Von Babel nach Jerusalem
Eine Studienhilfe zum Buch Esra

Einführung

Auf eine ausführliche Einleitung zum Buch Esra wird an dieser Stelle bewusst verzichtet. Ich verweise an dieser Stelle auf eine separate und ausführliche Abhandlung, die ebenfalls auf www.bibelkommentare.de erschienen ist.1 Deshalb hier nur einige kurze Gedanken:

Das Buch Esra führt uns in die Zeitverhältnisse unmittelbar nach der babylonischen Gefangenschaft und beschreibt zwei unterschiedliche Rückführungen von Juden, die von Babylon nach Jerusalem zogen. Im ersten Teil des Buches (Kapitel 1–6) erfahren wir, was unter der Leitung Serubbabels und Jeschuas passierte. Der zweite Teil des Buches (Kapitel 7–10) zeigt, was unter der Leitung Esras geschah. Das Buch spricht jeden Leser an, und das nicht nur wegen seines Inhalts, sondern ebenfalls durch die handelnden Personen.

Das Buch Esra beschreibt chronologisch, wie ein Überrest der aus Babel zurückgekehrten Juden den Tempel in Jerusalem wiederaufbaute, den die Babylonier Jahrzehnte vorher unter Nebukadnezar zerstört hatten. Die eigentliche Ursache für ihre Deportation lag jedoch in der Untreue Judas, die sich von ihrem Gott abgewandt hatten. Das Buch trägt den Namen Esras, weil er der inspirierte Schreiber ist und selbst eine entscheidende Rolle im zweiten Teil des Buches spielt. Der Wiederaufbau des Tempels wird ebenso vollständig beschrieben, wie das folgende Buch Nehemia den Wiederaufbau der Stadtmauer beschreibt.

Die Botschaft des Buches Esra ist einfach und gut verständlich für jeden, der es aufrichtig liest. Die Botschaft ist zugleich aufrüttelnd und herausfordernd. Der geschilderte Zeitabschnitt in der Geschichte des irdischen Volkes Gottes enthält wichtige Belehrungen für jeden Leser – damals wie heute. Wir wollen uns dabei vor allem die Frage stellen, was wir heute von den Geschehnissen lernen können, die in dem Buch beschrieben werden. Was bedeutet es für uns, Babylon zu verlassen und nach „Jerusalem“ zu gehen, um den „Tempel Gottes“ zu bauen? Welche Reaktion ruft es in unserem Leben hervor, wenn das Wort Gottes zu uns spricht und Missstände aufdeckt, die wir zugelassen haben? Wir werden sehen, wie aktuell die Botschaft des Buches Esra ist.

Der Bericht der Wegführung der Juden aus ihrem Land ist traurig und demütigend. Die Rückkehrer werden siebenmal „Kinder der Wegführung genannt“ (Kap 4,1; 6,16.19.20; 8,35; 10,7.16). Dieser Ausdruck spricht von Schwachheit, denn er zeigt, dass das Volk damals kein freies Volk war, sondern unter der Herrschaft der Nationen stand. Der Bericht über die Rückkehr des Überrestes der Juden macht hingegen Mut, weil er Gottes Werk zeigt. Es fällt auf, dass der Überrest in diesem Buch wiederholt mit „Israel“ identifiziert wird, obwohl es nur einige wenige aus den Stämmen Juda und Benjamin waren. Gott sah diese wenigen als Repräsentanten des ganzen Volkes. Dreimal kommt sogar der Ausdruck „ganz Israel“ vor (Kap 2,70; 6,17; 8,35). Es war eine Zeit „kleiner Dinge“ (Sach 4,10) und einer „kleinen Kraft“ (Off 3,8), die wir jedoch nicht verachten sollten, weil Gott gerade in dieser Zeit zugleich ein „großes Werk“ hatte (Neh 6,3). Das gilt bis heute unverändert. Wo zwei oder drei zu dem Namen des Herrn hin versammelt sind, gilt unverändert seine Zusage, in der Mitte zu sein (Mt 18,20). So können wir heute „Versammlung Gottes“ bauen und realisieren.

Der Name des Buches Esra leitet sich aus der Hauptperson des zweiten Teils des Buches ab, den wir noch einmal in Nehemia 8 und 12 finden. Da er als Verfasser des ganzen Buches gilt, trägt das Buch seinen Namen. Der Name bedeutet „Hilfe“. Das war er in doppelter Hinsicht: Erstens wurde Esra durch Gottes Gnade tatsächlich eine Hilfe für andere. Er war ein gutes Vorbild. Er motivierte. Er korrigierte. Zweitens erinnert sein Name daran, dass Gott die große Hilfe für Esra war, um seinen Dienst zu tun. Gott war es, der hinter den Kulissen dafür sorgte, dass sein Volk wieder in das Land seiner Väter zurückkehren konnte. Esra wusste, dass die „gute Hand Gottes“ mit ihm und über ihm war (Esra 7,9; 8,18), d. h. Gott stärkte und schützte ihn.

Gliederung

Das Buch Esra teilt sich in zwei große Teile, die durch einen Zeitabstand von knapp 60 Jahren voneinander getrennt sind.2

Der erste Teil (Kapitel 1–6) beschreibt die erste Rückkehr der Exiljuden unter Serubbabel (dem politisch Verantwortlichen) und Jeschua (dem Priester) sowie den Bau des Altars und des Tempels. Der zweite Teil (Kapitel 7–10) beschreibt die zweite Rückkehr der Exiljuden unter Esra und dessen Wirken unter dem Volk.3

Im Detail kann man das Buch Esra wie folgt gliedern:

Teil A: Rückkehr eines Überrestes unter Jeschua und Serubbabel: Kapitel 1–6
(ca. 538–516 v. Chr.)

Kap 1: Erweckung eines Überrestes durch den Rückkehrerlass des Königs Kores

  • Verse 1–4: Der Erlass des Königs Kores
  • Vers 5–11: Die Rückkehrer werden unterstützt

Kap 2: Rückkehr aus Babel

  • Verse 1–58: Aufzählung der Zurückkehrenden
  • Verse 59–63: Unklare Verhältnisse
  • Verse 64–70: In Jerusalem angekommen

Kap 3: Bau des Altars und Beginn des Tempelbaus

  • Verse 1–6: Der Altar wird an seiner Stelle gebaut
  • Verse 7–13: Die Grundlage zum Tempelbau wird gelegt

Kap 4: Widerstand durch Feinde und Unterbrechung des Tempelbaus

  • Verse 1–5: Widerstand der Feinde
  • Verse 6–16: Die Anklageschrift an die Könige Ahasveros und Artasasta
  • Verse 17–24: Die Antwort des Königs und der vorläufige Baustopp

Kap 5: Prophetendienst, Neuanfang und erneuter Widerstand

  • Verse 1–2: Der Dienst der Propheten und sein Ergebnis
  • Verse 3–17: Erneuter Widerstand der Feinde und Anklage vor König Darius

Kap 6: Der Tempelbau wird vollendet

  • Verse 1–13: Die Prüfung des Königs und seine Antwort
  • Verse 14–18: Das Haus wird vollendet und eingeweiht
  • Verse 19–22: Das Passah und das Fest der ungesäuerten Brote

Teil B: Rückkehr unter Esra: Kapitel 7–10 (ca. 458–445/443 v. Chr.)

Kap 7: Esras Reise und der königliche Empfehlungsbrief

  • Verse 1–10: Esra reist nach Jerusalem
  • Verse 11–26: Artasasta schreibt einen Brief
  • Verse 27–28: Esra dankt seinem Gott

Kap 8: Die Rückkehrer und ihre geistliche Verfassung

  • Verse 1–14: Esras Reisebegleiter
  • Verse 15–30: Versammlung und Vorbereitung am Fluss Ahawa
  • Verse 31–36: Esra und seine Begleiter kommen in Jerusalem an

Kap 9: Esras Beugung und Gebet über den traurigen Zustand im Volk

  • Verse 1–4: Esra trauert über den Zustand des Volkes
  • Verse 5–15: Esra betet zu seinem Gott

Kap 10: Rettung durch Trennung vom Bösen

  • Verse 1–6: Das Gebet Esras zeigt Wirkung
  • Verse 7–15: Eine Versammlung wird einberufen
  • Verse 16–17: Das Böse wird gerichtet
  • Verse 18–44: Die Übertreter werden verzeichnet

Fußnoten

  • 1 E. A. Bremicker: Einführung in das Buch Esra (in: www.bibelkommentare.de)
  • 2 Zwischen dem zweiten Teil von Esra und den Ereignissen, die im Buch Nehemia beschrieben werden, liegt hingegen nur eine Zeitspanne von gut 10 Jahren.
  • 3 In der Zeit zwischen diesen beiden Teilen finden die im Buch Esther beschriebenen Ereignisse statt. In diese Zwischenzeit fallen ebenfalls die in der weltlichen Geschichte berühmten Schlachten von Marathon, an den Thermopylen und von Salamis.
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