Im Anfang
Ein Kommentar zu 1. Mose 1-11
1. Mose 4
Kapitel 3 und 4 sind eng miteinander verbunden. In Kapitel 3 haben wir den Ursprung der Sünde gesehen. Kapitel 4 zeigt, wie die Sünde fortschreitet und welche Früchte sie hervorbringt. In Kapitel 3 richtete sich die Sünde gegen Gott und zerstörte die Beziehung des Menschen zu Gott. In Kapitel 4 richtet sich die Sünde gegen den Bruder und zerstört die zwischenmenschlichen Beziehungen. In Kapitel 3 hatte Gott die Feindschaft zwischen dem Samen der Schlange und dem Samen der Frau angekündigt. Der Brudermord an Abel zeigt, wie sich diese Prophezeiung erstmals erfüllt. In Kapitel 3 hatte Gott durch die Röcke von Fell einen ersten Hinweis gegeben, dass der schuldige Sünder nur aufgrund eines Opfers vor Ihm stehen kann. Das Opfer Abels in Kapitel 4 bestätigt dies sehr deutlich.
Kain und Abel werden geboren
„Und der Mensch erkannte Eva, seine Frau, und sie wurde schwanger und gebar Kain; und sie sprach: Ich habe einen Mann erworben mit dem HERRN. Und sie gebar ferner seinen Bruder, den Abel. Und Abel wurde ein Schafhirte, und Kain wurde ein Ackerbauer“ (4,1-2).
Gott hatte Adam und Eva den Auftrag gegeben, sich zu mehren und die Erde zu füllen (1,28). Sie kommen diesem Auftrag nach und neues Leben entsteht, indem ihnen ein Sohn geboren wird. Es scheint, als ob wieder Eva die Initiative ergreift und ihrem Erstgeborenen den Namen Kain („Erworbenes o. Gewinn“) gibt. In Kapitel 2,20 hatte Adam den Tieren Namen gegeben. Wäre es nicht besser gewesen, Eva hätte zumindest mit Adam zusammen diesen Namen gegeben? Eva hat ihre Lektion scheinbar noch nicht gelernt. Auch zeigen ihre Worte, dass sie sich selbst noch etwas zuschreibt. Es ist gut möglich, dass sie dachte, in Kain nun den verheißenen Samen erworben zu haben, der der Schlange den Kopf zertreten würde. Allerdings drückt der Name auch aus, dass sie der Zusage Gottes im Blick auf Nachkommen glaubt.
Dann bekommt sie einen zweiten Sohn, der den Namen Abel („Hauch o. Nichtigkeit“) bekommt. Offensichtlich sind ihre großen Erwartungen in Kain recht schnell gedämpft worden, und sie hat gelernt, dass das Leben zu einem Hauch geworden ist. Ihre Söhne haben die gefallene Natur geerbt und sind in Sünde geboren – für sie gilt der Grundsatz: „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch“ (Joh 3,6).
Die beiden Söhne wachsen heran, ohne dass Näheres über sie berichtet wird. Nur ihre Berufe werden genannt, da diese wichtig sind, um die weiteren Ereignisse in diesem Kapitel zu verstehen. Kain wird Ackerbauer, Abel ein Schafhirte – zwei gute Berufe und übereinstimmend mit den Aufgaben, die Gott dem Menschen gegeben hatte.
Die Opfer von Kain und Abel
„Und es geschah nach Verlauf einer Zeit, da brachte Kain dem HERRN eine Opfergabe von der Frucht des Erdbodens; und Abel, auch er brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und der HERR blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht. Und Kain ergrimmte sehr, und sein Angesicht senkte sich“ (4,3-5a).
Es kommt der Tag, an dem Kain dem Herrn ein Opfer bringt. Auch Abel bringt ein Opfer. Der häufige Gebrauch des Wortes „und“ legt dabei den Gedanken nahe, dass sie ihre Opfer zusammen dargebracht haben. Beide kennen Gott durch ihre Eltern und wollen Ihn ehren. Doch sie tun es auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Das führt dazu, dass Abel und sein Opfer angenommen werden, Kain und sein Opfer jedoch nicht.
Manche Bibelleser haben Mühe zu verstehen, warum Gott das Opfer von Kain nicht annahm. Eine Verständnishilfe findet sich in Hebräer 11: „Durch Glauben brachte Abel Gott ein vorzüglicheres Opfer dar als Kain, durch das er Zeugnis erlangte, dass er gerecht war, wobei Gott Zeugnis gab zu seinen Gaben; und durch diesen redet er noch, obgleich er gestorben ist“ (Heb 11,4).
Wir müssen davon ausgehen, dass Kain und Abel beide wussten, wie man Gott nahen konnte. Adam und Eva werden ihnen erzählt haben, wie Gott sie mit Leibröcken von Fell bekleidet hatte und Er dafür ein Tier schlachten musste. Wie sonst wären sie überhaupt auf die Idee gekommen zu opfern, wenn sie davon nichts von ihren Eltern gehört hätten? Abel glaubte den Worten seiner Eltern („durch Glauben brachte Abel“), Kain ignorierte sie.
Kain handelte so, als sei der Sündenfall nicht geschehen und als ob er Gott etwas aus eigener Kraft bringen könnte. Er ist damit der Prototyp eines religiösen Menschen ohne wirklichen Glauben an Gott. Er ignorierte sowohl, dass er ein Sünder ist, als auch, dass Gott heilig ist und Sühnung fordert. Sein Opfer hatte mehrere Mängel:
- Es kam von dem verfluchten Erdboden und ignorierte so Gottes Urteil (Kap. 3,17).
- Es war das Ergebnis seiner eigenen Anstrengungen („im Schweiß seines Angesichts“ Kap. 3,19). Er hatte vermutlich viel härter als Abel gearbeitet, um sein Opfer zu bringen.
- Es ähnelte der Bekleidung, die Adam und Eva sich selbst nach dem Sündenfall aus Feigenblättern gemacht hatten. Doch Gott hatte deutlich gemacht, dass sie mit dieser Art von Bedeckung nicht vor Ihm bestehen konnten.
- Es war ein unblutiges Opfer; Kain akzeptierte nicht den Tod als Grundlage zwischen Gott und ihm.
Im Gegensatz zu Kain hatte Abel die Belehrungen seiner Eltern verstanden und geglaubt. Er sagte sich: „Wenn Gott sich meinen Eltern über den Tod eines Tieres genaht hat, muss ich Ihm auf demselben Weg nahen.“ Er ist bildlich ein Gläubiger, der versteht, dass er nur über das stellvertretende Opfer des Herrn Jesus zu Gott kommen kann. Abel brachte ein Opfer, das Gott in vielen Punkten gefiel:
- Es entsprach der Kleidung, die Gott seinen Eltern durch den Tod eines Tieres bereitet hatte.
- Es war ein Opfer, das den Tod eines Stellvertreters als Grundlage zwischen Gott und ihm anerkannte.
- Es war ein blutiges Opfer1 und somit in der Lage, Sünde zu sühnen (vgl. 3. Mo 17,11; Heb 9,22).
- Es war ein Opfer von den „Erstlingen seiner Herde“ und damit ein Opfer von besonderem Wert für Gott (vgl. 2. Mo 13,1.2; 3. Mo 27,26; 4. Mo 3,13).
- Es enthielt Fett und war damit zu einem lieblichen Geruch für Gott (vgl. 3. Mo 3,16; 4,31).
Der Grund für Abels Annahme lag somit nicht in seiner Person, sondern allein in seinem Opfer („Gott gab Zeugnis zu seinen Gaben“). Nicht Abel war besser, sondern sein Opfer war besser. Es wies – ohne das Abel das ahnen konnte – in seinen Eigenschaften auf die vortreffliche Person Christi und sein vollkommenes Sühnungswerk hin.
Gott warnt Kain
„Aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht. Und Kain ergrimmte sehr, und sein Angesicht senkte sich. Und der HERR sprach zu Kain: Warum bist du ergrimmt, und warum hat sich dein Angesicht gesenkt? Ist es nicht so, dass es sich erhebt, wenn du recht tust? Und wenn du nicht recht tust, so lagert die Sünde vor der Tür. Und nach dir wird sein Verlangen sein, du aber wirst über ihn herrschen“ (4,5b-7).
Kain ärgert sich darüber, dass sein Opfer nicht angenommen wird. Das offenbart seinen schlechten Herzenszustand. Hätte er sein Opfer in einer guten Gesinnung dargebracht, wäre er nicht ärgerlich geworden, sondern hätte versucht, seinen Fehler zu erkennen und den Willen des Herrn kennenzulernen. Der Herr gibt Kain Gelegenheit, von seinem falschen Weg umzukehren. Er spricht ihn auf sein Verhalten an und stellt ihm Fragen, um sein Herz und Gewissen zu erreichen. Er weist ihn darauf hin, das Rechte zu tun und sein Angesicht wieder zu erheben. Er sagt zu Kain: „Wenn du nicht recht tust, so lagert die Sünde (o. ein Sündopfer) vor der Tür.“
Zum ersten Mal wird an dieser Stelle in der Bibel das Wort „Sünde“ erwähnt. Es hat hier eine doppelte Bedeutung: Sünde oder Sündopfer. Einerseits warnt Gott Kain mit diesen Worten davor, weiter zu sündigen. „Kain, wenn du den Zorn und Grimm in deinem Herzen nicht wegtust, dann wird die Sünde dich ganz in Besitz nehmen. Sie steht schon vor der Tür und lauert nur darauf, hereinzukommen.“ Andererseits weist Er Kain den Weg, seine Sünde zu ordnen: „Kain, wenn du recht tun willst, dann bekenne deine Schuld und bring ein Opfer für deine Sünde dar.“ Abschließend erinnert der Herr Kain auch noch an den Segen der Erstgeburt, den er als Ältester genießen kann. Er warnt ihn, seine höhere Stellung gegenüber seinem Bruder zu missbrauchen.
Kain ermordet seinen Bruder und wird verflucht
„Und Kain sprach zu seinem Bruder Abel; und es geschah, als sie auf dem Feld waren, da erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und erschlug ihn. Und der HERR sprach zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Und er sprach: Ich weiß es nicht. Bin ich meines Bruders Hüter? Und er sprach: Was hast du getan! Horch! Das Blut deines Bruders schreit zu mir von dem Erdboden her. Und nun, verflucht seist du vom Erdboden weg, der seinen Mund aufgetan hat, um das Blut deines Bruders von deiner Hand zu empfangen! Wenn du den Erdboden bebaust, soll er dir fortan seine Kraft nicht geben; unstet und flüchtig sollst du sein auf der Erde. Und Kain sprach zu dem HERRN: Zu groß ist meine Strafe, dass ich sie tragen könnte. Siehe, du hast mich heute von der Fläche des Erdbodens vertrieben, und ich werde verborgen sein vor deinem Angesicht, und werde unstet und flüchtig sein auf der Erde; und es wird geschehen: Wer irgend mich findet, wird mich erschlagen. Und der HERR sprach zu ihm: Darum, jeder, der Kain erschlägt – siebenfach soll es gerächt werden. Und der HERR machte an Kain ein Zeichen, damit ihn nicht erschlüge, wer irgend ihn fände. Und Kain ging weg vom Angesicht des HERRN und wohnte im Land Nod, östlich von Eden“ (4,8-16).
Kain hält es nicht für nötig, Gott auch nur ein einziges Wort zu antworten. Er spricht lediglich zu seinem Bruder Abel. Er achtet nicht auf die Warnung Gottes. Da er nichts gegen Gott persönlich unternehmen kann, erhebt er sich gegen seinen Bruder Abel und erschlägt ihn. So wird Kain zum ersten Mörder in der Geschichte des Menschen und Abel zum ersten Märtyrer.
Gott, der alles sieht, spricht wieder mit Kain und zieht ihn zur Rechenschaft: Er stellt ihm – wie auch bei seinen Eltern – eine Frage. Doch Kain antwortet nicht ausweichend wie Adam und Eva, sondern mit einer glatten Lüge. Damit werden bei ihm zwei Merkmale der Sünde deutlich, die fast jeder Sünde zu Grunde liegen: Gewalt (V. 8) und Lüge (V. 9). Als Mörder und Lügner erweist er sich deutlich als ein Nachkomme des Teufels, dem in Johannes 8,44 genau diese beiden Kennzeichen zugeschrieben werden.
Auf diese Lüge hin konfrontiert der Herr Kain direkt mit seiner Sünde. Er stellt ihm vor, dass das Blut Abels zu Ihm schreit. Ungerechtigkeit und Sünde schreien zu Gott nach Vergeltung (vgl. 1. Mo 18,20.21; Jona 1,2; Jak 5,4; Off 6,9.10). Weil Kain sich weigert, seine Sünde zu bekennen, verflucht Gott ihn. Bisher war nur der Erdboden verflucht gewesen, jetzt ist sogar eine Person vom Erdboden weg verflucht! Kains Anstrengungen als Ackerbauer sollen nur noch sehr geringe Resultate hervorbringen und Kain soll „unstet und flüchtig“ sein auf der Erde.
Kain zeigt immer noch keine Buße. Er bedauert nichts, hat stattdessen Selbstmitleid und protestiert gegen die Größe seiner Strafe. Er handelt ganz anders als der Verbrecher am Kreuz (Lk 23,41). Während er nicht davor zurückgeschreckt ist, seinen Bruder zu töten, hat er Angst davor, selbst ermordet zu werden. Statt Gottesfurcht prägt ihn Menschenfurcht2.
In seiner Güte und Langmut geht Gott trotzdem auf Kain ein. Da noch keine menschliche Regierung eingesetzt ist, handelt Er selbst mit ihm, macht ein Zeichen an ihn und droht seinen möglichen Mördern eine siebenfache Vergeltung an.
Was ist Kains Reaktion auf dieses Entgegenkommen des HERRN? – Er dreht Ihm den Rücken zu und zieht weg nach Osten in das Land Nod („Flucht“). Er flieht weg von Gott in die Richtung, in die auch Adam und Eva von Gott getrieben worden waren (Kap. 3,24).
Die prophetische Bedeutung
Neben der Anwendung auf einen Gläubigen und einen Ungläubigen, erkennen wir in Abel und Kain auch eine prophetische Bedeutung. Abel ist ein Hinweis auf den Herrn Jesus, Kain ein Hinweis auf das Volk der Juden:
- Abel war ein Hirte – der Herr ist der gute Hirte (Joh 10).
- Abel brachte als Opfer ein Lamm – der Herr war selbst das Lamm Gottes und damit sowohl der Opfernde als auch das Opfer.
- Abel wurde durch seinen eigenen Bruder getötet – der Herr wurde von den Juden, seinen Brüdern nach dem Fleisch, umgebracht.
- Abel, der Gerechte, wurde grundlos gehasst (Heb 11,4; 1. Joh 3,12) – Christus, der vollkommen Gerechte, erfuhr ebenfalls grundlos Hass (Ps 69,5; Apg 7,52).
- Kain war religiös, er versuchte durch menschliche Werke Gott zu gefallen – auch die Juden versuchen bis heute Gott durch eigene Gerechtigkeit zu gefallen und zu nahen (Röm 10,2.3).
- Kain blickte mit Neid auf das Opfer Abels – die Juden haben den Herrn aus Neid überliefert (Mt 27,18).
- Kain war der Erstgeborene – das Volk Israel wird auch als Gottes Erstgeborener bezeichnet (2. Mo 4,22).
- Als Folge seiner Tat wurde Kain unstet und flüchtig – genau das trifft seit fast 2000 Jahren auf die Juden zu, die über die Erde zerstreut und oft verfolgt wurden (Hos 3,4).
- Kain bekam die Zusicherung, dass Gott ihn bewahren und rächen wollte – das gilt auch für die Juden. Trotz vieler Versuche sind sie nicht ausgelöscht worden. Alle, die sich an ihnen vergehen, werden von Gott Vergeltung empfangen (Sach 2,12.13).
Die Familie Kains
„Und Kain erkannte seine Frau, und sie wurde schwanger und gebar Hanoch. Und er baute eine Stadt und benannte die Stadt nach dem Namen seines Sohnes Hanoch. Und dem Hanoch wurde Irad geboren; und Irad zeugte Mehujael, und Mehujael zeugte Methusael, und Methusael zeugte Lamech. Und Lamech nahm sich zwei Frauen; der Name der einen war Ada, und der Name der anderen Zilla. Und Ada gebar Jabal; dieser war der Vater der Zeltbewohner und Herdenbesitzer. Und der Name seines Bruders war Jubal; dieser war der Vater all derer, die mit der Laute und der Flöte umgehen. Und Zilla, auch sie gebar, und zwar Tubalkain, einen Hämmerer von allerlei Schneidewerkzeug aus Kupfer und Eisen. Und die Schwester Tubalkains war Naama.
Und Lamech sprach zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hört meine Stimme; Frauen Lamechs, horcht auf meine Rede! Einen Mann erschlug ich für meine Wunde und einen Jüngling für meine Strieme! Wenn Kain siebenfach gerächt wird, so Lamech siebenundsiebzigfach“ (4,17-24).
Diese Verse stellen in knapper Form die Entwicklung der Familie Kains vor. Die Linie seiner Nachkommen wird über sieben Generationen aufgezählt. Dabei fällt auf, dass sie mit einem Mörder beginnt und endet (Kain und Lamech). Es ist die Familie des Unglaubens, die Familie der Menschen ohne Gott.
Gottes Gericht über Kain war, dass er unstet und flüchtig sein sollte. Kain widersetzt sich diesem Urteil: Er macht sich sesshaft und baut eine Stadt. Fern von Gott beginnt er ein (Welt)system zu organisieren, in dem er Gott nicht nötig hat und von dem Gott ausgeschlossen ist. Hier beginnt der „Zeitlauf der Welt“ (Eph 2,2), der dadurch gekennzeichnet ist, dass man versucht, sich das Leben ohne Gott so bequem und angenehm wie möglich zu machen.
In Kains Familie finden sich wieder einige „Anfänge“ des ersten Buches Mose:
- Beginn der Zivilisation (V. 16)
Kain baut eine Stadt und nennt sie nicht nach sich, sondern nach dem Namen seines Sohnes Hanoch („eingeweiht“, „belehrt“). Kains Name war ruiniert, aber der seines Sohnes sollte es nicht sein; man sollte sich daran erinnern, dass der Vater Hanochs die Stadt gebaut hatte. - Beginn der Polygamie (V. 19)
Lamech („Gewaltiger“, „stark“) nimmt sich zwei Frauen. Er missachtet die Ehe so wie Gott sie eingesetzt hat und setzt Gottes Ordnung beiseite. - Beginn der wirtschaftlichen Welt (V. 20)
Jabal („Reisender“) ist der „Vater der Zeltbewohner und Herdenbesitzer“. Er betreibt Viehzucht, um wirtschaftlichen Wohlstand und Besitz zu erlangen. - Beginn der kulturellen Welt (V. 21)
Jubal („Trompetenstoß“, „Posaunenbläser“) ist der „Vater all derer, die mit der Laute und der Flöte umgehen“. Seine Nachkommen sind die Erfinder der Blas- und Streichinstrumente und sorgen damit für Zerstreuung durch Kunst und Kultur. - Beginn von Technik und Wissenschaft (V. 22)
Tubalkain3 („Nachkomme Kains“, „Metallarbeiter“) ist ein „Hämmerer von allerlei Schneidwerkzeugen aus Kupfer und Eisen“. Er entdeckt die Kunst der Metallverarbeitung und sorgt damit für technischen Fortschritt, der Luxus und ein bequemes Leben ermöglicht.
- Beginn der Dichtkunst und Poesie (V. 23.24)
Lamech dichtet die erste Liedstrophe, die in der Bibel erwähnt wird. Doch dieses Lied ist kein Lobpreis Gottes, sondern an seine Frauen gerichtet und voll von Egoismus („ich“, „meine“) und Hochmut – zwei weiteren Kennzeichen der Welt. Zudem war Lamech ein Mörder. Scheinbar hatte er sich für eine Verletzung mit einem Mord gerächt und rühmt sich damit vor seinen Frauen. Stolz und überheblich meint er, dass die Zusage Gottes an Kain ihm noch viel mehr gelten müsse.
Einige dieser Dinge sind in sich nicht böse und verkehrt. Der Fehler bei Kain und seinen Nachkommen lag darin, dass sie all diese Dinge für ein Leben ohne Gott und zur Befriedigung der eigenen Wünsche nutzten. So wird an der Familie Kains das Wesen und der Charakter der Welt ohne Gott in den Anfängen deutlich. Einige Verse aus Psalm 49 beschreiben das treffend: „Hört dies, ihr Völker alle; nehmt es zu Ohren, alle Bewohner der Welt; sowohl Menschensöhne als Männersöhne, Reiche und Arme allesamt! Ihr Gedanke ist, dass ihre Häuser feststehen in Ewigkeit, ihre Wohnungen von Geschlecht zu Geschlecht; sie nennen Ländereien nach ihrem Namen. Doch der Mensch, der in Ansehen ist, bleibt nicht; er gleicht dem Vieh, das vertilgt wird. Dieser ihr Weg ist ihre Torheit; und die nach ihnen kommen, haben Wohlgefallen an ihren Worten“ (Ps 49,2.3.12-14).
Seth wird geboren
„Und Adam erkannte seine Frau wiederum, und sie gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Seth: Denn Gott hat mir einen anderen Nachkommen gesetzt anstelle Abels, weil Kain ihn erschlagen hat. Und Seth, auch ihm wurde ein Sohn geboren, und er gab ihm den Namen Enos. Damals fing man an, den Namen des HERRN anzurufen“ (4,25-26).
Zum Ende des Kapitels hellt sich die Szene auf. Seth („Ersatz“) wird geboren und tritt an die Stelle Abels. Während Abel ein Bild von Christus in seinem Tod ist, ist Seth ein Bild von Christus dem Auferstandenen. Mit Seth gibt es einen Neuanfang. Die Familie des Glaubens beginnt.
Seth bekommt auch einen Sohn: Enos („schwacher oder hinfälliger Mensch”). Seth hat kein Vertrauen in sich selbst und macht sich keinen eigenen Namen (V. 17). Er erkennt den wahren Zustand der Dinge und erwartet nichts vom Menschen, sondern alles von Gott. Dazu passt es, dass man gerade in seinen Tagen anfängt, den Namen des HERRN anzurufen. Er ist sich seiner Abhängigkeit bewusst, und wendet sich an den HERRN, bei dem es Rettung gibt und der die Schwachen kräftigt (vgl. Apg 2,21; 2. Kor 12,29).
Fußnoten
- 1 Dabei ist bemerkenswert, dass nur das Fett erwähnt wird und nichts über das Blut gesagt wird. In 1. Mose wird das Blut allgemein nicht zusammen mit Opfern erwähnt, obwohl das Verbot, es zu essen, in Kapitel 9 es für Gott im Hinblick auf die Sühnung reserviert. Im ersten Buch Mose (und auch im Buch Hiob) sind alle Opfer Brandopfer. Gott scheint den reichsten Gedanken zuerst offenbart zu haben – den Gedanken an die persönliche Vortrefflichkeit und freiwillige Hingabe Christi für Gott, wovon das Brandopfer und das Fett sprechen.
- 2 Kains Menschenfurcht legt nahe, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Nachkommen Adams gegeben haben muss. Das beantwortet auch die immer wieder gestellte Frage, wo denn die in Vers 17 genannte Frau Kains herkam – es wird eine seiner Schwestern gewesen sein.
- 3 Aus Kain wird Tubalkain („Nachkomme Kains“) – In der 7. Generation ist das, „was aus dem Fleisch geboren ist“, immer noch „Fleisch“ (vgl. Joh 3,6).