Christusliebe
75 anspornende Andachten
Unveränderliche Liebe
Christus – der vollkommene Bräutigam
Ich bin meines Geliebten,
und nach mir ist sein Verlangen.
Hohelied 7,11
Salomo war ein begnadeter und eifriger Dichter. Er verfasste 3000 Sprüche und 1005 Lieder (1. Kön 5,12). Von seinen Sprüchen sind viele erhalten geblieben, von seinen Liedern nur ein einziges: das „Lied der Lieder“, auch Hohelied genannt.
Dieses Lied zeigt eindrücklich die Liebe zwischen der Braut Sulamith und ihrem Bräutigam Salomo. Dabei fällt auf, dass die Liebe der Braut nicht so reif und beständig ist wie die Liebe des Bräutigams. Diesen Unterschied wollen wir jetzt etwas näher beleuchten. Wir tun es unter dem Blickwinkel, dass die Braut auf uns und unsere mangelnde Liebe hinweist, während der Bräutigam ein Bild des Herrn Jesus ist, der uns stets mit vollkommener Liebe umgibt.
Die Worte
Die Worte der Braut nehmen in diesem Bibelbuch einen deutlich größeren Raum ein als die Worte des Bräutigams. Sie kommuniziert nicht nur mit dem Bräutigam, sondern auch viel mit anderen, zum Beispiel mit den Töchtern Jerusalems (Hld 1,5.6; 5,16 etc.). Der Bräutigam dagegen redet ständig zu seiner Geliebten und offenbart ihr seine Liebe. Lediglich zweimal wendet sich der Bräutigam nicht an seine Braut (Hld 5,1b und 6,8.9). Zeigt uns das nicht, wie sehr der Bräutigam die Braut liebt und wie viel ihm daran liegt, dass sie um seine Liebe weiß?
Unsere Herzen sind oft nicht völlig auf den Herrn Jesus ausgerichtet. Das können unsere Worte auf verschiedene Weise offenbar machen. Er aber ist uns immer zugeneigt und unermüdlich bemüht, unsere Herzen auf sich und seine Liebe zu lenken (vgl. 2. Thes 3,5).
Die Erfahrungen
Was wir soeben gesehen haben, wird noch klarer, wenn wir einen weiteren Unterschied zwischen Braut und Bräutigam ins Auge fassen: Die Braut ist immer wieder mit sich und ihrer Vergangenheit beschäftigt, in der nicht alles glattgelaufen ist. Sie redet von ihren vielfältigen Erfahrungen, die sie gemacht hat, als der Bräutigam nicht an ihrer Seite war (Hld 1,5; 3,1–5; 5,2–8).
Bei dem Bräutigam ist das anders. Alles dreht sich bei ihm um die Braut. Am Tag der Vermählung ist er nicht mit seiner herrlichen Prachtsänfte und seiner schönen Krone beschäftigt, sondern ihn fesselt die Schönheit seiner Braut (Hld 3,9–4,1). Und als die Braut vor seinen Ohren davon spricht, dass sie den Ertrag ihres Weinbergs – immerhin 1000 Sekel Silber – ihrem Bräutigam geben möchte, geht er darauf gar nicht ein. Er will nicht die Silbersekel sehen, sondern ihre Stimme hören (Hld 8,12.13).
Wir sind zu oft mit uns selbst und unseren schmerzlichen Erfahrungen beschäftigt. Wir sollten mehr von uns und von allem anderen wegsehen, hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens (Heb 12,2).
Der Herr Jesus zeigt uns vollkommen, was es bedeutet, völlig zu lieben. Besonders deutlich wird das in den letzten Stunden seines Lebens auf der Erde. Als der Heiland darüber bestürzt war, dass einer seiner Vertrauten Ihn überliefern würde, sagte Er zu den Jüngern: „Euer Herz werde nicht bestürzt“ (Joh 13,21; 14,1). Und als Er verhört wurde und Ihn viele hasserfüllte Augen anstarrten, blickte Er seinen gestrauchelten Jünger Petrus an und bahnte ihm damit den Weg zur Wiederherstellung. Am Kreuz hängend, betete Er für seine rücksichtslosen Feinde, sorgte für seine Mutter und tröstete den bußfertigen Schwerverbrecher mit der Aussicht auf das himmlische Paradies. Das ist selbstlose Liebe!
Das Aussehen
Von der Braut lesen wir, dass sie einen Makel hat: Sie beklagt die starke Bräunung und Verbrennung ihrer Haut, die sie sich bei unfreiwilligen Arbeiten in den Weinbergen zugezogen hat (Hld 1,5). Von dem Bräutigam aber wird gesagt, dass er „weiß und rot“ sei; er sieht gesund und vital aus, die Sonne hat ihn nicht verbrannt (Hld 5,10; vgl. Klgl 4,7.8). Der Bräutigam redet jedoch niemals über das, was ihn an der Braut stören könnte. Er sagt vielmehr: „Ganz schön bist du, meine Freundin, und kein Makel ist an dir“ (Hld 4,7).
Wir wissen, dass wir nicht makellos sind. Die Sünde ist in uns und wir alle straucheln oft (1. Joh 1,8; Jak 3,2). Die Spuren unseres Versagens können wir nicht leugnen. Der Herr Jesus, der selbst völlig ohne Makel ist, übersieht gewiss nicht die Flecken und Runzeln seiner Braut (Eph 5,27). Aber ist es nicht die Freude seines Herzens, uns immer wieder durch sein Wort auf die herrliche Position hinzuweisen, in die Er uns durch sein vollkommenes Opfer gebracht hat (vgl. Heb 10,14; Eph 1,4)? Und nicht nur das: Seine Liebe stellt auch gern das heraus, was in unserem Leben zu Gottes Ehre ist. So sagte Er zu den Jüngern, nachdem sie sich gestritten hatten, wer für den Größten zu halten sei: „Ihr seid es, die mit mir ausgeharrt haben in meinen Versuchungen“ (Lk 22,28). Diese Liebe ist heute ebenso bereit, jede moralische Schönheit in den Seinen anzuerkennen!
Die Erkenntnis
Die Braut weiß manchmal nicht, wo sich ihr Bräutigam befindet. Sie fragt darum nach, wo er in der Mittagszeit weidet, wo er lagert (Hld 1,7). Zweimal irrt sie sogar zu später Stunde in der Stadt umher, wo sie ihren Geliebten verzweifelt sucht (Hld 3,1–3; 5,6–8). Der Bräutigam ist nicht unwissend – er weiß immer, wo sich seine Braut aufhält, und im passenden Augenblick taucht er auf. Der Bräutigam ist offensichtlich völlig mit den Gedanken und Gewohnheiten seiner Geliebten vertraut.
Weil wir die Gedanken unseres Herrn nicht gut verstehen, irren wir manches Mal durchs Leben, ohne die enge Gemeinschaft mit Ihm zu genießen. Wir gehen, wie die Emmaus-Jünger, niedergeschlagen durch die Zeit. Doch Er kennt uns, ist mit allen unseren Wegen vertraut und sucht die Gemeinschaft mit uns. Dabei drängt Er sich nicht auf: Er wartet darauf, dass wir Ihm die „Türe öffnen“ (vgl. Hld 5,2.4; Lk 24,28.29; Off 3,20).
Die Beständigkeit
Bei der Braut sehen wir Fortschritte: Sie lernt, die Liebe des Bräutigams immer mehr wertzuschätzen. Drei Stellen aus dem Hohelied zeigen ihr Wachstum: „Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein, der unter den Lilien weidet“ (Hld 2,16). Und: „Ich bin meines Geliebten; und mein Geliebter ist mein, der unter den Lilien weidet“ (Hld 6,3). Schließlich rückt das, was sie in ihm hat, aus dem Gesichtskreis: „Ich bin meines Geliebten, und nach mir ist sein Verlangen“ (Hld 7,11).
Wir sehen bei der Braut nicht nur, dass ihre Liebe sich entwickelt, sondern auch, dass ihre Liebe schwankt. So sagt sie einerseits zweimal zu den Töchtern Jerusalems, dass sie vor Liebe krank sei (Hld 2,5; 5,8); andererseits lesen wir zwischen diesen Worten, dass sie wenig liebevoll ihren Bräutigam abweist, der erwartungsvoll an die Tür ihres Hauses klopft und um Einlass bittet (Hld 5,2).
Bei dem Bräutigam bemerken wir weder Wachstum in der Liebe noch erkennen wir Schwankungen: Die Flamme seiner Liebe brennt beständig mit voller Intensität (vgl. Hld 8,6.7). Als seine Braut ihm aus Bequemlichkeit die Tür nicht öffnet, gibt er ihr sofort ein deutliches Zeichen seiner Liebe (Hld 5,5). Und als die Braut ihn einige Zeit später findet, macht er ihr keine Vorwürfe, sondern spricht wertschätzende Worte zu ihr, die denen entsprechen, die er vor ihrer Zurückweisung geäußert hat (siehe Hld 6,4–9; vgl. Hld 1,15; 4,1–5).
Wenn wir an wechselhafte Liebe denken, gehen unsere Gedanken rasch zu dem Apostel Petrus. Dieser Mann war „krank vor Liebe“, als er seinem Herrn Treue bis in den Tod schwor und Ihn mit dem Schwert in aussichtsloser Lage verteidigen wollte. Doch gerade er war es auch, der seinen Herrn dreimal schmählich verleugnete und keinen Funken Liebe zeigte. Als der Meister ihn nach seiner Auferstehung dreimal fragte, ob er Ihn liebe, antwortete er schließlich traurig: „Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe“ (Joh 21,17). Es ist, als würde Petrus sagen: „Ich habe dich lieb, obwohl ich das nicht gezeigt habe und es für niemand sichtbar war. Aber weil du allwissend bist, erkennst du unter dem Schutt meines Versagens doch meine Liebe, die du durch deine eigene Liebe in mir entfacht hast.“ Auch wir sollten solche Empfindungen haben, denn unsere Liebe ist oft kalt, schwankend und manchmal unsichtbar.
Aber die Liebe des Herrn Jesus ist unveränderlich, denn Er ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit (Heb 13,8). Die Liebe, die Er heute zu uns hat, ist die Liebe, die Er „gestern“ am Kreuz gezeigt hat und mit der Er uns bald in der Herrlichkeit ewig umgeben wird. Nur wenn wir in seiner Liebe bleiben, wird unsere Liebe zu Ihm wachsen und nicht mehr so vielen traurigen Schwankungen unterworfen sein.