Im Anfang
Ein Kommentar zu 1. Mose 1-11

1. Mose 1

Im Anfang

1. Mose 1 führt uns an den Anfang der Zeit, an den Beginn des Wirkens Gottes. Gott offenbart sich in diesem Kapitel als der Schöpfer von allem! In kurzen, aber inhaltsreichen Worten wird vorgestellt, wie Er Himmel und Erde erschafft und dann die Erde in sechs Tagen als einen Wohnort für den Menschen zubereitet. Gott allein konnte die in diesem Kapitel berichteten Tatsachen, die vor der Schöpfung des Menschen stattgefunden haben, bekannt machen. Wir nehmen sie glaubend an und verstehen so, „dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind“ (Heb 11,3).

Im Anfang

„Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1,1).

Es ist beeindruckend, wie die Bibel beginnt. Schon der erste Vers macht deutlich, dass es bei diesem Buch um ein einzigartiges Buch geht. Ohne jede Einleitung beginnt Gott sein Wort mit einem einzigen bemerkenswerten Satz. Es ist ein Satz, der sehr kurz und mit einfachen Worten das äußerst umfangreiche und tiefgründige Thema der Schöpfung des Universums beschreibt. Gott offenbart sich durch das, was Er schafft. Und wenn Er sich offenbart, zeigt sich immer etwas von seiner Herrlichkeit. So enthält auch dieser erste Vers der Bibel Schönheiten, die etwas davon zeigen, wie groß und herrlich unser Gott ist.

Göttliche Vollkommenheit

Der erste Vers beschreibt den eigentlichen Schöpfungsbericht. Neun Worte sind es in der deutschen Sprache. Im Hebräischen sind es nur sieben Wörter und insgesamt 28 Buchstaben (4x7). Darin erkennen wir eine erste verborgene Schönheit: ein Hinweis auf die göttliche Vollkommenheit in der Schöpfung.

Die Zahl 7 steht in der Zahlensymbolik der Bibel oft für etwas vollkommenes (vgl. Off 4,5; 5,1.6). Die Zahl 4 ist die Zahl der Schöpfung, die Zahl der Universalität. Wir denken beispielsweise an die vier Himmelsrichtungen, die „vier Ecken der Erde“ (Off 20,8), und die vier Jahreszeiten. So weist schon dieser erste Vers des Wortes Gottes darauf hin, dass Gott in dem, was Er tut, vollkommen ist und dass das Ergebnis dessen, was Er schafft, ebenfalls vollkommen ist. Unterstrichen wird dies dadurch, dass in 1. Mose 1 siebenmal das Wort „gut“ in Verbindung mit dem Handeln Gottes erwähnt wird (V. 4.10.12.18.21.25.31). So liegt das Siegel der Vollkommenheit auf allem, was Gott schuf.

Ein ewiger Gott

Im Anfang schuf Gott – wann Gott Himmel und Erde schuf, erfahren wir nicht. Es heißt einfach „im Anfang“. Ein Anfang, mit dem die Schöpfung und die Zeit beginnt. Und wieder entdecken wir eine Herrlichkeit Gottes. Denn – wann immer dieser Anfang der Schöpfung war – Gott war vor ihm da! Der „Schöpfer der Enden der Erde“ ist ein ewiger Gott (vgl. Jes 40,28; Ps 90,2), ein Gott, der vor aller Zeit da war. Das bestätigt Johannes 1,1.2, wo wir einen weiteren Anfang in der Bibel finden: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist.“ Dieser (zeitlose) Anfang führt zurück in die Ewigkeit vor der Zeit und macht deutlich, dass „das Wort“, d. h. Gott der Sohn, durch den alle Dinge geschaffen worden sind, von aller Ewigkeit bei Gott und selbst Gott war.

Ein Schöpfer-Gott

Im Anfang schuf Gott – Gott ist der Schöpfer! Das ist eine weitere Herrlichkeit Gottes und eine Tatsache, die sich vom ersten Vers der Bibel bis hin zur Offenbarung findet. Viele Stellen machen das deutlich (z. B. Hiob 38,4; Ps 33,6.9; Jer 10,12; Joh 1,1; Röm 1,19.20; Kol 1,16; Heb 1,2). Selbst im letzten Buch des Wortes Gottes finden wir noch, dass Gott als der Schöpfer durch die vierundzwanzig Ältesten angebetet wird: „Du bist würdig, o unser Herr und unser Gott, zu nehmen die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht; denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden“ (Off 4,11).

Das für „(er)schaffen“ gebrauchte hebräische Wort „bara“ kommt im Schöpfungsbericht dreimal vor (V. 1.21.27). Es weist dabei jeweils auf etwas Einzigartiges hin, das noch nicht da war und nur durch Gott hervorgebracht werden konnte: das Universum und die Materie (V. 1), die Tiere (V. 21) und den vernunftbegabten Menschen (V. 27). Nebenbei bemerkt, beantworten diese drei Stellen drei Fragen, vor denen die Naturwissenschaft steht, nämlich die Frage nach:

  1. dem Ursprung der Materie,
  2. dem Ursprung des beseelten Lebens
  3. dem Ursprung der menschlichen Vernunft

Ein persönlicher Gott

Die Tatsache, dass Gott schuf, macht weiterhin deutlich, dass Er eine Person ist. Ein persönlicher Gott, und nicht etwa eine bloße Kraft oder ein höheres Wesen, hat das Universum und den Menschen nach einem bewundernswerten Plan geschaffen. Das macht den Menschen gegenüber seinem Schöpfer verantwortlich; eine Verantwortung, die viele Menschen nicht akzeptieren wollen. Doch wer den Schöpfer-Gott ablehnt, lehnt gleichzeitig den Erretter-Gott ab.

Ein dreieiner Gott

Im Anfang schuf Gott – die Verbindung der beiden Wörter „schuf Gott“ enthält eine weitere Schönheit. Während das Wort „schuf“ in der Einzahl steht, steht hier im Grundtext das für Gott benutzte Wort „Elohim“. Der hebräische Gottesname Elohim ist eine Mehrzahlform (Plural), die mehr als zwei (d. h. mindestens drei) ausdrückt – ein erster verborgener Hinweis auf die Dreieinheit Gottes. Einige Verse weiter in 1. Mose 1 finden wir einen weiteren Hinweis darauf. Dort lesen wir: „Lasst uns Menschen machen in unserem Bild“ (V. 26).

Die Dreieinheit Gottes – Vater, Sohn und Heiliger Geist – ist eine Tatsache, die erst im Neuen Testament offenbart worden ist. Besonders deutlich wird sie bei der Taufe des Herrn Jesus im Jordan (Mt 3,16.17), bei der Taufaufforderung (Mt 28,19) und bei dem Segenswunsch des Apostels Paulus an die Korinther (2. Kor 13,13).

Alle drei göttlichen Personen waren am Schöpfungswerk beteiligt. Neben dem Geist Gottes, der in 1. Mose 1,2 erwähnt wird, heißt es in 1. Korinther 8,6, dass alle Dinge von Gott, dem Vater sind und durch Jesus Christus, dem Sohn Gottes geworden sind. In Hebräer 1,2 lesen wir, dass der dreieine Gott durch den Sohn die Welten gemacht hat. Nicht mehrere Götter haben geschaffen, sondern der dreieine Gott. Ein unergründliches Geheimnis, das wir glaubend annehmen und bewundern.

Ein großer Gott

Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde – Himmel und Erde scheinen hier für alle geschaffenen Dinge, für das gesamte Universum zu stehen. Wie groß dieses Universum ist, in dem es nach heutigen Schätzungen allein 10 hoch 25 Sterne und mehr als eine Billion Galaxien gibt, ist für uns unvorstellbar. Das alles hat unser Gott durch sein Wort geschaffen: „Denn er sprach, und es war, er gebot, und es stand da“ (Ps 33,9). Wie groß muss der Schöpfer sein, wenn die Schöpfung schon so groß ist!

In Jesaja 40,25.26 heißt es im Hinblick auf die Größe des Schöpfers: „Wem denn wollt ihr mich vergleichen, dem ich gleich wäre?, spricht der Heilige. Hebt zur Höhe eure Augen empor und seht: Wer hat diese da geschaffen? Er, der ihr Heer herausführt nach der Zahl, ruft sie alle mit Namen: Wegen der Größe seiner Macht und der Stärke seiner Kraft bleibt keines aus.“ In Hiob 38,4 lesen wir, dass die „Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten“ als Gott die Erde gründete. Die Größe und Schönheit des Schöpfungswerkes, veranlasste die Engel, die offensichtlich schon da waren als Gott das Universum schuf, den Schöpfer zu loben und zu preisen.

Auch wir wollen diesen großen Schöpfer-Gott von Herzen loben. Und dieses Lob wird noch vermehrt, wenn wir bedenken, dass der Herr Jesus, durch den und für den alle Dinge geschaffen sind (Kol 1,16), vor gut 2000 Jahren als kleines Kind und in großer Armut in diese Schöpfung eingetreten ist, um schließlich am Kreuz auf Golgatha für uns zu sterben!

Wüst und leer

„Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern“ (1,2).

Über diesen Vers und seine Verbindung zu Vers 1 ist viel diskutiert worden. Folgende Fragen stehen dabei im Raum: Wurde die Erde in dem in Vers 2 beschriebenen wüsten und leeren Zustand geschaffen, oder geriet sie erst später in diesen Zustand? Handelt es sich bei Vers 1 und Vers 2 um denselben Zeitpunkt? Geht es um Ursache und Wirkung? Ist Vers 1 wie eine Überschrift oder Zusammenfassung der nachfolgend genannten Schöpfungstage zu verstehen?

Gute Gründe sprechen dafür, dass Vers 2 nicht den ursprünglichen Zustand der Schöpfung beschreibt, sondern dass die Schöpfung durch ein nicht näher genanntes Ereignis in den Zustand von Vers 2 fiel1:

  • In Jesaja 45,18 heißt es, dass Gott die Schöpfung nicht als eine Öde geschaffen hat. „Öde“ ist dabei dasselbe Wort wie „wüst“ in 1. Mose 1,2. Gott schafft nie Chaos, denn Er ist kein Gott der Unordnung (1. Kor 14,33).
  • In Hiob 38,4-7 steht, dass die Engel jubelten, als die Erde gegründet wurde. Hätten sie das bei einer Wüste und Leere getan?
  • In Vers 2 wird nur von der Erde gesprochen, nicht vom Himmel. Offenbar herrschte das Chaos nur auf der Erde, war die Finsternis nur über den Wassern und nicht im ganzen Universum.
  • Das Wort „und“ zu Beginn von Vers 2 deutet darauf hin, dass Vers 1 keine Überschrift oder Zusammenfassung der Schöpfungstage in Kapitel 1 ist. Ein „und“ zeigt ein neues Ereignis an, das auf das vorhergehende folgt. Viele Bibelbücher beginnen mit diesem Wort. In 1. Mose 1 beginnt, abgesehen von dem ersten Vers, jeder Vers mit einem „und“. Immer wird damit etwas Nachfolgendes oder eine neue Situation eingeleitet. Sollte es in Vers 2 dann anders sein?
  • Die Wortkombination „wüst und leer“ (im Grundtext: Tohuwabohu) kommt im Alten Testament nur noch an zwei anderen Stellen vor: in Jesaja 34,11 und Jeremia 4,23. An beiden Stellen wird damit ein Zustand beschrieben, der infolge eines Gerichtsurteils eingetreten ist. Das legt nahe, dass es in 1. Mose 1,2 ähnlich ist.
  • Bei der Anordnung des Sabbattages in 2. Mose 20,9-11 heißt es nicht, dass Gott „schuf“, sondern dass Er „machte“: „Denn in sechs Tagen hat der Herr den Himmel und die Erde gemacht, das Meer und alles, was in ihnen ist.“ Das ist auch ein Hinweis darauf, dass Gott in den sechs Tagen nicht alles neu geschaffen hat, sondern eher, dass Er die in Vers 1 „geschaffene“ Schöpfung wiederherstellte, um sie zu einem Wohnort für den Menschen zuzubereiten.

Im zweiten Teil des Verses wird unvermittelt der Geist Gottes erwähnt. Der Geist Gottes ist eine eigenständige Person innerhalb der Gottheit. Er tritt oft dann in Erscheinung, wenn Gott sich mit der Erde und den Menschen beschäftigt2. Es ist deshalb ein Hoffnungsstrahl, dass der Geist Gottes an dieser Stelle erwähnt wird – Gott hatte die Erde nicht aufgegeben, Er wollte sie nicht im Chaos lassen.

Darauf weist auch das Wort „schweben“ hin. Es kommt in 5. Mose 32,11 noch einmal vor. Dort lesen wir, dass der Adler „über seinen Jungen schwebt, seine Flügel ausbreitet, sie aufnimmt, sie auf seinen Schwingen trägt“ – so beschäftigt sich der Geist Gottes hier mit der ersten Schöpfung, um dem Verderben entgegenzutreten, sie zu erneuern und für den Menschen bewohnbar zu machen.

Die Schöpfungstage

Verschiedene Blickwinkel auf die Schöpfungstage

Von Vers 3 bis zum Ende des Kapitels wird über die sechs Schöpfungstage berichtet. Diese Verse sind sehr inhaltsreich und lassen sich unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten:

  1. Die buchstäbliche, historische Bedeutung
    Zunächst möchte Gott uns über die einzelnen Schritte aufklären, wie Er Himmel und Erde erschaffen hat. Das tut Er nicht in Form eines naturwissenschaftlichen Berichts. Er nennt auch nicht alles, was Er im Einzelnen an den jeweiligen Tagen gemacht hat, sondern nur das, was Er im Blick auf die Zubereitung der Erde als einen Wohnort für den Menschen für wichtig hält. Doch das, was Er nennt, ist absolut richtig und zuverlässig.
  2. Die geistliche Bedeutung
    Die Schöpfungstage zeigen etwas von dem göttlichen Werk der Neu-Schöpfung in der Seele eines Menschen (2. Kor 4,6). Die Schritte, in denen Gott handelt, um die Schöpfung wiederherzustellen, gleichen denen, die Er unternimmt, um Menschen, die sich von Ihm abgewandt haben, zu sich zurückzubringen. Dabei wird die geistliche Entwicklung eines Gläubigen vom Beginn des Wirkens Gottes bis zu seinem Endziel, der Einführung in die Ruhe Gottes, vorgestellt.
  3. Die heilsgeschichtliche Bedeutung
    Im Verlauf der Heilsgeschichte hat Gott den Menschen auf verschiedene Weise erprobt und nach unterschiedlichen Grundsätzen mit dem Menschen gehandelt. Die Schöpfungstage weisen auch auf diese unterschiedlichen Epochen (Haushaltungen) des Handelns Gottes mit dem Menschen auf der Erde hin. Ohne im Folgenden weiter darauf einzugehen, soll hier nur eine mögliche Einteilung vorgestellt werden:
Schöpfungstag Haushaltung Zeitraum
1. Tag Unschuld Von der Schöpfung bis zum Sündenfall
2. Tag Gewissen Vom Sündenfall bis zur Flut
3. Tag Regierung Von der Flut bis zur Berufung Abrahams
4. Tag Verheißung Von der Berufung Abrahams bis zum Gesetz am Sinai
5. Tag Gesetz Vom Sinai bis zu Christus
6. Tag Gnade Von Pfingsten bis zur Entrückung
7. Tag Ruhe Von der Erscheinung Christi in Macht bis zum Ende der 1000-jährigen Herrschaft

Parallelen in der Struktur der Schöpfungstage

Der Bericht über die sechs Schöpfungstage folgt einer klaren Struktur. Es lassen sich zwei parallele Gruppen von je drei Tagen erkennen. Der erste und vierte, der zweite und fünfte, sowie der dritte und sechste Tag gehören jeweils zusammen:

Tag 1
Gott ruft das Licht
Tag 4
Gott macht die Lichtträger
Tag 2
Gott macht die Atmosphäre und trennt das Wasser unten vom Himmel oben
Tag 5
Gott erschafft die Bewohner dieser Lebensräume: Seeungeheuer, Fische und Vögel
Tag 3
Gott bringt das Trockene (die Erde) hervor und lässt Pflanzen wachsen
Tag 6
Gott erschafft die Landtiere und den Menschen
  • Die Tage 3 und 6 sind zudem „Doppeltage“. An diesen Tagen handelte Gott zweimal. Beide Tage sind unterbrochen mit: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Nachdem Gott Meer und Erde getrennt hatte, ließ Er Pflanzen wachsen. Nachdem Gott die Tiere der Erde machte (V. 24–25), schuf Er dann den Menschen (ab V. 26).
  • An den ersten 3 Tagen geht es besonders um Unterscheidung bzw. Trennung:
    1. Trennung von Licht und Finsternis
    2. Trennung der Wasser oben (Wolken) und unten (Meere)
    3. Trennung von Land und Meer
  • Bei den zweiten drei Tagen geht es mehr um Frucht bringen und Vermehrung.

Der erste Tag

„Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Und Gott sah das Licht, dass es gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: erster Tag“ (1,3-5).

Der erste Tag beginnt damit, dass Gott spricht. Als der Gott, der das „Nichtseiende ruft, wie wenn es da wäre“ (Röm 4,17), ruft Er Licht herbei. Dabei geht es nicht um die Sonne, die erst am vierten Tag in die richtige Position zu Erde gesetzt wird. Es geht um ein göttliches Licht, ein Licht, das direkt mit Gott verbunden ist. Gott braucht keine Sonne, um Licht zu geben. Er selbst ist von Ewigkeit her Licht (1. Joh 1,5). Daher heißt es hier auch nicht ausdrücklich, dass das Licht erschaffen oder gemacht wird. Gott befiehlt Licht, es ist sofort da und es ist gut in den Augen Gottes.

Die Worte: „Und Gott sah, dass es gut war“ markieren im weiteren Verlauf immer den Abschluss eines Werkes Gottes. Hier folgt ihnen jedoch noch etwas nach – Gott scheidet das Licht von der Finsternis. Das ist nötig, da Gott Licht ist und gar keine Finsternis in ihm ist (1. Joh 1,5). Diese klare Trennung von Licht und Finsternis zieht sich durch die ganze Bibel. Zudem führt diese Trennung die erste Zeitrechnung in der Bibel ein. Gott nennt das Licht „Tag“ und die Finsternis „Nacht“3. Damit verbunden werden die Begriffe „Abend“ und „Morgen“ eingeführt. Der Abend markiert den Beginn der Nacht, der Morgen den Beginn des Tages. Mit dem ersten Abend und der darauffolgenden Nacht ist der erste Tag vollständig.

Die geistliche Bedeutung des ersten Tages

Wenn Gott durch seinen Geist und das Wort Gottes an einem Menschen zu wirken beginnt, bringt Er zuerst Licht in das Herz. So, wie das Licht zunächst das Chaos auf der Erde beleuchtete, macht das göttliche Licht den verdorbenen Zustand des Menschen offenbar. Er erkennt sich im Licht Gottes als Sünder, der in der Finsternis lebt und Finsternis ist (Röm 3,10-12; 7,1a; Eph 2,1; 4,18; 5,8). Doch darüber hinaus gibt Gott auch Licht über sich: „Denn der Gott, der sprach: Aus Finsternis leuchte Licht, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi” (2. Kor 4,6). Er offenbart sich als der Retter, der Menschen aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht beruft (1. Pet 2,9; Kol 1,13), damit sie von da an als „Söhne des Lichts und Söhne des Tages“ leben.

Die Trennung von Licht und Finsternis an diesem Tag ist ein erster Hinweis auf das Thema „Absonderung“ in der Bibel. Durch den Sündenfall des Menschen ist die ganze Erde von der Sünde beschmutzt worden. Daher wird es nötig, sich von der Sünde abzusondern. „Welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis?“ (2. Kor 6,14) – „Und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr aber straft sie auch … denn das Licht ist es, dass alles offenbar macht“ (Eph 5,11.14a).

Der zweite Tag

„Und Gott sprach: Es werde eine Ausdehnung inmitten der Wasser, und sie scheide die Wasser von den Wassern! Und Gott machte die Ausdehnung und schied die Wasser, die unterhalb der Ausdehnung, von den Wassern, die oberhalb der Ausdehnung sind. Und es wurde so. Und Gott nannte die Ausdehnung Himmel. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: zweiter Tag“ (1,6-8).

Auf die Trennung von Licht und Finsternis folgt eine zweite Trennung: Himmel und Erde werden durch eine Ausdehnung voneinander getrennt. Bis zu diesem Tag war die Erde vollständig von Wasser bedeckt. Das ändert sich jetzt. Gott bewirkt eine Scheidung der Wasser, indem Er eine Ausdehnung oder Atmosphäre zwischen ihnen schafft. Ein Teil der Wassermassen wird emporgehoben und ein anderer Teil bleibt auf der Erde zurück. Die dazwischenliegende Ausdehnung nennt Gott „Himmel“. Mehr geschieht an diesem Tag nicht. Daher ist es auch der einzige Tag, wo es nicht heißt: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Das, was hier geschieht, ist noch nicht abgeschlossen und wird am dritten Tag fortgesetzt.

Die geistliche Bedeutung des zweiten Tages

In der Trennung von Himmel und Erde liegt wieder ein sinnbildlicher Hinweis. Auf seinem Glaubensweg erkennt der Gläubige früher oder später, dass er zwei Naturen in sich hat: Die alte Natur, das Fleisch (auch „Sünde“ genannt), die immer nach unten zieht und sündigen will (Wasser „unterhalb“) und die neue Natur (auch „Geist“ genannt), die nach oben zieht und das Gute tut (Wasser „oberhalb“). Er merkt, dass er auch nach der Bekehrung noch sündigt und dass er in sich selbst keine Kraft hat, das Gute zu tun, obwohl er es will. Diese Erfahrung wird in Römer 7 ausführlich beschrieben. „Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das Böse, das ich nicht tun will, das tue ich“ (Röm 7,18.19). Das ist keine schöne Erfahrung, sondern bringt tiefe Übungen mit sich. Auch darum fehlen am zweiten Tag die Worte: „Und Gott sah, dass es gut war.“

Der dritte Tag

„Und Gott sprach: Es sammeln sich die Wasser unterhalb des Himmels an einen Ort, und es werde sichtbar das Trockene! Und es wurde so. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meere. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott sprach: Die Erde lasse Gras hervorsprossen, Kraut, das Samen hervorbringe, Fruchtbäume, die Frucht tragen nach ihrer Art, in der ihr Same sei, auf der Erde! Und es wurde so. Und die Erde brachte Gras hervor, Kraut, das Samen hervorbringt nach seiner Art, und Bäume, die Frucht tragen, in der ihr Same ist nach ihrer Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: dritter Tag“ (1,9-13).

Am dritten Tag setzt Gott sein Werk an der Erde fort. Wie an den ersten beiden Tagen nimmt Gott auch hier wieder eine Trennung vor. Er lässt das Trockene aus dem Wasser hervorkommen und sammelt das Wasser an einen Ort. Gewaltige Kräfte müssen gewirkt haben, um die Erdkruste zu verformen; Vertiefungen, in denen sich das Wasser sammelt, und Erhöhungen, die die Erde als eine trockene, zusammenhängende Landmasse bilden. In bildlicher Sprache wird im Alten Testament an verschiedenen Stellen auf dieses Geschehen Bezug genommen: „Er rundete eine Schranke ab über der Fläche der Wasser“ und „hat das Meer mit Toren verschlossen“ (Hiob 26,10; 38,8). „Er sammelt die Wasser des Meeres wie einen Haufen, legt in Behälter die Fluten“ (Ps 33,7). „… als er dem Meer seine Schranke setzte, dass die Wasser seinen Befehl nicht überschritten“ (Spr 8,29). „Der ich dem Meer Sand zur Grenze gesetzt habe, eine ewige Schranke, die es nicht überschreiten wird; und es regen sich die Wogen, aber sie vermögen nichts, und sie brausen, aber überschreiten sie nicht“ (Jer 5,22). Gott nennt das Trockene „Erde“ und die Wasser nennt Er „Meere“. Damit sind nun die drei großen Räume für das Leben geschaffen: die Atmosphäre für die Vögel, das Meer für die Wassertiere, die Erde für die Landtiere und den Menschen. Diese Dreiteilung der Lebensräume finden wir auch in Psalm 69,35: „Ihn sollen loben Himmel und Erde, die Meere und alles, was in ihnen wimmelt!“ (s. a. Off 10,6).

Gott spricht an diesem Tag noch ein zweites Mal. Er will die Erde als einen guten Wohnort für den Menschen zubereiten. Daher lässt Er durch ein weiteres Wort seiner Macht Pflanzen zur Nahrung aus dem Erdboden hervorkommen. Das für „hervorbringen“ gebrauchte Wort kommt in dieser Bedeutung nur hier im Alten Testament vor. Pflanzen sprießen normalerweise aus einem Samen, der in den Erdboden gefallen ist. Aber hier, wo es um die Schöpfermacht Gottes geht, kommen die Pflanzen direkt auf den Befehl Gottes hervor. Zudem kommen die Pflanzen sofort mit ihren Samen hervor. Auch das zeigt die gewaltige Schöpfermacht Gottes und seine Perfektion in allem, was Er macht.

In Vers 11 und 12 werden drei Pflanzengruppen genannt, die für den Menschen und die Tiere lebensnotwendig sind:

  1. Gras (o. „Grün“) – frisches, grünes Gras, dass den Tieren zur Nahrung dient (V. 30; Ps 104,14; Hiob 6,5).
  2. Kraut, das Samen hervorbringt – Kräuter, Gemüse und Getreide, das vor allem dem Menschen zur Nahrung dient (V. 29; 3,18; Ps 104,14).
  3. Fruchtbäume – „gute Bäume“, „Bäume zur Speise“ für den Menschen (2. Kön 3,19.25; 3. Mo 19,23; 5. Mo 20,20), die Jahr für Jahr Frucht bringen und sich durch die in den Früchten befindlichen Samen vermehren.

Die Erde muss am Ende des dritten Tages herrlich ausgesehen haben! Da, wo vorher nur ungeordnete Wassermassen waren, sind jetzt schöne Landschaften in frischem Grün mit einer wunderbaren Vegetation. Wir verstehen gut, dass es wieder heißt: „Und Gott sah, dass es gut war.“

Die geistliche Bedeutung des dritten Tages

Der dritte Tag ist der Tag der Auferstehung (Apg 10,40; 1. Kor 15,4). Das Hervorbringen der trockenen Erde weist darauf hin, wie sich das neue Leben des Gläubigen, das Auferstehungsleben, zeigt. Darüber hinaus bekommt der Gläubige an diesem Tag „trockenen Boden“ unter die Füße. Er lässt die Erfahrungen von Römer 7 hinter sich und gelangt zu Römer 8: „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,1.2). Er lernt, dass er mit Christus nicht nur gestorben, sondern auch lebendig gemacht und auferweckt ist und in Ihm versetzt ist in die himmlischen Örter (Eph 2,4-6). Das gibt Ruhe und Frieden in das Herz und ist die Voraussetzung dafür, dass sich im Leben des Gläubigen zunehmend Frucht für Gott zeigt. Davon spricht die zweite Hälfte des dritten Tages. Das neue Leben in dem Gläubigen erkennt man an den Früchten (vgl. Mt 7,20). Die „Frucht des Geistes“ und die „Frucht des Lichts“ (Gal 5,22.23; Eph 5,9) kommen mehr und mehr im Leben hervor.

Der vierte Tag

„Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Ausdehnung des Himmels, um den Tag von der Nacht zu scheiden, und sie seien zu Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten und Tagen und Jahren; und sie seien zu Lichtern an der Ausdehnung des Himmels, um auf die Erde zu leuchten! Und es wurde so. Und Gott machte die zwei großen Lichter: das große Licht zur Beherrschung des Tages, und das kleine Licht zur Beherrschung der Nacht – und die Sterne. Und Gott setzte sie an die Ausdehnung des Himmels, dass sie auf die Erde leuchten und dass sie am Tag und in der Nacht herrschen und das Licht von der Finsternis scheiden. Und Gott sah, dass es gut war. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: vierter Tag“ (1,14-19).

Mit dem vierten Tag beginnt die zweite Gruppe von drei Schöpfungstagen. In diesen Tagen werden die „Bewohner“ für die in den ersten drei Tagen entstandenen Lebensräume erschaffen. Hatte Gott am ersten Tag das Licht herbeigerufen, geht es jetzt um die Himmelslichter. Dabei fällt auf, dass in diesen Versen das Wort „schaffen“ nicht erwähnt wird. In Vers 16 heißt es, dass Gott die zwei großen Lichter „machte“. Das könnte darauf hindeuten, dass die Lichter nicht mehr geschaffen werden mussten, da es sie schon gab. Gott hatte sie in 1. Mose 1,1 schon geschaffen. Das hier für „machen“ benutzte hebräische Wort „‛âώâh“ bedeutet auch so viel wie „zubereiten o. ausrichten“. Gott setzt die Himmelskörper jetzt an ihren bestimmten Platz an der Ausdehnung des Himmels und gibt ihnen Aufgaben in Bezug auf die Erde und die Menschen auf ihr. Drei Aufgaben werden in Vers 14 und 15 genannt:

  1. Sie dienen zur Unterscheidung von Tag und Nacht.
  2. Sie dienen als Zeichen zur Orientierung und zur Bestimmung der Zeitrechnung in Tagen und Jahren und der regelmäßig wiederkehrenden Perioden in der Natur. Bis heute sind die Himmelskörper die genaueste Uhr, die es gibt.
  3. Sie sollen auf die Erde leuchten.

Zusätzlich heißt es in Vers 16 und 18 noch, dass die Sonne zur Beherrschung des Tages und der Mond, zusammen mit den Sternen, zur Beherrschung der Nacht dient. Sie „herrschen“ in dem Sinn, dass sie durch das Verbreiten ihres Lichts Einfluss ausüben. Da die Sterne, von der subjektiven Sicht der Erde, im Verhältnis zu Sonne und Mond relativ klein sind und nur geringes Licht verbreiten, werden sie hier eher beiläufig erwähnt.

Die geistliche Bedeutung des vierten Tages

Auch in der geistlichen Bedeutung laufen die zweiten drei Tage parallel mit den ersten dreien. Wenn am ersten Tag das Licht Gottes in das dunkle Herz des Sünders geleuchtet hat, prägt jetzt Christus, als das „Licht der Welt“ und die „Sonne der Gerechtigkeit“, das Leben des Gläubigen (Joh 8,12; Mal 3,20). Zudem erkennt der Gläubige, dass er verantwortlich ist, hier auf der Erde ein Zeugnis für andere zu sein. Wie die Himmelskörper sind die Gläubigen als himmlische Menschen (1. Kor 15,48) aufgerufen, sowohl gemeinsam (Mond) als auch persönlich (Sterne), in einer dunklen Welt Licht zu verbreiten. „Damit ihr untadelig und lauter seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts, unter dem ihr scheint wie Lichter (o. Sterne) in der Welt, darstellend das Wort des Lebens“ (Phil 2,14).

Der fünfte Tag

„Und Gott sprach: Es wimmeln die Wasser vom Gewimmel lebendiger Wesen, und Vögel sollen über der Erde fliegen angesichts der Ausdehnung des Himmels! Und Gott schuf die großen Seeungeheuer und jedes lebendige, sich regende Wesen, wovon die Wasser wimmeln, nach ihrer Art, und alle geflügelten Vögel nach ihrer Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Wasser in den Meeren, und die Vögel sollen sich mehren auf der Erde! Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: fünfter Tag“ (1,20-23).

Der fünfte Tag läuft parallel mit dem zweiten Tag. Am zweiten Tag trennte Gott die Wasser unten von den Wassern oben durch die Ausdehnung, die Er Himmel nannte. Nun schafft Gott Tiere, die diese Lebensräume bevölkern sollen. Er befiehlt, dass die Wasser wimmeln sollen vom Gewimmel lebendiger Wesen. „Wimmeln vom Gewimmel“ ist ein Wortspiel, das auf aktive Bewegung und eine Vielzahl hinweist (s. a. 1. Mo 7,21). „Lebendige Wesen (o. Seelen)“ sollen entstehen, d. h. lebendige Organismen, die ein Bewusstsein und Gefühle besitzen. Damit schafft Gott wieder etwas völlig Neues, das es vorher nicht gegeben hat: beseeltes Leben. Daher wird in Vers 21 auch zum zweiten Mal von „(er)schaffen“ gesprochen. Gott schafft diese Lebewesen in großer Vielfalt, sowohl was die Größe als auch die Art der Tiere betrifft. Von den Wassertieren werden die Seeungeheuer (hebr. „tannin“, „die Langgestreckten“) besonders erwähnt. Damit sind vermutlich große Tiere, wie Wale, Haie und Krokodile gemeint als auch Meeressaurier und Riesenreptilien, die es zumindest bis zur Sintflut gab.

Neben den Meerestieren erschafft Gott an diesem Tag auch die Vögel. Die „geflügelten Vögeln“ umfassen alle Tiere, die Flügel haben und fliegen können (z. B. Insekten, Fledermäuse etc.; vgl. 3. Mo 11,19.20; 5. Mo 14,19.20). Sie sollen den Luftraum bevölkern, der mit seinen beiden Grenzen (über der Erde und angesichts der Ausdehnung des Himmels) beschrieben wird, da es im Hebräischen kein Wort für Luftraum gibt.

Bei der großen und wunderbaren Vielfalt an Tieren im Meer und in der Luft, verstehen wir gut, dass es wieder heißt: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Der lebendige Gott hat Freude am Leben, an Wachstum und Vermehrung. Diese Freude zeigt sich, indem Er die geschaffenen Tiere direkt segnet und ihnen gebietet, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Den Wassertieren wird dreierlei geboten:

  1. „Seid fruchtbar“ – bringt Nachkommen hervor
  2. „mehrt euch“ – bringt häufig und viele Nachkommen hervor
  3. „füllt die Wasser“ – breitet euch aus

Die Vögel sollen sich auf der Erde (nicht in der Luft) mehren. Auch das ist passend, denn obwohl die Vögel und Insekten sich im Luftraum bewegen, pflanzen sie sich doch in der Regel auf der Erde fort.

Die geistliche Bedeutung des fünften Tages

Am zweiten Tag ging es um den Konflikt zwischen der alten und der neuen Natur des Gläubigen. Auch am fünften Tag gibt es Konflikte. Allerdings sind es hier weniger innere Konflikte, sondern schwierige Umstände, Prüfungen und Leiden im Leben des Gläubigen. Davon ist das Wasser an verschiedenen Stellen in der Bibel ein Bild (Ps 42,8; Jes 43,2.16).

Wenn der Gläubige verwirklicht, dass er dem Himmel angehört und wenn er als Licht in der Welt scheint (4. Tag), wird Widerstand seitens der Welt und seitens Satans, des Fürsten der Gewalt der Luft, nicht ausbleiben. Doch der Christ kann in einer feindlichen Welt und in schwierigen Umständen Frucht bringen und die Charakterzüge des neuen Lebens offenbaren. „Wir rühmen uns auch der Trübsale, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung“ (Röm 5,3.4).

Und ist es nicht so, dass gerade aus Zeiten der Not und Schwierigkeiten besonders viel Frucht für Gott hervorkommt? Das wird durch die wiederholt vorkommenden Ausdrücke „wimmeln“ und „mehren“ angedeutet. Paulus und Silas, die im Gefängnis in Philippi Loblieder singen konnten, sind ein Beispiel dafür (Apg 16,25). Zudem kann der Gläubige sich im Glauben wie ein Vogel über die Umstände erheben und verwirklichen, dass er ein himmlischer Mensch ist.

Der sechste Tag

„Und Gott sprach: Die Erde bringe lebendige Wesen nach ihrer Art hervor: Vieh und Gewürm und Tiere der Erde nach ihrer Art! Und es wurde so. Und Gott machte die Tiere der Erde nach ihrer Art, und das Vieh nach seiner Art, und alles, was sich auf dem Erdboden regt, nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war.

Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt! Und Gott schuf den Menschen in seinem Bild, im Bild Gottes schuf er ihn; Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen! Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch alles samenbringende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem samenbringende Baumfrucht ist: Es soll euch zur Speise sein; und allen Tieren der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, in dem eine lebendige Seele ist, habe ich alles grüne Kraut zur Speise gegeben. Und es wurde so. Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag“ (1,24-31).

Mit dem sechsten Tag beginnt der letzte Tag, an dem Gott schöpferisch tätig ist. Wie am dritten Tag, geht es auch hier um die Erde und Gott tut ein doppeltes Werk. Er erschafft die Bewohner für die Erde: zunächst die Landtiere und anschließend den Menschen. Ähnlich der Dreiteilung der Pflanzen am dritten Tag (Gras, Kraut, Fruchtbäume) wird am sechsten Tag eine Dreiteilung der Landtiere genannt:

  1. „Vieh“ – die dem Menschen nützlichen (zahmen) Haus- bzw. Nutztiere
  2. „Gewürm“ – Kriechtiere, Würmer und kleine Tiere, die sich auf dem Boden bewegen
  3. „Tiere der Erde“ – die größeren (wilden) Landtiere

Interessanterweise werden die Landtiere im Gegensatz zu den Wassertieren und Vögeln nicht von Gott gesegnet und aufgefordert, die Erde zu füllen. Sie sollen dem Menschen seinen Lebensraum nicht durch zu starke Vermehrung streitig machen, sondern ihn mit ihm teilen.

„Und Gott sah, dass es gut war“ – mit den Landtieren ist die Erde nun vollständig als Wohnort für den Menschen geschaffen. Alles ist bereit für den Höhepunkt des Schöpfungswerkes: die Erschaffung des Menschen.

Der Mensch – die Krone der Schöpfung

Wie einzigartig der Mensch und seine Position innerhalb der Schöpfung ist, wird schon in der Beschreibung seiner Erschaffung deutlich. Sie unterscheidet sich in manchen Punkten auffallend von den anderen Schöpfungsakten.

Es beginnt mit einem ganz besonderen Vorgang: „Gott sprach: Lasst uns Menschen machen.“ So hat Gott bisher nicht gesprochen. Er gibt hier keinen allgemeinen Befehl, sondern hält als der dreieine Gott sozusagen Rat mit sich selbst. So einzigartig ist der Mensch, dass seiner Erschaffung diese wunderbare „Beratung“ innerhalb der Gottheit vorausgeht.

Weiter sagt Gott, dass der Mensch „in unserem Bild, nach unserem Gleichnis“ gemacht werden soll. Auch das wird von den Tieren vorher nicht gesagt. Was bedeutet es, dass der Mensch „im Bild“ und „nach dem Gleichnis Gottes“ ist? Es bedeutet nicht, dass der Mensch äußerlich so aussieht wie Gott, denn Gott ist ein Geist (Joh 4,24) und hat keinen Körper. „Bild“ und „Gleichnis“ müssen wir geistlich verstehen.

Ein Bild stellt etwas repräsentierend dar, ist der Ausdruck von etwas. Im „Bild Gottes“ geschaffen will also sagen, dass der Mensch dazu bestimmt ist, Gott auf der Erde darzustellen und zu repräsentieren. Er ist der Stellvertreter Gottes auf der Erde. Deshalb bekam der Mensch die Herrschaft über die Schöpfung und deshalb gab Adam auch den Tieren Namen. Darüber hinaus ist der Mensch auch im „Gleichnis Gottes“ geschaffen. Das spricht von Übereinstimmung und Ähnlichkeit. Der Mensch sollte in gewissen Zügen Gott ähnlich sein. Das ist er vor allem durch den Besitz des Geistes, der ihn befähigt, mit Gott Gemeinschaft zu haben. Und vor dem Sündenfall glich Adam Gott auch darin, dass er ein reines, unschuldiges Wesen ohne Sünde war 4.

Bemerkenswert ist auch die dreimalige Wiederholung des Wortes „schuf“ in Vers 27. Bei der Erschaffung von Himmel und Erde (V. 1), sowie bei der Erschaffung des tierischen Lebens (V. 21) gebraucht Gott dieses Wort nur einmal, aber hier gleich dreimal. Auch das zeigt, dass die Erschaffung des Menschen etwas ganz Besonderes für Gott war. Abgeschlossen wird dieser Gedanke durch das Urteil Gottes ganz am Ende des Schöpfungswerkes in Vers 31. Während es vorher immer hieß, dass alles „gut“ war, heißt es dort, nachdem der Mensch erschaffen war, dass alles „sehr gut“ war.

Wir fragen uns, womit dieses große Interesse Gottes an der Erschaffung des Menschen zu erklären ist? Vor allem, wenn wir daran denken, dass sich der Mensch seiner besonderen Stellung in der Schöpfung als völlig unwürdig erwiesen hat. Wir verstehen es nur, wenn wir daran denken, dass Gott von Anfang an auf Christus, den Anfang der (neuen) Schöpfung Gottes gesehen hat. Gott hat seinen Plan mit dem Menschen nicht aufgegeben und erfüllt ihn in Christus, der das Bild Gottes, der Abdruck seines Wesens und die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit ist (Kol 1,15; Heb 1,3). Christus, der Sohn des Menschen, ist auch der, der als das „Haupt über alles“ einmal eine vollkommene Herrschaft über die Schöpfung ausüben wird (vgl. Eph 1,10; Ps 8,6-9). Wie schön ist es, schon im ersten Kapitel der Bibel so wunderbare Hinweise auf Christus zu erkennen!

Mann und Frau schuf Er sie

In Vers 27 setzt Gott seinen Beschluss nun um – der Mensch wird erschaffen. Es ist ein kurzer, aber inhaltsreicher Vers, der wichtige Wahrheiten enthält. Wir lernen, dass Gott der Schöpfer des Menschen ist, dass es nur zwei Geschlechter gibt und dass Mann und Frau unterschiedlich geschaffen worden sind. All das sind Punkte, die heute angegriffen und großenteils geleugnet werden.

Gott hat genau zwei Geschlechter – und nicht mehr – geschaffen: das männliche und das weibliche Geschlecht. Das bestätigt der Herr Jesus selbst in den Evangelien, indem Er erklärt, dass Gott den Menschen von Anfang an als „Mann und Frau“ gemacht hat (Mt 19,4; Mk 10,6). In seiner Schöpferweisheit wollte Gott diese Unterschiedlichkeit zum Guten des Menschen. An uns ist es, dies anzuerkennen und festzuhalten. Verschieden sind Mann und Frau jedoch nur in ihrem Wesen und ihrer Art, nicht in ihrem Wert vor Gott. Mann und Frau sind absolut gleichwertig, aber andersartig und einander ergänzend geschaffen worden.

Bemerkenswert ist auch die unterschiedliche Ausdrucksweise in Vers 27. Es heißt zunächst: „Gott schuf den Menschen“ (Einzahl) und anschließend: „Mann und Frau schuf er sie“ (Mehrzahl). Obwohl Eva erst eine Zeit nach Adam geschaffen wurde (wie Kapitel 2 zeigt), wird sie hier schon in Adam gesehen. Das ist einmal nötig als Einleitung zu Vers 28, wo von der Fortpflanzung des Menschen gesprochen wird. Zudem ist es ein schöner Hinweis auf die Versammlung in ihrer innigen Verbindung zu Christus. Schon vor Grundlegung der Welt hat Gott die Glaubenden, die die Versammlung bilden, in Christus gesehen und sie dazu bestimmt, die „Fülle dessen zu sein, der alles in allem erfüllt“ (vgl. Eph 1,4.23).

Segen und Aufgaben

Nachdem Gott den Menschen geschaffen hat, segnet Er ihn und macht ihn mit den Aufgaben vertraut, die Er für ihn vorgesehen hat (V. 28). Der Segen für den Menschen geht über das hinaus, was von den Tieren in Vers 22 gesagt wurde. Neben dem Auftrag, fruchtbar zu sein, sich zu mehren und die Erde zu füllen, bekommt der Mensch auch die Herrschaft über die Erde und alle Tiere. Der Segen beinhaltet zudem die nötige Kraft und Befähigung für das, was der Mensch tun soll. Gott gibt dem Menschen alles, was er braucht, um die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen.

„Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde“ – das sind die ersten Aufforderungen, die Gott an den Menschen richtet. Es ist Gottes Absicht, dass Ehepaare Kinder bekommen (1. Mo 9,1; Ps 113,9). Kinder, die nicht nur die Erde bevölkern, sondern einmal auch den Himmel. Ein Ehepaar, das mit der Absicht heiratet, keine Kinder haben zu wollen, handelt entgegengesetzt zu dem Plan Gottes für die Ehe5. Kinder sind ein Segen und eine Gabe Gottes. Das wollen wir nicht vergessen, besonders weil heute in der Gesellschaft vielfach eine ganz andere Haltung im Blick auf Kinder vorhanden ist.

Der Mensch wird auch aufgefordert und berechtigt, sich die Erde untertan zu machen und über alle Tiere zu herrschen. Das ist ein Vorrecht und zugleich eine Verantwortung. Der Mensch kann von den Schätzen der Erde genießen und ist verantwortlich, die göttliche Ordnung auf der Erde aufrechtzuerhalten. Als Bild Gottes, soll der Mensch Gott, den absoluten Herrscher über das Universum, auf der Erde repräsentieren und dabei seine Macht zur Ehre Gottes und zum Wohl seiner Schöpfung ausüben.

Der Mensch ist seinen Aufgaben nicht bzw. nur sehr unvollkommen nachgekommen. Auch diesbezüglich wird sich der Plan Gottes erst in Christus, dem letzten Adam (1. Kor 15,45) erfüllen. Durch seinen Tod am Kreuz hat Er nicht nur viel Frucht, sondern auch viele Kinder für Gott hervorgebracht. Und Er ist es, den Gott zum Herrscher über die Werke seiner Hände gemacht hat. Als solchem ist Ihm auch die absolute Macht über die Tiere, die Vögel und die Fische6 des Meeres gegeben (Ps 8,7-9), die Er vollkommen und zur Verherrlichung Gottes ausüben wird.

Nahrung

Die Verse 28 und 29 zeigen, wie Gott für Seine Geschöpfe sorgt. Als der, der in Güte „Speise gibt allem Fleisch“ (Ps 136,25), weist Gott den Menschen und den Tieren die Nahrung zu, die Er am dritten Tag dazu gemacht hatte. Für den Menschen werden das samenbringende Kraut und die Baumfrüchte bestimmt, da nur der Mensch in der Lage ist, Samen zu sammeln, zu säen und zu ernten, um sich wieder neue Nahrung zu bereiten. Die Tiere bekommen das grüne Kraut zur Speise. Erst nach der Sintflut gibt Gott dem Menschen auch Fleisch zu essen (1. Mo 9,3).

Siehe, es war sehr gut

Mit dem sechsten Tag ist das gesamte Schöpfungswerk abgeschlossen (vgl. 2. Mo 20,11; 31,17). Daher ist der sechste Tag ein besonderer Tag7. Befriedigt blickt Gott nun auf alles, was Er gemacht hat, und stellt mit Freude fest: „Und siehe, es war sehr gut.“

Die geistliche Bedeutung des sechsten Tages

Als krönender Abschluss der Schöpfung, wird am sechsten Tag der Mensch im Bild Gottes geschaffen und bekommt den Auftrag, über die Erde zu herrschen. Die höchste Stufe in der geistlichen Entwicklung des Gläubigen ist, das Christus, der „letzte Adam“ (1. Kor 15,45) ganz in ihm Gestalt gewinnt (Gal 4,19). Während der Gläubige sich am dritten Tag freut, dass er „in Christus“ ist, verliert er am sechsten Tag sich selbst ganz aus dem Auge, so dass allein Christus in ihm gesehen wird. Wenn der Herr Jesus in unserem Leben den ersten Platz und die Herrschaft hat, wenn Er in uns gesehen wird, ist das die höchste Stufe im geistlichen Wachstum (Eph 4,13.15b). Es ist der Zustand der „Väter“ in Christus, von denen Johannes als einziges Kennzeichen nennt, dass sie Den erkannt haben, der von Anfang ist – das ist der Herr Jesus (1. Joh 2,13.14).

Fußnoten

  • 1 Es ist gut möglich, dass der in Vers 2 beschriebene Zustand durch den Fall Satans eingetreten ist. Der Fall Satans wird anhand der Beschreibung des Königs von Babel in Jesaja 14 und des Königs von Tyrus in Hesekiel 28 angedeutet.
  • 2 Verschiedentlich finden wir dabei, dass der Geist Gottes in Verbindung mit einem verdorbenen Zustand tätig wird: neben der Stelle in unserem Vers beispielsweise bei der zukünftigen Wiederherstellung Israels (Hes 37,1.9.10.14) und bei der Neugeburt eines Menschen (Joh 3,6.8).
  • 3 Heute werden Tag und Nacht durch die Sonne bestimmt. Doch für den Wechsel zwischen Tag und Nacht ist lediglich eine Lichtquelle im Universum und eine rotierende Erde nötig. Beides war vom ersten Schöpfungstag an vorhanden.
  • 4 Im Gegensatz zu Gott konnte der Mensch allerdings sündigen und hat es getan.
  • 5 Anders ist es natürlich, wenn ein Ehepaar z.B. aus gesundheitlichen Gründen keine Kinder bekommen kann oder Gott den Kinderwunsch verwehrt.
  • 6 Fische lassen sich in der Regel kaum bändigen. Selbst bei Nebukadnezar, der in Daniel 2,38 große Macht über Menschen und Tiere bekam, werden die Fische nicht erwähnt. Es spricht daher von besonderer Macht, wenn man sie beherrscht. Bemerkenswerterweise hat der Herr Jesus auch während seiner Zeit als Mensch auf der Erde wiederholt mit Fischen Wunder getan (z. B. Joh 21; Mt 17,27).
  • 7 Da der sechste Tag das Schöpfungswerk abschließt, wird vermutlich auch nur an diesem Tag ein Artikel vorangestellt: der sechste Tag.
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