Fragen zu biblischen Themen
Einander erkennen im Himmel
Frage: Werden wir uns im Himmel kennen, auch entsprechend den Beziehungen, in denen wir hier auf der Erde zueinander standen? Werden zum Beispiel Kinder ihre eigenen Eltern erkennen? Wird der Mann besondere Freude darüber haben, seine Frau zu sehen?
Antwort: Fragen dieser Art werden immer wieder gestellt. Tatsächlich sind sie auch nicht unwichtig. Beim Nachdenken darüber müssen wir uns allerdings vor Spekulationen hüten, damit wir nicht in unserer Einbildungskraft über das hinausgehen, was „geschrieben steht“. Tatsächlich wird uns in der Heiligen Schrift nur sehr wenig über das Leben im Himmel mitgeteilt; doch ist es genug, um uns Licht über diesen Gegenstand zu geben. In der Hauptsache handelt es sich in der Fragestellung um zwei Fragen. Die eine berührt die Identität (Wesensgleichheit, Unverwechselbarkeit) der einzelnen Personen, die andere betrifft bestimmte menschliche Beziehungen.
Dass die persönliche Identität auch im Himmel gewahrt bleiben wird, geht aus einer Reihe von Schriftstellen hervor. Nehmen wir nur einmal das Beispiel Abrahams. Derselbe Abraham, der einst im Land Kanaan vor Gottes Angesicht wandelte, wird einmal in jener „Stadt“ sein, „die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ (Heb 11, 10). Es ist dieselbe Person, wie verschieden ihre Lebensbedingungen und Lebensäußerungen im himmlischen Reich oder im ewigen Zustand auch sein werden; denn Gott hat gesagt: „Siehe, ich mache alles neu“ (Off 21, 5).
Was die irdischen Beziehungen angeht, so haben wir das Vorrecht, aus dem Mund unseres Herrn selbst die Antwort darüber zu erfahren: Sie werden im Himmel nicht mehr bestehen. Einmal kamen die Sadduzäer zu Ihm. Sie behaupteten ja, es gebe weder Auferstehung noch Engel, noch Geist (Apg 23, 8). In der Absicht, den Herrn in der Frage der Auferstehung in Verlegenheit zu bringen, legten sie Ihm einen von ihnen selbst konstruierten Fall vor: Eine Frau habe auf der Erde nacheinander nicht weniger als sieben Männer gehabt. Auf ihre hämische Frage „Welchem von ihnen wird sie in der Auferstehung zur Frau sein?“ antwortete Er mit den entwaffnenden Worten: „Die Söhne dieser Welt heiraten und werden verheiratet; die aber für würdig erachtet werden, jener Welt teilhaftig zu sein und der Auferstehung aus den Toten, heiraten nicht, noch werden sie verheiratet; denn sie können auch nicht mehr sterben, denn sie sind Engeln gleich und sind Söhne Gottes, da sie Söhne der Auferstehung sind“ (Lk 20,34–36). Damit macht Er deutlich, dass Verhältnisse wie die Ehe, die für die Erde gegeben sind, im Himmel keine Bedeutung mehr haben werden. Die Söhne der Auferstehung werden Engeln gleichen und wie diese unsterblich und geschlechtslos sein.
Zugleich zeigt der Herr aber auch, dass die Identität der Gläubigen auch dann unverändert bleibt, wenn sie den Tod erleiden und die Auferstehung noch nicht stattgefunden hat. Obwohl ihr Körper in der Erde ruht und nur ihre Seele im Himmel, im Paradies ist, so bleiben doch die Personen als solche dieselben. Deswegen kann Mose den Herrn „den Gott Abrahams und den Gott Isaaks und den Gott Jakobs“ nennen (Vers 37). Er ist nicht Gott der Toten, sondern der Lebenden, denn für Ihn leben alle – mit demselben Namen und in derselben Persönlichkeit, die sie auf der Erde auszeichneten.
Auch der reiche Mann im Hades erkannte sowohl den „Vater Abraham“ als auch Lazarus in dessen Schoß (Kap. 16, 23). Er hatte Abraham nie gesehen, und doch erkannte er ihn. Auf dem Berg der Verklärung sehen wir dasselbe. Die unverwechselbaren Persönlichkeiten des Mose und Elia erscheinen mit dem Herrn in Herrlichkeit, und die Jünger erkennen sie (Kap. 9, 30–33). Es sind dieselben Personen, und sie tragen dieselben Namen wie zur Zeit, als sie auf der Erde lebten. Schließlich sagt auch der sterbende Heiland zu dem gläubig gewordenen Verbrecher: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (Kap. 23, 43). Diese Verheißung erfüllte sich an ihm noch an demselben Tag, wenn auch der Körper daran noch keinen Anteil hatte.
All diese Beispiele betreffen den „Zwischenzustand“ vor der Auferstehung. Dass die Identität der Person auch dann völlig gewahrt bleibt, wenn wir in der Auferstehung einen Herrlichkeitsleib, einen „geistigen Leib“, bekommen, machen die Verse 35–44 in 1. Korinther 15 deutlich. In dieser Gewissheit konnte sich der Apostel Paulus darauf freuen, die Gläubigen aus Thessalonich, die durch seinen Dienst zum Glauben gekommen waren, einst als seine „Freude und Krone des Ruhmes“ in Herrlichkeit wiederzusehen (1. Thes 2, 19.20).
Es ist wahr, dass irdische Beziehungen in der Herrlichkeit keine Rolle spielen werden, weil sie einfach nicht mehr bestehen. Aber das, was wir in ihnen auf der Erde mit Christus erlebt haben, bleibt. Der Mann wird seine Frau und die Frau wird ihren Mann im Himmel wiedersehen. Doch sie stehen nicht mehr in dem Verhältnis von Mann und Frau zueinander. Trotzdem bleibt das, was sie miteinander in Christus erlebt haben, ewig bestehen – weil alles, was von Gott kommt, ewigen Bestand hat. Es ist ein beglückender Gedanke. Selbst der Herr Jesus, jetzt in der Herrlichkeit, hat Seine irdischen Erfahrungen von einst nicht vergessen. Sie bilden vielmehr die Grundlage für Seinen hohenpriesterlichen Dienst an uns heute (Heb 2, 18; 4, 15).
Bei all diesen Erwägungen wollen wir indes nicht vergessen, dass der Herr Jesus in Herrlichkeit der Gegenstand sein wird, der unsere ganze Aufmerksamkeit und Zuneigung an Sich bindet. Er allein ist würdig, für ewig der Mittelpunkt unserer Herzen zu sein. Und alles, was darum herum ist, leitet schließlich doch nur zu Ihm hin.