Im Anfang
Ein Kommentar zu 1. Mose 1-11

1. Mose 9

Im Anfang

Die ersten 19 Verse dieses Kapitels bilden mit Kapitel 8 ab Vers 20 einen zusammenhängenden Abschnitt, der viele Belehrungen enthält.

In geschichtlicher Hinsicht sehen wir, wie Gott mit Noah und seiner Familie einen neuen Anfang auf der gereinigten Erde macht. Dieser Anfang hat viele Parallelen mit dem „ersten Anfang“ der Menschheit unter Adam:

  • Adam und Noah werden beide auf eine Erde gebracht, die aus dem Wasser hervorkam (1,9.10; 9,1.2)
  • Beiden wird die Herrschaft über die Schöpfung gegeben (1,28; 9,2)
  • Beide werden von Gott gesegnet und aufgefordert, fruchtbar zu sein (1,28; 9,1)
  • Beide werden landwirtschaftlich tätig (2,15; 9,20)
  • Beide sündigen in ihren „Gärten“
  • Bei beiden führt ihre Sünde dazu, dass ihre „Blöße“ offenbar wird (3,10.21; 9,21–23)
  • Die Blöße von beiden wird durch andere zugedeckt (3,21; 9,23)
  • Die Sünde von beiden bringt einen schlimmen Fluch über ihre Nachkommen (Röm 5,12; 1. Mo 9,24.25)
  • Von beiden werden drei Söhne genannt und jeweils durch den zuletzt genannten (Seth, Sem) soll die Linie des Glaubens fortgesetzt werden und der verheißene „Same“ kommen.
  • Unmittelbar nach der Sünde von beiden wird jeweils eine große Prophezeiung gegeben. Bei Adam im Blick auf die Geschichte der Erlösung (3,15) und bei Noah im Blick auf die Geschichte der Entwicklung der großen Rassen auf der Erde (9,26.27)

In prophetischer Hinsicht lassen sich manche Hinweise auf das Tausendjährige Reich erkennen:

  • Die durch Gericht gereinigte Erde weist hin auf die gereinigte Erde im Reich
  • Die ganze Erde wird im Reich von dem Wohlgeruch und der Herrlichkeit der Person des Herrn erfüllt sein (Kap. 8,21)
  • Im Reich wird es Segen und Vermehrung geben (Kap. 9,1.2)
  • Die Regierung wird in den Händen des Sohnes des Menschen und der Gläubigen liegen (Kap. 9,2–6)
  • Im Reich wird sich alles von dem gestorbenen Christus nähren und die Menschen werden wieder das Bild Gottes darstellen (Kap. 9,6)
  • Im Reich wird der neue Bund mit dem gläubigen Israel geschlossen werden/sein (Kap. 9,8ff)
  • Im Reich wird auch die Schöpfung weitgehend von den Folgen des Sündenfalls freigemacht werden (Kap. 9,10)
  • Im Reich wird es ein vollkommenes Zeugnis von der Güte und Treue Gottes in Christus geben (Kap. 9,13ff)

In der Anwendung auf uns, schattet Kapitel 9 weitere Details des Segens vor, die aus dem Opfer des Herrn Jesus resultieren. Das Ende des Kapitels berichtet über die Sünde Noahs und seines Sohnes Ham. Das ist eine Warnung für uns.

Gottes Auftrag an Noah

„Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde; und die Furcht und der Schrecken vor euch sei auf allen Tieren der Erde und auf allen Vögeln des Himmels! Alles, was sich auf dem Erdboden regt, und alle Fische des Meeres, in eure Hand sind sie gegeben. Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein; wie das grüne Kraut gebe ich es euch alles. Nur das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blut, sollt ihr nicht essen; und wahrlich, euer Blut, nach euren Seelen, werde ich fordern; von jedem Tier werde ich es fordern, und von der Hand des Menschen, von der Hand eines jeden, seines Bruders, werde ich die Seele des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden; denn im Bild Gottes hat er den Menschen gemacht. Ihr nun, seid fruchtbar und mehrt euch, wimmelt auf der Erde und mehrt euch auf ihr!“ (9,1-7).

Direkt in den ersten Versen des Kapitels werden drei weitere neue Dinge genannt, die auf Noahs Opfer basieren:

  1. Gott segnet Noah und seine Söhne (V. 1)
    In Kapitel 1,28 hatte Gott den noch nicht in Sünde gefallenen Menschen gesegnet. Danach lesen wir nichts mehr davon, dass Gott Menschen gesegnet hat. Erst nachdem Noah das Brandopfer gebracht hat, ist das wieder möglich. Heute ist jeder Gläubige auf der Basis des Opfers des Herrn Jesus reich gesegnet.
  2. Gott spricht zu Noah und seinen Söhnen (V. 1)
    Vor der Flut hatte Gott nur zu Noah gesprochen (z. B. 6,3; 7,1; 8,15). Jetzt redet Er auch zu Noahs Söhnen. Ohne das Opfer hatte Gott nur zu dem gerechten Noah reden können. Noah hatte einen Platz vor Gott aufgrund dessen was er war, seine Söhne nur aufgrund des Opfers. So hatten auch wir vor dem Opfer des Herrn Jesus keine Beziehung zu Gott. Erst aufgrund Seines Opfers stehen wir in Ihm begnadigt und angenehm gemacht als Kinder vor Gott (Eph 1,6) und können Frucht für Ihn bringen.
  3. Noah bekommt einen größeren Segen als Adam (V. 2.3)
    Gott gibt Noah jetzt das Fleisch der Tiere zur Nahrung (V. 2.3). Das war mehr, als Adam hatte, dem Gott rein pflanzliche Nahrung gegeben hatte (vgl. Kap. 1,29; 3,18). Beides war irdischer Segen. Der typisch christliche Segen ist heute ein geistlicher Segen. Gott hat uns in Christus „mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern“ gesegnet (Eph 1,3). Einen größeren Segen gibt es nicht!

Indem Gott das Nahrungsangebot des Menschen um das Fleisch der Tiere erweitert, wird ein neuer, wichtiger Gedanke vorgestellt: dass der Tod eintreten muss, damit der Mensch leben kann. Im Neuen Testament macht der Herr Jesus diesen Gedanken in Johannes 6 deutlich. Dort stellt Er sich als das Brot vom Himmel vor und sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst“ (Joh 6,51.53). Mit diesen bildlichen Worten ist gemeint, dass der Mensch sich im Glauben mit Christus und seinem Tod einsmachen (identifizieren) muss, um ewiges Leben zu bekommen. Wer das tut, hat ewiges Leben; wer es nicht tut, hat kein Leben in sich selbst.

Damit wird hier ein weiterer Aspekt des Todes vorgestellt. Es ist bemerkenswert, welche Gedanken in den ersten Kapiteln des ersten Buches Mose mit dem Tod vorgestellt werden:

  1. Der Tod als Gericht Gottes: „An dem Tag, da du davon isst, musst du sterben“ (2,17).
  2. Der Tod als Macht Satans: „Du wirst ihm die Ferse zermalmen“ (3,15).
  3. Der Tod als Beweis für den hinfälligen Zustand des Menschen unter der Sünde: „Denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren!“ (3,19)
  4. Der Tod als Quelle einer Bedeckung für den Menschen: „Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie“ (3,21).
  5. Der Tod als Mittel der Annahme bei Gott: „Und der HERR blickte auf Abel und auf seine Opfergabe“ (4,4).
  6. Der Tod – bildlich im Wasser der Flut dargestellt – der von der Welt unter dem Gericht trennt (Kap. 7+8)
  7. Der Tod als Grundlage für den Neuanfang Gottes mit den Menschen und der Erde: „Und der HERR roch den lieblichen Geruch …“ (8.21ff)
  8. Der Tod als Mittel das Leben des Menschen zu erhalten: „Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein“ (9,3).

Noch ein praktischer Gedanke in Verbindung mit dem Essen von Fleisch: Das Fleisch ist dem Menschen bis heute als Nahrung gegeben. Fleisch zu essen ist eine Gabe Gottes, und was Gott gibt, ist immer gut. Sich ohne medizinische Notwendigkeit rein vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren, wie es heute teilweise sehr populär ist, entspricht nicht dem, was Gott für den Menschen vorgesehen hat.

Nur das Blut soll der Mensch nicht essen (V. 4). Durch dieses Verbot werden die Rechte des Schöpfers betont, dem allein das Leben gehört. Das Blut ist das Symbol des Lebens und der Seele, die ihren Ursprung bei Gott hat (1. Mo 2,7; 3. Mo 17,11). Dieses Verbot ist zeitlos gültig und gilt allen Menschen. Es wurde hier lange vor der Gesetzgebung eingesetzt, galt während der Zeit des Gesetzes (3. Mo 7,26; 17,10-14) und gilt auch in der Zeit der Gnade heute (Apg 15,28.29). Als Christen, die um diese Anordnung Gottes und die Bedeutung des Blutes für Gott wissen, verzichten wir daher gerne darauf, Blut (z.B. Blutwurst) zu essen.

Gott weiß, dass das Herz des Menschen auch nach der Flut unverändert ist. Um das Böse einzudämmen, gibt Er Noah den Auftrag, jemanden, der einen anderen getötet hat, selbst auch zu töten (V. 5.6). Wir finden hier den Beginn der Regierung des Menschen, die Einsetzung einer Obrigkeit, die die Macht des Schwertes von Gott erhält (Röm 13,4).

Gott begründet die Todesstrafe für Mord damit, dass Er den Menschen im Bild Gottes gemacht hat. Auch nach dem Sündenfall ist der Mensch noch das Bild Gottes und verantwortlich, Gott hier auf der Erde zu repräsentieren. Der Mensch ist die Krönung der Schöpfung und Gott hat ihm das Leben gegeben. Daher darf niemand einem Menschen das Leben nehmen – und wer es doch tut, soll durch die Obrigkeit getötet werden. Dieser Grundsatz wird in Römer 13,1-7 bestätigt und gilt nach Gottes Gedanken heute noch, auch wenn es in vielen Ländern anders gehandhabt wird. Als Christen sollen wir bedingungslos bereit sein zu vergeben, auch wenn es sich um einen Mord handelt, aber der Grundsatz der Todesstrafe durch die Regierung für einen Mord bleibt davon unberührt.

Noch einmal fordert Gott Noah wie in Vers 1 auf, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Nur so kann die Erde wieder bevölkert werden. Dazu hatte Gott auch Adam und Eva aufgefordert (Kap. 1,28). Noah war jetzt – wie Adam – das Haupt eines neuen Geschlechts.

Diese Aufforderung bekommt vor dem Hintergrund von Vers 6 in unserer Zeit noch eine andere, erweiterte Bedeutung. Fruchtbar zu sein bedeutet auch, ein gezeugtes Kind zur Welt zu bringen. Ein Kind nicht auszutragen, wie es heute oft getan wird, ist in letzter Konsequenz Mord (Blutvergießen) in Gottes Augen.

Gottes Bund mit Noah

„Und Gott sprach zu Noah und zu seinen Söhnen mit ihm und sagte: Und ich, siehe, ich errichte meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen nach euch; und mit jedem lebendigen Wesen, das bei euch ist, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren der Erde bei euch, was irgend von allen Tieren der Erde aus der Arche gegangen ist. Und ich errichte meinen Bund mit euch. Und nicht mehr soll alles Fleisch ausgerottet werden durch die Wasser der Flut. Und keine Flut soll mehr sein, um die Erde zu verderben“ (9,8-11).

Auf der Grundlage des Opfers Noahs schließt Gott einen Bund mit ihm und seiner ganzen Nachkommenschaft. Diesen Bund hatte Gott in Kapitel 6,18 schon angekündigt. Damit garantiert Gott, die Erde nie mehr durch eine Flut zu verderben. So sorgt Er gnädig dafür, dass der Mensch nicht in beständiger Furcht vor einer erneuten schrecklichen Flut leben muss. Mehrfach wird in den Versen 8–17 betont, dass es Gottes Bund ist, den Er errichtet. Ein Bund ist in der Bibel eine Vereinbarung zwischen zwei „Parteien“, in der es in der Regel um Zusagen und Verpflichtungen geht. Der Bund mit Noah ist jedoch ein einseitiger Bund ist, denn Gott nimmt alle Verpflichtungen auf sich.

In der Bibel wird von mehreren Bündnissen zwischen Gott und Menschen gesprochen1. Der Bund mit Noah ist dahingehend besonders, dass er sehr universell ist und für alle Menschen gilt. Und nicht nur das – in diesen Bund bezieht Gott sogar alle Tiere in der Schöpfung mit ein. Das ist ein Hinweis darauf, dass so, wie die ganze Schöpfung durch die Sünde des Menschen in Mitleidenschaft gezogen wurde, sie auch an den gesegneten Ergebnissen des Opfers des Herrn Jesus teilhaben wird (vgl. Röm 8,20.21).

Das Zeichen des Bundes

„Und Gott sprach: Dies ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und jeder lebendigen Seele, die bei euch ist, auf ewige Geschlechter hin: Meinen Bogen setze ich in die Wolken, und er soll das Zeichen des Bundes sein zwischen mir und der Erde. Und es wird geschehen, wenn ich Wolken über die Erde führe, so soll der Bogen in den Wolken erscheinen, und ich werde meines Bundes gedenken, der zwischen mir und euch ist und jedem lebendigen Wesen von allem Fleisch. Und nicht mehr sollen die Wasser zu einer Flut werden, um alles Fleisch zu verderben. Und der Bogen wird in den Wolken sein; und ich werde ihn ansehen, um zu gedenken des ewigen Bundes zwischen Gott und jedem lebendigen Wesen von allem Fleisch, das auf der Erde ist. Und Gott sprach zu Noah: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich errichtet habe zwischen mir und allem Fleisch, das auf der Erde ist“ (9,12-17).

Gott bestätigt seinen Bund durch ein sichtbares Zeichen – den (Regen-) Bogen. Dieses Wunderwerk Gottes können wir immer noch bei bestimmten Wetterkonstellationen – Regen und Sonnenschein gleichzeitig – beobachten. Der Regenbogen entsteht, wenn sich das für das menschliche Auge weiße Sonnenlicht in den Regen- bzw. Wassertropfen bricht und in seine Spektralfarben aufgespalten und reflektiert wird. Der Regenbogen zeigt die ganze Schönheit des Lichts.

Für Noah war der Regenbogen der sichtbare Beweis der Treue und Gnade Gottes. Immer, wenn er den Bogen sah, wurde er an die Zusicherung Gottes erinnert. Er wusste auch, dass Gott ebenfalls den Bogen sah und an seinen Bund dachte. So war er völlig sicher.

Bis heute erinnert der Regenbogen daran, dass Gott treu ist und dass Er zu seinem Wort steht. Doch der Bogen erinnert uns vor allem an den Herrn Jesus selbst. Viermal wird der Regenbogen im Wort Gottes erwähnt (1. Mo 9,13; Hes 1,28; Off 4,3; 10). Dabei ist er immer mit Christus verbunden. So, wie der Regenbogen die Schönheit des Lichts zeigt, sehen wir im Angesicht Christi die Herrlichkeit Gottes, der Licht ist.

In Christus ist die Gnade Gottes erschienen und in ihrer ganzen Vielfalt sichtbar geworden. Ganz besonders deutlich wurde das auf Golgatha. Bei den Worten in Vers 14: „wenn ich Wolken über die Erde führe, so soll der Bogen in den Wolken erscheinen“ denken wir unwillkürlich an die Stunden der Finsternis am Kreuz, wo sich die dunklen Wolken des Gerichts Gottes über dem Herrn Jesus entluden und gleichzeitig die Gnade und Liebe Gottes in den hellsten Farben aufleuchteten und offenbar wurden.

Gott der Vater blickt mit Freude und Wohlgefallen auf seinen Sohn und sein Werk. Und Er möchte, dass auch wir die Herrlichkeit des Herrn anschauen und im Wissen um das vollbrachte Erlösungswerk unseren Weg in Ruhe und Frieden gehen.

Noch einmal wird in der Bibel in Verbindung mit einem Zeichen davon gesprochen, dass Gott auf etwas sieht. Wir lesen darüber im zweiten Buch Mose, als die Israeliten in Ägypten beim Passah Blut an die Türpfosten der Häuser streichen mussten, in denen sie sich befanden. Von diesem Blut sagte der Herr: „Und das Blut soll euch zum Zeichen sein an den Häusern, worin ihr seid; und sehe ich das Blut, so werde ich an euch vorübergehen“ (2. Mo 12,13). Die Israeliten konnten auf dieses Wort des Herrn zählen, so wie Noah auf die Worte des Bundes Gottes. Wer Christus im Glauben angenommen hat, darf sicher wissen, dass er durch das Blut geschützt ist. So wie Gott den Regenbogen sieht und an seinen Bund mit Noah denkt, so sieht Gott immer das Blut, das auf Golgatha vergossen wurde und gedenkt an alle, die dadurch geschützt sind.

Manchmal führt Gott auch „Wolken“ über das Leben der Gläubigen. Das sind Zeiten der Not und Erprobung. Doch gerade dann offenbart Gott oft ganz besonders seine Gnade und Liebe und lässt uns Erfahrungen machen, die wir nie mehr missen möchten.

Noah betrinkt sich

„Und die Söhne Noahs, die aus der Arche gingen, waren Sem und Ham und Japhet; und Ham ist der Vater Kanaans. Diese drei sind die Söhne Noahs, und von diesen aus ist die ganze Erde bevölkert worden.

Und Noah fing an, ein Ackerbauer zu werden, und pflanzte einen Weinberg. Und er trank von dem Wein und wurde betrunken, und er entblößte sich in seinem Zelt. Und Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters und berichtete es seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Japhet das Oberkleid und legten es beide auf ihre Schultern und gingen rückwärts und bedeckten die Blöße ihres Vaters; und ihre Angesichter waren abgewandt, und sie sahen die Blöße ihres Vaters nicht“ (9,18-23).

Nachdem der Bund Gottes mit Noah eingesetzt ist, werden die Söhne Noahs erwähnt, aus denen sich die Menschenfamilien in drei Linien entwickelt haben. Darauf wird in Kapitel 10 näher eingegangen. Ham wird als der Vater Kanaans besonders erwähnt, auch, weil er nachfolgend eine traurige Rolle spielt.

Auf der gereinigten Erde wird Noah ein Ackerbauer. Diese Aufgabe hatte Gott auch Adam im Garten Eden gegeben (Kap. 2,15). Noah pflanzt einen Weinberg, dessen Früchte ihm allerdings zum Fallstrick werden: Er betrinkt sich und fällt in Sünde. Noah, dieser gerechte und vollkommene Mann unter seinen Zeitgenossen, dem Gott die Herrschaft über die Schöpfung gegeben hat, versagt und kann sich selbst nicht beherrschen. Er missbraucht den Segen der Schöpfung, betrinkt und entblößt sich. Die Sünde der Trunksucht und der Unreinheit gehen oft Hand in Hand (s. a. 1. Mo 19,30-38; Klgl 4,21). Gottes Wort warnt uns daher an manchen Stellen vor übermäßigem Alkoholgenuss (z. B. Spr 23,20.21, 29–35; Eph 5,18.19).

Nach allem was geschehen war, was Gott für Noah und die Seinen getan hatte, hätte man annehmen können, dass sie fortan zur Ehre Gottes gelebt hätten – doch weit gefehlt. Der Mensch hat sich nicht geändert und ist unverändert böse. Nach dem Segen folgt der Fall. So ist es in der Geschichte des Menschen leider immer wieder gewesen.

Auch diese traurige Begebenheit ist zu unserer Belehrung geschrieben (Röm 15,4). Hier erkennen wir:

  • die göttliche Inspiration der Bibel (sie verschweigt nicht die Fehler der Glaubensmänner),
  • dass die menschliche Natur unfähig ist, das Gute zu tun (obwohl Noah das Gericht über das Böse gesehen hatte, obwohl er bewahrt und auf eine gereinigte Erde gebracht worden war, obwohl Gott ihm die Regierung anvertraut hatte, fiel er in Sünde),
  • die Gefahr übermäßigen Alkoholgenusses (Wein wird hier zum ersten Mal in der Bibel erwähnt und ist direkt mit Trunkenheit und Unmoral verbunden),
  • dass wir immer – auch wenn wir älter geworden sind – wachsam sein müssen, nicht zu fallen (Noah hatte 600 Jahre den Versuchungen einer bösen Welt widerstanden und fiel jetzt).

Noahs Sünde wird Anlass für eine Sünde seines Sohnes Ham. Ohne das Verhalten von Ham zu entschuldigen, ist das eine ernste Warnung für jeden Vater. Offensichtlich ist Ham in das Zelt seines Vaters gegangen und hat seinen Vater dort in seinem schlimmen Zustand gesehen. Doch anstatt die Blöße seines Vaters zuzudecken und aus dem Zelt hinauszugehen, ohne anderen etwas darüber zu berichten, scheint Ham es seinen Brüdern in respektloser und spöttischer Weise erzählt zu haben.

Anstatt wie Ham an dem demütigenden Anblick ihres Vaters Gefallen zu finden, behandeln Sem und Japhet ihren Vater mit dem nötigen Respekt. Zusammen nehmen sie das Oberkleid, gehen rückwärts in das Zelt und bedecken die Blöße ihres Vaters. Sie wollen selbst die Blöße ihres Vaters nicht sehen und wollen auch nicht, dass andere sie sehen. Doch wie traurig werden sie gewesen sein, ihren Vater, zu dem sie bisher immer mit Recht aufgeblickt hatten, in dieser Lage zu sehen. Das hält sie jedoch nicht ab, nach Sprüche 10,12 zu handeln: „Liebe deckt alle Übertretungen zu“ und Sprüche 17,9: „Wer Liebe sucht, deckt die Übertretung zu“. Damit sind sie uns ein Vorbild für unseren Umgang mit Sünde bei anderen. „Vor allen Dingen habt untereinander eine inbrünstige Liebe, denn die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden“ heißt es in 1. Petrus 4,8. Liebe kann nicht von Sünde reinigen, das kann nur das Blut Christi (1. Joh 1,7). Liebe verharmlost Sünde auch nicht, aber die Liebe breitet Sünde bei anderen nicht unnötig aus. Sie bemüht sich darum, den Anderen in einem Geist der Sanftmut wieder zurechtzubringen.

Noahs Prophezeiung

„Und Noah erwachte von seinem Wein und erfuhr, was sein jüngster Sohn ihm getan hatte. Und er sprach: Verflucht sei Kanaan! Ein Knecht der Knechte sei er seinen Brüdern!

Und er sprach: Gepriesen sei der HERR, der Gott Sems; und Kanaan sei sein Knecht! Weit mache es Gott dem Japhet, und er wohne in den Zelten Sems; und Kanaan sei sein Knecht! Und Noah lebte nach der Flut 350 Jahre; und alle Tage Noahs waren 950 Jahre, und er starb“ (9,24-29).

Noah wird vermutlich verwundert gewesen sein, sich entblößt, aber mit einem Oberkleid bedeckt in seinem Zelt zu finden. Er erfährt zu seiner Beschämung, was er getan hat und was sein jüngster Sohn ihm getan hat. Wir können wohl annehmen, dass dieser gerechte Mann seine Sünde aufrichtig verurteilt und bekannt hat. So kann er anschließend geleitet durch den Geist Gottes eine beeindruckende Prophezeiung aussprechen. In wenigen Worten – die übrigens die einzigen Worte Noahs sind, die in der Bibel berichtet werden – macht er eine kurze, aber weitreichende Aussage über die Entwicklung und Bestimmung der Menschenfamilien auf der Erde. Er spricht von:

  1. der untergeordneten Stellung der Nachkommen Hams,
  2. der religiösen Vorrangstellung der Nachkommen Sems,
  3. der weiten Verbreitung der Nachkommen Japhets.

Noahs Ausspruch über seine Söhne bezieht sich auf ihre Reaktion bezüglich seines Versagens und besteht aus zwei Teilen: einem Fluch und einem Segen. Ham wird in seinem Sohn Kanaan verflucht, Sem und Japhet werden gesegnet.

Kanaan wird verflucht

Der Fluch besteht darin, dass Kanaan „ein Knecht der Knechte“ für seine Brüder sein soll, d.h. der allerniedrigste Diener. Noch zweimal wiederholt Noah anschließend, dass Kanaan der Knecht Sems sein soll (V. 26.27). Dieser Fluch hat sich nicht sofort erfüllt. Aus Hams Nachkommen kamen bedeutende Personen hervor, wie Nimrod, oder auch später Nebukadnezar, der Herrscher über das große babylonische Weltreich. Doch im weiteren Verlauf der Geschichte haben sich Noahs Worte erfüllt. Die Unmoral, die sich bei Ham zeigte, prägte seine Nachkommen und führte schließlich dazu, dass die Kanaaniter einige hundert Jahre später durch die Israeliten besiegt und aus dem Land Kanaan vertrieben wurden. Einige von ihnen wurden auch buchstäblich Knechte der Israeliten (Jos 9,21.27; Ri 1,28; 1. Kön 9,20.21). Später wurden auch die anderen Nationen aus den Nachkommen Hams wie die Babylonier, die Chaldäer, Assyrer und Ägypter politisch immer unbedeutender und sind zum Teil ganz verschwunden. Völlig erfüllt sein wird der Fluch über Kanaan im Tausendjährigen Reich. Der Prophet Sacharja weissagt im Blick auf diese Zeit: „Und es wird an jenem Tag kein Kanaaniter mehr im Haus des HERRN der Heerscharen sein“ (Sach 14,21).

Es bleibt die Frage, warum nicht Ham, sondern sein Sohn Kanaan verflucht wird. Ohne die Frage abschließend beantworten zu wollen, lässt sich Folgendes sagen:

Zunächst einmal konnte Noah Ham nicht direkt verfluchen, weil Ham schon unter dem Segen Gottes stand (V. 1). Dann bestand Hams Sünde darin, dass er sich an der Sünde seines Vaters weidete und völlig respektlos handelte. Durch den Fluch über Kanaan konnte Ham nun erleben, was es bedeutete, einen fluchwürdigen Sohn zu haben. Möglicherweise war Kanaan auch an der Sünde seines Vaters beteiligt und zeigte bereits das unmoralische Verhalten, das später auch seine Nachkommen prägte.

Dennoch scheinen nicht nur die Kanaaniter unter den Fluch gekommen zu sein, sondern auch die Familie Hams im Allgemeinen. Denn für Hams andere Söhne findet sich kein Segen. Die Entwicklung der oben erwähnten Nationen und auch die Geschichte der übrigen hamitischen Völkerstämme (z. B. in Afrika) bestätigen diesen Gedanken.

Sem und Japhet werden gesegnet

Nach dem Fluch folgt der Segen für Sem und Japhet. Noah segnet jedoch nicht Sem, sondern den HERRN, den Gott Sems (V. 26). Indem er das tut, ehrt er Gott für das, was Er mit der Familie Sems tun will.

Noah gebraucht zwei Namen Gottes, die in der Verbindung mit Sem sehr treffend sind. Er spricht von dem „HERRN“ und von dem „Gott Sems“. Nur an dieser Stelle wird in diesem Kapitel von dem „HERRN“ (Jahwe, dem Bundesgott) gesprochen. Sonst heißt es immer „Gott“ (Elohim). Indem der Namen „HERR“ erwähnt wird, wird der Segen der besonderen Beziehung Gottes zu der Familie Sems angedeutet. Aus Sems Familie ist das Volk Israel hervorgegangen – das Volk, das der HERR sich in seiner Liebe zum Eigentumsvolk erwählt hat (5. Mo 7,6.7; Amos 3,2).

Auch der zweite Name Gottes zeichnet Sem aus. Als der „Gott Sems“ verbindet Gott zum ersten Mal seinen Namen so mit einem Menschen. Später nennt Er sich auch den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.

Japhet wird nach Sem gesegnet. Sein Segen besteht aus zwei Teilen:

  1. „Weit mache es Gott dem Japhet.“
    Das ist ein Wortspiel mit dem Namen Japhets, der so viel wie „Vergrößerung, Ausbreitung“ bedeutet. Die Geschichte zeigt, wie sich diese Worte erfüllt haben. Japhet ist der Stammvater der Völker der westlichen Welt, die sich sehr weit und beherrschend über alle 5 Kontinente ausgebreitet haben.
  2. „Er wohne in den Zelten Sems.“
    Es ist nicht eindeutig, ob damit Gott oder Japhet gemeint ist. Vermutlich geht es um Japhet. Im Blick auf Segen, würde Japhet von Sem abhängig sein. Er würde den Gott Sems in den Zelten Sems finden. Sems Nachkommen bildeten das Volk Gottes auf der Erde, in dessen Mitte Gott wohnte (2. Mo 29,45). Gott hatte das Volk Israel zum Licht der Nationen bestimmt (Jes 42,6). „Das Heil ist aus den Juden“, sagte der Herr Jesus der samaritischen Frau an der Quelle Jakobs in Johannes 4,22. Da Israel als Volk Gottes jedoch versagt hat, hat Gott sich den Nationen zugewandt und sie jetzt auf der Erde in den Bereich des Segens und der Verheißungen gebracht. In Römer 11 wird dies am Bild eines Ölbaums illustriert: „Wenn aber einige der Zweige ausgebrochen worden sind (die Juden), du aber, der du ein wilder Ölbaum warst (die Nationen), unter sie eingepfropft und der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums teilhaftig geworden bist …“ (Röm 11,17). So „wohnt“ Japhet heute geistlicherweise in den Zelten Sems.

Vieles von dem, was Noah prophezeit hat, hat sich schon erfüllt. Völlig erfüllt sein wird sowohl der Fluch als auch der Segen erst im Tausendjährigen Reich. Bemerkenswert ist jedoch, wie die Gnade Gottes heute die Unterschiede zwischen den Linien der Söhne Noahs überschreitet. In der Apostelgeschichte sehen wir, wie Nachkommen aller drei Söhne Noahs der Versammlung hinzugefügt werden: In Kapitel 8 der Kämmerer aus Äthiopien als Nachkomme Hams, in Kapitel 9 Saulus aus der Linie Sems und in Kapitel 10 der römische Hauptmann Kornelius aus der Familie Japhets.

Das Kapitel endet mit den schlichten und etwas traurigen Worten: „Und Noah lebte nach der Flut 350 Jahre; und alle Tage Noahs waren 950 Jahre, und er starb“ (V. 28.29). In Verbindung mit der Flut hatte Noah großen Glauben gezeigt, aber über seine weiteren 350 Lebensjahre wird nichts mehr berichtet! Noahs Ende ist eine ernste Warnung für jeden Gläubigen und besonders für jeden Diener Gottes (1. Kor 9,27).

Fußnoten

  • 1 Z. B.: Der Bund mit Abraham (1. Mo 12-22); der Bund mit Israel am Sinai (2. Mo 19-34); der Bund mit Levi (4. Mo 25,12.13; Mal 2,4.5); der Bund mit David (2. Sam 7,12-16; 23,5; 2. Chr 13,5); der neue Bund mit Israel (Jer 31,31-34)
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