Fragen zu biblischen Themen
Sittlich und lehrhaft Böses
Frage: Es wird öfter gesagt, dass Irrlehre etwas „Schlimmeres“ sei als sittlich Böses. Ist das richtig, und wenn ja, warum?
Antwort: Wenn auch in den Augen Gottes Sünde immer Sünde bleibt und mit Seinem Wesen unvereinbar ist, so macht doch Gottes Wort selbst gewisse Unterschiede. Es gibt zum Beispiel
„Sünde zum Tode“, auf die Gott in Seinen Regierungswegen den zeitlichen Tod bringt; und es gibt Sünde, die „nicht zum Tode“ ist (1. Joh 5, 16.17). Sünde kann eben einen mehr oder weniger offensiven, schädigenden, Gott beleidigenden Charakter tragen. Die eine Sünde kann sich verheerender auswirken als die andere. Dabei ist nicht so sehr an die Auswirkung auf die eigene Person gedacht, sondern mehr an den Einfluss, den sie auf andere ausübt. Sünde in sittlicher Hinsicht kann sehr wohl auch auf die eigene Person oder das eigene Leben einen geradezu zerstörerischen Einfluss nehmen. Schriftstellen wie Römer 1, 24–27 und 1. Korinther 6, 15–18 zeigen das unmissverständlich: „Wer aber hurt, sündigt gegen seinen eigenen Leib.“
Aber der Einfluss von sittlich Bösem auf andere ist nicht in gleichem Maß verhängnisvoll wie von lehrhaft Bösem. Im Allgemeinen wird sittlich Böses einigermaßen leicht als böse erkannt und eingestuft – wenigstens von Kindern Gottes. Wenn auch heute die sittlichen Maßstäbe in der christlichen Welt auf fast unglaubliche Weise verbogen, ja, degeneriert sind, so wird doch noch manche Form von sittlich Bösem von den Menschen als falsch oder schlecht empfunden. Wir müssen bei „sittlich Bösem“ nicht nur an die groben Sünden denken, von denen eben gesprochen wurde, sondern auch an alles, was in sittlicher Hinsicht verderbt ist, wie Lüge, Unehrlichkeit, Meineid, Jähzorn, Neid, Zank, Totschlag und dergleichen mehr. Die Heilige Schrift nennt das alles „Werke des Fleisches“ (Gal 5, 19–21). Es ist ›Sauerteig‹ in sittlichem Sinn (1. Kor 5, 6).
Geht es jedoch um falsche Lehre in Bezug auf göttliche Dinge, also um ›Sauerteig‹ in lehrmäßiger Hinsicht (Gal 5, 9), so haben verständlicherweise Weltmenschen dafür überhaupt keinen Sinn. Aber selbst Kinder Gottes legen bei Berührung mit falscher, böser Lehre oft eine eigenartige Gleichgültigkeit an den Tag, die umso verwunderlicher ist, als sie doch wissen sollten, wie gefährlich sie ist.
Und warum ist sie so gefährlich? Weil Satan sie benutzt, um die Grundlagen unseres Glaubens, ja, die Person und das Werk unseres Herrn und Erlösers selbst anzugreifen und zu zerstören. Der Widersacher Gottes und der Menschen weiß sehr genau – und oft besser als die Gläubigen –, dass, wenn ihm die Zerstörung der gesunden Lehre (1. Tim 1, 10; 2. Tim 4, 3) gelingt, die Grundlage für ein gesundes Glaubensleben mit untergraben wird. Und ist erst einmal das Vertrauen zu Gott und der Glaube an den Herrn Jesus Christus erschüttert, wer könnte dann das Ende des Weges absehen? Wenn nicht die Gnade Gottes ebenfalls wirksam wäre (Tit 2, 11.12), es wäre verhängnisvoll!
Die Gefährlichkeit des lehrhaft Bösen liegt in erster Linie darin begründet, dass es vielfach nicht ernst genommen, als zweitrangig angesehen wird. Doch woher kommt diese Gleichgültigkeit mancher Kinder Gottes gegenüber böser Lehre? Warum nehmen sie sie so leicht? Die Antwort darauf ist zweifach. Zuerst tut sich darin eine gewisse Interesselosigkeit gegenüber dem Herrn und Seiner Ehre kund, ein Mangel an Liebe zu Ihm. Das mag nicht so gesehen werden, aber das ist einer der beiden Gründe – ein Grund, der uns demütigen muss. Wenn wir unseren Herrn und Erlöser lieben, der sich für uns in den Tod gegeben hat, dann kann es uns nicht gleichgültig lassen, wenn Seine gesegnete Person angegriffen oder verunglimpft wird. Wir müssen verstehen lernen, dass das Ziel Satans in erster Linie nicht ist, dem Gläubigen zu schaden, sondern Christus die Ihm zustehende Ehre und Verherrlichung zu rauben. Und weil Christus der Mittelpunkt der Heiligen Schrift und ihrer Lehre ist, lässt er nichts unversucht, die Lehre des Wortes Gottes zu verfälschen und sie durch Lehren von Dämonen zu ersetzen (1. Tim 4, 1).
Ein zweiter Grund liegt in der Denkweise der Menschen, nicht nur der modernen. Gerade der gebildete Mensch sieht es als engherzig und unduldsam an, wenn er die Meinung eines anderen nicht stehen ließe, sondern alles verurteilte, was nicht der eigenen Ansicht entspricht. So sehr Duldsamkeit gegenüber Andersdenkenden manchmal am Platz sein mag, so gefährlich kann sie werden, wenn es sich um die Grundlagen der christlichen Lehre, wenn es sich um den „einmal den Heiligen überlieferten Glauben“ handelt (Jud 3). Dann müssen wir dafür „kämpfen“, und das ist das Gegenteil von Duldsamkeit. Die Lehre des Wortes Gottes ist eben nicht nur ein Gedankengebilde des menschlichen Geistes, womit man großzügig verfahren kann, sondern der absolute Ausdruck des Willens Gottes (Kol 1, 9).
Dass Gott selbst einen Unterschied zwischen sittlich Bösem und lehrhaft Bösem sieht, macht ein Vergleich zwischen dem ersten Brief an die Korinther und dem Brief an die Galater deutlich. Obwohl unter den Gläubigen in Korinth ernstes Versagen in sittlicher Hinsicht vorhanden war, konnte der Apostel Paulus doch zu Anfang des Briefes manches Lobenswerte von ihnen hervorheben. Auch finden sich am Ende des Briefes Grüße. Selbst der Gruß mit seiner, des Paulus, Hand, fehlt nicht. Das alles suchen wir im Brief an die Galater vergeblich, wo Sauerteig der Lehre das von Paulus verkündigte Evangelium verdarb.
Abschließend sei noch davor gewarnt, jede fremde Lehre sogleich als Irrlehre einzustufen. Gottes Wort spricht von „anderen Lehren“ (1. Tim 1, 3), „fremden Lehren“ (Heb 13, 9), „Lehren der Menschen“ (Kol 2, 22) und „Lehren von Dämonen“ (1. Tim 4, 1). Diese Lehren haben alle Satan zum Ursprung, sie alle können in direkte Irrlehre münden. Irrlehre liegt dann vor, wenn die Grundlagen des Christentums, wenn die Person Christi und Sein Werk angegriffen werden (2. Joh 7.11).