Fragen zu biblischen Themen

Sünde der Welt wegnehmen

Fragen zu biblischen Themen

Frage: In Johannes 1 wird uns der Ausspruch Johannes’ des Täufers über den Herrn Jesus wiedergegeben: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!“ (Vers 29). Seit Jugend auf bin ich mit diesem Vers vertraut und weiß dennoch nicht recht, was er bedeutet. Worauf erstreckt sich das Wegnehmen der Sünde: tatsächlich auf die ganze Welt? Oder nur auf die Welt der Gläubigen? Und was bedeutet eigentlich

„wegnehmen“? Mir ist bekannt, dass dieser Vers von Irrlehrern zur Stützung ihres Gedankens benutzt wird, dass einmal die ganze Welt „errettet“ werden wird.

Antwort: Zuerst sei darauf hingewiesen, in welchem Charakter Johannes von dem Herrn Jesus spricht. Er sieht Ihn als „das Lamm Gottes“. Das ist nicht etwa nur ein Ausdruck Seiner Sanftmut und Demut, wie manche einschränkend erklärt haben, sondern der Hinweis darauf, dass Er von Gott als Lamm zuvorerkannt war, um das Opfer für die Sünde zu werden (1. Pet 1, 19.20). Das ist die Grundlage, auf der das weit reichende Ergebnis – das Wegnehmen der Sünde der Welt – beruht.

Was nun dieses Ergebnis angeht, so ist es sehr aufschlussreich zu sehen, was Gottes Wort an dieser Stelle nicht sagt. Es heißt nicht „die Sünden der Welt“; auch nicht „die Schuld der Welt“. Das eine wie das andere würde bedeuten, dass die Sünden, die Schuld aller Menschen vergeben würden. Das aber sagt die Heilige Schrift auch nicht an einer einzigen Stelle. In unserem Vers ist von der Sünde als solcher die Rede – als einem Zustand, der allen Kindern Adams von Natur aus eigen ist.

Davon zu unterscheiden sind die Sünden, durch die sich die Menschen vor Gott schuldig gemacht haben. Am Ende von Hebräer 9 werden beide Begriffe klar voneinander unterschieden (Sünde: Verse 26, Sünden: Vers 28). Wir kommen später noch einmal darauf zurück.

Sodann ist die Zeitform zu beachten, die hier gebraucht wird. Es wird nicht gesagt, dass Er es tun wird, noch weniger, dass Er es getan hat. „Er nimmt weg“ ist Gegenwartsform. Wie so oft – gerade in den Schriften des Apostels Johannes – wird die Gegenwartsform dazu benutzt, um eine abstrakte, von jedem Umstand und jeder Zeit losgelöste Aussage zu treffen; um eine Wahrheit zu zeigen, wie sie wirklich, grundsätzlich ist. Nun, dies ist kennzeichnend für das Lamm Gottes – mit aller Ehrerbietung sei es gesagt: Es nimmt die Sünde der Welt weg. Zu erklären, wann und auf welche Weise das geschehen würde, war nicht die Aufgabe des Vorläufers des Herrn.

„Sünde der Welt“ – man darf das nicht mit den „Sünden der Gläubigen“ gleichsetzen, um so eine einfacher scheinende Erklärung zu finden. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Schrift von einer „Welt der Gläubigen“ spricht. „Welt der Gottlosen“, das wird gesagt (2. Pet 2, 5). Nein, der Ausdruck „Sünde der Welt“ bezeichnet den Zustand, in dem die Welt (der Menschen) seit dem Sündenfall ist. Von diesem Zeitpunkt an ist Sünde in der Welt, und Gott hat sich gleichsam darauf eingestellt und Maßnahmen dafür getroffen. Bis heute verhält es sich so.

Doch dieser Zustand wird nicht immer so bleiben. Aufgrund Seines Opfers und Werkes am Kreuz wird Christus im Charakter des Lammes Gottes einmal die Sünde vor dem Auge Gottes wegschaffen, völlig wegnehmen. Dieses Ergebnis wird erst im ewigen Zustand erreicht sein. Wenn es einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt, wird das Weltall Gottes gänzlich frei von Sünde sein. Es wird ausdrücklich gesagt: „Keinerlei Fluch wird mehr sein. … Nacht wird nicht mehr sein“ (Off 22, 3.5). Jede Spur von Sünde, jede Erinnerung an Sünde wird auf ewig verschwunden sein. Die Gottlosen, die in ihren Sünden gestorben sind, werden gerichtet und für immer an den Ort gebracht sein, an dem sich auch der Satan und seine Engel befinden, dem Feuersee (Off 20, 10–15; 21, 8). Die Gerechten aber haben teil an der neuen Schöpfung, und in dieser gibt es keine Sünde mehr. In beiderlei Hinsicht ist die Sünde dann endgültig vor dem Auge Gottes weggetan, so wie es Seine Heiligkeit erfordert. Es ist das Werk das Lammes Gottes. Wir finden denselben Gedanken in der schon erwähnten Stelle in Hebräer 9, wo von der Abschaffung der Sünde durch Sein Opfer gesprochen wird (Vers 26).

Davon zu unterscheiden ist das Tragen der Sünden derer, die an Ihn glauben, was Christus durch Sein Opfer ebenfalls getan hat (Vers 28). Damit sind wir bei einem Gesichtspunkt, den ich abschließend noch erwähnen möchte: der stufenweisen Verwirklichung des Endergebnisses durch den Glauben.

Im Blick auf uns, die Gläubigen der Gnadenzeit, ist das „Wegnehmen der Sünde“ schon Wirklichkeit geworden, und zwar in dem besonderen Sinn, dass uns die Sünden vergeben wurden (1. Joh 2, 12). Gott sieht sie nicht mehr. Und noch immer lässt Er in Seiner Gnade die Botschaft des Heils verkündigen, „dass jeder, der an ihn (Christus) glaubt, Vergebung der Sünden empfängt durch seinen Namen“ (Apg 10, 43). Das vollbrachte Werk des Lammes Gottes „gestattet“ es Ihm, so zu handeln.

Später, wenn einmal die Zeit des Tausendjährigen Reiches kommt, wird eine weitere Seite des „Wegnehmens der Sünde“ in Erscheinung treten und die Menschen beglücken: „… dass auch die Schöpfung selbst freigemacht werden wird von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8, 21).

Das volle Ergebnis des Werkes des Herrn wird jedoch, wie bereits beschrieben, erst im ewigen Zustand erreicht sein, wenn in den neuen Himmeln und auf der neuen Erde „Gerechtigkeit wohnt“ (2. Pet 3, 13). Dann herrscht sie nicht nur, sondern sie wohnt dort.

Wer könnte die Ergebnisse, die wir kurz gestreift haben, auch nur annähernd erfassen und würdigen! Wer dem Lamm Gottes je genug dafür danken, dass es auf dem Kreuz von Golgatha die Grundlage dazu gelegt hat, dass Sünde in dem Universum Gottes einmal nicht mehr vorhanden sein wird! Wir werden jene Szenen der Herrlichkeit bewohnen, ihr Mittelpunkt aber wird in Ewigkeit das Lamm Gottes sein. Ihm gilt schon heute unsere Anbetung.

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