerusalems wird angekündigt. An dem Tag, als Nebukadnezar die Belagerung Jerusalems begann, starb die Frau Hesekiels, die Freude seiner Augen (Hes 24,1.18). Er sollte über diesen Verlust nicht klagen, und als das Volk ihn nach der Belehrung daraus fragte, prophezeite er ihnen Gottes Gericht über den Tempel sowie über ihre Söhne und Töchter, worüber sie auch nicht klagen würden. Stattdessen würden sie in ihren Ungerechtigkeiten untergehen und einer gegen den anderen seufzen.

Kapitel 25 bis 32

Die Kapitel 25 bis 32 sind die Weissagungen gegen die heidnischen Nationen, die Palästina umgaben und Verkehr mit Israel hatten. Die Prophetien richten sich gegen Ammon, Moab, Edom und die Philister, ebenso gegen Tyrus buchstäblich und als ein Bild seiner Künste im Kontrast zu Israel, dem Volk Gottes - eine Prophetie, die sich bis in die Zukunft erstreckt. In den Weissagungen finden wir die bemerkenswerte Beschreibung eines „gesalbten Cherubs" und seiner Vorzüge, die er einmal in einer erhabenen Position innehatte; er fiel aber wegen seiner großen Vollkommenheit und wurde zum Feind Gottes. Dies ist zweifelsohne eine Beschreibung Satans und seines Falls (Hes 28,11-19). Hesekiel 28,20-26 richtet sich gegen Sidon, die Kapitel 29 bis 32 einschließlich gegen Ägypten, welches typologisch von der Selbstüberheblichkeit bzw. falscher Selbstsicherheit spricht.

Kapitel 33 bis 36

Die Kapitel 33 bis 36 beinhalten Prophezeiungen gegen Israel, gefolgt von der zukünftigen Wiederherstellung und Segnung, sowie dem Gericht über ihre Bedrücker. In Hesekiel 33; 34; 35 urteilt Gott über Israel; in Hesekiel 36 finden sich Segnungen für das Volk.

Kapitel 37

Kapitel 37 zeigt die Wiederherstellung durch die Vision der Talebene mit den Knochen, sowie die Vision der zwei Hölzer. Viele lehren, dass sich dieser Abschnitt wegen der Öffnung der Gräber und wegen des Volkes, das aus den Gräbern heraufgebracht wird, auf die Auferstehung des Leibes bezieht. Doch die vom Haus Israel sprechen, bevor ihre Gräber geöffnet werden: „Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren" (Hes 37,11), was genau das Empfinden vieler an diesem Tag sein wird. Die Auferstehung wird hier als ein Bild des Lebens verwendet, das Israel und Juda wiedergegeben werden wird. Die zwei Nationen werden wieder eins werden, eine große Menge, die wieder in ihrem eigenen Land gesammelt ist. Es braucht eigentlich nicht erwähnt werden, dass dies nicht auf die Rückkehr Judas unter Serubbabel, Esra und Nehemia angewandt werden kann. Es bezieht sich immer noch auf die Zukunft und wird gewiss vollendet werden.3

Kapitel 38 und 39

Der Wiederherstellung Israels wird sich eine Opposition unter der Führung Gogs und Magogs entgegenstellen. Auch wenn einige Übersetzungen Hesekiel 38,2 mit: „... Gog vom Land Magog, den Hauptfürsten von Mesech und Tubal ..." übersetzen, wird doch angenommen, dass es „... Gog vom Land Magog, den Fürsten von Rosch, Mesech und Tubal ..." heißen muss. Auch die Septuaginta stimmt damit überein. Rosch ist vermutlich eine Anspielung auf Russland, welches dann als Anführer der Nationen den Hauptfeind Israels darstellen wird, wenn das Volk in sein Land zurückgekehrt sein wird. Die Feinde werden vernichtet und Israel gesegnet.

Kapitel 40 bis 48

Kapitel 40 bis 48 beziehen sich auf den zukünftigen Tempel und die Opfer, sowie die Aufteilung des Landes unter den zwölf Stämmen. Weil diese Prophetie viele Jahre vor der Rückkehr des Überrestes aus dem Exil unter Serubbabel überliefert wurde, meinen einige, dass es sich hier um den Tempel, den der Überrest aufbaute, handelt, auch wenn diese gar nicht nach dem hier gegebenen Plan bauten. Aber in Hesekiel folgen die Anweisungen für den Tempel gerade der Wiederherstellung der zwölf Stämme und der Vernichtung ihrer Feinde. Es gab bei der Rückkehr unter Serubbabel keinen Hinweis auf eine Erfüllung dieser Umstände. Außerdem ist die Anweisung hier eng mit der Aufteilung des Landes verbunden; es kann sich deswegen nur um etwas Zukünftiges handeln.

Manche halten die Wiederaufnahme des Opferdienstes für schwierig nachvollziehbar. Aber während die Wirksamkeit des Blutes Christi vor Gott immer ungetrübt sein wird, gibt es gewisse Unterschiede in seiner Anwendung. Christen haben durch das Blut Jesu Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum (Heb 10,19); Juden als solche besitzen dieses Privileg nicht. Das Allerheiligste wird sich wieder im Tempel befinden, sodass für den Menschen auf der Erde wieder eine gewisse Distanz zu Gott aufrechterhalten wird. Die erneuerten Opfer entsprechen diesem Verhältnis; sie werden aber einen erinnernden Charakter haben.4

Neben dem Tempel, der detailliert beschrieben wird, und neben den Opfern und Festen (es ist bemerkenswert, dass der große Versöhnungstag und das Fest der Wochen nicht erwähnt werden), wird ein Fürst erwähnt, dem auch ein besonderer Teil des Landes, sowie Opfer, die er bringen soll, zugewiesen werden. Wenn man diese Dinge buchstäblich versteht, sind sie klar und einfach zu verstehen. Zweifelsohne wird der Fürst ein Repräsentant der königlichen Familie des Hauses Davids sein.

Dass die detaillierte Beschreibung von tiefer moralischer Wichtigkeit ist, zeigt Hesekiel 43,10.11. Es wird auch viele physikalische Veränderungen im Land geben: Ein Fluss wird von dem Heiligtum heraus bis ins Tote Meer fließen. An seinen Ufern werden Bäume wachsen, und er wird dem Toten Meer wieder Leben geben, das dann voll von allerlei Fischen sein wird (vgl. auch Joel 4,18 und Sach 14,8). Das ganze Land wird im Besitz Israels und in zwölf Stücke aufgeteilt sein. In der Mitte wird der heilige Teil für das Heiligtum, die Priester, die Leviten, die Stadt und den Tempel (der nicht in dem zukünftigen Jerusalem gebaut sein wird), sein. Die Lage jedes einzelnen Stammes wird genau festgelegt. Der Zustand der Stadt wird völlig verändert werden - im Vergleich zu dem von Zerfall und Elend charakterisierten Zustand des Gerichtes Gottes, in dem er sich jetzt befindet. In dieser Zeit wird der Name der Stadt heißen: „Der HERR ist hier".

Das Buch Hesekiel ist somit auch für den Christen von Interesse, weil es die große Fürsorge Gottes zeigt, die er für sein Volk während dessen Gefangenschaft aufbrachte, und die herrlichen Szenen des zukünftigen irdischen Segens, den es erhalten wird. Einige der Prophetien erfüllten sich buchstäblich in der Vergangenheit, und genauso werden auch die restlichen Ereignisse, die sich bis jetzt noch nicht erfüllt haben, eintreffen. Es ist Gott, der gesprochen hat, und er ist es auch, der alles herbeiführen wird.

Fußnoten

  • 1 Anm. d. Red.: Die Zeitangabe "im dreißigsten Jahr" in Hesekiel 1,1 bezieht sich wohl auf das Jahr, in dem unter Josia das Passah gefeiert wurde (vgl. Synopsis von J. N. Darby). Letzteres geschah im Jahr 623 v. Chr., sodass das 30. Jahr dann 593 v. Chr. wäre, was mit dem fünften Jahr der Gefangenschaft Jojakins übereinstimmt. Andere sind der Ansicht, dass es sich bei dieser Zeitangabe um das Lebensalter Hesekiels handelt (vgl. "Das Alte Testament im Überblick" von A. Remmers).
  • 2 Gegen die genannte Zählung der 390 Tage spricht die Tatsache, dass die Zeitspanne zwischen der Reichsteilung im Jahr 931 v. Chr. und der Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v. Chr. nach jüdischer Zählung in Wirklichkeit nur 346 Jahre beträgt. Ein Ausleger schlägt daher vor, die 40 Jahre von den 390 Jahren abzuziehen, wodurch man auf 350 Jahre käme. Viele Ausleger beziehen die 40 Jahre der Ungerechtigkeit Judas aber auf die Regierungszeit Salomos. Dagegen spricht allerdings, dass es damals noch nicht die Unterscheidung zwischen Israel und Juda gab und dass Salomo sich erst gegen Ende seiner Regierungszeit dem Götzendienst zuwandte. Ein Ausleger wählt einen ganz anderen Ansatz und bezieht die 40 Jahre auf die Zeit zwischen 30 n. Chr. und der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. Das Jahr 30 n. Chr. wird dabei als das Jahr angesehen, in dem die Juden begannen, eine Gelegenheit zu suchen, den Herrn Jesus zu töten (vgl. Joh 5,16.18). In einem weiteren Erklärungsversuch werden die beiden Zahlen zusammengezählt und auf die 430 Jahre der Gefangenschaft in Ägypten bezogen, wobei auch hier einzuwenden ist, dass damals keine Teilung des Volkes in Israel und Juda vorlag. Einige versuchen schließlich, die Zahl 390 damit zu erklären, dass die 10 Stämme Israels jeweils 39 Schläge erhielten ("40 Schläge weniger einen"; vgl. 2. Kor 11,24). Da die Verantwortung Judas als dem Träger des königlichen Geschlechts größer war, erhielt Juda 40 Schläge. Bei dieser Auslegung ist einzuwenden, dass in Hesekiel 4 nicht von Schlägen, sondern von Jahren die Rede ist.
  • 3 Anm. der Red.: Das Concise Bible Dictionary wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts zusammengestellt. Heute können wir sagen, dass die Staatengründung Israels schon eine Andeutung der Sammlung Israels in Hesekiel 37,1-8 ist. Das Volk ist aber geistlich noch tot, d.h. es hat Jesus Christus noch nicht als seinen Messias angenommen. Dies wird wohl erst in der Zukunft, nach der Entrückung der Gemeinde, geschehen.
  • 4 Anm. der Red.: Ebenso, wie die Opfer vor dem Tod des Herrn vorausschauend auf sein vollkommenes Opfer dargebracht wurden (Heb 10,1), werden die Opfer in der Zukunft dann rückblickend auf das Opfer des Herrn dargebracht werden.