Leben in Weisheit
Das Buch der Sprüche - Vers für Vers praxisnah erklärt

Sprüche Salomos Teil 1a

Leben in Weisheit

Der erste große Teil des Buches der Sprüche enthält nach einer kurzen Einführung (Spr 1,1–6) fünf zum Teil längere Unterweisungen. Es sind Unterweisungen des weisen Vaters an den „Sohn“. Sie lassen sich bemerkenswerterweise den fünf Büchern Moses zuordnen.

  1. Die Furcht des Herrn (Spr 1,7): Die erste Unterweisung fasst die Belehrungen der sechs einführenden Verse zusammen. Sie zeigt uns mit einem einzigen Satz den Grundgedanken des Buches der Sprüche. Es geht um die Grundlage der Beziehungen zwischen Gott und Menschen. Eine Parallele dazu ist das 1. Buch Mose, wo ebenfalls grundlegende Elemente der Beziehung zwischen Gott und Menschen vorgestellt werden.
  2. Persönliches Verhalten (Spr 1,8–2): In dieser Unterweisung geht es um die praktische Auswirkung der Weisheit. Vater und Mutter zeigen dem Sohn die richtigen Wege und ermuntern ihn, ihren Geboten zu folgen. Ähnliches haben wir im 2. Buch Mose: Der erste Teil beschreibt die Erlösung, was im weitesten Sinn eine Begegnung mit der Weisheit Gottes ist, der zweite Teil behandelt das Gesetz, auf dessen Basis Gott dann im Zelt der Zusammenkunft die Gemeinschaft mit seinem Volk sucht. Letzteres führt uns schon zur nächsten Unterweisung.
  3. Beziehungen zu Gott und Menschen (Spr 3): Die dritte Unterweisung belehrt uns zunächst über die Einzelheiten der Beziehungen zwischen Gott und demjenigen, der auf die Weisheit hört. Im weiteren Verlauf erhalten wir dann Belehrungen über das rechte Verhalten gegenüber unserem Nächsten. Entsprechend finden wir im 3. Buch Mose zunächst den Opferdienst, der die Beziehungen zu Gott regelt, und dann Gebote über den Umgang miteinander.
  4. Gefahren auf dem Weg (Spr 4–7): In dieser vierten Unterweisung geht es um verschiedene Lebensbereiche, die Gefahren in sich bergen: erstens um das Verhältnis zum anderen Geschlecht, zweitens um gewisse schlechte Gewohnheiten und drittens um boshaftes Verhalten gegenüber Mitmenschen. Ebenso beschreibt das 4. Buch Mose den gefahrvollen, aber oft auch bösen Weg des Volkes Israel durch die Wüste. Wir sollen aus ihren Irrwegen und Erfahrungen lernen.
  5. Der Weg der Weisheit (Spr 8–9): Die fünfte Unterweisung hat in besonderer Weise das Wesen der Weisheit zum Thema. Manche der vorher behandelten Gedanken werden wiederholt und vertieft. Ebenso stellt auch das 5. Buch Mose eine Zusammenfassung und Vertiefung der Gebote und Gedanken Gottes dar.

Einführung (Kapitel 1,1–6)

Dieser erste Abschnitt belehrt uns über den Zweck dieses Buches: Es geht um das Erkennen der Weisheit Gottes.

1,1 „Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel“

Salomo regierte 40 Jahre über das Großreich Israel, das er von seinem Vater David übernommen hatte. Er war „größer an Reichtum und an Weisheit als alle Könige der Erde“ (1. Kön 10,23). Sein Reich war durch Gerechtigkeit und Frieden gekennzeichnet (Ps 72,2.3). So ist er ein deutliches Vorausbild auf unseren Herrn Jesus Christus: Dieser wird ebenfalls „Sohn Davids“ genannt (Mt 1,1) und wird einst in Macht und Herrlichkeit regieren (Mk 13,26). Diese Regierung wird Er ebenfalls in Weisheit – und zwar in absoluter Weisheit! – führen: „Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes“ (Jes 11,2). Und auch sein Reich wird – in vollendeter Form! – durch Gerechtigkeit und Frieden gekennzeichnet sein (Jes 9,6; 32,1.17). Es ist das so genannte „Tausendjährige Reich“ (Off 20,6).

Aber nicht nur als König weist die Person Salomos auf Christus hin. Auch als weiser Lehrer, wie er in diesem Buch vornehmlich auftritt1, ist er ein Vorausbild auf den vor 2000 Jahren hier lebenden Menschen Jesus Christus, der schon als Kind „erfüllt mit Weisheit“ war (Lk 2,40). Der Herr weist selbst darauf hin, dass die Weisheit Salomos nur ein schwaches Bild seiner eigenen Weisheit ist: „Sie [die Königin von Scheba] kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören; und siehe, mehr als Salomo ist hier“ (Mt 12,42).

Salomo spricht von der Weisheit, der Herr Jesus ist die Weisheit. In 1. Korinther 1,24 wird Christus „Gottes Weisheit“ genannt. Dass Er Weisheit nicht nur besitzt, sondern in Person „die Weisheit Gottes“ ist, wird auch durch eine Gegenüberstellung von Lukas 11,49 und der Parallelstelle Matthäus 23,34 bewiesen: Bei Lukas heißt es, dass die Weisheit Gottes sagt: „Ich sende euch Propheten …“, wogegen bei Matthäus der Herr Jesus selbst sagt: „Ich sende euch Propheten …“

1,2 „… um Weisheit und Unterweisung zu kennen, um Worte des Verstandes zu verstehen, …“

Weisheit zu kennen, ist das erste Ziel der Sprüche. Wir sollen die Fähigkeit erhalten, alles in richtiger, Gott wohlgefälliger Weise zu tun. Dazu benötigen wir Weisheit. Eine gute Illustration davon gibt es in 2. Mose 28,3, wo weise Leute, „mit dem Geist der Weisheit erfüllt“, die heiligen Kleider Aarons machten, oder in 2. Mose 35,25, wo „Frauen, die weisen Herzens waren“, die kostbaren Stoffe für die Stiftshütte herstellten.

Wir sehen: Die Weisheit muss uns erfüllen, wir müssen sie ins Herz aufnehmen, sie innerlich „kennen“ (lernen). Dort wächst sie mit der Erfahrung, die ein Leben in Gottesfurcht mit sich bringt. Sie ist eben nicht einfach eine theoretische Kenntnis, ein bloßes „Kopfwissen“.

Echte Weisheit wird nur durch Gottes Wort gelernt. Das wird besonders deutlich in Jeremia 8,9: „Die Weisen werden beschämt, bestürzt und gefangen werden; siehe, das Wort des Herrn haben sie verschmäht, und welcherlei Weisheit haben sie?“ (vgl. auch Jer 18,18).

Ein weiteres Ziel der Sprüche ist, „Unterweisung zu kennen“. Unterweisung ist das Einprägen biblischer Grundsätze. Der erste Unterricht geschieht durch Vater und Mutter (Spr 1,8). Gottesfürchtige Eltern legen bei ihren Kindern ein geistliches Fundament. Dies geschieht anhand der Bibel und durch ihr eigenes Vorbild. Doch unser ganzes Leben lang benötigen wir die Unterweisung durch Gottes Wort.

■ Vollkommene Unterweisung erhalten wir durch den Herrn Jesus. Er ist nicht nur der beste Lehrer, sondern auch das beste Vorbild.

Zur richtigen Unterweisung gehört auch die „Zucht“ (Spr 3,11; FußEÜ zu Spr 19,20). Zucht in ihrer „milden“ Form bedeutet „ziehen“ oder „erziehen“. Das Ziel ist, dem „Zögling“ den richtigen Weg zu weisen, und zwar mit Autorität. Wenn dies nicht gelingt und er vom Weg abweicht, muss eine strengere Form der Zucht, die „Zurechtweisung“ (Spr 6,23) oder gar die körperliche Züchtigung erfolgen (Spr 13,24).

► Wenn du Eltern hast, die dich „in der Zucht und Ermahnung des Herrn“ (Eph 6,4) erziehen oder erzogen haben – hast du schon einmal dafür gedankt?

Nicht zuletzt will das Buch der Sprüche Voraussetzungen dafür schaffen, im täglichen Leben richtige Entscheidungen zu treffen. Eine dieser Voraussetzungen ist, unterscheiden zu können zwischen menschlichen Worten und „Worten des Verstandes“, die Ausdruck der Gedanken Gottes sind. Wir sollen sie „verstehen“, also mit Kopf und Herz nachvollziehen. Dazu gehört auch, dass man eigenen Gedanken kritisch gegenübersteht, sozusagen von der eigenen Klugheit „ablässt“ (Spr 23,42).

1,3 „… um zu empfangen einsichtsvolle Unterweisung, Gerechtigkeit und Recht und Geradheit; …“

Gott möchte, dass wir ein umsichtiges Verhalten an den Tag legen, zum Nutzen für unsere Umgebung. Dazu notwendig sind:

  • Gerechtigkeit: Sie spricht von der Tat. Wir sollen als „Kinder des Lichts“ wandeln (Eph 5,8), unter den Augen des gerechten Gottes.
  • Recht: Dies spricht mehr von der Norm. Es soll alles gerecht beurteilt werden, nach Gottes Gedanken, seinem Wesen gemäß.
  • Geradheit: Sie ist das Kennzeichen eines Aufrichtigen, der auf dem geraden Weg des Herrn wandelt, ohne nach rechts oder links abzuweichen (Spr 8,20; Jes 30,21; 33,15.16).

David gibt hierzu ein schönes Beispiel ab. Als er daran dachte, wie Saul ihn mit tödlichem Hass verfolgte, betete er: „Höre, Herr, die Gerechtigkeit …! Von deiner Gegenwart gehe mein Recht aus; lass deine Augen Aufrichtigkeit anschauen!“ (Ps 17,1.2).

Wir haben hier drei Tugenden vor uns, die auch Gott kennzeichnen: „Der Fels: Vollkommen ist sein Tun; denn alle seine Wege sind recht. Ein Gott der Treue und ohne Trug, gerecht und gerade ist er!“ (5. Mo 32,4) und: „Du stellst fest die Geradheit, du übst Recht und Gerechtigkeit in Jakob“ (Ps 99,4).

► Durch das Lesen der Sprüche werden wir darin unterwiesen, alles aus unserem Herzen zu verbannen, was uns daran hindert, Gott wohlgefällig zu leben.

1,4 „… um Einfältigen Klugheit zu geben, dem Jüngling Erkenntnis und Besonnenheit.“

In diesem und den folgenden Versen werden uns drei Personengruppen vorgestellt, für die die Sprüche segensreich sein werden. Die erste Gruppe sind die „Einfältigen“. Das sind Unerfahrene oder Unverständige (FußEÜ). Sie haben keine Urteilsfähigkeit. Daher brauchen sie Belehrung durch die Weisheit, um durch „Klugheit“ wachsam zu werden und keinen bösen Weg zu betreten (Spr 7,7). Sie sollen schließlich selbstständig zu guten Entscheidungen finden und nicht „jedem Wort“ glauben (Spr 14,15).

Die zweite Gruppe sind die „Jünglinge“. Die Sprüche wenden sich auch an Menschen, die noch am Anfang ihres Lebens, aber bereits unter eigener Verantwortung stehen. Sie sind noch unwissend und benötigen daher „Erkenntnis“. Erkenntnis über Gott und über sich selbst. Sie sind oft leichtsinnig oder überschätzen ihre Kraft. Erkenntnis soll verhindern, dass sie durch mögliche Folgen einer schweren (Jugend-)Sünde lebenslang belastet werden.

Die Sprüche lehren auch „Besonnenheit“ oder Vorsicht. Wir – und insbesondere die Jüngeren – müssen lernen, unsere Entscheidungen nicht übereilt zu treffen, sondern mit Überlegung zu handeln. Wir müssen lernen, abzuwägen, die Umstände aufmerksam zu beobachten und auch schwierigen Situationen mit Ruhe entgegenzutreten. Auch sollen wir uns nicht zu unbedachten Worten hinreißen lassen. Aber diese Vorsicht muss mit der Furcht des Herrn gepaart sein. Sonst kann sie leicht in Böses ausarten. Man kann sich nämlich auch einen bösen Plan gut (mit Bedacht) überlegen! Das wird z. B. deutlich in Sprüche 12,2 und Sprüche 24,8, wo das hebräische Wort für „Besonnenheit“ mit „tückisch“ bzw. mit „Ränke“ oder „Anschläge“ übersetzt wird.

► Als „Jünglinge“ benötigen wir also vor allem deswegen Erkenntnis und Besonnenheit, damit wir unsere von Gott gegebenen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften nicht zum Bösen gebrauchen.

1,5 „Der Weise wird hören und an Kenntnis zunehmen, und der Verständige wird sich weisen Rat erwerben; …“

Nun wird die dritte Gruppe angesprochen, die „Weisen“ und „Verständigen“. Auch sie benötigen Unterweisung. Wer schon weise ist, weil er die Weisheit gefunden hat und sich von den „Torheiten“ dieser Welt fernhält, der wird gern hören. Ein weiser Mensch möchte immer mehr dazulernen.

Mit Hören beginnt jeder Unterricht. Das Ziel davon ist, an „Kenntnis zuzunehmen“. Das hebräische Wort für „Kenntnis“ wird oft auch mit „Lehre“ übersetzt (z. B. in Spr 4,2; 16,23). In Sprüche 7,21 wird das gleiche Wort negativ gebraucht und mit verführerischem „Zureden“ übersetzt. Es gibt also – ähnlich wie bei dem Ausdruck „Besonnenheit“ – eine positive und eine negative Seite von Kenntnis bzw. Lehre. Die Unterweisung durch gute Lehre kommt von Gott, die Verführung durch böse Lehre vom Teufel. Auf wen „hören“ wir?

Der „Verständige“ entgeht der Gefahr, auf unweisen oder gar bösen Rat zu hören. Er erwirbt sich „weisen Rat“. In Sprüche 11,14 wird das hier mit „Rat“ übersetzte hebräische Wort mit „Führung“ wiedergegeben, und zwar im guten Sinn. In Sprüche 12,5 wird es mit „Überlegungen“ übersetzt, jedoch sind es da böse Überlegungen gottloser Menschen. Auch hier wieder die Frage: Lassen wir uns durch weisen Rat führen oder leiten uns die Überlegungen ungläubiger Menschen? Stichwort: Zeitschriften, Bücher, elektronische Medien …

► Wir möchten doch sicher zu den „Verständigen“ gehören, die sich öffnen, um noch mehr göttliche Unterweisung zu hören, „denn wer hat, dem wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben“ (Mt 13,12).

1,6 „… um einen Spruch zu verstehen und verschlungene Rede, Worte der Weisen und ihre Rätsel.“

Der Weise und Verständige hat den Wunsch, die nun folgenden Sprüche zu verstehen. Er weiß um die Gefahr, die „verschlungene Rede“ falsch zu deuten.3 Einfach sind die Sprüche nicht. Es sind „Rätsel“. Aber durch die Weisheit, die von Gott kommt, lassen sich alle Schwierigkeiten lösen. Wir müssen nur bereit sein, auf die „Worte der Weisen“ zu hören und sie ins Herz aufzunehmen. Dabei sollte uns stets bewusst sein, dass wir es mit lebendigen Aussprüchen göttlicher Wahrheit zu tun haben. „Worte der Weisen, in Ruhe gehört, sind mehr wert als das Geschrei des Herrschers unter den Toren“ und sie „sind wie Treibstacheln und wie eingeschlagene Nägel“ (Pred 9,17; 12,11).

Zusammenfassung

Die sechs einleitenden Verse der Sprüche zeigen uns, nach welchen Grundsätzen wir unser Leben ausrichten sollen. Die genannten Merkmale treffen auf eine Person völlig zu: auf den Menschen Jesus Christus. Er, der Messias, wird in Jesaja 11,2–4 mit ganz ähnlichen Worten beschrieben: „Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn, und sein Wohlgefallen wird sein an der Furcht des Herrn. … Er wird die Geringen richten in Gerechtigkeit und den Sanftmütigen des Landes Recht sprechen in Geradheit.“

► Ich höre also in diesen Versen die Stimme dessen, der jede dieser positiven Eigenschaften selbst in seinem Leben verwirklicht hat. Er ist mein großes Vorbild. Er ist der Weise und will auch mich unterweisen, Er, der mehr ist als Salomo. Er ist der große Lehrer, der mir Unterricht mit Ewigkeitswert erteilt.

Die Furcht des Herrn (Kapitel 1,7)

Diese Unterweisung führt uns zusammen mit den sechs Einleitungsversen in die großen Grundsätze des Buches der Sprüche ein. Sie behandelt die Grundlage der Beziehungen zwischen Gott und dem Menschen und teilt die Menschheit in zwei konträre Gruppen: Gottesfürchtige und Gottlose, die hier „Narren“ genannt werden. Diese Gegenüberstellung zieht sich durch das ganze Buch der Sprüche.

Die „Furcht des Herrn“ ist ein Kennzeichen des neuen Lebens; ein nicht wiedergeborener Mensch besitzt keine Gottesfurcht. Aber auch bei einem wiedergeborenen Christen kann sie fehlen: nämlich wenn er im Eigenwillen seinen Weg geht. Ohne die „Furcht des Herrn“ kann

man jedoch das Buch der Sprüche nicht wirklich verstehen.4 Sie ist das einzige Fundament, auf dem man sicher stehen kann.

Doch was bedeutet es überhaupt, den Herrn zu fürchten? Zunächst einmal sei betont, dass es nicht darum geht, „Angst“ vor Gott zu haben. Nein, wer den Herrn fürchtet, hat „Furcht“, etwas zu tun, was Ihm missfällt. Wir fürchten uns oft mehr vor den zu erwartenden Folgen einer Sünde. Wenn uns aber lediglich diese Furcht vom Begehen einer Sünde abhält, ist es mit unserer Gottesfurcht nicht weit her. Den Herrn fürchten bedeutet, Ehrfurcht und Respekt vor Ihm, dem heiligen Gott, zu haben und sich unter seine Autorität zu beugen. Es bedeutet, sich stets dessen bewusst zu sein, dass sein prüfendes Auge uns beobachtet.

Wer gottesfürchtig ist, hat einen tiefen Eindruck von der Größe Gottes. Von seiner Autorität und Gewalt, von seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit, aber auch von seiner Gnade, Liebe und Barmherzigkeit. Durch die Furcht des Herrn glauben wir, dass Er die einzige Quelle von Leben, Weisheit und allem Erstrebenswerten ist. Ohne sie können wir Gott, unseren Vater, nicht wirklich erkennen. Das gilt auch für alle geistlichen Segnungen, die uns in dem Herrn Jesus geschenkt sind.

► Im Neuen Testament kommt der Ausdruck „Furcht des Herrn“ ein einziges Mal vor (Apg 9,31). Es war ein Kennzeichen der ersten Christen. – Tragen wir dieses Merkmal immer noch?

Gottesfurcht ist mehr als bloße Gesetzestreue, wie etwa das Halten der Zehn Gebote. Das Befolgen göttlicher Vorschriften wird für den, der keine Gottesfurcht besitzt, nur eine lästige Pflicht sein. Aber mit der Furcht des Herrn im Herzen werden wir dem Psalmdichter beipflichten, der sagt: „Ich werde meine Wonne haben an deinen Geboten, die ich liebe“ (Ps 119,47).

Wo wahre Furcht des Herrn ist, da ist auch Abhängigkeit. Da sucht man den Rat Gottes in seinem Wort. Da weiß man, dass man in sich selbst unfähig ist, richtige Entscheidungen zu treffen. Darum hört man auf Gott, der wie ein beratender Vater zu seinen Kindern spricht.

Es gibt auch unter den Ungläubigen manche, die sich ordentlich verhalten, die solide Ansichten haben und die sehr liebenswürdig sind. Es gibt unter ihnen sogar solche, die – aus menschlicher Sicht – wirklich weise und verständig sind. Aber da bei ihnen das richtige Fundament, die „Furcht des Herrn“ fehlt, hat das alles keinen Bestand und am Ende keinen Wert für Gott.

Zehn Stellen in den Sprüchen zeigen, welche Auswirkungen die „Furcht des Herrn“ hat und welchen großartigen Nutzen sie bringt5:

  • Sie ist der „Anfang der Erkenntnis“ (Spr 1,7).
  • Sie ist: „das Böse hassen“, also hassen, was Gott hasst (Spr 8,13).
  • Sie ist „der Weisheit Anfang“, also die Basis dafür, Erkenntnis zu gebrauchen (Spr 9,10).
  • Sie „mehrt die Tage“ (Spr 10,27).
  • Sie bewirkt ein „starkes Vertrauen“ (Spr 14,26).
  • Sie ist eine „Quelle des Lebens“, also Basis für ein Leben mit Gott (Spr 14,27).
  • Sie ist „Unterweisung zur Weisheit“ (Spr 15,33).
  • Sie bewahrt „vor Bösem“ (Spr 16,6).
  • Sie ist „zum Leben“, d. h., sie bewirkt bleibende Zufriedenheit (Spr 19,23).
  • Sie gibt „Reichtum, Ehre und Leben“ (Spr 22,4).

Gottesfurcht wird also reichlich belohnt. „Die Güte des Herrn aber ist von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten“ (Ps 103,17). Wie ganz anders ist es bei den ungläubigen Menschen: „Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen, und den Weg des Friedens haben sie nicht erkannt. Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen“ (Röm 3,16–18).

Nach diesen einleitenden Bemerkungen kommen wir jetzt zu den Einzelheiten dieses bedeutsamen Verses.

1,7 „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis; die Narren verachten Weisheit und Unterweisung.“ (Spr 9,10; Ps 111,10)

Wie schon in der Einleitung erwähnt, nennt Gott sich in diesem Buch fast ausschließlich „HERR“, der Bundesgott Israels. So auch hier. Er spricht als Einer, der eine Beziehung zum Menschen hat. Und Er spricht zu solchen, die eine Beziehung zu Ihm haben. Sie kennen ihren Gott.

► Wir kennen Gott als unseren Vater, der uns liebt und uns auf dem Weg des Glaubens nur segnen will. Daher ist es „logisch“, dass wir Ihn willig fürchten. Und unsere Gottesfurcht wird in dem Maß zunehmen, wie wir seine Liebe erkennen und genießen.

Auf allen Gebieten hat der Mensch erstaunliche Erkenntnisse erlangt. Und doch ist der Wert aller menschlichen Erkenntnis relativ. Zwar ist sie nicht unbrauchbar, sondern im Gegenteil oft sehr nützlich. Aber der „Anfang“ aller Erkenntnis, d. h., ihr Beginn als auch das Wesentliche, die eigentliche Grundlage aller Erkenntnisse, ist die „Furcht des Herrn“. Das ist ein wichtiger Grundsatz für jeden Gläubigen. Alle Erkenntnis, auch jede irdische Erkenntnis, muss überprüft werden, ob sie mit den göttlichen Grundsätzen übereinstimmt.

Was versteht die Bibel unter einem „Narren“? Dieser Vers gibt die Definition: Ein Narr ist ein Mensch, der „Weisheit verachtet“ und sich daher auch nicht unterweisen lassen will. Göttliche Weisheit ist ihm „zu hoch“ (Spr 24,7), da ihm alles Göttliche fremd ist und ihm jegliche Gottesfurcht fehlt. Er hat „Mangel an Verstand“ (Spr 10,21). Dabei kommt er sich selbst sehr weise vor. Eigensinnig und hochmütig geht er seinen Weg. „Der Weg des Narren ist richtig in seinen Augen“ (Spr 12,15). Paulus schreibt über solche Menschen, dass sie „in ihren Überlegungen in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde. Indem sie sich für Weise ausgaben, sind sie zu Toren [Narren] geworden“ (Röm 1,21.22).

Übrigens kann es sich hier durchaus um einen intelligenten Menschen handeln. Wenn er aber göttliche Weisheit und Zucht (FußEÜ) missachtet, nennt Gott ihn einen Narren. Mancher Hochgebildete stand am Ende seines Lebens vor einem Scherbenhaufen, weil er sich wie ein „Narr“ verhalten hat. Er musste dann bekennen: „Wie habe ich die Unterweisung gehasst, und mein Herz hat die Zucht verschmäht!“ (Spr 5,12).

Persönliches Verhalten (Kapitel 1,8–2)

Die zweite Unterweisung erinnert an das 2. Buch Mose. Dort steht zunächst die Erlösung des Volkes Gottes im Vordergrund. Dann bezeugt Gott durch das Gesetz vom Sinai, wie sich das Volk verhalten soll, damit Er in ihrer Mitte wohnen kann. Er gibt ihnen die „zwei Tafeln des Zeugnisses“ (2. Mo 31,18). Es ist das zweite Buch der Bibel, und bekanntermaßen ist Zwei in der Bibel die Zahl des Zeugnisses6.

Entsprechend wird hier der „Sohn“ als Bild eines erlösten Menschen7 eingeführt. Sein Vater bezeugt ihm das richtige Verhalten, um das „Land bewohnen“ zu können (Spr 2,21). Zwei Möglichkeiten stehen dem Sohn zur Auswahl: der Weg Gottes – der Weg der Sünder.

Wir finden in diesen Abschnitten dieselben Grundsätze, die Gott schon in den Zehn Geboten niederlegte. Nachdem die ersten vier Gebote bereits im Aufruf zur „Furcht des Herrn“ (V. 7) zusammengefasst wurden8, geht es hier nun im Wesentlichen um die Gebote, die das tägliche Leben regeln (2. Mo 20,12–17). Wir erkennen folgende Zusammenhänge:

  1. Gebot „Ehre deinen Vater und deine Mutter“: Sprüche 1,8.9.
  2. Gebot „Du sollst nicht töten“: Sprüche 1,11.16.
  3. Gebot „Du sollst nicht ehebrechen“: Sprüche 2,16.17.
  4. Gebot „Du sollst nicht stehlen“: Sprüche 1,13.
  5. Gebot „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen“: Sprüche 2,12.
  6. Gebot „Du sollst nicht begehren …“: Sprüche 1,19.

Wenn wir nun in die Betrachtung der einzelnen Verse dieser zweiten Unterweisung eintreten, können wir drei Themenbereiche erkennen:

  1. Warnung vor Gewalttat (Spr 1,8–19)
  2. Ansprache der Weisheit (Spr 1,20–33)
  3. Weisheit schützt vor Unmoral (Spr 2)
  4. Warnung vor Gewalttat (Kap. 1,8–19)

In dieser ersten Ansprache des Vaters wird der „Sohn“ vor dem verführerischen Einfluss der Sünder gewarnt. Wesentliche Kennzeichen dieser gottlosen Menschen werden in Römer 3,13–18 aufgelistet: „Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handelten sie trügerisch. Schlangengift ist unter ihren Lippen. Ihr Mund ist voller Fluchen und Bitterkeit. Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen; Verwüstung und Elend ist auf ihren Wegen. … Es ist keine Furcht Gottes vor ihren Augen.“ Es handelt sich hier um Menschen, die von Gewalttat gekennzeichnet sind, wogegen bei der zweiten Ansprache des Vaters (Spr 2) mehr die Verdorbenheit (speziell Unmoral) in den Vordergrund tritt.

Diese beiden Formen des Bösen werden schon im 1. Buch Mose geschildert: Die Gewalttat beim Brudermord Kains (1. Mo 4) und die Verdorbenheit bei der sexuellen Verbindung von Engeln mit Menschen (1. Mo 6,1.2). „Und die Erde war verdorben vor Gott, und die Erde war voll Gewalttat“ (1. Mo 6,11).

Die vorliegende Ansprache an den Sohn lässt sich wie folgt gliedern:

Spr 1,8–9: Der Wert der Unterweisung des Vaters
Spr 1,10–14: Beschreibung der Verlockungen
Spr 1,15–19: Das Ende des bösen Weges

1,8–9: Diese beiden Verse können wir als Überschrift zu allen folgenden Ansprachen des Vaters nehmen. Jedes Mal wird die liebevolle Anrede „mein Sohn“ verwendet. Der Vater meint es gut mit ihm. Er soll auf den Vater hören, weil es zu seinem Segen gereichen wird.

1,8 „Höre, mein Sohn, die Unterweisung deines Vaters, und verlass nicht die Belehrung deiner Mutter!“ (Spr 6,20; 4,1)

Eltern haben ihre Autorität von Gott erhalten. Sie sind sozusagen Vertreter der Autorität Gottes. Jede sittliche Ordnung gründet sich auf das, was Gott gesagt hat; und den Grundsatz der Autorität der Eltern hat Er im 5. Gebot festgelegt. Wer die Autorität der Eltern nicht akzeptiert, kann nicht „gottselig“, d. h. nicht zu Gottes Wohlgefallen, leben.

► Wir finden in der Bibel nicht weniger als neun Stellen über das Ehren der Eltern.9 Offenbar haben wir diese Ermahnung dringend nötig!

Es geht in den Sprüchen sehr oft um das Hören. Wir sollten uns hüten, große Redner sein zu wollen. „Daher, meine geliebten Brüder, sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden“ (Jak 1,19). „Hören“ bedeutet für uns in erster Linie Bibellesen. Das Wort Gottes spricht jeden persönlich an. Dann aber sollen wir auch auf die Unterweisungen unserer (leiblichen wie geistlichen) Väter hören, die sie uns auf der Basis des Wortes Gottes erteilen oder in der Vergangenheit erteilt haben (Stichwort: Biblische Betrachtungen).

Die Belehrung der Mutter ergänzt die Unterweisung des Vaters. Sie ist es, die das Kind vor allem in den ersten Lebensjahren am meisten umsorgt und daher seine Neigungen und Bedürfnisse am besten kennt. Christliche Mütter können ihre Kinder schon früh mit der Liebe des Herrn Jesus vertraut machen. Diese Belehrungen aus dem Wort Gottes soll der „Sohn“ dann ein Leben lang bewahren, er soll sie „nicht verlassen“.

► Möchtest du gerne glücklich sein? Der Herr Jesus hat versichert: „Glückselig die, die das Wort Gottes hören und bewahren!“ (Lk 11,28; vgl. Spr 8,32).

■ In diesem Vers wird auch deutlich, dass Eltern eine Verantwortung ihren Kindern gegenüber haben. Wenn sie zum Beispiel die Belehrung ihrer Kinder den Sonntagschullehrern überlassen, dann haben sie ihre von Gott erhaltene Aufgabe nicht verstanden. Unser Vers macht auch deutlich, dass sowohl der Vater als auch die Mutter in der Erziehung der Kinder tätig sein müssen. Wenn man dies beachtet, wird der Herr „segnen, die den Herrn fürchten, die Kleinen mit den Großen“ (Ps 115,13).

1,9 „Denn sie werden ein anmutiger Kranz für dein Haupt und ein Geschmeide für deinen Hals sein.“

Gott lässt Gehorsam nicht unbelohnt. Es ist eine Zierde („anmutiger Kranz“) für jeden Christen, wenn er die Autorität seiner Eltern anerkennt. Man merkt es seinem Verständnis („Haupt“) und seiner inneren Haltung („Hals“10) an. Das beste Beispiel hierfür ist der Knabe Jesus. Er war seinen Eltern vollkommen untertan, und schon als Zwölfjähriger erstaunte Er die im Tempel anwesenden Schriftgelehrten durch sein Verständnis (Lk 2,46–51).

In Kolosser 3,20 wird betont, dass der Gehorsam gegenüber den Eltern Gott wohlgefällig ist. Es ist „das erste Gebot mit Verheißung“ (Eph 6,1.2; vgl. 2. Mo 20,12). Ein gehorsames Kind wird von Gott gesegnet und man sieht ihm an, dass es glücklich ist.

1,10–14: Der Vater beginnt nun mit einer Beschreibung der einzelnen Verlockungen. Die Verführer schieben die Gebote Gottes beiseite und machen das Land durch ihre Gewalttat unsicher (Hos 6,7–9).

1,10 „Mein Sohn, wenn Sünder dich locken, so willige nicht ein.“

Der weise Vater weiß, womit ein sündiger Weg oft beginnt: Gottlose Menschen „locken“ mit freundlichen Versprechungen. Doch ehe man sich’s versieht, ist man gefangen. Selbst ein gut behüteter junger Mensch kann durch die Ansichten und Gepflogenheiten der bösen Welt verführt werden, wenn er sich nicht rechtzeitig davor verschließt.

Hier können wir von David lernen. Er hatte den Wunsch, nicht mit Sündern und Blutmenschen „in einen Topf geworfen“ zu werden, und hielt sich fern von ihnen (Ps 26,9.4.5). Fliehen ist tatsächlich der beste Schutz vor bösen Versuchungen. Joseph floh vor den sündigen Verlockungen der Frau Potiphars (1. Mo 39,7–12).

Ein Beispiel eines Verführers ist der König Jerobeam, der Salomo auf dem Thron Israels folgte. 22-mal wird von ihm gesagt, dass er (durch den Altar in Bethel) Israel veranlasst hatte zu sündigen (z. B. 1. Kön 14,16). Es kann uns also passieren, dass selbst Vorgesetzte, Lehrer oder sogar die Regierung uns zum Sündigen verleiten.

Man kann auf verschiedene Weise auf den Weg der Sünde kommen:

  • Verführung: „… wenn Sünder dich locken“ (Spr 1,10).
  • Böses Reden: „In der Übertretung der Lippen ist ein böser Fallstrick“ (Spr 12,13).
  • Unbesonnenheit: „Wer mit den Füßen hastig ist, tritt fehl“ (Spr 19,2).
  • Hochmut: „Stolz der Augen und Überheblichkeit des Herzens … sind Sünde“ (Spr 21,4).
  • Not: „Für einen Bissen Brot kann ein Mann übertreten“ (Spr 28,21).

1,11 „Wenn sie sagen: Geh mit uns! Wir wollen auf Blut lauern, wollen den Unschuldigen nachstellen ohne Ursache; …“

Diese Verführer verstoßen gegen das 6. Gebot: „Du sollst nicht töten.“ Jonathan musste seinen Vater Saul vorwurfsvoll fragen: „Warum willst du dich an unschuldigem Blut versündigen, indem du David ohne Ursache tötest?“ (1. Sam 19,5). Und was musste unser Herr erleben? „Sie belauerten ihn …, um ihn anklagen zu können.“ „Und obschon sie keine Todesschuld fanden, baten sie Pilatus, dass er umgebracht würde“ (Mk 3,2; Apg 13,28).

Wir stehen wohl nicht in Gefahr, jemand zu ermorden. Doch gibt es ja auch „Rufmord“ (Mt 5,21.22). Auch kann man jemand (z. B. durch Mobbing) so „fertigmachen“, dass er am Leben verzweifelt. Bedenken wir auch: „Jeder, der seinen Bruder hasst, ist ein Menschenmörder“ (1. Joh 3,15). Eine solche Handlungsweise ist besonders abscheulich, wenn sie – wie hier – ganz bewusst „ohne Ursache“ geschieht.

1,12 „… wir wollen sie lebendig verschlingen wie der Scheol, und unverletzt, gleich denen, die plötzlich in die Grube hinabfahren; …“

Der Vergleich mit dem Scheol und der Grube11 erinnert in Verbindung mit dem Vers „Scheol und Abgrund sind unersättlich“ (Spr 27,20) an die unbändige Gier dieser Menschen. Ihre Pläne sind sehr konkret. Und sie glauben, alle Spuren verbergen zu können („unverletzt“).

Jedoch übersehen diese Verbrecher, dass Gott seinerseits mit derart bösen Menschen ebenso handelt. Als Er Korah und seine Rotte bestrafte, „öffnete die Erde … ihren Mund und verschlang sie und ihre Familien und alle Menschen, die Korah angehörten“ (4. Mo 16,32).

Es mag sein, dass wir uns über solche Sünder entrüsten. Aber in Titus 3,3 lesen wir, was auch uns einst kennzeichnete: Wir waren „unverständig, ungehorsam, irregehend, dienten mancherlei Begierden

und Vergnügungen, führten unser Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend“. Wir sehen: Das Böse steckt in jedem von uns.

1,13 „… wir werden allerlei kostbares Gut erlangen, werden unsere Häuser mit Beute füllen; …“

Oft wird die Sünde attraktiv dargestellt. „Gestohlene Wasser sind süß“ (Spr 9,17). Aber das 8. Gebot lautet: „Du sollst nicht stehlen.“ Stehlen ist eine Folge der Habsucht (V. 19). Es ist beschämend, dass Gott auch uns ermahnen muss: „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr“ (Eph 4,28). Die Verlockung ist groß, sich an fremdem Eigentum zu bereichern.

► Auch wenn wir anderen etwas vorenthalten, was ihnen zusteht, ist das nichts anderes als Stehlen: private Nutzung der Arbeitszeit, Steuerhinterziehung usw.

1,14 „… du sollst dein Los mitten unter uns werfen, wir alle werden einen Beutel haben: …“

Hier kommt nun eine weitere Verlockung, falls der Sohn noch zögern sollte, mitzumachen. Dem „Anfänger“ wird dasselbe versprochen wie den „Profis“. Doch der Sohn wird in dieser üblen Gesellschaft die Erfahrung machen, dass er am Ende selbst der Geschädigte ist. Mancher ist schon in eine solche Falle getappt und gehörte dann einer Clique an, die ihn nicht mehr losließ.

Das Beispiel Lots ist hier sehr lehrreich. Er hatte die saftigen Weiden Sodoms vor Augen und erwählte sich diese Gegend als Wohnort, obwohl die Menschen dort „große Sünder“ waren (1. Mo 13,10–13). Er „warf sein Los mitten unter ihnen“. Bald wandelte er im „Rat der Gottlosen“, stand auf dem „Weg der Sünder“ und saß schließlich im Tor Sodoms, sozusagen im „Kreis der Spötter“ (Ps 1,1; 1. Mo 19,1).

1,15–19: Nachdem der Vater seinem Sohn geschildert hat, wie gefährlich und geschickt Verführer oft auftreten, richtet er nun einen warnenden Appell an ihn. Er beschreibt ihm das böse Ende ihres Weges.

1,15 „Mein Sohn, geh nicht mit ihnen auf dem Weg, halte deinen Fuß zurück von ihrem Pfad; …“

Aus diesen Worten spürt man die Besorgtheit eines weisen und liebenden Vaters. Es ist ihm wichtig, dass der Sohn nicht in den Sog des Bösen gerät und dann sein Ende mit dem der Mörder teilt. Mit den Ausdrücken „Weg“ und „Pfad“ meint er die Lebensführung des Sohnes. Der „Fuß“ deutet darauf hin, dass sich der Sohn selbst entscheiden muss und sich von dem ersten verkehrten Schritt „zurückhalten“ soll.

► Wir sollten immer wieder beten: „Deine Wege, Herr, tu mir kund, deine Pfade lehre mich!“ (Ps 25,4).

1,16 „… denn ihre Füße laufen dem Bösen zu, und sie eilen, Blut zu vergießen.“ (Spr 6,18)

In den Versen 16 und 18 nennt der Vater zwei Gründe, warum er so dringend davon abrät, sich mit diesen Menschen zu verbinden. Erstens sind es Mörder, und zweitens bereiten sie sich ihr eigenes Verderben.

Sie eilen, Blut zu vergießen. In Daniel 6 ist auffällig, dass die Vorsteher immer wieder eilen, wenn sie Daniel vor dem König anklagen. Ähnlich heißt es in Römer 3,15: „Ihre Füße sind schnell, Blut zu vergießen“. Ja, zum Sündigen sind wir Menschen leider immer sehr schnell bereit!

► Als Gläubige sollten wir „laufen“, den Willen Gottes auszuführen und das Evangelium zu verbreiten. Der Psalmdichter sagt: „Den Weg deiner Gebote werde ich laufen“ (Ps 119,32).

1,17 „Denn vergeblich wird das Netz ausgespannt vor den Augen alles Geflügelten; …“

Die Belehrung dieses Verses ist: Mach es wie die Vögel, flieh vor der Gefahr, flieh vor der Versuchung! Wer sich nicht auf Böses einlässt, der entrinnt dem Feind, auch wenn dieser wie ein Vogelfänger „Netze ausspannt“. Aber dazu muss der Blick für das, was Gott gefällt, geschärft sein. Sünder dagegen rennen mit geöffneten Augen in ihr eigenes Verderben (Hiob 33,18; 36,12).

1,18 „… sie aber lauern auf ihr eigenes Blut, stellen ihren eigenen Seelen nach.“

Der zweite Grund für die Warnung des Vaters ist, dass böse Menschen letztendlich selbst in die von ihnen aufgestellten Fallen geraten. „Den Gottlosen wird das Böse töten“ (Ps 34,22), sagt der gejagte David. Sie beschwören über sich sogar ein schwereres und sichereres Verderben herauf als das, was sie über andere planten. Räuber, die gemeinsame Sache machen, „lauern“ oft nach der Tat gegenseitig auf ihr Blut, weil jeder die Beute für sich haben möchte.

1,19 „So sind die Pfade all derer, die der Habsucht frönen: Sie nimmt ihrem eigenen Herrn das Leben.“

In der Bibel wird die Habsucht oft zusammen mit den „größten“ Sünden genannt (1. Kor 5,10; 6,10; Eph 5,3). Da sie schwerer zu entdecken ist – auch in meinem eigenen Herzen! –, wird sie oft verharmlost. Aber dieser Vers sagt, dass sie ebenso „tödlich“ ist wie andere Sünden. Und niemand kann sich von dieser Sünde wirklich freisprechen. Man hat gesagt, dass das 10. Gebot „Du sollst nicht begehren …“ eines der schwersten ist.

Da das sündige Fleisch immer noch in uns ist, warnt uns der Heilige Geist eindringlich vor der Geldliebe. Sie „ist eine Wurzel alles Bösen, der nachstrebend einige von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben“ (1. Tim 6,10). Auch Jakobus beschreibt die Folgen der Habsucht sehr plastisch, wenn er sich an die wendet, die sich auf Kosten anderer bereichern: „Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über euer Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind von Motten zerfressen worden“ (Jak 5,1.2).

► Der Herr Jesus warnt: „Gebt acht und hütet euch vor aller Habsucht, denn auch wenn jemand Überfluss hat, besteht sein Leben nicht durch seine Habe“ (Lk 12,15).

Die speziellen Warnungen des Vaters sind nun vorerst beendet. Dreimal hat er die Anrede „mein Sohn“ verwendet:

  • Vers 8: Vergiss nicht, was du zu Hause gelernt hast!
  • Vers 10: Pass auf, wenn Sünder dich locken!
  • Vers 15: Lass dich nicht mit Sündern ein!

b) Ansprache der Weisheit (Kap. 1,20–33)

Nun spricht die Weisheit selbst. Wie einleitend bereits bemerkt, wird sie im Buch der Sprüche oft personifiziert. Das beginnt schon hier im ersten Kapitel: Sie „schreit“, sie „ruft“, sie „lacht“, sie „spottet“, was man eigentlich nur von einer Person sagen kann. Und ist es nicht letztlich der Herr Jesus, der hier spricht?

Wir können in der Ansprache der Weisheit deutlich zwei Teile erkennen:

Spr 1,20–23: Allgemeiner Appell der Weisheit
Spr 1,24–33: Konsequenzen der Ablehnung dieses Appells

1,20–23: Diese Verse haben große Ähnlichkeit mit den einleitenden Versen des 8. Kapitels. Ebenso wie dort, „schreit“ hier die Weisheit, damit sie von jedermann gehört wird.

1,20 „Die Weisheit schreit draußen, sie lässt auf den Straßen ihre Stimme erschallen.“ (Spr 8,1)

Die Weisheit flüstert ihre Belehrungen nicht ins Ohr, sondern sie „schreit“. Auch der Herr Jesus „rief und sprach“ (Joh 7,28.37; 12,44). Die Stimme Gottes soll weithin gehört werden.

Die Weisheit redet nicht nur im (gläubigen) Elternhaus (Spr 1,8–19), sondern sie lässt ihre Stimme auch öffentlich („draußen“), inmitten unseres gesellschaftlichen Umfelds („Straßen“) erschallen. Es geschieht dort, wo viele sie hören können (Joh 18,20) – „damit sie ohne Entschuldigung seien“ (Röm 1,20).

1,21 „Sie ruft an der Ecke lärmender Plätze; an den Eingängen der Tore, in der Stadt redet sie ihre Worte: …“

Auch da, wo allerlei Ablenkung ist, versucht die Weisheit, sich Gehör zu verschaffen, ebenso wo Recht gesprochen („Tore“) und Handel getrieben wird („Stadt“). Dort befinden sich die hochgestellten Menschen dieser Welt, die meinen, alles selbst im Griff zu haben. Aber auch sie brauchen die Belehrung der göttlichen Weisheit.

■ Ein Evangelist muss die Menschen da suchen, wo sie sich aufhalten. Auch Jesus zog gezielt in das verachtete Samaria oder in das Gebiet von Tyrus und Sidon, um dort einzelne Personen aufzusuchen (Joh 4,4–7; Mk 7,24–30).

1,22 „Bis wann, ihr Einfältigen, wollt ihr Einfältigkeit lieben und werden Spötter ihre Lust an Spott haben und Toren Erkenntnis hassen?“

Die Frage „Bis wann?“ zeigt die Geduld Gottes. Er ist langmütig, redet aber doch gleichzeitig mit energischem und eindringlichem Ton. Drei Gruppen spricht Er an:

  1. Die Einfältigen, die keine Einsicht und Urteilsfähigkeit haben, aber doch verantwortlich sind für ihr Tun (Spr 1,4).
  2. Die Spötter, die alle Appelle an das Gewissen verwerfen. Sie machen sich in frivoler Weise über die Worte der Weisheit lustig. Im Gegensatz zu den Einfältigen besteht bei ihnen nur geringe Hoffnung auf Besserung (Spr 19,25; 13,1).
  3. Die Toren, die Erkenntnis hassen. Ihre Unvernunft liegt darin, dass sie gottlos leben oder sogar sagen: „Es ist kein Gott“ (Ps 14,1). Der Tor ist ein Mensch, der ungeniert „gegen den Allmächtigen trotzt“ (Hiob 15,25), d. h. Ihm widersteht. In Vers 29 wird „Erkenntnis hassen“ in einem Atemzug mit fehlender Furcht des Herrn

► Die Weisheit spricht jeden gezielt an. Auch bei uns zögert sie nicht, uns genau zu sagen, was wir sind. „Du bist der Mann“, musste David vom Propheten Nathan hören (2. Sam 12,7).

Bis heute appelliert Gott noch an Einfältige, Spötter und Toren, dass sie von ihrem verderblichen Weg umkehren. Aber Er lässt sie frei entscheiden – wie sie „wollen“.

1,23 „Kehrt um zu meiner Zucht! Siehe, ich will euch meinen Geist hervorströmen lassen, will euch kundtun meine Reden.“

Wie bereits bei Vers 4 erläutert, wendet Gott „Zucht“ an, wenn sich jemand auf einem falschen Weg befindet. Zucht ist nicht angenehm (Heb 12,11). Deshalb besteht die Gefahr, sich ihr irgendwie zu entziehen. Daher der Ruf: „Kehrt um zu meiner Zucht!“ Hier geht es also nicht um den Ruf des Evangeliums, sondern um die Aufforderung, Gottes Regierungswege zu erkennen und anzuerkennen.

► Denke nach, ob Gott dir vielleicht durch eine Krankheit, ein Unglück oder irgendein Missgeschick etwas sagen will!

Gott möchte segnen. Er möchte seinen „Geist hervorströmen lassen“. Dabei geht es hier natürlich nicht um die Verheißung des Heiligen Geistes, den jeder, der an Jesus Christus glaubt, empfängt. Es geht einfach um das Wirken des Geistes Gottes in einem Menschen, der sich unter Gottes Zucht beugt. Er versteht dann in seinem Herzen das „Reden“ Gottes und wird sein Leben in Gemeinschaft mit Ihm führen.

1,24–33: Nach den eindringlichen Appellen der Weisheit beschreibt sie nun die fatalen Folgen für den, der nicht auf sie hört.

1,24 „Weil ich gerufen habe und ihr euch geweigert habt, meine Hand ausgestreckt habe und niemand zugehört hat, …“

Gott will nicht, dass jemand verloren geht: „Habe ich etwa Gefallen am Tod des Gottlosen?, spricht der Herr, Herr, nicht vielmehr daran, dass er von seinen Wegen umkehre und lebe?“ (Hes 18,23; vgl. Hes 33,11). Gott ist gnädig und langmütig. Deswegen hat Er immer wieder gerufen, aber man hat sich geweigert, zu hören. „Am Ende der Tage“ hat Gott in der Person seines Sohnes geredet (Heb 1,1; Gal 4,4), aber „die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Er hat seine „Hand ausgestreckt“, aber „niemand hat zugehört“: „Wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbar geworden?“ (Jes 53,1).

Gott nimmt durchaus Notiz davon, wenn jemand Ihm nicht zuhört oder seine Worte in den Wind schlägt. Wenn man achtlos seine eigenen Wege weitergeht, „der eine auf seinen Acker, der andere an seinen Handel“ (Mt 22,5). Das ist eine Beleidigung Gottes.

Besondere Verantwortung trifft hierbei das Volk der Juden und die Menschen, die in christlichen Ländern leben. Sie können das Wort Gottes lesen im Gegensatz zu den vielen Menschen aus der Heidenwelt, die den Willen Gottes nur durch ihr Gewissen erkennen können (Röm 2,15).

1,25 „… und ihr all meinen Rat verworfen und meine Zucht nicht gewollt habt, …“ (Spr 1,30)

Der Mensch ist von sich aus nicht an dem „Rat“ Gottes interessiert. Wer einen guten Rat verwirft, meint, es besser zu wissen. Das ist nicht nur Unabhängigkeit und Hochmut, sondern auch eine Beleidigung gegenüber dem Ratgeber und eine Missachtung der angebotenen Hilfe.

Wer göttliche „Zucht“ ablehnt, meint, dass in seinem Leben alles in Ordnung sei und er keine Korrektur benötige. Wie leicht können auch wir zu einer solchen Ansicht kommen.

Diese Verse zeigen, dass Menschen, die die göttliche Weisheit ablehnen, aus zweierlei Gründen besondere Schuld trifft:

  1. Wegen der Vielseitigkeit der Bemühungen Gottes:
  • Er hat gerufen. Das war ein Appell, nicht nur eine Mitteilung der Wahrheit (V. 20.21.24).
  • Er hat seine Hand einladend ausgestreckt (V. 24).
  • Er hat unterwiesen mit „Rat“ und „Zucht“ (V. 23.25).
  • Er hat Verheißungen gegeben (V. 23.33).
  • Er hat gewarnt (V. 26–33).
  1. Wegen des Charakters ihrer Ablehnung:
  • Sie „liebten“ die Einfältigkeit und hatten Freude an Spott (V. 22).
  • Sie weigerten sich hartnäckig (V. 24).
  • Sie hörten einfach nicht zu (V. 24).
  • Sie verwarfen Rat und Zucht (V. 25).

1,26 „… so werde auch ich bei eurem Unglück lachen, werde spotten, wenn der Schrecken über euch kommt; …“

Gott zeigt dem Menschen seine Grenzen auf. Einmal ist das Maß voll (Mt 23,32). Ständige Weigerung, auf Ihn zu hören, führt schließlich zum Gericht. Derselbe Gott, der langsam zum Zorn und groß an Güte ist, „lacht“ dann nur noch. Es ist ein „Lachen des Gerichts“ (Ps 2,4). Dieses Lachen und Spotten Gottes unterstreicht einerseits die Absurdität der Torheit und andererseits die Überlegenheit der Weisheit.

In 5. Mose 28,63 steht eine ähnliche, schreckliche Prophezeiung: „Und es wird geschehen: So wie der Herr sich über euch freute, euch Gutes zu tun und euch zu mehren, so wird der Herr sich über euch freuen, euch zugrunde zu richten und euch zu vertilgen.“ Auch andere Verse zeigen, dass Gottes Geduld einmal zu Ende sein wird. Hosea schreibt über das 10-Stämme-Reich: „Ephraim ist mit Götzen verbündet; lass ihn gewähren“ (Hos 4,17), und Stephanus stellt in Bezug auf Israel in der Wüste fest: „Gott aber wandte sich ab und gab sie hin“ (Apg 7,42). Über die Heiden schreibt Paulus: „Deswegen hat Gott sie hingegeben in schändliche Leidenschaften“ (Röm 1,26). Wenn ein Mensch sich bewusst für die Sünde entscheidet, dann lässt Gott ihn sozusagen gehen. Er lässt ihn allein. Das ist ein schreckliches Los!

1,27 „… wenn der Schrecken über euch kommt wie ein Unwetter, und euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm, wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen.“

Wenn Gott das Unglück (die Züchtigung) bringt, wird dies verheerende Auswirkungen haben. Mit den Ausdrücken „Unwetter“ und „Sturm“ betont der Heilige Geist die Plötzlichkeit und Gewalt, mit der das Gericht den trifft, der die Weisheit verachtet hat.

Bei dieser Beschreibung werden unsere Gedanken auch auf das zukünftige Gericht über die gottlose Menschheit vor Beginn des Tausendjährigen Reiches gelenkt. Paulus schreibt, dass es „wie ein Dieb in der Nacht“ und „wie die Geburtswehen über die Schwangere“ hereinbricht (1. Thes 5,2.3). Auch Zephanja gibt eine sehr ernste Beschreibung dieses Gerichtstages: „Ich werde alles von der Fläche des Erdbodens ganz und gar wegraffen …“ (Zeph 1,2–3.15–18). Wer dieses furchtbare Gericht nicht fürchtet, beweist, dass er auch den Herrn nicht fürchtet.

1,28 „Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden, …“

Hier ist der Moment gekommen, wo Gott nicht (mehr) hört. „Wie er gerufen hatte und sie nicht gehört hatten, so riefen sie, und ich hörte nicht, spricht der Herr der Heerscharen“ (Sach 7,13). „Sie werden umherlaufen, um das Wort des Herrn zu suchen, und werden es nicht finden“ (Amos 8,12).

Die Weisheit versichert: „Die mich früh suchen, werden mich finden“ (Spr 8,17). Der Herr ist treu im Blick auf diejenigen, die Ihn früh (oder eifrig12) suchen. Er liebt sie und lässt sich von ihnen finden. Aber Er ist auch „treu“ in seinem Verhalten gegenüber denen, die Ihn in der „wohlangenehmen Zeit“ ablehnen (2. Kor 6,2). Wer Ihn nicht finden wollte, wird Ihn auch später nicht finden, selbst wenn er dann den Segen wie Esau „mit Tränen eifrig sucht“ (Heb 12,17). Denselben Gedanken äußert der Herr in Lukas 13,24–28, wenn Er von der „engen Tür“ spricht, die einmal verschlossen sein wird.

1,29 „… weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht des Herrn nicht erwählt, …“

Das ist der Kern der Sache und der Grund, warum Gott nicht mehr hört. Er lässt sich nicht spotten. Er hat es den Toren gesagt, hat es ihnen bewusst gemacht, dass sie „Erkenntnis hassen“ und ihnen das zum Schaden sein würde (V. 22). Sie hätten über dieses Urteil nachdenken sollen und ihre Einstellung ändern sollen. Aber sie haben ihre Wahl getroffen – und sich bewusst gegen die „Furcht des Herrn“ entschieden.

1,30 „… nicht eingewilligt haben in meinen Rat, verschmäht haben all meine Zucht.“ (Spr 1,25)

Der Heilige Geist wiederholt die Worte aus Vers 25, um zu zeigen, wie schwerwiegend es ist, den Rat und die Zucht Gottes zu ignorieren. Als vor etwa 2000 Jahren Gott „zu uns im Sohn geredet hat“ (Heb 1,2), wollte Er den Menschen helfen, ihnen raten. Aber sein Sohn wurde abgelehnt. Sein „Rat“, sein Aufruf zur Buße und seine Worte der Gnade verhallten ungehört. Und wenn Er ihr Gewissen bloßstellte und deutliche Worte des Gerichts aussprach, „verschmähten“ sie diese Zucht.

1,31 „Und sie werden essen von der Frucht ihres Weges und von ihren Plänen sich sättigen.“

Gott urteilt nach dem, was ein Mensch in seinem Leben tut, es sei Gutes oder Böses. Jeremia sagt, dass Gottes „Augen über alle Wege der Menschenkinder offen sind, um jedem zu geben nach seinen Wegen und nach der Frucht seiner Handlungen“ (Jer 32,19; vgl. Jer 21,14; Jes 3,10). Er wird nichts übersehen oder vergessen.

Die „Frucht des Weges“ ist hier die Strafe für böses Handeln. Sie ist unabdingbar. Wer sündigt, muss diese Frucht „essen“. „Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Denn wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten“ (Gal 6,8).

► Vielleicht hast du eine deiner Sünden ganz vergessen – aber die Frucht davon wirst du irgendwann „essen“.

Sogar wer eine böse Tat noch nicht ausgeführt, aber bereits „geplant“ hat, wird bestraft. Denn es waren sündige Gedanken. Diesen Grundsatz hatte David schon erkannt: „Sie denken Schlechtigkeiten aus:,Wir haben es fertig, der Plan ist ausgedacht!’ … Aber Gott schießt auf sie – plötzlich kommt ein Pfeil“ (Ps 64,7.8).

In den beiden letzten Versen bringt die Weisheit ihre Ansprache gewissermaßen „auf den Punkt“. Einfältige und Toren werden umkommen, die Gehorsamen aber werden sicher wohnen und ruhig sein.

1,32 „Denn die Abtrünnigkeit der Einfältigen wird sie töten, und die Sorglosigkeit der Toren wird sie umbringen; …“

Die Wahrheit dieser Aussage mussten manche Personen in der Bibel an ihrem eigenen Leib erfahren. Man denke nur an Herodes (Apg 12,23) oder an Belsazar (Dan 5). Der eine war „abtrünnig“, indem er sich vergöttern ließ, der andere „sorglos“, indem er ausschweifend lebte. Doch ihr törichtes Handeln brachte ihnen den Tod (Spr 1,19; 5,23).

■ Einfältige oder Toren sind nicht immer sofort als solche erkennbar, besonders wenn sie in der Welt gut gestellt sind. „Nichts verbirgt einen Makel besser als ein Kleid von Gold.“ Aber ihr Ende ist Verderben.

1,33 „… wer aber auf mich hört, wird sicher wohnen und wird ruhig sein vor des Unglücks Schrecken.“

Der letzte Vers dieses Kapitels zeigt den „Ausweg“: den Weg der Sicherheit und der Ruhe. Alle, die auf Gott hören, brauchen keine Angst vor seinem Gericht zu haben. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht“ (Joh 5,24).

„Sicher wohnen“ bedeutet, sich ständig an der Gegenwart Gottes zu erfreuen. Wenn wir auf Ihn hören, wird uns nichts treffen, was uns schaden könnte. Und auch für die Zukunft wissen wir: „Mein Fleisch wird in Sicherheit ruhen“ (Ps 16,9).

„Ruhig sein“ bedeutet, sich keine sorgenvollen Gedanken über die Zukunft zu machen. Solche Gedanken können leicht aufkommen, wenn uns ein „Unglück schreckt“. Aber in allen Schwierigkeiten versichert uns Gott, dass Er „alle Dinge zum Guten mitwirken“ lässt (Röm 8,28). Im Übrigen ist Er auch in der Lage, Unglücke von uns abzuwenden, so dass wir erst gar nichts von der Gefahr bemerken. Dieses Wissen macht uns ruhig.

c) Weisheit schützt vor Unmoral (Kap. 2)

Nachdem der „Vater“ in seiner ersten Ansprache (Spr 1,10–19) vor der Sünde der Gewalttat gewarnt hat, gibt er nun dem Sohn in Kapitel 2 Ratschläge, um ihn vor der Unmoral, hier Verkehrtheit und Unsittlichkeit, zu bewahren. Sie ist ein Charakterzug der Verdorbenheit des Menschen.

Man kann diese zweite Ansprache des Vaters folgendermaßen gliedern:

Spr 2,1–4: Bedingungen zur Erlangung der Weisheit
Spr 2,5–11: Vielfache Auswirkungen der Weisheit
Spr 2,12–15: Warnung vor Verkehrtheit
Spr 2,16–19: Warnung vor Unsittlichkeit
Spr 2,20–22: Das Endziel

2,1–4: Weisheit kommt nicht „von selbst“. Wir müssen sie begehren, auf sie hören und sie ins Herz aufnehmen. Daher werden uns nun zunächst die Bedingungen genannt, unter denen wir sie erlangen.

2,1 „Mein Sohn, wenn du meine Reden annimmst und meine Gebote bei dir verwahrst, …“

Zunächst ist es erforderlich, die Worte des Vaters bereitwillig „anzunehmen“, innerlich zu akzeptieren. Es gibt Menschen, die sofort eine ablehnende Haltung einnehmen, wenn ihnen jemand einen guten Rat geben will – meistens zu ihrem eigenen Schaden.

Dann aber müssen die Gebote auch „verwahrt“ werden. Was ich verwahre, schütze ich dauerhaft. Dann bin ich in der Lage, das Gehörte zur rechten Zeit anzuwenden.

Gebote sind klar festgelegte Anweisungen Gottes, über die nicht zu diskutieren ist. Gebote im Neuen Testament richten sich an das neue Leben in uns. Wir halten sie aus Liebe zu unserem Herrn (Joh 14,15). Andererseits beweisen wir unsere Liebe zu Ihm durch das Halten seiner Gebote (Joh 14,21).

2,2 „… so dass du dein Ohr aufmerksam auf Weisheit hören lässt, dein Herz neigst zum Verständnis; …“ (Spr 5,1)

Aufnahmefähigkeit allein reicht nicht, wenn Gott zu uns redet. Wir müssen auch aufnahmebereit sein. Dazu gehört zunächst das aufmerksame Hören. Dann aber muss auch das Herz „geneigt“ sein, das Gehörte verstehen zu wollen. Gott möchte, dass wir sein Wort erfassen. Dazu benötigen wir Glauben, ein reines Herz und Hingabe an Gott.

■ In Lukas 10 lesen wir von Maria, die großes Interesse an den Worten des Herrn hatte. Sie setzte sich deswegen zu seinen Füßen und ließ ihr „Ohr aufmerksam auf Weisheit hören“. Unmittelbar darauf wird uns in Lukas 11 der Wert des Gebets vorgestellt. Wenn wir Gott in seinem Wort gehört haben, sollten wir Ihn auch um Verständnis darüber bitten.

2,3 „… ja, wenn du dem Verstand rufst, deine Stimme erhebst zum Verständnis, …“

„Verstand“ ist Voraussetzung dafür, zwischen Gut und Böse und zwischen Richtig und Falsch unterscheiden zu können. Und ohne „Verständnis“ geht man in die Irre.

Wenn wir Verständnis über irgendeine Sache erlangen möchten, müssen wir ernsthaft „rufen“. Dies wird noch durch das „ja, wenn“ unterstrichen. Wir sollen unsere Stimme zu Gott „erheben“. Ein solches Gebet um Verständnis wird erhört: „Wenn aber jemand von euch Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen willig gibt und nichts vorwirft, und sie wird ihm gegeben werden“ (Jak 1,5).

► Wenn du eine Bibelstelle nicht verstehst: Rufe zu Gott! Wenn du ein Problem nicht lösen kannst: Rufe zu Gott! Wenn du deine Situation nicht begreifst: Rufe zu Gott!

2,4 „… wenn du ihn suchst wie Silber und ihm nachspürst wie nach verborgenen Schätzen, …“

Jetzt wird uns der unermessliche Wert des Verstandes vor die Blicke gestellt (Spr 16,16). Das soll uns motivieren, ihm regelrecht „nachzuspüren“. Dazu brauchen wir Energie. Wir müssen „suchen“, intensiv nachdenken: „Bedenke, was ich sage; denn der Herr wird dir Verständnis geben in allen Dingen“ (2. Tim 2,7). Als Gläubige wissen wir, dass in Christus „alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ verborgen sind (Kol 2,3).

► In „Gottes Schule“ muss Mühe aufgewandt werden. Wir müssen aufpassen, Verständnis suchen, Fragen stellen.

2,5–11: Nachdem der Vater die Bedingungen zur Erlangung der Weisheit genannt hat, zeigt er nun die Auswirkungen der Weisheit.

2,5 „… dann wirst du die Furcht des Herrn verstehen und die Erkenntnis Gottes finden.“

Das Ziel ist nicht, Wissen anzuhäufen, sondern die „Furcht des Herrn“ zu „verstehen“. Das bedeutet, unterscheiden zu können zwischen dem, was Ihm gefällt, und dem, was unserem eigenen Willen entspringt. Dazu benötigen wir Weisheit, Verstand und Verständnis (V. 2–4).

„Erkenntnis Gottes“ finden wir nur im vertrauten Umgang mit Ihm. Es kann bedeuten, Gottes Erkenntnis, also die Erkenntnis, die von Gott kommt. Es kann aber auch bedeuten, Gott erkennen. Egal, welche Art von Erkenntnis gemeint ist – sie kann nur über die Weisheit und den Verstand (V. 3) gefunden werden. Und sie wird unserer Seele Freude bringen!

■ Gott wirklich erkennen kann nur, wer ewiges Leben besitzt, denn der Herr Jesus sagt: „Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen“ (Joh 17,3).

2,6 „Denn der Herr gibt Weisheit; aus seinem Mund kommen Erkenntnis und Verständnis.“

Wenn wir seinen „Mund nicht befragen“ (Jos 9,14), fehlt uns die Weisheit. Dann geht es uns wie dem Volk Israel, das von den Gibeonitern betrogen wurde und dadurch Jahrhunderte lang Probleme hatte (Jos 9). Eliphas, der Temaniter, gibt hierzu einen guten Rat: „Empfange doch Belehrung aus seinem Mund, und nimm dir seine Worte zu Herzen“ (Hiob 22,22).

Wie viel Weisheit hat der Herr Jesus seinen Jüngern im Laufe der dreieinhalb Jahre mit auf den Weg gegeben! Und als sie nach seiner Auferstehung im Obersaal zusammen waren, „öffnete er ihnen das Verständnis, die Schriften zu verstehen“ (Lk 24,45).

2,7 „Er bewahrt klugen Rat auf für die Aufrichtigen; er ist ein Schild denen, die in Lauterkeit wandeln, …“

Gott „bewahrt klugen Rat auf“. Das heißt, Er hat für jede Situation einen passenden Rat bereit und schenkt bei dessen Befolgung auch Gelingen (FußEÜ). Voraussetzung dafür ist, dass wir erstens „aufrichtig“ sind, also geradlinig unseren Weg gehen, und zweitens in „Lauterkeit wandeln“, so dass man uns nichts nachsagen kann, „als unbescholtene Kinder Gottes“ (Phil 2,15).

Wenn wir diese beiden Voraussetzungen erfüllen, wird Gott uns „ein Schild“13 sein. Er wird über unseren Weg wachen und uns vor Fehlern bewahren.

2,8 „… indem er die Pfade des Rechts behütet und den Weg seiner Frommen bewahrt.“

Wer diese umfassende Bewahrung auf seinem Weg erfahren möchte, muss sich im täglichen Leben nach der Bibel richten. Gott behütet „die Pfade des Rechts“, d. h. diejenigen, die den Wunsch haben, seine Rechte anzuerkennen und sich gerecht zu verhalten. „Denn der Herr liebt das Recht und wird seine Frommen nicht verlassen; ewig werden sie bewahrt“ (Ps 37,28). Und Hanna bestätigt: „Die Füße seiner Frommen bewahrt er“ (1. Sam 2,9). Der Fromme zeichnet sich durch seine Liebe zum Herrn aus: „Die ihr den Herrn liebt, hasst das Böse! Er bewahrt die Seelen seiner Frommen“ (Ps 97,10).

► Die Wege des Herrn Jesus waren zu aller Zeit „Pfade des Rechts“. Wenn wir auf seine wiederholt ausgesprochene Aufforderung „Folge mir nach!“ hören14, befinden wir uns ebenfalls auf diesem Pfad und werden folglich bewahrt.

Oft gehen wir auf einem „Weg der Mühsal“ (Ps 139,24). Das ist dann unsere eigene Schuld, weil wir offensichtlich sein Wort vernachlässigt haben. Unser Motto sollte sein: „Nicht bin ich von deinen Rechten gewichen, denn du hast mich unterwiesen“ (Ps 119,102).

2,9 „Dann wirst du Gerechtigkeit verstehen und Recht und Geradheit, jede Bahn des Guten.“

Eine weitere Folge des aufmerksamen Hörens auf die Weisheit (V. 1–4) ist, dass man „Gerechtigkeit, Recht und Geradheit“ versteht. Schon in Sprüche 1,3 werden diese drei Tugenden zusammen genannt. Dort ging es um das Empfangen dieser Tugenden, hier um das Verstehen. Das bedeutet, zu erkennen, dass sie ihren Ursprung in Gott haben und „gut“ sind. Das bedeutet aber auch, zu wissen, wie man sie praktisch auslebt.

► Wir Christen sollten diese Tugenden noch besser und einsichtsvoller verstehen, als es einem Israeliten überhaupt möglich war, weil wir den Heiligen Geist besitzen.

Außer den drei genannten Tugenden gibt es noch viele andere. Sie alle werden in dem Ausdruck „jede Bahn des Guten“ zusammengefasst. In Galater 5,22.23 werden einige Tugenden genannt: „Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit“. In Psalm 23,3 wird das für „Bahn“ verwendete Wort mit „Pfad“ übersetzt: „Er leitet mich in Pfaden der Gerechtigkeit um seines Namens willen.“ Auf dieser „Bahn des Guten“ ist Er der alleinige Führer. Wie ein Zug, der unweigerlich dem Verlauf des „Gleises“ (FußEÜ) folgt, werden wir in die richtige Richtung gelenkt.

■ Jesaja klagt über sein Volk: „Das Recht ist zurückgedrängt, und die Gerechtigkeit steht von fern; … die Geradheit findet keinen Einlass“ (Jes 59,14). So etwas kann es leider auch unter Christen geben.

2,10 „Denn Weisheit wird in dein Herz kommen, und Erkenntnis wird deiner Seele lieblich sein.“

Gott gibt von dem, was von Natur aus in unseren Herzen ist, eine erschütternde Beschreibung. Kurz vor der Sintflut urteilte Er, „dass die Bosheit des Menschen groß war auf der Erde, und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag“ (1. Mo 6,5). Dies hat sich leider auch nach der Sintflut nicht geändert. Deswegen muss „Weisheit in unser Herz kommen“.

Wenn das der Fall ist, dann ist die Weisheit nicht wie ein Fremder auf Besuch, sondern wie ein geliebter Freund, dem man vertraut. Das Herz wird zu Recht der „Geburtsort der Gedanken“ genannt. Insofern ist es sehr wichtig, Weisheit im Herzen zu haben.

Wenn wir bedenken, dass Christus die Weisheit ist, bekommt dieser Vers noch eine ganz andere Dimension: Es geht darum, im Herzen mit dem Herrn beschäftigt zu sein! Ein solches Herz wird vor böser Versuchung bewahrt. Wer den Herrn Jesus liebt, wird sein Wort halten, und der Vater und der Sohn werden „zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Joh 14,23).

► Um Sünde aus dem Herzen zu verbannen oder sie gar nicht erst hereinzulassen, muss es mit reinen Gedanken und Zuneigungen gefüllt sein. Ein leeres Herz steht immer in Gefahr, dass der Teufel es füllt. Die beste Sicherheit gegen jede Art von Versuchung ist Christus.

In 1. Korinther 8,1.2 weist der Apostel Paulus auf Gefahren hin, die durch bloße „Erkenntnis“ aufkommen können; sie „bläht auf“. Es kann nämlich sein, dass wir Gottes Wort sehr gut kennen und auch in der Lage sind, darüber zu reden und es auszulegen. Aber diese – prinzipiell wünschenswerte – Kenntnis kann zu einer Quelle geistlichen Hochmuts (Aufgeblasenheit) werden.

Vor Aufgeblasenheit bleiben wir bewahrt, wenn wir das Wort immer zuerst auf unser eigenes Gewissen anwenden, bevor wir darüber zu anderen reden. Dann bleibt die Erkenntnis nicht im Kopf hängen, sondern geht ins Herz. Sie ist dann unserer „Seele lieblich“. Wir erfreuen uns an ihr, weil wir merken, dass sie unser Leben positiv beeinflusst.

► Echte christliche Erkenntnis zeigt uns, wer Gott ist und was Gott gibt. Je mehr wir Gottes Größe erkennen, desto kleiner werden wir selbst.

2,11 „Besonnenheit wird über dich wachen, Verständnis dich behüten: …“

Zur wahren Erkenntnis gehört auch Besonnenheit. Wenn wir besonnen sind, werden wir nicht vorschnell eine Entscheidung treffen. Wir werden keine unbedachten Worte reden. Wir werden ein feines Empfinden für die aktuelle Situation haben. Das durch die Weisheit vermittelte Verständnis „behütet“ uns vor der Sünde. Wir fragen dann nicht, „wie weit wir noch gehen können“, denn wir kennen die Gedanken Gottes.

Unbesonnen handelt man auch, wenn man aus dem biblischen Text gewisse „Schlagworte“ entnimmt und sie kurzerhand für die Bedürfnisse eines bestimmten Falles zurechtbiegt. Das zeugt weder von Besonnenheit noch von Verständnis. Wir sollen über die Unterweisungen des Wortes Gottes nachdenken. Dann werden wir durch das Wirken des Heiligen Geistes richtige Anwendungen machen, passend zu den aktuellen Umständen, und nichts „Verkehrtes reden“ (V. 12).

2,12–15: In dem nun beginnenden zweiten Teil des Kapitels übt die Weisheit eine vorbeugende Wirkung aus. Sie will uns vor unmoralischen Auswüchsen der Verdorbenheit bewahren. Zunächst geht es um die Verkehrtheit böser Männer. Sie reden nicht nur Verkehrtes, sondern ihr ganzes Sinnen ist darauf gerichtet, göttliche Grundsätze zu verdrehen.

2,12 „… um dich zu erretten von dem bösen Weg, von dem Mann, der Verkehrtes redet; …“

Wer auf die Reden des Vaters hört und sein „Ohr aufmerksam auf Weisheit hören lässt“ (Spr 2,1.2), wird vor Leuten, die „Verkehrtes reden“, errettet. Er wird ihnen nicht zuhören, weil er das „Bild gesunder Worte“ (2. Tim 1,13) kennengelernt hat. Und er wird seinerseits nichts Verkehrtes reden, sondern vor der Übertretung des 9. Gebots zurückschrecken: „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten“ (2. Mo 20,16).

Auch wird er ganz allgemein vor jedem „bösen Weg“ bewahrt, weil er „jede Bahn des Guten“ erkannt hat (V. 9). Ein böser Weg kann unter anderem gekennzeichnet sein durch Gewalttat (Spr 1,10–19), durch Unsittlichkeit (Spr 2,16–19) oder wie hier durch Verkehrtheit.

2,13 „… die die Pfade der Geradheit verlassen, um auf den Wegen der Finsternis zu wandeln; …“

Wer die „Pfade der Geradheit“ verlässt, ist jemand, der unlautere Schritte unternimmt. Er tut es, „um auf den Wegen der Finsternis zu wandeln“. Warum sucht er die Finsternis? Weil er Sünde in seinem Leben duldet, die er gerne verbergen möchte: „Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden“ (Joh 3,20). Man wählt den Weg der Finsternis, weil man meint, sich dadurch vor Gott und Menschen verstecken zu können.15 Auf diesem Weg kann man „ungeniert“ weiter sündigen. Es ist ein Weg, wo man sich bewusst der Wirkung des Wortes Gottes entzieht, damit das Gewissen nicht beunruhigt wird.

► Gottes Wort fordert uns mehrfach auf, im Licht zu wandeln und die Finsternis zu meiden (Röm 13,13; Eph 5,8; 1. Thes 5,5).

2,14 „… die sich freuen, Böses zu tun, über boshafte Verkehrtheit frohlocken; …“

Wahre Kinder Gottes haben Freude daran, Gutes zu tun. Doch hier haben wir Menschen vor uns, die eine ganz andere, schreckliche Art von Freude kennen: die Freude, Böses zu tun! So ist das Herz des natürlichen Menschen. Es kehrt göttliche Grundsätze ins Gegenteil um (Jes 5,20).

Hinzu kommt, dass solche Menschen auch noch über die Verkehrtheit (s. Auslegung zu Spr 4,24) anderer „frohlocken“. „Obwohl sie Gottes gerechtes Urteil erkennen, dass die, die so etwas tun, des Todes würdig sind, es nicht allein ausüben, sondern auch Wohlgefallen an denen haben, die es tun“ (Röm 1,32). Offenbar finden sie auch ihre Freude darin, andere zum Bösen zu verführen. Das ist eine teuflische Freude!

► Stattdessen freut sich die Liebe „nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit“ (1. Kor 13,6).

Man könnte hier auf den Gedanken kommen, dass mit der Sünde eine gewisse Freiheit verbunden ist. Das ist nur insoweit wahr, als der „breite Weg“ mehr „Möglichkeiten“ bietet als der „schmale“ (Mt 7,13.14). Dort kann sich der natürliche Mensch frei entfalten. Doch in Wahrheit ist er ein „Knecht der Sünde“ (Joh 8,34), also alles andere als frei!

Bei einer Verführung zum Bösen geht es Stufe um Stufe abwärts:

  1. Zuerst ist es noch schmerzlich: Eine schwache Seele, die der Versuchung nachgegeben hat, wird sich unwohl fühlen.
  2. Die nächste Stufe ist erreicht, wenn man gleichgültig gegenüber dem Bösen wird und gedankenlos sündigt.
  3. Auf der niedrigsten Stufe steht man, wenn man beim Sündigen sogar Freude empfindet. Wenn dieses Niveau erreicht ist, „muss“ man immer schrecklichere Sünden tun, um Befriedigung zu finden.

2,15 „… deren Pfade krumm sind und die abbiegen in ihren Bahnen: …“

Die Bibel zeigt uns an vielen Stellen, wie sich Menschen aller Epochen durch die Sünde auf Abwege treiben ließen (z. B. 2. Pet 2). Das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern. Ihr Los wird schrecklich sein: „Die aber auf ihre krummen Wege abbiegen, die wird der Herr dahinfahren lassen mit denen, die Frevel tun“ (Ps 125,5).

Die „krummen Pfade“ weisen darauf hin, dass man das Verlockende nicht weiter prüft. Man lässt sich einfach treiben. Wer sich nur durch zeitliche Vorteile lenken lässt, wird seinen Weg nach und nach auf einem Zickzackkurs führen. Krumme Pfade weisen auch auf einen Mangel an guten Grundsätzen hin. Sie werden von Menschen beschritten, die sich vor der Gerechtigkeit verstecken wollen. Sie biegen sozusagen von allem ab, was rein und weise ist, und wollen die gerade „Bahn“ Gottes bewusst nicht gehen. Dadurch kennen sie auch keinen inneren Frieden: „Ihre Pfade machen sie krumm – wer irgend sie betritt, kennt keinen Frieden“ (Jes 59,8).

2,16–19: Jetzt geht es um Unsittlichkeit, ein weiterer Aspekt der Unmoral. Das Thema der „fremden Frau“ finden wir noch öfters, denn es ist wichtig und aktuell (Spr 5,3.20; 6,24; 7,5; 31,3).

2,16 „… um dich zu erretten von der fremden Frau, von der Fremden, die ihre Worte glättet – „ (Spr 6,24; 7,5)

„Fremd“ ist oft ein Hinweis auf Verbotenes. So ist auch die „fremde Frau“ verboten, weil sie die Ehefrau eines anderen ist (FußEÜ; s. Auslegung zu Spr 5,3).

Mit schmeichelhaften, „glatten“ Worten der Verführung versucht diese fremde Frau, den „Sohn“ zu fangen. Sie macht auch vor gläubigen Männern nicht halt. Es geht um jedes unsittliche Verhalten. Vor solchen Verfehlungen warnt Gott auch im Neuen Testament mit Nachdruck (z. B. Kol 3,5). Von den bisher behandelten Sünden sind diese vielleicht die gefährlichsten. Es ist selten, dass gläubige Männer zu Räubern oder Mördern werden, aber die Gefahr, vom anderen Geschlecht verführt zu werden, ist überall gegenwärtig.

■ Die „listige Schlange“ hat oft da Erfolg, wo der „brüllende Löwe“ nicht zum Ziel kommt (vgl. 1. Mo 3,1; 1. Pet 5,8). Die verführerische Delila überwand den Mann, den kein Kämpfer aus den Philistern besiegen konnte (Simson; Ri 16,15–17).

Selbst Salomo ließ sich verführen. Auch wenn es nicht direkt um Hurerei ging, liebte er doch „viele fremde Frauen“ (1. Kön 11,1). Die Auswirkung dieser Verbindungen wird dann in 1. Könige 11,4 beschrieben: „Als Salomo alt war, da neigten seine Frauen sein Herz anderen Göttern nach; und sein Herz war nicht ungeteilt mit dem Herrn, seinem Gott.“ Dasselbe Problem beschreibt auch Esra 10,10 und Nehemia 13,23–28, wo speziell Salomo als abschreckendes Beispiel genannt wird. Er hat seinen eigenen Rat nicht befolgt!

► Jede Verführung lenkt vom Dienst für Gott ab.

2,17 „… die den Vertrauten ihrer Jugend verlässt und den Bund ihres Gottes vergisst.“

Der „Vertraute ihrer Jugend“ ist der Ehemann, mit dem sie als junge Frau verheiratet war. Die Ehe ist der festeste Bund, der zwischen zwei Menschen geschlossen werden kann. Dies erfolgt vor Gott und von Gott (Mt 19,6), wie der Ausdruck „Bund ihres Gottes“ zeigt. Die fremde Frau aber verlässt ihren Ehemann und damit gewissermaßen Gott selbst, der den Bund der Ehe, den sie jetzt „vergisst“, auf Lebenszeit gegeben hat. Sie „vergisst“ den Bund ja nicht einfach, wie man beispielsweise einen Namen vergisst, sondern sie will von dem geschlossenen Bund nichts mehr wissen. Insofern handelt sie bewusst gegen besseres Wissen und verstößt damit gegen das 7. Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen.“

Der Ausdruck „Bund ihres Gottes“ zeigt uns außerdem, dass die Eheschließung auch damals schon ein feierlicher Akt war. In Maleachi 2,14 lesen wir, dass Gott der Zeuge zwischen dem Mann und „der Frau deiner Jugend“ ist. Gott wacht über diesen Bund.

2,18 „Denn zum Tod sinkt ihr Haus hinab und ihre Bahnen zu den Schatten; …“

Weil diese Frau „verlässt“ und „vergisst“, „sinkt ihr Haus zum Tod hinab“. Das bedeutet, dass sie nicht mehr in geordneten Verhältnissen lebt. Sie lässt ihren Mann, vielleicht auch ihre Familie im Stich und gibt sie damit sozusagen dem Tod preis. Auch sie selbst geht auf ihren „Bahnen“ zu den „Schatten“, d. h. dem (ewigen) Tod entgegen (FußEÜ).

■ Diese Frau ist auch ein Bild des Volkes Israel, das den Bund mit seinem Gott brach und anderen Göttern „nachhurte“ (5. Mo 31,16). Diese Treulosigkeit führte zu Niedergang und geistlichem „Tod“. Leider verläuft es mit der Christenheit kaum anders (vgl. Off 17).

2,19 „… alle, die zu ihr eingehen, kehren nicht wieder und erreichen nicht die Pfade des Lebens –, …“

„… die zu ihr eingehen“ (oder „gehen“) bedeutet hier, dass man sich mit dieser Frau auf irgendeine Weise einlässt. Man strebt eine sexuelle Beziehung zu ihr an. Das Ergebnis dieser nicht von Gott herbeigeführten Bindung ist immer dasselbe: Der „Pfad des Lebens“ wird nicht „erreicht“ (vgl. Spr 5,6).

Wer einer solchen Verführung nachgibt, stumpft im geistlichen Leben ab. Er wird gefühllos für die göttlichen Normen. Er ist auf einem Weg, der nicht zum Leben, sondern zum Tod führt. Das kann ein Tod im moralischen Sinn sein oder auch der vorzeitige leibliche Tod – und bei einem Ungläubigen schließlich der ewige Tod (vgl. Auslegung zu Spr 7,23).

► Wer vor dieser Sünde bewahrt bleiben will, sollte jede verführerische Situation meiden. Es fängt ja oft mit schlechter Gesellschaft, schlechter Literatur oder schlechten Filmen an. Prüfe deine Gewohnheiten! Gibt es da etwas zu korrigieren? Unter Umständen musst du sofort und radikal handeln. Nimm dir Joseph zum Vorbild!

2,20–22: Diese Verse zeigen uns das Endziel dieser Unterweisung über das persönliche Verhalten: Ein sicheres Leben in guter Gesellschaft.

2,20 „… damit du wandelst auf dem Weg der Guten und die Pfade der Gerechten einhältst.“

Die bisherigen Warnungen dieses Kapitels sollten uns Klarheit über den guten und richtigen Weg geschenkt haben. Die Weisheit befähigt uns, diesen Weg in der rechten Gesellschaft zu gehen, mit „Guten“ und „Gerechten“. „Wer mit Weisen umgeht, wird weise; aber wer sich zu Toren gesellt, dem wird es schlecht ergehen“ (Spr 13,20).

Der Herr Jesus war der absolut Gute und Gerechte. Nur wenn wir an seiner Hand gehen, befinden wir uns auf dem Weg des Guten und Gerechten – zusammen mit den anderen „Guten“ und „Gerechten“, „die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ (2. Tim 2,22). Wer den Herrn Jesus liebt, wird diesen Weg finden.

Der „Gerechte“ wird in diesem Buch sehr oft erwähnt; hier zum ersten Mal. Ein Gerechter ist ein Mensch, der sich Gott und seinem Wort unterordnet. Dazu muss er neues Leben empfangen haben. Ohne neues Leben kann ein Mensch nicht gerecht handeln. Es geht also nicht um eine „Werk-Gerechtigkeit“, mit der sich jemand den Himmel verdienen will. Nein, die Gerechtigkeit hier ist das Ringen darum, als Gläubiger mit Gott in Übereinstimmung zu sein.

► Einige Männer der Bibel erhalten ausdrücklich das Prädikat, „gerecht“ gewesen zu sein: Abel, Noah, Joseph, der Mann von Maria, Simeon, Johannes der Täufer, Joseph von Arimathia.16 An dieser Stelle muss ich mich fragen: Könnte Gott das auch von mir bezeugen?

2,21 „Denn die Aufrichtigen werden das Land bewohnen und die Vollkommenen darin übrig bleiben; …“

Was ist das für ein Land? Es ist Kanaan, das Gott selbst mit den Worten beschreibt: „… ein Land, das ich für sie erspäht hatte, das von Milch und Honig fließt17; die Zierde ist es von allen Ländern“ (Hes 20,6). Wer darin wohnen darf, leidet niemals Mangel. Es ist den „Aufrichtigen“ und „Vollkommenen“ als Belohnung verheißen.

Das Volk Israel hat dieses Land nie vollständig in Besitz genommen. Daher findet diese Verheißung ihre eigentliche Erfüllung erst im Tausendjährigen Reich.

Doch auch heute schon gilt sie denen, die den Pfad der Weisheit gehen. Das sind die „Aufrichtigen“ und „Vollkommenen“, die an das Evangelium geglaubt haben. Sie haben – nicht als Belohnung, sondern aus reiner Gnade! – eine sichere Zukunft in einem noch herrlicheren Land: dem Himmel!

2,22 „… aber die Gottlosen werden aus dem Land ausgerottet und die Treulosen daraus weggerissen werden.“

Dieser Vers steht in völligem Kontrast zu dem vorigen. Dabei ist es bezeichnend, dass es nicht heißt, dass die Gottlosen nicht in das Land hineinkommen, sondern dass sie daraus „ausgerottet“ und „weggerissen“ werden, wogegen „die Vollkommenen darin übrig bleiben“ (V. 21; vgl. 5. Mo 28,63). Die Gottlosen sind also im Land und konnten bereits dessen Segnungen schmecken. Doch dann zeigte sich, dass sie das Land sozusagen unberechtigterweise betreten haben. Sie „bewohnten“ es nicht, denn „die Gottlosen werden das Land nicht bewohnen“ (Spr 10,30).

Sie gleichen den zum Christentum übergetretenen Hebräern, die kein Leben aus Gott hatten: „Es ist unmöglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe geschmeckt haben … und abgefallen sind, wieder zur Buße zu erneuern“ (Heb 6,4.6).

Die „Gottlosen“ werden in den Sprüchen häufig erwähnt; hier erstmalig. Gottlose sind nicht unbedingt Gottesleugner, aber sie leben gleichgültig dahin, als gäbe es keinen Gott. Sie kümmern sich nicht um seine Ansprüche und erkennen seine Autorität über sich nicht an. Leider stellen sie einen großen Teil der heutigen Gesellschaft dar.

Beziehung zu Gott und Menschen (Kapitel 3)

Diese Unterweisung enthält zwei Teile: Zunächst wird die Beziehung zwischen Gott und demjenigen behandelt, der auf die Weisheit zu hören bereit ist (Spr 3,1–26). Er soll Gott gehorchen, Ihm vertrauen, Ihn erkennen und Ihn ehren. Dann wird Gott ihn in jeder Hinsicht bewahren. Im zweiten Teil wird er unterwiesen, wie er sich gegenüber seinen Mitmenschen zu verhalten hat (Spr 3,27–35).

Entsprechend finden wir im 3. Buch Mose zunächst den Opferdienst, der die Beziehungen zu Gott regelt, und dann Gebote über den Umgang miteinander. Dabei ist es bezeichnend, dass die Zahl Drei in der Bibel die Zahl des Heiligtums und der göttlichen Vollkommenheit ist.18

Dieses Kapitel erinnert wieder an die Zehn Gebote (2. Mo 20,1–17): Der erste Teil enthält Belehrungen, die den ersten vier Geboten entsprechen, denn diese befassen sich ja ebenfalls mit dem Verhältnis zwischen Gott und Menschen. Der zweite hat Bezug auf die letzten sechs Gebote, die unsere zwischenmenschlichen Beziehungen betreffen.

a) Beziehung zu Gott (Kap. 3,1–26)

Dieser Abschnitt enthält drei weitere Ansprachen des Vaters an den Sohn und grundsätzliche Aussagen über die Weisheit.

Spr 3,1–10: Fünf weise Ratschläge des Vaters
Spr 3,11–12: Die Zucht des Vaters
Spr 3,13–18: Die Unübertrefflichkeit der Weisheit
Spr 3,19–20: Die Weisheit des Schöpfers
Spr 3,21–26: Bewahrung und Schutz durch die Weisheit

3,1–10: Salomo gibt in diesen Versen fünf Ratschläge. Demjenigen, der auf sie hört, wird danach jeweils ein besonderer Segen verheißen.

3,1 „Mein Sohn, vergiss nicht meine Belehrung, und dein Herz bewahre meine Gebote.“

Dies ist der erste, grundlegende Rat. Wir sollen das, was wir kennen, nicht vergessen, sondern bewahren. Schon die ersten beiden Kapitel begannen mit je einer dieser beiden Ermahnungen (Spr 1,8; 2,1).

Jakobus preist den glückselig, der nicht ein vergesslicher Hörer ist (Jak 1,25). Natürlich ist hier nicht die Vergesslichkeit unseres Gedächtnisses gemeint, sondern die unseres Herzens. Es geht um Gehorsam. Wir sollen die gehörten Belehrungen und Gebote Gottes nicht ignorieren.

Die Bibel soll auch eine bleibende Wirkung in uns ausüben. Der Herr warnt im Gleichnis vom Sämann: „Die in die Dornen gesät werden … sind solche, die das Wort gehört haben, und die Sorgen der Welt und der Betrug des Reichtums und die Begierden nach den übrigen Dingen kommen hinein und ersticken das Wort, und es bringt keine Frucht“ (Mk 4,18.19). Und kurz vor seiner Himmelfahrt befiehlt Er den Aposteln: „Lehrt sie, alles zu bewahren“ (Mt 28,20). Darauf kommt es an!

► Was einem wertvoll ist, vergisst man nicht so leicht. Deswegen müssen wir zuerst die Belehrungen der Bibel wertschätzen, um sie dann im Herzen, dem Sitz der Zuneigungen, dauerhaft bewahren zu können.

3,2 „Denn Länge der Tage und Jahre des Lebens und Frieden werden sie dir mehren.“

Auf den guten Rat folgt jetzt die erste Verheißung eines besonderen Segens. Es lohnt sich, „nicht zu vergessen“ und „zu bewahren“. Es lohnt sich, Gott gehorsam zu sein. Er schenkt uns dann „Länge des Lebens“ (Spr 3,16; 4,10). Salomo bekam dieselbe Verheißung: „Und wenn du auf meinen Wegen wandeln wirst, indem du meine Satzungen und meine Gebote hältst …, so werde ich deine Tage verlängern“ (1. Kön 3,14). „Länge der Tage“ muss nicht unbedingt zeitlich gesehen werden. Für uns bedeutet es eher ein „erfülltes“ Leben. Wir genießen dann die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn (1. Joh 1,3.4). Es ist die Gemeinschaft mit dem, der nicht „altert“ (Ps 102,27.28).

Zudem wird sich in diesem Leben „Frieden mehren“. „Großen Frieden haben die, die dein Gesetz lieben“ (Ps 119,165). Es ist der Frieden des Herzens, die „Ruhe für unsere Seelen“ (Mt 11,29).

■ Der spezielle Gehorsam gegen die Eltern wird in gleicher Weise belohnt: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit deine Tage verlängert werden in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ (2. Mo 20,12).

3,3 „Güte und Wahrheit mögen dich nicht verlassen; binde sie um deinen Hals, schreibe sie auf die Tafel deines Herzens; …“ (Spr 6,21)

Dieser zweite Ratschlag weist uns auf die rechte Ausgewogenheit hin. Güte (oder Gnade) und Wahrheit sind eher gegensätzliche Tugenden. Beide sind kennzeichnend für den Herrn Jesus: „Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,17). Bei Ihm war alles vollkommen ausgewogen. So sollte es auch bei uns sein. Wie leicht üben wir Gnade auf Kosten der Wahrheit, oder wir pochen auf die Wahrheit, ohne Güte walten zu lassen. „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6). Beide Tugenden wirken sich sowohl in unserem Verhältnis zu Gott als auch zu Menschen aus (V. 4).

► Wenn wir Gottes Wort vernachlässigen, dann verlassen wir selbst nach und nach die Wahrheit, denn „dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,17).

Güte und Wahrheit sollen den inneren Menschen wie ein „Hals“-Geschmeide schmücken. Wenn wir beide Tugenden ausgewogen praktizieren, wird Gott sich daran erfreuen, weil Er Eigenschaften seines Sohnes bei uns sieht.

Was wir uns „auf die Tafel des Herzens“ schreiben, kann nicht mehr so leicht daraus gelöscht werden. Wir haben es verinnerlicht. Denselben Ausdruck verwendet der Apostel Paulus in 2. Korinther 3,3: „Von euch ist offenbar, dass ihr ein Brief Christi seid …, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens.“ Wir lernen, dass die Kombination „Güte und Wahrheit“ nichts mit starrer Gesetzlichkeit („steinerne Tafeln“) zu tun hat. Güte und Wahrheit müssen im Herzen gebildet werden. Das ist bei Gesetzlichkeit nicht der Fall.

■ Auf die „Tafeln von Stein“ hatte Gott seine Forderungen mit seinem Finger geschrieben (2. Mo 31,18). Das hatte nicht in erster Linie etwas mit Güte zu tun.

3,4 „… so wirst du Gunst finden und gute Einsicht in den Augen Gottes und der Menschen.“

Wenn wir Güte und Wahrheit nicht verlassen, finden wir „Gunst“ bei Gott. Von dem „gerechten und vollkommenen“ Noah lesen wir: „Noah aber fand Gnade in den Augen des Herrn“ (1. Mo 6,8). Ein solcher findet auch „gute Einsicht“19 in den Augen Gottes. Paulus drückt es so aus: „Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt“ (1. Kor 8,3; vgl. auch Gal 4,9).

Aber auch unsere Mitmenschen schätzen ein korrektes Verhalten – wenn auch nicht immer20. Grundsätzlich kommt ein Mensch „gut an“, wenn sein Leben durch Güte und Wahrheit gekennzeichnet ist. Das sehen wir bei Samuel, bei Esther, bei den ersten Christen21 und vor allem bei dem Knaben Jesus: „Und Jesus nahm zu an Weisheit und an Größe und an Gunst bei Gott und Menschen“ (Lk 2,52).

3,5 „Vertraue auf den Herrn mit deinem ganzen Herzen, und stütze dich nicht auf deinen Verstand.“

Das ist der dritte Rat des weisen Vaters. Der Sohn steht vielleicht in der Gefahr, seinen (scharfen) Verstand höher zu bewerten als die Macht Gottes (Jer 9,22.23). Auf den Herrn vertrauen ist eben keine Sache des Kopfes, sondern des „ganzen Herzens“. Dann sind alle Erwartungen auf Gott gerichtet statt auf das eigene Herz: „Wer auf sein Herz vertraut, der ist ein Tor“ (Spr 28,26).

► Echtes Vertrauen auf den Herrn und Misstrauen gegen dich selbst wird sich in deinem Gebetsleben zeigen. Du wirst Ihn dann auch bei „kleinen“ Problemen um Hilfe bitten und nicht meinen, sie selbst lösen zu können.

Gott hat uns den Verstand gegeben, damit wir ihn eifrig gebrauchen. Aber wir sollen uns nicht auf unseren Verstand stützen. Der wirklich Weise kennt die Begrenztheit aller menschlichen Überlegungen. Wir dürfen nie vergessen, dass der Herr „klüger“ ist als wir und über allem steht. Er weiß am besten, was gut für uns ist. Manchmal will Er unseren Glauben durch schwere Umstände erproben, die wir mithilfe unseres Verstandes lieber vermieden hätten. Aber wenn wir die Erprobung anerkennen, gehen wir gesegnet und gestärkt daraus hervor.

► Unser Verstand stellt uns auf eine höhere Ebene als die Tiere. Aber damit haben wir auch das „gefährliche“ Vorrecht einer größeren Freiheit. Wir können Gottes Führung annehmen – oder sie ablehnen!

3,6 „Erkenne ihn auf allen deinen Wegen, und er wird gerade machen deine Pfade.“

Wenn wir unser Vertrauen auf den Herrn und nicht auf den eigenen Verstand setzen, werden wir auf „allen unseren Wegen“ nur Ihn sehen. Wir werden „erkennen“, dass Er stets bei uns ist und alles für uns wirkt.

Aber wir werden Ihn auch als Führer erkennen. Er hat uns ein Beispiel hinterlassen, damit wir seinen Fußstapfen folgen (1. Pet 2,21). Wenn wir Ihm wirklich nachfolgen und seinen Willen tun, offenbart Er uns seinen und damit unseren Weg. Dann können wir Kolosser 3,17 verwirklichen, nämlich alles „im Namen des Herrn“ tun. Das bedeutet, dass wir bereits im Voraus ganz klar wissen, was in seinen Augen gut ist.

► Es ist töricht, erst im Nachhinein prüfen zu wollen, ob unser Weg in Übereinstimmung mit seinen Geboten war.

Daher sollten wir rechtzeitig und ernsthaft um seine göttliche Führung beten. „Deine Wege, Herr, tu mir kund, deine Pfade lehre mich“ (Ps 25,4; vgl. Ps 86,11). Dann werden unsere Augen geöffnet, um Ihn, bewundernd und dankbar, auf allen unseren Wegen zu erkennen.

Wenn wir den dritten Rat beachten und alle unsere Wege mit Ihm besprechen, wird Er – und nur Er allein – alle Wege „gerade machen“ und ebnen (Spr 16,3). In der Ausbildung, im Beruf, in der Familie, ja in allen Bereichen unseres Lebens. Viele Gläubige haben dies sogar in aussichtslos erscheinenden Situationen erfahren (2. Kor 4,8).

3,7 „Sei nicht weise in deinen Augen, fürchte den Herrn und weiche vom Bösen: …“

Dieser vierte Rat fordert uns zur Demut auf – eine Tugend, zu der wir auch im Neuen Testament mehrfach aufgerufen werden. „Sinnt nicht auf hohe Dinge, sondern haltet euch zu den Niedrigen; seid nicht klug bei euch selbst“ (Röm 12,16).22 Auch Jesaja warnt davor: „Wehe denen, die in ihren Augen weise und bei sich selbst verständig sind!“ (Jes 5,21). Wie leicht überschätzen wir uns selbst! „Denn wenn jemand meint, etwas zu sein, da er doch nichts ist, so betrügt er sich selbst“ (Gal 6,3). Hiervor werden wir nur bewahrt, wenn wir gelernt haben, dass wir ohne Gott nichts vermögen und ausschließlich Ihm vertrauen müssen (V. 5).

Wer weise in seinen Augen ist, handelt unabhängig von Gott. Er fürchtet Gott nicht und wird leicht in Sünde fallen. Wir aber sollen den Herrn fürchten und – dadurch bedingt – „vom Bösen weichen“. Die Belohnung finden wir im nächsten Vers.

3,8 „Es wird Heilung sein für deinen Nabel und Erquickung für deine Gebeine.“

Es geht hier natürlich in erster Linie um geistliche „Heilung“. Der Nabel spricht von einer Trennung der natürlichen Verbindung. Die „Heilung des Nabels“ kann dann als praktizierte Trennung von der Welt verstanden werden: „Weiche vom Bösen“ (V. 7). Es ist ein dauerhafter, segensreicher Prozess. Die Bibel nennt das „Heiligung“ (1. Thes 5,23).23 Sie hat zwei Seiten: Absonderung vom Bösen weg und zu Gott hin. Nur wer die Voraussetzungen des vorigen Verses erfüllt, kann in der praktischen Heiligung Fortschritte machen. „Lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2. Kor 7,1).

■ Der Apostel Johannes schreibt an Gajus: „Geliebter, ich wünsche, dass es dir in allem wohl geht und du gesund bist, wie es deiner Seele wohl geht“. Gajus war ein Mann, der insbesondere die Verse 1 und 3 in seinem Leben verwirklichte (3. Joh 2–4).

Die „Gebeine“ (Knochen) stützen den ganzen Körper. Wenn sie krank sind, ist keine Kraft da, sich aufrecht zu bewegen und richtig zu handeln. Aber wenn wir den Herrn fürchten und vom Bösen weichen, dann wird der ganze Körper „erquickt“, also aufgerichtet und gekräftigt. Dann kann

  • der Mund reden, wie er soll,
  • der Fuß gehen, wohin er soll,
  • die Hand tun, was sie soll.

Diese Erquickung schützt übrigens auch vor depressiven Gedanken.

3,9 „Ehre den Herrn von deinem Vermögen und von den Erstlingen all deines Ertrags; …“

Wenn wir diesen fünften Rat befolgen und Gott „von unserem Vermögen“ geben, dann nicht, weil Er es nötig hätte. Er ist ja „Gott, der Höchste, der Himmel und Erde besitzt“ (1. Mo 14,19). Nein, wir tun es aus Dankbarkeit und weil wir Ihn dadurch „ehren“ (Lk 8,3). Zusätzlich wollen wir dokumentieren, dass Er alle Rechte über unser Vermögen hat. Er hat es uns nur zur Verwaltung anvertraut. Ist es dann nicht geziemend, wenn wir Ihm davon zurückgeben – und zwar ohne uns etwas darauf einzubilden? David bekannte: „Denn wer bin ich, und was ist mein Volk, dass wir vermögen, auf solche Weise freigebig zu sein? Denn von dir kommt alles, und aus deiner Hand haben wir dir gegeben“ (1. Chr 29,14; vgl. 5. Mo 16,17).

Dieser Rat ist für uns, die wir in äußerem Wohlstand leben, von besonderer Bedeutung. Die Gläubigen in Mazedonien waren sehr arm. Aber Paulus bescheinigt ihnen, „dass bei großer Drangsalsprüfung das Übermaß ihrer Freude und ihre tiefe Armut übergeströmt sind in den Reichtum ihrer Freigebigkeit. Denn nach Vermögen, ich bezeuge es, und über Vermögen waren sie von sich aus willig“ (2. Kor 8,2.3). Welch ein Vorbild für uns!

► Frage dich: Wie kann ich Gott mit dem dienen, was Er mir anvertraut hat? Denke dabei nicht nur an den materiellen, sondern auch an den geistlichen Bereich. In beidem erwartet Er Verantwortungsbewusstsein und Treue.

Gott erwartet die „Erstlinge“, das Beste unseres Ertrags. Er will nicht unsere „Reste“ bekommen, nachdem wir alle eigenen Wünsche befriedigt haben. Den Israeliten hatte Gott befohlen: „Das Erste der Erstlinge deines Landes sollst du in das Haus des Herrn, deines Gottes, bringen“ (2. Mo 23,19; vgl. 3. Mo 23,10; 5. Mo 26,1–3). Bei ihnen war es ein Gebot, bei uns wünscht Gott Freiwilligkeit. „Ein jeder, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruss oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott“ (2. Kor 9,7).

3,10 „… so werden deine Speicher sich füllen mit Überfluss, und deine Fässer werden von Most überfließen.“

Gott lässt sich nichts „schenken“. Er gibt viel mehr zurück, als wir Ihm gegeben haben. Der Gewinn wird nicht unbedingt in Euro und Cent gerechnet, sondern liegt meistens auf einer anderen Ebene. Er wird in dem Bereich ausbezahlt, wo „Motte und Rost“ nicht zerstören (Mt 6,19). Gott sorgt in überreichem Maß für unsere (geistlichen) Grundbedürfnisse („Speicher“) und gibt uns obendrein noch „Fülle von Freuden“ („Most“; Ps 16,11). In Sprüche 11,25 wird es so ausgedrückt: „Die segnende Seele wird reichlich gesättigt, und der Tränkende wird auch selbst getränkt.“ Ebenso belehrt uns der Herr Jesus: „Gebt, und es wird euch gegeben werden: Ein gutes, gedrücktes, gerütteltes und überlaufendes Maß wird man in euren Schoß geben“ (Lk 6,38; vgl. 2. Kor 9,8).

► Es geht um dein Herz! Wenn du dich Gott völlig übergeben hast, fällt es dir leicht, Ihm auch deine materiellen Güter, deine Zeit und deine Kräfte zu übergeben.

■ Wenn Gott Segen verheißt, dann gibt Er auch seine Bedingungen bekannt, unter denen dieser Segen zu erlangen ist. Hier ist die Bedingung unsere Freigebigkeit, woanders unser Fleiß: „Die Hand der Fleißigen macht reich“ (Spr 10,4). In beiden Fällen unterliegt es unserer Verantwortung.

3,11–12: In diesen beiden Versen geht es um die weise Zucht des Vaters. Sie werden im Neuen Testament aufgegriffen, woran wir erkennen können, dass sie für alle Zeiten eine herausragende Bedeutung haben.

3,11 „Mein Sohn, verwirf nicht die Unterweisung des Herrn, und lass seine Zucht dich nicht verdrießen.“ (Heb 12,5)

Gott kennt uns durch und durch. Er ist weise und souverän. Um uns zu „unterweisen“ (oder zu erziehen, zurechtzuweisen), benutzt Er oft das Mittel der „Zucht“ (s. Auslegung zu Spr 1,2). Wenn Er uns züchtigt, dann stets zu unserem Nutzen. Auch Eliphas hatte dies erkannt, wenn er zu Hiob sagt: „Siehe, glückselig der Mensch, den Gott straft [oder zurechtweist; FußEÜ]! So verwirf denn nicht die Züchtigung des Allmächtigen. Denn er bereitet Schmerz und verbindet, er zerschlägt, und seine Hände heilen“ (Hiob 5,17.18; vgl. Ps 94,12). Wir können sagen, dass Vers 11 das Problem Hiobs ausdrückt, während Vers 12 die Lösung bietet.

In den Erziehungswegen mit seinen Kindern züchtigt Er sie aus verschiedenen Gründen und zu unterschiedlichen Zwecken, die sich auch überschneiden können:

  • zur Vorbeugung (wie bei Paulus in 2. Kor 12,7),
  • zur Korrektur (wie bei Hiob),
  • als Strafe (wie bei David in 2. Sam 12,14; auch 1. Kor 11,30),
  • zum Vermehren der Frucht (Joh 15,2–8),
  • zum Trost für andere Leidende (2. Kor 1,6),
  • zur Verherrlichung Gottes (wie bei Lazarus in Joh 11,4).

Es bestehen nun zwei Gefahren: Wir können die Unterweisung „verwerfen“ (Spr 1,25.30), oder die Zucht kann uns „verdrießen“. Jemand illustrierte dies einmal mit dem Verhalten verschiedener Vögel bei Regen:

  1. Einer Ente macht Regen gar nichts aus. Sie schaukelt auf dem Wasser auf und ab und nimmt sozusagen gar keine Notiz von der „Prüfung“. Sie gleicht einem Menschen, der die Unterweisung „verwirft“ und die Züchtigung des Herrn gering achtet. Dieser Mensch meint, alles „von sich abschütteln“ zu können. Er ignoriert, dass Gott durch die Schwierigkeiten mit ihm reden will. Durch seine Gleichgültigkeit kann Gott das gewünschte Ziel nicht erreichen.
  2. Ein Huhn ist im Regen ein erbärmlicher Anblick. Es steht mit seinen nassen Federn da und macht den Eindruck, als wenn diese „Prüfung“ unerträglich wäre. In einer solch verdrießlichen Weise sollten wir nicht auf Gottes Züchtigung reagieren. Wir sind ja nicht einfach unglückliche Opfer von unglücklichen Umständen!
  3. Die Amsel macht es richtig. Der Regen macht ihr zwar zu schaffen, aber sie sitzt dennoch auf dem Baum und singt ein Lied. Das ist auch für uns nachahmenswert. Wir sollten die Zucht bewusst aus der Hand unseres liebenden Gottes und Vaters annehmen und im Vertrauen auf seine Güte auch in Prüfungen sein Lob singen.

3,12 „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und zwar wie ein Vater den Sohn, an dem er Wohlgefallen hat.“ (Heb 12,6)

Gott liebt uns und möchte uns helfen. Er allein weiß, welche Prüfungen dazu nützlich sind. Wir wissen nicht, was aus uns geworden wäre, wenn Er nicht immer wieder eingegriffen hätte. Es ist gut, dazu die Verse 5–11 aus Hebräer 12 zu lesen (auch Ps 118,18; Klgl 3,31–33). Sie zeigen uns, dass seine Züchtigung das Ziel hat, uns in der Gemeinschaft mit Ihm zu bewahren. Die Liebe Gottes gibt dem Leiden einen Sinn.

► Ein Wort an Eltern: Eure Kinder brauchen Zucht, aber diese muss aus Liebe und in Liebe geschehen (Spr 19,18).

Kindschaft (bzw. Sohnschaft) und Züchtigung schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: Gott züchtigt uns, weil wir Söhne sind. Seine Erziehungswege sind ein Ausdruck der besonderen Beziehung, in der wir zu Ihm stehen. Wir sind eben keine „Bastarde“, sondern Söhne (Heb 12,8; 5. Mo 8,5). Gott hat Interesse an uns, Er hat „Wohlgefallen“ an uns.

■ In den Evangelien bezeugt Gott mehrfach, dass Er Wohlgefallen an seinem geliebten Sohn gefunden hat. Das war ein vollkommenes Wohlgefallen, weil der Herr Jesus stets den Willen seines Vaters tat. Mit uns ist es anders. Gott hat an uns einfach nur deswegen Wohlgefallen, weil wir seine Söhne sind, und nicht etwa, weil wir stets seinen Willen täten. Daher müssen wir – ganz im Gegensatz zu dem Herrn Jesus! – immer wieder gezüchtigt werden.

3,13–18: Diese Verse beschreiben die Unübertrefflichkeit der Weisheit. Sie beginnen und enden mit dem Wort „Glückselig“.

3,13 „Glückselig der Mensch, der Weisheit gefunden hat, und der Mensch, der Verständnis erlangt!“

Wer Weisheit gefunden hat, muss zuvor danach gesucht haben. Sie kommt nicht von selbst. Aber, sagt die Weisheit, „die mich früh [eifrig; FußEÜ] suchen, werden mich finden“ (Spr 8,17). Es ist eine Frage von Einsatz und geistlicher Aktivität (Spr 2,2). Finden können wir Weisheit und Verständnis letztendlich nur in Christus. Und wenn wir sie gefunden haben, sind wir „glückselig“. Kein Glück auf der Erde kommt an dieses Glück heran.

„Weisheit“ benötigen wir, um richtige Entscheidungen zu treffen, „Verständnis“ befähigt uns, Einsicht in die Gedanken Gottes zu gewinnen.

3,14 „Denn ihr Erwerb ist besser als der Erwerb von Silber und ihr Gewinn besser als feines Gold; …“ (Spr 8,19; 16,16)

Hier kommt zum ersten Mal in den Sprüchen dieses „Besser als“ vor, der „komparative Parallelismus“24. Silber und Gold gehören zu den wertvollsten Materialien – aber die Weisheit ist noch wertvoller. Salomo hatte unschätzbare Reichtümer (2. Chr 9,20–22), aber den Wert der Weisheit schätzte er höher ein. Der Psalmist sagt: „Besser ist mir das Gesetz deines Mundes als Tausende von Gold und Silber“ (Ps 119,72).

► Gott fordert uns auf, zu prüfen, „was das Vorzüglichere ist“ (Phil 1,10). Wir sollten niemals mit Gutem zufrieden sein, wenn es Besseres gibt.

Papiergeld ist wertlos, wenn es nicht für etwas eingetauscht werden kann. Goldmünzen dagegen haben einen Wert in sich selbst. Auch wenn sie ungültig geworden sind und man nicht mehr mit ihnen bezahlen kann, behalten sie doch immerhin den Goldwert. Doch die Weisheit hat nicht nur einen hohen Wert in sich selbst, sondern kann auch immer und überall nützlich eingesetzt werden.

■ „Geld allein macht nicht glücklich“, sagt ein Sprichwort. Doch wir können mit Vers 13 ergänzend korrigieren: „Nur der Besitz göttlicher Weisheit macht wirklich glücklich.“

3,15 „… kostbarer ist sie als Korallen, und alles, was du begehren magst, kommt ihr an Wert nicht gleich.“ (Spr 8,11)

Der Vergleich wird hier fortgesetzt. Korallen sind koloniebildende Nesseltiere. Hier geht es um die kalkhaltigen Steinkorallen, die schon im Altertum wegen ihrer außerordentlich schönen Farben und Formen sehr begehrt waren. Gott hat ihnen ihre Schönheit verliehen. Aber sie sind doch nur ein Teil dieser Schöpfung. Die Weisheit dagegen ist ewig (Spr 8,22–31). Wie wertvoll sie ist, beschreibt auch Hiob in beeindruckender Weise in seiner letzten Rede (Hiob 28).

Weisheit ist eine sichere Anlage für die Zukunft. Die Beschäftigung mit Gottes Wort, mit Gott selbst und mit der Person des Herrn Jesus wird für uns ein ewiger Besitz sein.

■ Paulus hatte alles für Verlust und Dreck geachtet „wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu“. Er wollte „Christus gewinnen“ (Phil 3,7.8) – und „begehrte“ keine irdischen Güter.

3,16 „Länge des Lebens ist in ihrer Rechten, in ihrer Linken Reichtum und Ehre.“

Beide „Hände“ der Weisheit sind mit Segnungen gefüllt. „Länge des Lebens“ war für einen Israeliten ein großer Segen. Doch wir haben mehr. Der Herr Jesus, die wahre Weisheit, gibt unserem Leben Sinn und Wert. „Länge“ des Lebens bezieht sich für uns auf die Tage, die es sich lohnt zu zählen. Dies sind nur diejenigen Lebensabschnitte, in denen wir geistliche Ziele angestrebt haben (vgl. Spr 3,2).

„Reichtum und Ehre“ waren für einen Israeliten ebenfalls von hohem Wert. Wir jedoch müssen auch diese Begriffe mit Christus in Verbindung bringen. In Ihm haben wir einen „unergründlichen Reichtum“ (Eph 3,8). Es sind unsere himmlischen Segnungen. Wir dürfen sie genießen und uns ihrer rühmen (1. Kor 1,30.31), sie gereichen uns zur „Ehre“. Sie sind uns aus Gnaden geschenkt. Daher ist klar, dass es sich nicht um selbst verdiente Ehre handelt.

3,17 „Ihre Wege sind liebliche Wege, und alle ihre Pfade sind Frieden.“

Die Weisheit bahnt uns den Weg und macht ihn für uns „lieblich“, weil dieser Weg frei von Streit und Schrecken ist. Stattdessen ist er gekennzeichnet von Frieden, „der allen Verstand übersteigt“ (Phil 4,7).

► Streit unter Christen weist auf Mangel an Weisheit hin.

3,18 „Ein Baum des Lebens ist sie denen, die sie ergreifen, und wer sie festhält, ist glückselig.“

Der „Baum des Lebens“ steht nach 1. Mose 2,9 im Garten Eden und nach Offenbarung 22,2.14 im himmlischen Jerusalem. Es ist bemerkenswert, dass dieser Ausdruck (außer hier) nur in dem ersten und letzten Buch der Bibel vorkommt. Er ist ein bildlicher Hinweis auf das, was der Herr Jesus, der „das Leben“ ist (Joh 11,25), zur Nahrung des ewigen Lebens schenkt. Wer Ihn, der die Weisheit ist, im Glauben „ergreift“, hat ewiges Leben und wird von diesem Baum genährt. Das ist wirkliches Leben und beinhaltet wirkliches Glück.

Der plötzliche Wechsel vom Plural (Mehrzahl) im ersten Teil zum Singular (Einzahl) im zweiten Teil des Verses zeigt, dass „Glückseligkeit“ ein ganz persönlicher Besitz des Herzens ist. Aber dazu muss man die Weisheit auch ganz persönlich „festhalten“.

■ Der andere Baum in Eden, der „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ (1. Mo 2,9), wurde für den Menschen sozusagen ein „Baum des Todes“. Die durch ihn erlangte Erkenntnis war nicht die göttliche Weisheit. Sie zeigte Adam und Eva nur, dass sie nackt waren und jetzt den Tod verdient hatten.

Die Verse 13–18 können wir folgendermaßen zusammenfassen:

  • Weisheit ist mit den kostbarsten Dingen nicht zu vergleichen.
  • Weisheit ist die beste Investition im Leben.
  • Weisheit macht glückselig.

3,19–20: Hier haben wir ein Intermezzo über die Weisheit des Schöpfers. Es gibt einen kurzen Blick frei auf das, was ausführlich in Sprüche 8,22–31 gezeigt wird.

3,19 „Der Herr hat durch Weisheit die Erde gegründet und durch Einsicht die Himmel festgestellt.“

Weisheit hat ja ihren Ursprung in Gott selbst. Und immer, wenn Er handelt, tut Er es in Weisheit. So auch – und in besonderer Weise – bei der Erschaffung der Welt25. Mit welch einer Weisheit hat Er sowohl das Weltall („die Himmel“) als auch die Position und Stabilität unseres Planeten („die Erde“) aufeinander abgestimmt! Gemäß seiner „Einsicht“ erfüllt auch alles seinen bestimmten Zweck. Kein Mensch hätte so etwas planen, geschweige denn ausführen können. Wo Wissenschaftler lediglich von Naturgesetzen sprechen, beugt sich der Gläubige vor dem weisen Schöpfer-Gott nieder.

3,20 „Durch seine Erkenntnis sind die Tiefen hervorgebrochen, und die Wolken träufelten Tau herab.“

Der ganze Wasserhaushalt der Erde – die wohl wichtigste Grundlage irdischen Lebens – wurde durch Gottes „Erkenntnis“ in Gang gesetzt und bis heute durch Ihn gesteuert. Sehr deutlich zeigte sich dies bei der Sintflut, wo „alle Quellen der großen Tiefe“ aufbrachen (1. Mo 7,11). Andererseits schenkt Er auch den „Tau“, die erfrischenden „Tropfen der Nacht“ (Hld 5,2). Er allein weiß, wann und wo es auf der Erde regnen soll, damit Pflanzen wachsen und Tiere trinken können. Seiner Erkenntnis verdanken wir es, dass bis heute nicht aufgehört haben „Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mo 8,22).

3,21–26: Nun wird uns Bewahrung und Schutz durch die Weisheit versprochen, sofern wir sie bewahren und anwenden.

3,21 „Mein Sohn, lass sie nicht von deinen Augen weichen, bewahre klugen Rat und Besonnenheit; …“

Die Weisheit, die Gott in der Schöpfung offenbart hat, kann von jedem gesehen werden (Röm 1,19.20). Doch jemand, der sich beispielsweise dem Gedanken der Evolution öffnet, verschließt seine Augen vor dieser offensichtlichen Weisheit Gottes. In dieser Gefahr stehen besonders unsere Kinder und Jugendlichen. Ihr Lernstoff ist quasi in allen Bereichen durchsetzt vom Gedanken der Evolution.

Daher die Aufforderung Gottes, die Augen fest auf seine Weisheit zu richten. Wie ein Seefahrer, der seinen Blick in der Nacht auf den Leitstern fixiert. Natürlich geht es dabei nicht nur um das Betrachten der Weisheit in der Schöpfung. Das zeigt der zweite Teil dieses Verses.

Die Weisheit Gottes wird in allen Lebensumständen benötigt. Zwar können auch Menschen einen Rat geben – aber ist es immer ein kluger? Wollen wir Sicherheit, müssen wir uns an Gott wenden. Nur bei Ihm gibt es absolute Weisheit und Einsicht, und daher auch „klugen Rat“.

Wer „Besonnenheit bewahrt“, tut nichts Übereiltes, tut nichts ohne weise Überlegung. Er wartet, bis Gott ihm seinen guten Rat deutlich macht. Dazu muss er seine Augen stets auf Ihn richten – so wie ein Autofahrer sich im Nebel auf die weiße Mittellinie konzentriert.

3,22 „… so werden sie Leben sein für deine Seele und Anmut für deinen Hals.“

Der kluge Rat und die Besonnenheit werden nicht Leben bewirken, sondern „Leben sein“! Sie beleben unsere Seele. Sie bewahren uns vor Wegen des Todes. Und sie sind gewissermaßen ein Schmuck („Anmut“) für unseren Charakter (Spr 3,3; 1,9).

3,23 „Dann wirst du in Sicherheit deinen Weg gehen, und dein Fuß wird nicht anstoßen.“

Wer den klugen Rat der Weisheit Gottes bewahrt, hat einen sicheren Tritt auf seinem Lebensweg. Er stolpert nicht, er eckt nicht an. Auch zögert er nicht ängstlich, den nächsten Schritt zu tun. Er verschließt seine Augen nicht vor den Gefahren, doch er weiß, dass Gott ihm in jeder Gefahr beistehen wird. Er sieht, was gegen ihn ist, aber er weiß auch, wer für ihn ist (Röm 8,31).

■ Als Satan den Herrn Jesus aufforderte, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen, führte er diese Zusage Gottes an, und zwar aus der ganz ähnlichen Stelle in Psalm 91,11.12: „Er wird seinen Engeln deinetwegen befehlen, dass sie dich bewahren;“ und „sie werden dich auf Händen tragen, damit du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest.“ Die Entgegnung des Herrn ist für uns richtungsweisend: „Es ist gesagt:,Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen‘“ (Lk 4,10–12). Wir können die Zusage unseres Verses also nur dann für uns in Anspruch nehmen, wenn wir keinen eigenwilligen Weg beschreiten.

3,24 „Wenn du dich niederlegst, wirst du nicht erschrecken; und liegst du, so wird dein Schlaf süß sein.“

Der Herr Jesus konnte im schweren Sturm tief und fest schlafen (Mk 4,38). Das Wüten des Sturms „erschreckte“ Ihn nicht. Auch David war sich der göttlichen Bewahrung sicher, wenn er in Psalm 4,9 sagt: „In Frieden werde ich sowohl mich niederlegen als auch schlafen; denn du, Herr, allein lässt mich in Sicherheit wohnen.“

Der „süße Schlaf“ beruht auf einem Gefühl von Sicherheit. Das haben wir aber nur, wenn wir einerseits auf Gott vertrauen und andererseits nicht durch ein schlechtes Gewissen geplagt werden.

3,25 „Fürchte dich nicht vor plötzlichem Schrecken noch vor der Verwüstung der Gottlosen, wenn sie kommt; …“

Plötzliche Ereignisse können auch die Lebenssituation eines Gläubigen grundlegend verändern. Die Diagnose eines Arztes, die Kündigung der Arbeitsstelle, ein tragischer Unfall oder eine Naturkatastrophe sind in der Lage, uns in Angst und Schrecken zu versetzen. Wie soll es weiter gehen? Doch der allmächtige Gott ruft uns zu: „Fürchte dich nicht!“ Über den Gerechten wird gesagt: „Er wird sich nicht fürchten vor schlechter Nachricht; fest ist sein Herz, es vertraut auf den Herrn“ (Ps 112,7).

Vor allem aber brauchen wir uns nicht vor den Gerichten („der Verwüstung“) zu fürchten, die über die Gottlosen in der Drangsalszeit kommen werden! Wir haben die Verheißung: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird“ (Off 3,10).

3,26 „… denn der Herr wird deine Zuversicht sein und wird deinen Fuß vor dem Fang bewahren.“

Alles was geschieht, trifft uns nur in dem Maß, wie seine Weisheit es zulässt. Daher können wir zuversichtlich zu Ihm aufblicken. Auch wenn unsere Zukunft dunkel vor uns liegt.

Der Herr ist unser Schutz, wenn Satan uns allerlei Fallen auf den Weg stellt, um uns zu „fangen“. Wenn wir beten: „Bewahre mich, Gott, denn ich suche Zuflucht bei dir!“ (Ps 16,1), erhalten wir die Antwort: „Er wird nicht zulassen, dass dein Fuß wanke“ (Ps 121,3). Das gibt Sicherheit!

b) Verhalten gegenüber Mitmenschen (Kap. 3,27–35)

Die Weisheit regelt nicht zuletzt auch unser Verhalten gegenüber unserem Nächsten. Dieser Abschnitt enthält zwei Teile:

Spr 3,27–31: Fünf Verhaltensregeln
Spr 3,32–35: Gegenüberstellung: gutes – schlechtes Verhalten

3,27–31: Hier finden wir fünf Regeln für das Verhalten gegenüber Mitmenschen. Sie werden alle negativ dargestellt, d. h., es wird stets gesagt, was wir nicht tun sollen. Diese Vorgehensweise finden wir auch im Neuen Testament: „Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht“ (Kol 3,5; vgl. Eph 4,31). Ist es nicht traurig, dass Gott uns so oft die Neigungen unserer alten Natur vorhalten muss, damit wir seine Ermahnungen begreifen?

In der Welt sind die Verhaltensweisen, vor denen hier gewarnt wird, an der Tagesordnung. Wir aber haben uns deutlich davon abzugrenzen. Daher ermahnt uns Römer 12,2: „Seid nicht gleichförmig dieser Welt“ – eine Ermahnung, die wir am Ende jeder der nun folgenden fünf Auslegungen aufgreifen werden.

3,27 „Enthalte kein Gutes dem vor, dem es zukommt, wenn es in der Macht deiner Hand steht, es zu tun.“

Zunächst werden wir aufgefordert, niemand etwas vorzuenthalten, auf das er Anspruch hat. Das können materielle Dinge sein, es kann aber auch um praktische Unterstützung oder um ideelle Werte gehen.

  • Materiell: Bezahle ich meine Rechnungen pünktlich (Röm 13,8)? Gebe ich „dem Kaiser, was des Kaisers ist“ (Mt 22,21)? Bin ich bereit, Brüder und Schwestern, die im Werk des Herrn arbeiten, zu unterstützen (1. Kor 9,9–11)?
  • Praktisch: Bin ich bereit, meiner alten Mutter ihren Einkauf zu erledigen? Sie hat einen Anspruch auf Hilfe (1. Tim 5,8)! Nehme ich einen Bruder, der für das Werk des Herrn auf Reisen ist, gern in mein Haus auf, wenn ich die Möglichkeit dazu habe (3. Joh 8)?
  • Ideell: Gewähre ich als Arbeitgeber meinen Angestellten die ihnen zustehende Freizeit (Kol 4,1)? Ehre ich meine Eltern (Eph 6,1)? Ehre ich die regierenden Personen oder äußere ich mich abfällig über sie (1. Pet 2,17)?

Gott selbst ist unser Vorbild, denn Er wird „kein Gutes vorenthalten denen, die in Lauterkeit wandeln“ (Ps 84,12). – „Also nun, wie wir Gelegenheit haben, lasst uns das Gute wirken gegenüber allen, am meisten aber gegenüber den Hausgenossen des Glaubens“ (Gal 6,10).

► Wir sind gleichförmig dieser Welt, wenn wir jemandem bewusst etwas vorenthalten.

3,28 „Sage nicht zu deinem Nächsten:,Geh hin und komm wieder, und morgen will ich geben!’, da du es doch hast.“

Im Gegensatz zum vorigen Vers geht es hier nicht nur um das, was jemand rechtmäßig zusteht, sondern auch um das, worum jemand bittet. Der Nachdruck liegt hier auf dem Sagen. „Geh hin und komm wieder!“ Wie muss es die bittende Person schmerzen, solche abweisenden Worte zu hören! Die Vertröstung „morgen will ich geben“ ist zudem oft reine Heuchelei. Jemand hat gesagt: „Eine Wohltat verliert an Wert, wenn sie lange zwischen den Händen des Gebers hängen bleibt.“

Jakobus wird in dieser Hinsicht sehr deutlich: „Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Jak 4,17; vgl. Jak 2,15.16). Der Herr Jesus fordert uns auf: „Gib dem, der dich bittet, und weise den nicht ab, der von dir borgen will“ (Mt 5,42) – selbst wenn es „um Mitternacht“ geschieht (Lk 11,5–8). Wer dieses Wort nicht praktiziert, dem fehlt es an echtem Mitleid.

► Wir sind gleichförmig dieser Welt, wenn wir uns vor der Not eines anderen verschließen.

3,29 „Schmiede nichts Böses gegen deinen Nächsten, während er vertrauensvoll bei dir wohnt.“

Hier geht es um böse Gedanken. Wir machen es uns wohl kaum bewusst, wie viel böse Pläne wir in Gedanken „schmieden“. Freundschaft und Vertrauen missbrauchen ist eine gemeine Sache. Vor Gott ist ein solch hinterlistiges Verhalten verwerflich (Jer 9,4–7). Hat nicht auch Judas, der Verräter, so gehandelt? Der Herr Jesus hat es tief empfunden: „Sogar der Mann meines Friedens, auf den ich vertraute, der mein Brot aß, hat die Ferse gegen mich erhoben“ (Ps 41,10).

► Wir sind gleichförmig dieser Welt, wenn wir das Vertrauen eines anderen missbrauchen.

3,30 „Streite nicht mit einem Menschen ohne Ursache, wenn er dir nichts Böses angetan hat.“

Das hier verwendete hebräische Wort für „streiten“ bedeutet: „einen Rechtsstreit führen“, „rechten“ (wie z. B. Spr 25,9; Ps 103,9). Aber was könnte jemand dazu veranlassen, „ohne Ursache“ mit einem Menschen zu rechten oder sogar vor Gericht zu ziehen?

Oft beginnt es im Kleinen. Man ärgert sich im Stillen über sein Wesen, seine Ansichten oder Gewohnheiten. Man findet ihn unsympathisch. Schließlich lässt man es ihn fühlen und „streitet“ mit ihm über jede Kleinigkeit.

Eine weitere Ursache kann (religiöser) Fanatismus, Gesetzlichkeit oder einfach nur Rechthaberei sein. Nicht selten spielt auch Neid eine Rolle. Man gönnt dem anderen seinen Wohlstand oder seine gute Stellung nicht und versucht daher, ihm irgendwie zu schaden. Obwohl er einem „nichts Böses angetan hat“! So ist es Daniel ergangen. Aus Neid „suchten die Vorsteher und die Satrapen einen Anklagegrund gegen Daniel … zu finden; aber sie konnten keinen Anklagegrund und keine schlechte Handlung finden, weil er treu war“ (Dan 6,5). Nur durch List schafften sie es, ihn anklagen zu können – aber letztlich „ohne Ursache“.

Auch die Anklage gegen den Herrn Jesus erfolgte im Wesentlichen aus Hass, Fanatismus und Neid (Joh 15,24; 19,7; Mt 27,18). Er musste klagen: „Mit Worten des Hasses haben sie mich umgeben und haben gegen mich gekämpft ohne Ursache“ (Ps 109,3).

Und was ist, wenn der andere mir doch Böses angetan hat? Darf ich dann „streiten“? Darauf gibt uns 1. Korinther 6,7 eine Antwort: „Es ist nun schon überhaupt ein Fehler an euch, dass ihr Rechtshändel miteinander habt. Warum lasst ihr euch nicht lieber unrecht tun? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen?“

► Wir sind gleichförmig dieser Welt, wenn wir mit jemandem (grundlos oder „begründet“) streiten oder vor Gericht ziehen.

3,31 „Beneide nicht den Mann der Gewalttat, und erwähle keinen von seinen Wegen.“

Wozu Neid führen kann, haben wir eben gesehen. Jakobus schreibt: „Denn wo Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und jede schlechte Tat“ (Jak 3,16). Neid ist nichts anderes als Unzufriedenheit mit Gott: „Begnügt euch mit dem, was vorhanden ist, denn er hat gesagt:,Ich will dich nicht versäumen’“ (Heb 13,5). Wenn wir neiden, sagen wir damit, dass Gott uns doch versäumt hat.

Selbst gottesfürchtige Menschen können auf trübe Gedanken kommen, wenn sie das Wohlergehen böser Menschen mit ihrer eigenen Situation vergleichen. Von diesen Problemen berichtet z. B. Asaph in Psalm 73, und auch David warnt: „Erzürne dich nicht über die Übeltäter, beneide nicht die, die Unrecht tun!“ (Ps 37,1; vgl. Hiob 21,7; Pred 7,15).

Weiter sagt er in Vers 8 desselben Psalms: „Erzürne dich nicht! Nur zum Bösestun verleitet es.“ Man steht nämlich in Gefahr, es diesem „Mann der Gewalttat“ gleichzutun, weil er offensichtlich Erfolg mit seinen Gewalttaten hat. Daher die Warnung: „Erwähle keinen von seinen Wegen.“

► Wir sind gleichförmig dieser Welt, wenn wir auf Menschen neidisch sind, die bei unrechtmäßigem Verhalten auch noch Erfolg haben.

3,32–35: Diese Verse beschließen das Kapitel mit vier bemerkenswerten Gegenüberstellungen.

3,32 „Denn der Verkehrte ist dem Herrn ein Gräuel, aber sein Geheimnis ist bei den Aufrichtigen.“

Dieser Vers beginnt mit „Denn“ und ist also eine Begründung für die vorigen fünf Ermahnungen. Wer Gutes vorenthält, Bedürftige auf morgen vertröstet, gegen den Nächsten Böses schmiedet, ohne Ursache streitet oder die Sünder beneidet, ist in den Augen Gottes ein „Verkehrter“. Solche sind Ihm ein „Gräuel“. Dabei geht es weniger um Gottlose als um selbstsüchtige und unaufrichtige Bekenner.

Dagegen ist „das Geheimnis des Herrn … für die, die ihn fürchten, und sein Bund, um ihnen denselben kundzutun“ (Ps 25,14). Der Herr wünscht Aufrichtigkeit. Er sucht Wahrheit im Innern. Nur dann kann Er vertrauten Umgang (FußEÜ) mit uns haben und uns seine „Geheimnisse“ offenbaren. Beispiele dazu finden wir bei Abraham (1. Mo 18,17), Mose (Ps 103,7), Daniel (Dan 2,19) und bei den Propheten im Allgemeinen: „Denn der Herr, Herr, tut nichts, es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, offenbart habe“ (Amos 3,7).

■ Heute offenbart Gott uns „sein Geheimnis“, indem Er uns durch den Heiligen Geist in die Wahrheit seines Wortes leitet (Joh 16,13).

3,33 „Der Fluch des Herrn ist im Haus des Gottlosen, aber er segnet die Wohnung der Gerechten.“

Wir haben schon gesehen, dass die Gottlosen ausgerottet werden (Spr 2,22) und dass ihre Verwüstung kommt (Spr 3,25). Hier nun werden sie verflucht. Der Fluch „ruht“ auf ihnen (5. Mo 29,19) und der Zorn Gottes „bleibt“ auf ihnen (Joh 3,36). Dabei liegt dieser Fluch nicht nur auf der Person des Gottlosen, sondern er ist auch in seinem „Haus“. Der Gottlose schadet seiner ganzen Umgebung.

■ Dieser Vers zeigt uns, dass es falsch ist, Unbekehrte nur auf Gottes Liebe hinzuweisen. Der Apostel Paulus tat es nicht. Er predigte das Evangelium der Gnade Gottes, kündigte aber dann denen, die nicht glauben würden, das kommende Gericht an (Apg 17,30.31).

In Verbindung mit dem Gottlosen wird von einem „Haus“ gesprochen, der Gerechte aber hat eine „Wohnung“. Dies ist persönlicher, intimer. Gott selbst wohnt dort mit seinem Segen. In einer solchen Wohnung ist Licht (2. Mo 10,23). Wohl schließt das nicht aus, dass es dort Not geben kann, aber bei den Gerechten ist eine Not eben kein „Fluch“, sondern immer „Segen“. „Wenn sie durchs Tränental gehen, machen sie es zu einem Quellenort; ja, mit Segnungen bedeckt es der Frühregen“ (Ps 84,7).

Als „Gerechte“ stehen wir prinzipiell unter Gottes Segen, weil wir „gerechtfertigt worden sind aus Glauben“ (Röm 5,1). Um ihn praktisch zu erlangen, müssen wir dann aber auch täglich Gerechtigkeit praktizieren.

► Verhalte ich mich wirklich in allem gerecht, so dass Gott meine Wohnung segnen kann? Es geht ja nicht nur um mein eigenes Wohl, sondern auch um das meines Ehepartners und meiner Kinder!

Die Sprüche beziehen den Segen Gottes auf vielerlei Bereiche, und zwar …

  • … auf die ganze Familie des Gerechten: „Er segnet die Wohnung der Gerechten“,
  • … auf den Einzelnen persönlich: „Dem Haupt des Gerechten werden Segnungen zuteil“ (Spr 10,6),
  • … auf den Nachruf des Gerechten: „Das Gedächtnis des Gerechten ist zum Segen“ (Spr 10,7),
  • … als Einfluss auf die Umgebung des Gerechten: „Die Stadt frohlockt beim Wohl der Gerechten“, denn „durch den Segen der Aufrichtigen kommt eine Stadt empor“ (Spr 11,10.11).

3,34 „Die Spötter verspottet auch er, den Demütigen aber gibt er Gnade.“ (Jak 4,6; 1. Pet 5,5)

Spötter werden in Sprüche 21,24 als übermütig und stolz charakterisiert. In der Septuaginta, nach der diese Stelle im Neuen Testament zitiert wird, werden sie „Hochmütige“ genannt. Nie war dieses Übel mehr verbreitet als in unseren letzten Tagen (2. Pet 3,3). Der Spott steht Gottes Weisheit gegenüber, die er lächerlich zu machen sucht. Im Spott drückt sich auch Feindschaft gegenüber Gott aus. In diesem Zustand ist jeder unbekehrte Mensch. Aber es kommt der Augenblick, wo der Allmächtige sie „verspotten“ wird. Dann wird Er zeigen, wer der Stärkere ist (Ps 2,3–6).

Auch jeder von uns muss sich davor hüten, ein Spötter zu werden. Dabei geht es nicht nur um spottende Bemerkungen. „Gott spotten“ tut man vor allem dann, wenn man im Vertrauen auf Gottes Gnade ein Leben in der Sünde führt (Gal 6,7.8; Röm 6,1).

Demut ist eine der Tugenden, die wir von dem Herrn Jesus lernen sollen (Phil 2,5–8). Er hat gesagt: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,29). Der Demütige beugt sich unter den Willen Gottes. Er hält sich zu den Niedrigen (Röm 12,16). Er hat die wunderbare Verheißung, „Gnade“ zu empfangen, indem Gott seine Wege gelingen lässt und seiner Seele Belebung und Ruhe gibt (Jes 57,15).

Demut ist nach der Gerechtigkeit (V. 33) ein zweites wichtiges Kennzeichen eines Gläubigen. Fünfmal werden wir im Neuen Testament aufgefordert, demütig zu sein26. Wenn uns Demut mangelt, kann Gott uns auch „demütigen“, damit wir unsere Unzulänglichkeiten demütig anerkennen.

► Bedenke: Demut kann auch geheuchelt sein (Kol 2,18.23)!

3,35 „Die Weisen erben Ehre, aber die Toren erhöht die Schande.“

Zwischen Ehre und Schande liegen Welten. Ebenso groß ist der Abstand zwischen Weisen und Toren. In unserer Gesellschaft mögen manchmal die Toren Ehre erlangen und die Weisen verachtet werden. Gott aber wird stets nach dem Grundsatz handeln, den Er auch schon dem Priester Eli deutlich machte: „Denn die, die mich ehren, werde ich ehren, und die, die mich verachten, werden gering geachtet werden“ (1. Sam 2,30).

Dieser Vers ist eng mit dem vorigen verknüpft. Denn ist es nicht Spotten vonseiten Gottes, wenn Er sagt, dass die Toren „erhöht“ werden durch ihre Schande? Und was die positive Seite angeht, so lernen wir aus Sprüche 15,33: „Der Ehre geht Demut voraus.“

Weisheit ist ein drittes wichtiges Kennzeichen eines Gläubigen. Wir erlangen sie, wenn unser Leben von der Furcht des Herrn geprägt ist. „Die Furcht des Herrn ist Unterweisung zur Weisheit“ (Spr 15,33; vgl. Spr 9,10).

Gefahren auf dem Weg (Kapitel 4–7)

In diesen Kapiteln werden wir vor verschiedenen Versuchungen gewarnt, in die wir auf unserem Lebensweg fallen können. Das erinnert an den Charakter des 4. Buches Mose, wo die Wüstenreise des Volkes Israel mit all ihren Höhen und Tiefen beschrieben wird. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass Vier die Zahl der Erde ist.27 So wie Israel durch die gefahrvolle Wüste ziehen musste, leben auch wir noch in dieser gefahrvollen Welt.

An uns ist es nun, von den Erfahrungen zu profitieren, die Israel und auch der weise Salomo mit Gott gemacht haben. Dieser Gott wird auch heute jedem Glaubenden den richtigen Weg durch die „Wüste“ weisen: „Die Gnade … unterweist uns, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf“ (Tit 2,11.12).

Wir können diese Unterweisung in sechs Bereiche unterteilen:

  1. Unterweisungen Davids (Spr 4,1–9)
  2. Der Weg der Weisheit (Spr 4,10–27)
  3. Das Verhältnis zum anderen Geschlecht (Spr 5)
  4. Schädliche Handlungsweisen (Spr 6,1–11)
  5. Bosheit gegenüber Mitmenschen (Spr 6,12–19)
  6. Ehebruch und Hurerei (Spr 6,20–7)

a) Unterweisungen Davids (Kap. 4,1–9)

Zu Beginn des 4. Kapitels teilt uns Salomo mit, was er von seinem Vater David gelernt hat. Gott möchte, dass seine Weisheit von Generation zu Generation weitergegeben wird. Das betrifft jeden, der Kinder oder Enkel hat, aber auch geistliche Väter und Mütter unter den Gläubigen.

Dieser Abschnitt enthält zwei Teile:

Spr 4,1–3: Salomos Aufruf an seine Söhne
Spr 4,4–9: Der Erwerb der Weisheit

4,1–3: Hier spricht Salomo zum ersten Mal die Söhne28 an. Alle sollen zuhören, wenn er berichtet, was sein Vater ihm hinsichtlich der Weisheit beigebracht hat.

4,1 „Hört, Söhne, die Unterweisung des Vaters, und hört zu, um Verstand zu kennen!“ (Spr 1,8)

Wahrscheinlich hatte Salomo viele Kinder und auch viele Söhne29, die er hier anspricht, doch es ist klar, dass wir den Ausdruck „Söhne“ einfach auf die gesamte junge Generation anwenden müssen. Salomo folgt hier dem Beispiel seines Vaters, der ganz Ähnliches gesagt hat: „Kommt, ihr Söhne, hört mir zu: Die Furcht des Herrn will ich euch lehren“ (Ps 34,12).

Glücklich, wer in einer gläubigen Familie heranwächst, wo Gottes Weisheit an die Kinder weitergegeben wird! Ein Beispiel dafür ist die Familie von Timotheus. Seine Großmutter Lois und seine Mutter Eunike lebten ihm einen ungeheuchelten Glauben vor, der dann schließlich auch ihn kennzeichnete (2. Tim 1,5).

■ Leider gibt es in der Bibel aber auch Fälle, wo Söhne gottesfürchtiger Väter böse Wege gegangen sind. Traurige Beispiele sind Söhne von Samuel, David und Hiskia.30 Ja, sogar Salomo selbst „tat, was böse war in den Augen des Herrn, und er folgte dem Herrn nicht völlig nach wie sein Vater David“ (1. Kön 11,6).

Die verschiedenen Arten von „Unterweisung“ wurden schon bei Sprüche 1,2 angegeben. An dieser Stelle bietet es sich nun an, über weitere Grundsätze einer guten Erziehung nachzudenken. Sie besteht im Wesentlichen aus drei Elementen:

  1. Unterweisung: Aktive und gezielte Belehrung ist unbedingt nötig. Der allgemeine Einfluss einer christlichen Atmosphäre im Haus oder in der Gemeinde reicht nicht aus – so wichtig er auch ist! Wir dürfen auch nicht meinen, gelegentliche erzieherische Hinweise würden bereits genügen. Schon in Israel wurden die Eltern aufgefordert, ihre Kinder intensiv in den Geboten Gottes zu unterweisen: „Lehrt sie eure Kinder, indem ihr davon redet, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst“ (5. Mo 11,19). Es ist also sehr wichtig, dass die Grundelemente der christlichen Wahrheit von den Kindern gelernt und verstanden werden, „um Verstand zu kennen“.

Gott sagt über Abraham: „Denn ich habe ihn erkannt, dass er seinen Kindern und seinem Haus nach ihm befehle, damit sie den Weg des Herrn bewahren, Gerechtigkeit und Recht auszuüben“ (1. Mo 18,19). Befehlen – ein bemerkenswerter Ausdruck in diesem Zusammenhang!

  1. Vorbild: Ohne ein positives Vorbild ist allerdings die beste Unterweisung relativ nutzlos. Unterweisung ist das Licht, das den richtigen Weg zeigt; Vorbild ist der Antrieb, diesen Weg dann auch zu gehen. Wenn beides gleichermaßen vorhanden ist, wird es Gott schenken, dass die Kinder den Eltern auf dem Weg der Gottesfurcht folgen. Ein weiser Bruder sagte einmal zu jungen Vätern: „Ich gebe euch drei Empfehlungen für die Erziehung eurer Kinder mit auf den Weg: Erstens: Vorbild. Zweitens: Vorbild. Drittens: Vorbild.“
  2. Züchtigung: Dieses Thema behandeln wir näher bei Sprüche 13,24.

4,2 „Denn gute Lehre gebe ich euch: Verlasst meine Belehrung nicht.“

Salomo hatte von seinem Vater „gute Lehre“ erhalten (V. 4). Diese gab er nun an die jüngere Generation weiter. Ähnlich war es bei Timotheus. Paulus schreibt ihm: „Wenn du dies den Brüdern vorstellst, so wirst du ein guter Diener Christi Jesu sein, auferzogen durch die Worte des Glaubens und der guten Lehre, der du genau gefolgt bist“ (1. Tim 4,6).

Doch die Gefahr besteht, dass man die erhaltene Belehrung eines Tages „verlässt“ – vielleicht, weil man sie nie wirklich ins Herz aufgenommen hat (Spr 3,1). In seinem zweiten Brief an Timotheus ermahnt Paulus ihn daher: „Halte fest das Bild gesunder Worte, die du von mir gehört hast. … Bewahre das schöne, anvertraute Gut!“ (2. Tim 1,13.14).

■ Gott hatte Salomo zu Beginn seiner Regierungszeit davor gewarnt, vom Weg der Weisheit abzuweichen. Mehr als zwanzig Jahre später musste Er diese Warnung in schärferer Form wiederholen, offenbar weil Er bei Salomo schon eine Abwärtsentwicklung wahrnahm (1. Kön 3,14; 9,1–9).

4,3 „Denn ein Sohn bin ich meinem Vater gewesen, ein zarter und einziger vor meiner Mutter.“

Die Redewendung „ich bin meinem Vater ein Sohn gewesen“ deutet darauf hin, dass Salomo ein Sohn war, an dem der Vater Wohlgefallen hatte. Er hatte offensichtlich Gemeinschaft mit seinem Vater, indem er dessen Belehrungen und Grundsätze annahm und befolgte. Deshalb war er auch in der Lage, sie an seine Söhne weiterzugeben – ein allgemeiner Grundsatz für jeden, der die Aufgabe hat, andere zu belehren.

■ In vollkommener Weise ist nur Jesus „seinem Vater ein Sohn gewesen“. Deswegen konnte Er sagen: „Wie der Vater mich gelehrt hat, das rede ich“ (Joh 8,28).

Man spürt, dass Salomo seinen Vater geschätzt hat. Tatsächlich gibt es keine Bibelstelle, in der er dessen Sünden irgendwie erwähnt. Auch können wir vermuten, dass David bei der Erziehung seines Sohnes Salomo nicht mehr die Fehler wiederholt hat, die er bei seinen älteren Söhnen begangen hat (z. B. 1. Kön 1,6). Für Salomo war er ein Vorbild.

Salomo erwähnt hier auch seine Mutter, was darauf schließen lässt, dass beide Elternteile in seiner Erziehung „an einem Strang“ zogen. Wenn das in einer Familie nicht der Fall ist, kann sich dies zu einem bleibenden Schaden für die Kinder auswirken. Weiter ist auffallend, dass Salomo es hier so ausdrückt, als sei er der einzige Sohn Bathsebas gewesen, was eindeutig nicht der Fall war (1. Chr 3,5). Salomo, zu Deutsch der „Friedliche“, hatte wohl bei seiner Mutter einen besonderen, „einzigartigen“ Stand. Er war ja der Geliebte des Herrn („Jedidjah“; 2. Sam 12,25 mit FußEÜ), der für den Thron Israels vorgesehen war.

4,4–9: Nun zählt Salomo auf, was sein Vater ihn gelehrt hatte. Er tut es mit dem Ziel, dass auch seine Söhne darauf hören. Es geht dabei im Wesentlichen um den Erwerb der Weisheit.

4,4 „Und er lehrte mich und sprach zu mir: Dein Herz halte meine Worte fest; beachte meine Gebote und lebe.“

Wenn David seinem Sohn Belehrungen erteilte, hatte dies ein besonderes Gewicht, denn Gott nannte David „einen Mann nach seinem Herzen“ (1. Sam 13,14). Davids Herz war auf Gottes Herz ausgerichtet. Er bemühte sich, nach Gottes Gedanken zu handeln (Ps 139,17; 18,22.23). Gleiches wünschte er nun auch von seinem Sohn (1. Chr 28,9).

Das gute, geistliche Erbe der Väter kann nur dann weiter bestehen, wenn wir das Wort Gottes „festhalten“ und „beachten“. Festhalten betrifft die Lehre, Beachten die Praxis. Die Folge davon ist „Leben“, ein gesegnetes Leben in Gemeinschaft mit Gott.

4,5 „Erwirb Weisheit, erwirb Verstand; vergiss nicht und weiche nicht ab von den Reden meines Mundes.“ (Spr 4,7)

Es geht um den Kauf von Weisheit und Verstand. Wir müssen etwas aufwenden, und zwar ist es die Energie, Gottes Wort zu studieren. Das zweimalige „Erwirb“ zeigt, wie wichtig dem Vater diese Ermahnung ist.

Man darf „Weisheit und Verstand“ nicht mit „Kenntnis und Wissen“ verwechseln. Jemand mag die ganze Bibel auswendig gelernt haben oder sehr versiert in der Prophetie sein und doch überhaupt keine Weisheit besitzen. Der wirklich Weise hat die Fähigkeit, eine Situation nach göttlichen Grundsätzen zu prüfen und entsprechend zu handeln.

Nun gibt es zwei Gefahren: Ich kann alles wieder „vergessen“ oder aber von dem Gelernten „abweichen“ (vgl. Spr 3,1; 4,27). Vergessen bezieht sich wieder auf die Lehre; sie muss – wie in der Schule – immer wiederholt werden. Abweichen bezieht sich auf die Praxis. Es ist die Folge davon, dass ich nicht genau zugehört habe oder das Gehörte nicht tun will.

4,6 „Verlass sie nicht, und sie wird dich behüten; liebe sie, und sie wird dich bewahren.“

Insgesamt sechs Mal hören wir in diesen Versen die Aufforderung, die Belehrungen zur Weisheit nicht fahren zu lassen:

  • „Verlasst meine Belehrung nicht!“ (V. 2)
  • „Halte meine Worte fest!“ (V. 4)
  • „Beachte meine Gebote!“ (V. 4)
  • „Vergiss nicht“ die „Reden meines Mundes!“ (V. 5)
  • „Weiche nicht ab von den Reden meines Mundes!“ (V. 5)
  • „Verlass sie [die Weisheit] nicht!“ (V. 6)

Offenbar haben wir solche Ermahnungen immer wieder nötig. Doch wir wissen: Was man liebt, lässt man nicht los. Daher ist es wichtig, die Weisheit zu „lieben“. Wir sollen sie begehren, sie wertschätzen (Spr 8,17.21). Dann werden wir sie nicht „verlassen“.

Ohne die göttliche Weisheit sind wir dem Feind schutzlos ausgeliefert und werden in Sünde fallen. Mit ihr aber wird unser „ganzer Geist, Seele und Leib … untadelig bewahrt“ (1. Thes 5,23).

4,7 „Der Weisheit Anfang ist: Erwirb Weisheit; und mit allem, was du erworben hast, erwirb Verstand.“ (Spr 4,5)

Schon in Sprüche 1,7 wurde eine Voraussetzung für das Erlangen der Weisheit genannt: die „Furcht des Herrn“. Hier lernen wir eine weitere Bedingung kennen: Fleiß und Einsatz. Fang an, dich mit der Weisheit zu beschäftigen, und du wirst weise! „Der Appetit kommt beim Essen.“ Es kostet Eifer, Geld (z. B. für hilfreiche Bücher), Zeit und Mühe. Ohne diesen Aufwand geht es nicht. Andererseits sollen wir auch im Vertrauen auf Gott um Weisheit bitten – und werden sie bekommen (Jak 1,5.6)!

Mit Nachdruck betont Salomo, dass zum Erwerb von Weisheit und Verstand kein Preis zu hoch und kein Opfer zu groß ist. Alles, was man erworben haben mag, sollte man für sie hingeben. Sie haben mehr Wert als alle sichtbaren Dinge, die uns oft so anziehend erscheinen.

4,8 „Halte sie hoch, und sie wird dich erhöhen; sie wird dich zu Ehren bringen, wenn du sie umarmst.“

Was man hochhält, schätzt man über alles, und was man umarmt, das liebt man. So sollen wir es mit der Weisheit machen. Und sie – also der Herr Jesus selbst! – wird uns dafür belohnen: Ein weiser Mensch wird „erhöht“, er wird allgemein geschätzt, er hat eine gewisse Würde und erlangt „Ehre“ (vgl. Spr 3,35).

4,9 „Sie wird deinem Haupt einen anmutigen Kranz verleihen, wird dir darreichen eine prächtige Krone.“

Kranz und Krone sind äußere Zeichen für Ehre und Würde. Die Aussage von Vers 8 wird hier also bildlich wiederholt. Auf Salomo traf dies in besonderem Maße zu, nicht weil er als König gekrönt wurde, sondern weil er die Weisheit liebte und praktizierte wie kein anderer.

■ Weitere in den Sprüchen erwähnte „Kronen“ sind: Eine tüchtige Frau, Reichtum, graues Haar und Kindeskinder (Spr 12,4; 14,24; 16,31; 17,6).

Auch im Neuen Testament werden manche Kronen genannt31. Es sind Belohnungen für Treue, Kampf und Ausharren. Diese Tugenden können wir nur mithilfe der göttlichen Weisheit ausüben. Es ist Gnade, wenn wir eine Krone erhalten. Und sie gereicht auch nicht zu unserer eigenen Ehre, sondern zur Verherrlichung des Herrn Jesus. Denn wenn wir bei Ihm in der Herrlichkeit sind, werden wir unsere Kronen vor seinem Thron niederwerfen (Off 4,10).

b) Der Weg der Weisheit (Kap. 4,10–27)

Im zweiten Teil des 4. Kapitels wird wieder der Sohn persönlich angesprochen. Er soll den guten Weg erkennen, betreten und darauf bleiben. Wenn uns das Leben als Weg vorgestellt wird, sollen wir an den Ausgangspunkt, die Richtung und das Ziel unseres Lebens denken. Der Ausgangspunkt ist der Erwerb der Weisheit (V. 5.7), die Richtung wird durch Geradheit und Gerechtigkeit vorgegeben (V. 11.18), und das Ziel ist wahres Leben und hell leuchtendes Licht (V. 13.18).

Wir können diese Verse folgendermaßen gliedern:

Spr 4,10–13: Der Weg der Weisheit
Spr 4,14–19: Der Weg der Gottlosen
Spr 4,20–27: Ermahnungen zum Einhalten des rechten Weges

4,10–13: Zuerst wird der Weg der Weisheit beschrieben. Er hat einen großen Vorzug: Er führt zum Leben.

4,10 „Höre, mein Sohn, und nimm meine Reden an, und die Jahre des Lebens werden sich dir mehren.“

Zum zweiten Mal wird der Sohn explizit zum Hören aufgefordert (Spr 1,8), und zum zweiten Mal wird ihm für den Fall, dass er die Belehrungen des Vaters „annimmt“ und bewahrt, ein langes (und erfülltes!) Leben verheißen (Spr 3,1.2).

■ Hören – Annehmen – Leben: Diese Abfolge ist ein immer wiederkehrendes Prinzip Gottes, das auch der Herr Jesus verkündete: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben“ (Joh 5,24).

4,11 „Ich unterweise dich im Weg der Weisheit, leite dich auf Bahnen der Geradheit.“

Unterweisung ist eine persönliche Belehrung, die auf die Praxis ausgerichtet ist und den richtigen Weg weist. Leitung ist die führende Hand auf diesem Weg und bewahrt vor Um- und Irrwegen. Sie beinhaltet auch Korrektur und Zurechtweisung.

Wir haben sozusagen zwei Schienenstränge auf unserer „Bahn“, die den Weg klar vorgeben: Gottes Wort und Gottes Geist. Sie unterweisen uns und leiten uns, damit wir nicht „entgleisen“. Paulus schreibt: „Alle Schrift ist … nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig geschickt“ (2. Tim 3,16.17).

Die „Bahn der Geradheit“ ist zugleich ein Weg der Absonderung vom Bösen in der Nachfolge des Herrn Jesus (Spr 2,9).

4,12 „Wenn du gehst, wird dein Schritt nicht beengt werden, und wenn du läufst, wirst du nicht straucheln.“

„Wenn du gehst“ – das lässt uns an den normalen Tagesablauf inmitten der gewöhnlichen Ereignisse und Umstände denken. Wer seinen von Gott gewiesenen Weg in Treue geht, wird nicht „beengt“. Es ist kein gesetzlicher Weg, sondern – im neutestamentlichen Sinn – ein Weg christlicher Freiheit (Gal 5,1.13). Dies ist eine „Freiheit des Gehorsams“, d. h., man findet seine Freude darin, den Willen Gottes zu tun – ohne Beklemmung oder Angst.

► Der Herr Jesus sagt: „Schmal [ist] der Weg, der zum Leben führt“ (Mt 7,14). Trotzdem fühlt sich ein Christ auf diesem Weg nicht beengt.

Wenn wir Gottes Zustimmung haben, gibt es keine „Mauer“, die uns einengt und am Fortkommen hindert, wie es bei Bileam geschah (4. Mo 22,24–26). Er war auf einem eigenwilligen Weg, und deswegen „beengte“ Gott seinen Schritt. Ähnliches sagt auch Bildad über den Gottlosen: „Die Schritte seiner Kraft werden eingeengt werden“ (Hiob 18,7).

Oft treten Situationen in unserem Leben ein, bei denen wir „laufen“, also schnell handeln müssen. Wie leicht kann man dabei eine Fehlentscheidung treffen und „straucheln“. Jakobus schreibt: „Wir alle straucheln oft“ (Jak 3,2). Aber andererseits gilt: „Großen Frieden haben die, die dein Gesetz lieben, und kein Fallen gibt es für sie“ (Ps 119,165). Wenn wir den vor uns liegenden Wettlauf „hinschauend auf Jesus“ laufen (Heb 12,2), werden wir nicht stolpern oder gar fallen. Dann gehen wir einen sicheren Weg, auf dem Er uns „ohne Straucheln zu bewahren … vermag“ (Jud 24).

4,13 „Halte fest an der Unterweisung, lass sie nicht los; bewahre sie, denn sie ist dein Leben.“

Immer wieder müssen wir ermahnt werden, dass wir das, was wir einmal gelernt haben, bewusst festhalten (V. 2.4.5.6). Wer gleichgültig dahinlebt, verliert nach und nach das Licht, das er einmal über göttliche Wahrheiten gehabt haben mag. Auch im Neuen Testament werden wir vor dieser Gefahr gewarnt: „Deswegen sollen wir umso mehr auf das achten, was wir gehört haben, damit wir nicht etwa abgleiten“ (Heb 2,1).

► Regelmäßiges Bibellesen ist nicht nur nötig, um neue Erkenntnisse zu sammeln. Du brauchst es auch, um dir bereits bekannte Wahrheiten einzuprägen und sie zu beleben. Wichtig ist, dass du jede verstandene Wahrheit in der Praxis auslebst. Sonst wirst du sie schnell vergessen.

Die Unterweisung „ist dein Leben“. Gott will wahres, wirkliches Leben schenken (Spr 3,18). Das tut Er durch sein Wort. Der Herr Jesus bezeugte: „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63). Inwieweit beeinflusst Gottes Wort tatsächlich unser Leben?

4,14–19: Diese Verse warnen uns zum vierten Mal vor dem Weg der Gottlosen (Spr 1,15; 2,12; 3,31). Zum Abschluss wird dann dieser Weg dem guten Weg der Weisheit mit klaren Worten gegenübergestellt (V. 18.19).

4,14 „Begib dich nicht auf den Pfad der Gottlosen und beschreite nicht den Weg der Bösen.“

Der „Pfad der Gottlosen“ ist gleichzeitig ein „Weg der Bösen“. Wer ohne Gott lebt, kann nur Böses tun, kann nur sündigen. Das ist der Zustand des natürlichen Menschen. Wollen wir solchen Menschen nachlaufen? Wer die im Folgenden beschriebenen Auswüchse der Sünde sieht, wird davor zurückschrecken.

Jeder von uns wird – mehr oder weniger unbewusst – durch die uns umgebende Gesellschaft beeinflusst. Eine besondere Gefahr besteht für junge, unverheiratete Christen, die wegen ihrer Ausbildung oder ihrer Arbeitsstelle das schützende Elternhaus verlassen müssen. Ein solcher Schritt muss gut überlegt werden. In der Einsamkeit einer fremden Umgebung kann man sehr leicht in schlechte Gesellschaft geraten.

4,15 „Lass ihn fahren, geh nicht darauf; wende dich von ihm ab und geh vorbei.“

Sechs Warnungen spricht Salomo in den Versen 14 und 15 aus.

  1. „Begib dich nicht …“: Wichtig ist, dass wir uns erst gar nicht auf den bösen Weg begeben. Er soll für uns tabu sein!
  2. „Beschreite nicht …“: Sollte es aber doch passiert sein, dass wir uns auf diesen Pfad begeben haben, d. h., dass wir in eine Sünde gefallen sind, müssen wir uns hüten, damit weiterzumachen. Beschreiten ist die bewusste Benutzung eines Weges.
  3. „Lass fahren …“: Diesen falschen Weg müssen wir schleunigst wieder verlassen, bevor uns die Sünde so fesselt, dass wir sie nicht mehr fahren lassen können. Noch haben wir „die Zügel in der Hand“.
  4. „Geh nicht …“: Gehen ist unbewusster als Beschreiten. Die Gefahr ist, dass man sich an das Böse gewöhnt.
  5. „Wende dich ab …“: Das beste Rezept ist, sich das Böse erst gar nicht anzugucken, sich innerlich gar nicht damit zu beschäftigen und jeden Kontakt mit der Sünde zu vermeiden. „Wende meine Augen ab, dass sie Eitles nicht sehen“ (Ps 119,37).
  6. „Geh vorbei“: Erst wenn man vorbeigegangen ist, ist auch die Gefahr vorbei. Vorher nicht. Deswegen muss man konsequent handeln und den größtmöglichen Abstand zum Bösen halten, um nicht doch noch verführt zu werden.

► Doch bedenke: Wenn du vorbeigegangen bist, kann schnell die nächste Verführung auf dich zukommen!

■ Die Pharisäer klagten Jesus an, Er würde schlechten Umgang pflegen. „Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen“ (Lk 15,2). Doch der Herr tat das mit dem Motiv, solche Menschen zur Buße zu führen, und es ging keineswegs darum, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Falls wir Kontakte zu Ungläubigen aufnehmen, müssen wir uns fragen, ob es ebenfalls aus diesem Grund geschieht. Der Auftrag dazu muss vom Herrn kommen. Dann können wir mit seiner Hilfe ein Wegweiser zu Ihm sein. Aber selbst dann sollten wir uns der Gefahr bewusst sein, die von ungläubigen Menschen ausgeht.

4,16 „Denn sie schlafen nicht, wenn sie nichts Böses getan haben, und ihr Schlaf wird ihnen geraubt, wenn sie nicht jemand zu Fall gebracht haben.“

Salomo begründet nun seine Warnung. Gottlose Menschen haben einen regelrechten Drang, das Böse zu verüben, so verderbt ist ihre Natur. Ihre Sünden sind nicht etwa nur eine „moralische Schwäche“, nein, sie sündigen bewusst und geplant. Sie finden keine Ruhe, wenn sie einmal nicht aktiv waren und niemanden „zu Fall gebracht haben“. Sie sind unglücklich, wenn sie nicht jemand anderen unglücklich gemacht haben.

Dagegen haben wir in Sprüche 3,24 gesehen, dass der Gottesfürchtige in Ruhe schlafen kann. Wenn er sich aber nun auf den „Pfad der Gottlosen“ begeben würde, wäre es mit dieser Ruhe vorbei.

4,17 „Denn sie essen Brot der Gottlosigkeit und trinken Wein der Gewalttaten.“

Die Gottlosen ernähren sich quasi von ihren sündigen Taten. Für manche ist es tatsächlich ihr Lebensinhalt. Alles, woran sie sich erfreuen („Wein“), haben sie sich durch Gewalttat angeeignet (Amos 2,8).

Welch ein Kontrast zu dem, „der keine Sünde tat“ (1. Pet 2,22). Seine Speise war es, immer und ausschließlich den Willen Gottes zu tun (Joh 4,34). Uns gab Er die Verheißung: „Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden“ (Mt 5,6).

4,18 „Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe.“

Salomo schließt die Beschreibung der beiden Wege jetzt mit einer klaren Gegenüberstellung ab: Der Pfad der Gerechten ist Licht, der Weg der Gottlosen Finsternis (V. 19).

Er vergleicht den Pfad des Gerechten mit dem Licht der Sonne. Von ihrem Aufgang an scheint sie stets heller, bis sie mittags im Zenit steht. Von einem Wieder-Abnehmen des Lichtes ist bezeichnenderweise keine Rede. So ist (nicht: soll sein) der Weg des Gerechten. Jedes Kind Gottes „wandelt im Licht“ (1. Joh 1,7). Das ist seine unwiderrufliche Stellung. Aber in der Praxis soll dieses Licht zunehmen. Wir sollen in der Weisheit wachsen, so wie der Knabe Jesus an Weisheit zunahm (Lk 2,52). Dann wird unser Pfad immer heller und leuchtender. Dabei kann man vier Aspekte unterscheiden:

  • Das Licht erleuchtet unseren Weg, so dass wir weder irregehen noch straucheln (V. 11.12). In diesem Sinn bewirkt das Licht Gottesfurcht, Gerechtigkeit, Wahrheit und Reinheit, und es gibt uns Frieden und Sicherheit.
  • Das Licht schenkt uns eine ständig zunehmende Erkenntnis des Herrn. Das bewirkt Anbetung, Dankbarkeit, Freude und Kraft. Die Söhne Korahs drücken dies so aus: „Sie gehen von Kraft zu Kraft; sie erscheinen vor Gott in Zion“ (Ps 84,8).
  • Das Licht geht von unserem Weg aus und erleuchtet unsere Umgebung. Wir sind als Jünger des Herrn „das Licht der Welt“ (Mt 5,14). Das Licht strahlt, weil es göttliches Licht reflektiert, und unsere Aufgabe ist, dass wir es nicht verdecken (Mk 4,21). Die Menschen sollen es sehen und von diesem Licht angezogen werden, um dann im Licht Gottes ihr sündiges Leben zu erkennen.
  • Das Licht beleuchtet die Zukunft. Den Weg zum Vaterhaus empfinden wir manchmal als recht dunkel. Und tatsächlich spricht die Bibel ja auch vom Wandern „im Tal des Todesschattens“ (Ps 23,4). Doch dieses Tal hat einen Ausgang, und an seinem Ende sehen wir schon Licht. Es wird mit jedem Schritt größer, und je mehr wir die Nähe unseres Herrn verspüren („denn du bist bei mir“!), desto heller scheint uns dieses Licht. Wenn wir endlich in der Herrlichkeit angekommen sein werden, sind alle Hindernisse weggetan. Dann kann das Licht der „Tageshöhe“ ungehindert leuchten. „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reich ihres Vaters“ (Mt 13,43).

► Wenn wir auf unseren persönlichen Lebensweg zurückblicken, können wir dann sagen, dass er „stets heller leuchtete“? Haben wir geistliche Fortschritte auf dem Glaubensweg gemacht? Kennen wir die Gedanken des Herrn besser als vor einiger Zeit?

Das Lied von Debora und Barak endet mit den Worten: „Die ihn lieben, seien, wie die Sonne aufgeht in ihrer Kraft!“ (Ri 5,31).

4,19 „Der Weg der Gottlosen ist dem Dunkel gleich; sie erkennen nicht, worüber sie straucheln.“

Der Weg der Sünde hat einen dunklen Ursprung, einen dunklen Verlauf, und führt ins Dunkel. Wer ihn beschreitet, strauchelt. „Wenn jemand in der Nacht wandelt, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist“ (Joh 11,10). Der Weg der Gottlosen wird beherrscht von Unwissenheit, Sinnlosigkeit, Unrecht, und daher auch von Unruhe, Angst und Unsicherheit. Dieser dunkle Weg ist viel schlimmer als das „Tal des Todesschattens“, wie es der Gläubige kennt, denn es gibt da keinen göttlichen Beistand, keinen beschützenden Stecken und keinen leitenden Stab (Ps 23,4). Im Gegensatz zum Gerechten straucheln die Gottlosen ständig (Spr 4,12; 11,5) – und wissen noch nicht einmal warum!

Vor der Sintflut sagte Gott: „Mein Geist soll nicht ewig mit dem Menschen rechten“ (1. Mo 6,3). Es wird also für jeden verstockten Sünder eine Zeit kommen, wo Gott ihn sich selbst überlassen wird. Dann wird das Dunkel undurchdringlich sein, und der Weg endet unweigerlich in der „äußersten Finsternis“ des ewigen Todes (Mt 8,12; 22,13; 25,30). Deswegen mahnte der Herr: „Wandelt, während ihr das Licht habt, damit nicht Finsternis euch ergreife!“ (Joh 12,35).

4,20–27: In den letzten Versen dieses Kapitels empfängt der Sohn spezifische Ermahnungen zum Einhalten des rechten Weges.

4,20 „Mein Sohn, höre aufmerksam auf meine Worte, neige dein Ohr zu meinen Reden.“ (Spr 5,1)

Weil wir unseren Weg durch eine böse Welt gehen müssen, hat Gott uns sein Wort gegeben, damit wir dort den richtigen Weg finden (Joh 17,11–17). Was wir allerdings mit seinem Wort machen, liegt in unserer Verantwortung. Hören wir „aufmerksam“ zu? „Neigen“ wir unser Ohr, wenn das Wort zu uns redet? Der Herr Jesus sagt: „Meine Schafe hören meine Stimme … und sie folgen mir“ (Joh 10,27).

Sechsmal ermahnt uns die Bibel: „Wer Ohren hat zu hören, der höre“ (z. B. Mt 11,15). Praktisch bedeutet das, sich Zeit zu nehmen, Gottes Wort zu lesen und es auf Herz und Gewissen einwirken zu lassen. Das geschieht sowohl beim persönlichen Bibelstudium als auch in den Gemeindestunden, wo Gott durch sein Wort zu uns redet.

4,21 „Lass sie nicht von deinen Augen weichen, bewahre sie im Innern deines Herzens.“

Nicht nur unsere Ohren, sondern auch unsere Augen sollen mit den Worten Gottes beschäftigt sein. Sie „nicht von unseren Augen weichen“ lassen bedeutet erstens ganz praktisch, regelmäßig in der Bibel zu lesen. Dann aber bedeutet es auch, das Gelesene stets „im Blick“ zu haben. In jeder Situation unseres Lebens sollen wir es parat haben.

Doch dazu müssen wir es tief ins Herz (in seinem „Innern“) aufgenommen haben und dort „bewahren“. „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, damit ich nicht gegen dich sündige“ (Ps 119,11). Im Herzen werden unsere Gedanken gebildet (1. Mo 6,5). Es ist der Sitz unseres Willens (1. Kor 7,37). Dort treffen wir unsere Entscheidungen (Ri 5,16; V. 23). Wenn wir das Wort im Herzen bewahren, entsprechen unsere Gedanken, unser Wille und unsere Entscheidungen den Grundsätzen des Wortes Gottes.

► Fast alles, was in unser Herz kommt, nimmt den Weg über das Ohr oder über das Auge. Deshalb müssen wir uns stets fragen: „Was höre ich?“ – „Was sehe ich mir an?“

4,22 „Denn Leben sind sie denen, die sie finden, und Gesundheit ihrem ganzen Fleisch.“

Bevor nun jemand sagt, dass ein so absolutes Festhalten an Gottes Wort zu einem verkrampften Leben führen wird, dementiert Gott dies vorsorglich in diesem Vers. Ein verkrampftes Leben wäre in der Tat ungesund. Hier aber wird deutlich gesagt, dass die Worte Gottes ein durch und durch „gesundes“ Leben bewirken. Schon früher haben wir gesehen (Spr 3,8), dass damit nicht nur ein gesunder Körper, sondern vor allem auch ein gesunder Geist gemeint ist.

► Wenn du Gottes Wort aufmerksam hörst (V. 20) und es im Innern deines Herzens bewahrst (V. 21), wird dich das zu einem „gesunden“ geistlichen Unterscheidungsvermögen führen (Heb 5,14).

Körperliche Gesundheit ist ein großes Geschenk Gottes. Die Bibel zeigt uns, dass Leib, Seele und Geist ein Ganzes bilden, und dass die Gesundheit des Leibes die der Seele und des Geistes beeinflusst und umgekehrt. „Ein gelassenes Herz ist das Leben des Leibes, aber Ereiferung ist Fäulnis der Gebeine“ (Spr 14,30). Auch im Neuen Testament finden wir diesen Grundsatz: Paulus schreibt an Timotheus, dass die Gottseligkeit „die Verheißung des Lebens hat, des jetzigen und des zukünftigen“ (1. Tim 4,8).

4,23 „Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.“

In Bezug auf das Herz als Körperorgan sind wir im Allgemeinen sorgsam darauf bedacht, dass es gesund bleibt. Wenn das Herz nicht gut funktioniert, leidet der ganze Körper. Aber wenn es um unser Herz als Sitz der Gefühle und des Willens geht, sind wir oft recht sorglos. Dabei ist es das wichtigste Element unseres Lebens überhaupt. Es ist „mehr als alles“ zu behüten.

Wie können wir unser Herz behüten? Indem wir darüber wachen, was wir mit den Ohren und Augen aufnehmen, aber auch wohin wir gehen (V. 20.21.25–27). In dieser Welt wollen viele Dinge unser Herz beschlagnahmen und vom Herrn abziehen. Es können böse Einflüsse sein, aber auch die ganz normalen Beschäftigungen des Lebens. Befassen wir uns viel mit dem Herrn Jesus, wird Er unser Herz erfüllen. Er bittet: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz“ (Spr 23,26). Denn nur Er kann es letztlich bewahren.

► Es geht um deine Zuneigungen. Du lebst, was du tief im Herzen liebst, „denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“ (Mt 6,21).

Von einem gut behüteten Herzen geht lohnenswertes Leben aus („Ausgänge des Lebens“). Es sind Tugenden wie: reine Gedanken, Freundlichkeit, Friedfertigkeit, Sanftmut, Demut, Enthaltsamkeit. Aus dem natürlichen, bösen Herzen aber „kommen hervor böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisse, Lästerungen“ (Mt 15,19).

■ Der weise Salomo kannte die Schwächen und Neigungen seines Herzens. Daher betete er: „So gib denn deinem Knecht ein verständiges Herz, um … zu unterscheiden zwischen Gutem und Bösem“ (1. Kön 3,9). Doch leider hat er sein Herz nicht bewahrt, „und seine Frauen neigten sein Herz“ (1. Kön 11,3).

4,24 „Tu von dir die Verkehrtheit des Mundes, und die Verdrehtheit der Lippen entferne von dir.“

Jesus sagte einmal den Pharisäern: „Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ (Mt 12,34). Wenn wir also unser Herz behüten (V. 23), werden wir keine verkehrten oder verdrehten Worte sagen.

► Wir sollten mit David beten: „Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein“ (Ps 19,15).

Weil wir „inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts“ leben (Phil 2,15), das vom „Vater der Lüge“ regiert wird (Joh 8,44), stehen wir in Gefahr, es mit der Wahrheit ebenfalls nicht so genau zu nehmen. Wie leicht täuschen wir jemand durch unsere Worte! Hier einige Beispiele für „Verdrehtheit der Lippen“:

  • Wir drücken uns bewusst zweideutig aus, um die Wahrheit zu verschleiern.
  • Wir bringen durch gezieltes Verschweigen einzelner Sachverhalte nur Halbwahrheiten hervor.
  • Wir machen schöne Worte, denken aber etwas ganz anderes.

Oder wir lügen unserem Gegenüber voll ins Gesicht. Das ist „Verkehrtheit des Mundes“. In jedem Fall bezeugen wir dadurch, dass wir nicht in praktischer Gemeinschaft mit Gott leben, denn Er ist ein „Gott, der nicht lügen kann“ (Tit 1,2). In den Worten der göttlichen Weisheit „ist nichts Verdrehtes und Verkehrtes“ (Spr 8,8).

► Sehen wir auf den Herrn Jesus, unser vollkommenes Vorbild, der durch den Mund Davids sagte: „Mein Gedanke geht nicht weiter als mein Mund“ (Ps 17,3).

Gottes Wort warnt uns an vielen Stellen vor Lüge und Betrug32. Besonders drastisch wird die Verkehrtheit der Zunge von Jakobus beschrieben (Jak 3,2–12). Denken wir daran, dass unsere Worte immer eine Wirkung haben! Sie sollten stets zu Gottes Ehre, zur Erbauung der Gläubigen und zum Zeugnis für unsere Mitmenschen sein.

4,25 „Lass deine Augen geradeaus blicken und deine Wimpern gerade vor dich hinschauen.“

Schon in Vers 21 wurden wir aufgefordert, die Worte Gottes nicht von unseren Augen weichen zu lassen. Das kann man nur, wenn man seine Augen nicht umherschweifen lässt. Man muss „geradeaus blicken“. Die Welt bietet unseren Augen einiges. „Das Auge wird des Sehens nicht satt“ (Pred 1,8). Überall gibt es Zerstreuung: Illustrierte, Fernsehen, Internet, aber auch Kino und andere Events. Deswegen sollten wir über Hiobs Ausspruch nachdenken: „Ich habe mit meinen Augen einen Bund geschlossen, und wie hätte ich auf eine Jungfrau geblickt!“ (Hiob 31,1).

Die Attraktionen dieser Welt lenken uns nur ab von dem einen, lohnenswerten Zielpunkt: dem Herr Jesus! Wenn wir unser Auge auf Ihn fixieren, wird sich Lukas 11,34 bewahrheiten: „Die Lampe des Leibes ist dein Auge; wenn dein Auge einfältig ist [d. h. nur eine einzige Blickrichtung hat], so ist auch dein ganzer Leib licht.“

Ein geistlich gesinnter Christ schaut nicht das an, „was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig“ (2. Kor 4,18).

► Wir werden kein Problem damit haben, einem anderen „gerade“ in die Augen zu schauen, wenn wir den vorigen Vers 24 beachtet haben.

4,26 „Ebne die Bahn deines Fußes, und alle deine Wege seien gerade; …“ (Heb 12,13)

Die Bahn des Fußes „ebnen“ bedeutet, alle Schlaglöcher und Hindernisse beseitigen. Das geschieht, indem wir unseren Weg mit dem Herrn abstimmen. Es ist fahrlässig, „einfach so“ eine Entscheidung zu treffen. Eigene Wege mögen auf den ersten Blick glatt und gerade aussehen. Doch letztendlich gleichen sie den Wegen der Bösen, „deren Pfade krumm sind und die abbiegen in ihren Bahnen“ (Spr 2,15). Daher müssen wir Gott um Rat bitten. Er hat verheißen: „Ich werde vor dir herziehen und werde das Höckerige eben machen“ (Jes 45,2).

Es genügt auch nicht, unseren Weg nur dann und wann nach der Bibel auszurichten. Nein, „alle“ unsere Wege sollen gerade sein.

■ Die Anwendung dieses Verses in Hebräer 12,13 zeigt die Folgen eines krummen Weges. Man wird „lahm“ und läuft Gefahr, vom Weg abzukommen. Auch die Galater hatten gut begonnen, sich aber dann durch Irrlehrer auf dem Weg der Wahrheit behindern lassen. Paulus ruft ihnen daher zu: „Ihr lieft gut; wer hat euch aufgehalten?“ (Gal 5,7).

4,27 „… biege nicht ab zur Rechten noch zur Linken, wende deinen Fuß ab vom Bösen.“

Mose ermahnte das Volk Israel: „So achtet nun darauf, zu tun, wie der Herr, euer Gott, euch geboten hat; weicht weder zur Rechten noch zur Linken ab. Auf dem ganzen Weg, den der Herr, euer Gott, euch geboten hat, sollt ihr wandeln“ (5. Mo 5,32.33; vgl. Jos 1,7). Es gibt also Gefahren auf beiden Seiten des Weges. Die Abweichung „zur Rechten“ kann bedeuten, das Wort Gottes „enger“ auszulegen, als Er es gemeint hat. Die Abweichung „zur Linken“ zeigt dann die Gefahr, sein Wort „liberal“ auszulegen. Daher wies Mose das Volk ein wenig später an: „Das ganze Wort, das ich euch gebiete, das sollt ihr halten, es zu tun; du sollst nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen“ (5. Mo 13,1).

Wenn unsere „Augen geradeaus blicken“ (V. 25), indem wir Christus nicht aus den Augen verlieren, werden wir nicht vom Weg abkommen. Das ist dann echte Nachfolge, echte Jüngerschaft. Wie betrübt wäre Er, wenn Er sehen müsste, dass wir immer wieder zur Seite ausbiegen! Dann müsste Er, der große Hirte, nach uns suchen – bis Er uns findet (Lk 15,4). Es wäre schön, wenn wir am Ende unseres Lebens wie Hiob sagen könnten: „Seinen Weg habe ich bewahrt und bin nicht abgebogen“ (Hiob 23,11).

Sobald wir etwas als Böse erkennen, sollen wir unseren Fuß davon „abwenden“. Von den Sündern wird gesagt, dass ihre Füße dem Bösen zulaufen (Spr 1,16). Aber Sprüche 4,15 hat uns belehrt, uns von ihrem Weg abzuwenden.

► Du musst dein Herz behüten, damit dein Mund, deine Augen und deine Füße sich dem Willen Gottes entsprechend benehmen. Es geht immer zuerst um dein Herz (Spr 23,19)!

Fußnoten

  • 1 Zwar wird er in diesem Vers als „König von Israel“ vorgestellt, doch geht es im Buch der Sprüche weniger um die Ausübung von Regierungsgeschäften.
  • 2 In Spr 23,4 steht dasselbe hebr. Wort für „Klugheit“ wie hier für „Verstand“.
  • 3 Man denke nur an die jeweils gleichen hebräischen Worte für die konträren Begriffe: Besonnenheit – Ränke; Kenntnis/Lehre – böses Zureden; weiser Rat – gottlose Überlegungen.
  • 4 Das heißt nicht, dass ein Ungläubiger nicht auch Nutzen aus dem Buch der Sprüche ziehen kann. Er wird ja auch immer wieder direkt angesprochen.
  • 5 Der Ausdruck „Furcht des Herrn“ findet sich außerhalb der Sprüche nur in folgenden acht Versen: 2. Chr 19,9; Ps 19,10; 34,12; 111,10; Hiob 28,28; Jes 11,2.3; 33,6.
  • 6 Vgl. z. B. 2. Mo 25,22; 5. Mo 17,6; 2. Kor 13,1; 1. Tim 5,19.
  • 7 Dabei sollten wir bedenken, dass die Erlösung selbst kein Thema des Buches der Sprüche ist.
  • 8 1. Keine anderen Götter; 2. Kein geschnitztes Bild; 3. Gottes Namen nicht zu Eitlem aussprechen; 4. Sabbat heiligen (2. Mo 20,2-11).
  • 9 2. Mo 20,12; 5. Mo 5,16; Mal 1,6; Mt 15,4; 19,19; Mk 7,10; 10,19; Lk 18,20; Eph 6,1.
  • 10 Das hebr. Wort für „Hals“ kann auch mit „Nacken“ übersetzt werden. Der Nacken ist oft ein Symbol für den menschlichen Willen, der sich entweder beugt oder nicht beugen will.
  • 11 „Scheol“ (wörtlich: „Grube“) bezeichnet den Aufenthaltsort der Seelen der Gestorbenen.
  • 12 FußEÜ; in Spr 8,17 steht dasselbe hebr. Wort.
  • 13 D. h. ein Schutzschild, vgl. auch 1. Mo 15,1; Ps 33,20; 84,12; 144,2.
  • 14 Mt 8,22; 9,9; 10,38; 16,24; 19,21; Joh 1,43; 8,12; 12,26; 21,19.22; 1. Pet 2,21.
  • 15 Vor Gott: z. B. 2. Kön 17,9; Jes 29,15; vor Menschen: z. B. Hiob 24,15; Eph 5,12.
  • 16 Abel: Heb 11,4; Noah: 1. Mo 6,9; Joseph: Mt 1,19; Simeon: Lk 2,25; Johannes: Mk 6,20; Joseph von Arimathia: Lk 23,50.
  • 17 Dies wird 19-mal gesagt – und einmal vom murrenden Volk über Ägypten (4. Mo 16,13).
  • 18 Das Allerheiligste war in allen drei Dimensionen gleich, also würfelförmig (je 10 Ellen im Zelt der Zusammenkunft, je 20 Ellen im Tempel), ebenso das neue Jerusalem (Off 21,16). Man denke auch an die drei Personen der Gottheit.
  • 19 Menge übersetzt „Beifall“, F. E. Schlachter übersetzt „Wohlgefallen“.
  • 20 Es gibt leider Ausnahmen, was besonders unser Herr erfahren musste (z. B. Ps 38,21; Lk 4,22.28).
  • 21 Samuel: 1. Sam 2,26; Esther: Est 2,17; Christen: Apg 2,47.
  • 22 Siehe auch Spr 26,12; Phil 2,3; Kol 3,12; 1. Pet 5,5.
  • 23 Jeder wiedergeborene Christ ist der Stellung nach bereits „geheiligt“ (z. B. Kol 1,22; 1. Pet 1,2), d. h. aus der Welt für Gott abgesondert. Infolgedessen sollte er auch in praktischer Hinsicht „heilig“ sein – und darum geht es hier.
  • 24 Siehe Einleitung: Die äußere Form der Sprüche.
  • 25 Vgl. Ps 102,26; Heb 1,10; Röm 1,20; Hiob 37,14; 38,4-7.
  • 26 Eph 4,2; Phil 2,3; Kol 3,12; 1. Pet 3,8; 5,5.
  • 27 4 Himmelsrichtungen; 4 Flüsse in Eden; 4 Evangelien (Jesus auf der Erde).
  • 28 Der Plural wird auch in Spr 5,7 und beim Abschluss dieser Unterweisung in Spr 7,24 verwendet.
  • 29 Die Schrift erwähnt allerdings nur 2 Töchter (1. Kön 4,11.15) und den Sohn Rehabeam.
  • 30 Joel u. Abija: 1. Sam 8,1-3; Amnon u. Absalom: 2. Sam 13; Manasse: 2. Kön 21,1-18.
  • 31 2. Tim 4,8; Jak 1,12; 1. Pet 5,4; Off 2,10; 3,11; 4,4.
  • 32 Z. B. Eph 4,29; Kol 3,8.9; 1. Pet 3,10; Ps 34,14.
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