Siehe, dein König kommt
Eine Auslegung zum Propheten Sacharja
Priester und König!
In Sacharja 6 kommen wir zur abschließenden messianischen Verheißung in diesem Teil des Buches. Sie zeigt den versprochenen Messias als den, der zwei Ämter einnimmt, die im Volk Israel nie von ein und derselben Person übernommen werden konnten: König und Priester.
Pferde und Wagen zwischen Bergen von Erz (V. 1–8)
Der erste Teil des Kapitels (V. 1–8) enthält die letzte der acht Visionen, die in Sacharja 1–6 beschrieben werden. Auf den ersten Blick hat sie wenig mit der darauffolgenden messianischen Prophezeiung zu tun, aber in Wirklichkeit führt sie direkt darauf zu:
- Sacharja sieht vier Wagen, die jeweils von Pferden gezogen werden. Dabei handelt es sich im ersten Fall um rote, sodann um schwarze, weiße und scheckige Pferde (V. 2.3).
- Der junge Prophet fragt den Engel, der mit ihm redet, was diese zu bedeuten haben. Der Engel erklärt, es handle sich um „die vier Winde des Himmels, die ausgehen, nachdem sie sich vor den Herrn der ganzen Erde gestellt haben“ (V. 5), d. h., es sind die vier Weltreiche oder, genauer gesagt, die Engelmächte („Winde1 des Himmels“), die hinter diesen Reichen stehen.
- Dabei fällt auf, dass nur Pferde und Wagen erwähnt werden, aber keine Reiter, und dass die Wagen sich zwischen Bergen von Erz bewegen. Dadurch wird klar, dass die Weltreiche – wenn sie auch frei und zuweilen willkürlich zu agieren scheinen – sich in Wirklichkeit nur dort bewegen können, wo Gottes Vorsehung es zulässt.
- Diese Vision erklärt also, wie Gott die Erde regiert, während es keinen König in Israel gibt: Er handelt durch Vorsehung, d. h., Er hält sich im Hintergrund und benutzt die Weltreiche, um seine Ziele mit der Erde zu erreichen. Mit Babylon, dem ersten der vier Weltreiche, war das schon geschehen: Gott hatte Babylon benutzt, um sein Volk in die Gefangenschaft zu führen und es dadurch zu züchtigen. Babylon hatte seine Rolle erfüllt und es war inzwischen von den Persern besiegt worden. In diesem Sinn hatte Gott schon Ruhe gefunden im Land des Nordens (V. 8).
Damit wurde eine Frage beantwortet, die Sacharja und die anderen treuen Juden stark beschäftigen musste: Wenn der Messias wirklich kommen und in Israel und darüber hinaus regieren wird (Ps 96,10; 99,1), was wird das für die Weltreiche bedeuten? Wird Gott die Perser nun richten? Werden die anderen beiden Weltreiche noch kommen (siehe Dan 2.7 und Sach 1)? Die Vision gibt den ersten Teil der Antwort: Die Perser sind noch da, die anderen beiden Reiche (Griechen und Römer) werden noch kommen, aber nur solang Gott ein Ziel mit ihnen verfolgt und nur als Instrumente in seiner Hand und im Rahmen der Grenzen („Berge von Erz“), die seine Vorsehung setzt.
Das ab Vers 9 folgende „Wort des HERRN“ gibt den zweiten Teil der Antwort: Gottes Zusage steht, der Tag wird kommen, an dem es wieder einen König in Israel geben wird. Dieser König wird gleichzeitig Priester sein und Gottes „Herrlichkeit tragen“ (V. 13).
Gott hat viel Zeit. Er lässt die Weltreiche gewähren, aber der Mann seines Ratschlusses (vgl. Jes 46,11) wird kommen!
Eine symbolische Handlung (V. 9–11)
Der zweite Teil von Sacharja 6 (V. 9–15) enthält ein „Wort2 des HERRN“, das uns zwei Dinge vorstellt: eine symbolische Handlung (V. 10.11) und die Bedeutung dieser Handlung (V. 12–15).
„Nimm von den Weggeführten, von Cheldai und von Tobija und von Jedaja – und geh du an diesem Tag, geh in das Haus Josijas, des Sohnes Zephanjas, wohin sie aus Babel gekommen sind –, ja, nimm Silber und Gold und mache eine Krone. Und setze sie auf das Haupt Josuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenpriesters und sprich zu ihm und sage …“ (V. 10.11).
In Vers 10 lernen wir, dass Sacharja in das Haus eines Josija gehen soll, um dort drei Männer aufzusuchen, die anscheinend erst vor kurzem aus Babel nach Jerusalem zurückgekehrt waren. Sacharja sollte Silber und Gold von ihnen nehmen. Es ist kaum denkbar, dass dies entgegen ihrer Absicht geschehen sollte. Sie mussten diese Schätze aus Babel mitgebracht haben, um ihre Brüder in Jerusalem beim Tempelbau zu unterstützen. Sie waren wahrscheinlich nicht bei der ersten Rückführung unter Josua und Serubbabel dabei gewesen, aber der Weg nach Jerusalem war immer noch offen. Inzwischen war auch in ihren Herzen der Wunsch wach geworden, den Bau des Hauses in Jerusalem zu unterstützen. Solches Interesse an seinem Werk und solche Freigebigkeit wird Gott immer belohnen.
Aber Sacharja erhält nicht den Auftrag, das Silber und das Gold für den Bau des Hauses Gottes oder für den Dienst zu benutzen, sondern eine Krone daraus zu machen. Wozu eine Krone? Es gab keinen König in Israel (oder Juda) und das schon seit mehreren Generationen! Dieser Umstand erhöht noch die Spannung.
Beim Lesen der nächsten Anweisung steigt die Verwunderung noch weiter: Die Krone sollte auf Josuas Kopf gesetzt werden. Josua war der Hohepriester. Er wird sogar in der Anweisung ausdrücklich so genannt. Zu den Festkleidern des Hohenpriesters in Israel gehörte zwar ein Kopfbund aus Byssus und ein Goldblech mit der Aufschrift „Heiligkeit dem Herrn“ (2. Mo 28,36.39; 29,6), aber niemals eine Königskrone3. Wie wir noch sehen werden, war das Amt des Königs in Israel strengstens von dem des Priesters getrennt.
Es ist auch mit keiner Silbe die Rede davon, dass Josua aufhören sollte, Hoherpriester zu sein. Die Bedeutung ist klar: Es wird einmal einen Mann geben, der beide Ämter in sich vereinen wird. Die folgenden Verse zeigen, dass Sacharja eine Botschaft an Josua richten sollte, die genau das bestätigt (V. 12.13).
Der Priester auf dem Thron (V. 12–15)
„So spricht der HERR der Heerscharen und sagt: Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross; und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel des HERRN bauen. Ja, er wird den Tempel des HERRN bauen; und er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Thron; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein“ (V. 12.13).
Gott stellt sich als der „Herr der Heerscharen“ vor. Dieser Ausdruck, der von Gottes Macht als dem Oberbefehlshaber spricht, begegnet uns sehr oft in diesem Buch (53x). Äußerlich hatten die mächtigen Weltreiche noch „das Sagen“ (s. V. 1–8), aber der, der die eigentliche Kontrolle und Macht hat, teilt jetzt etwas von seinem gewaltigen Plan für die Erde mit. Diese Mitteilung wird durch das „Siehe“ eingeleitet (das im AT benutzt wird, um den Messias in den vier Aspekten vorzustellen, in denen auch die Evangelien Christus zeigen4, siehe die Ausführungen zu Kap. 3,8). Darauf folgt ein neunfaches Porträt von Christus als dem kommenden Messias.
1. Ein Mann
Die Beschreibung des Herrn Jesus wird eingeleitet mit den Worten: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross.“ Es wird also besonders betont, dass Er Mensch5 sein wird. Das ist im Zusammenhang unseres Kapitels aus mehreren Gründen wichtig:
- Gott hatte dem ersten Menschen Autorität über die Erde gegeben (1. Mo 1,28), aber dieser hatte versagt. Christus ist der zweite Mensch, der Mensch aus dem Himmel
(1. Kor 15,47), in dem sich Gottes Ratschluss erfüllen wird. - Der kommende König sollte ein Nachkomme Davids sein (2. Sam 7,11–16; Jer 33,14–17). Daher muss der Spross, der auf der Erde regieren wird, Mensch sein.
- Auch für seinen Dienst als Priester ist seine Menschheit wichtig:
- Der Hebräerbrief betont mehrfach die Menschheit des Herrn Jesus, wenn es um sein Priestertum geht: Es wird aufgezeigt, dass der „Priester nach der Ordnung Melchisedeks“ in „den Tagen seines Fleisches“ sowohl Bitten als Flehen darbrachte und „Gehorsam lernte“ (5,6–8). Sein gegenwärtiger Dienst (der dem Dienst Aarons entspricht, obwohl Er Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks ist) setzt ebenfalls seine Menschheit voraus. So ist Er in der Lage, vollkommenes „Mitleid zu haben mit unseren Schwachheiten“ (vgl. Heb 2,14.17.18; 4,15).
- Seine Tätigkeit als wahrer Melchisedek wird eine andere sein. Wenn wir bei Ihm sind, haben wir keine Schwachheiten mehr. Er wird Stärkung und Segen bringen für die Erde und Lobpreis für Gott (vgl. 1. Mo 14,20, Heb 7,1–3). Aber auch dann wird Er immer noch Gott und Mensch in einer Person sein.
Die Worte des Pilatus „Siehe, der Mensch!“ (Joh 19,5) hätten den Juden diese Prophezeiung Sacharjas ins Gedächtnis rufen sollen: „Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross“. Sie hatten den vor sich stehen, den Gott Jahrhunderte vorher verheißen hatte.
2. Sein Name ist Spross
Dieser Name des kommenden Messias hat uns bereits bei der Betrachtung von Kapitel 3 beschäftigt (wo es auch um Josua ging). Das hebräische Wort für Spross (zemach) drückt aus, dass ein frischer grüner Trieb (etwa aus einem Baumstamm) hervorsprosst. Er drückt Gottes Freude am „Hervorsprossen“ des Messias aus (s. Sach 3, Teil 2). Seit Jahrzehnten hatte es keinen König mehr aus dem Haus Davids gegeben. Und noch mehrere Jahrhunderte lang sollte es so bleiben. Aber Gottes Verheißung stand fest. Aus dem Baumstumpf des Hauses Davids sollte einmal der Spross kommen. Wir wissen heute, dass Er bereits gekommen ist – wenn Er auch seine Davidsherrschaft erst in der Zukunft antreten wird.
3. Von seiner Stelle
Dieser Spross würde nicht an einem beliebigen oder unbekannten Ort erscheinen, sondern Er würde „von seiner Stelle“ aufsprossen, d. h., Er wird als in Israel geboren und aufgewachsen vorgestellt. Psalm 87 feiert diese Tatsache mit folgenden Worten: „Herrliches ist von dir geredet, du Stadt Gottes. – Sela. … Dieser ist dort geboren. Und von Zion wird gesagt werden: Der und der ist darin geboren; und der Höchste, er wird es befestigen. Der Herr wird beim Verzeichnen der Völker schreiben: Dieser ist dort geboren. –
Sela. Und singend und den Reigen tanzend werden sie sagen: Alle meine Quellen sind in dir!“ (Ps 87,3–7).
Und dort, wo Er als Mensch geboren6 wurde, wird Er auch regieren. Dann wird Jerusalem in vollem Sinn und Umfang „die Stadt des großen Königs“ sein (Ps 48,3).
4. Er wird aufsprossen
Hier stellt sich die Frage, was genau damit gemeint ist, dass Er von seiner Stelle „aufsprossen“ wird: Geht es um seine Geburt, um seine Auferstehung oder darum, dass Er schließlich als König in Jerusalem regieren wird?
Das Verb aufsprossen hat dieselbe Wurzel (zamach) wie das oben und in Kapitel 3 besprochene Wort „Spross“ (zemach). Es kommt oft (über 30x) im Alten Testament vor. Mehrmals steht es in Verbindung mit dem Messias als dem Sohn Davids, der kommen und herrschen wird, so zum Beispiel auch in Jeremia 33, wo es heißt: „In jenen Tagen und zu jener Zeit werde ich David einen Spross der Gerechtigkeit hervorsprossen lassen, und er wird Recht und Gerechtigkeit üben im Land“ (V. 15).
Daher – und auch durch den Zusammenhang in unserem Vers (siehe nächster Abschnitt) ist es naheliegend, hier in erster Linie daran zu denken, dass Er regieren wird. Natürlich sind seine Menschwerdung und seine Auferstehung notwendige Voraussetzung dafür.
5. Er wird den Tempel des Herrn bauen
Der kommende Messias wird „den Tempel des Herrn bauen“. Diese Aussage stellt zwei Dinge klar:
1. Der Tempel, an dem die nach Jerusalem zurückgekehrten Juden bauten, war noch nicht der endgültige Tempel. Dieser würde erst vom Messias gebaut werden.
Andere Bibelstellen zeigen uns, dass sogar noch andere Tempel in der Zwischenzeit gebaut werden:
- Der Tempel bzw. die Tempelerweiterung des Herodes.
- Der Tempel, in dem sich der Antichrist als Gott verehren lassen wird (2. Thes 2,4).
Aber das alles wird hier nicht erwähnt. Stattdessen wird darauf hingewiesen, dass der Spross persönlich den Tempel des HERRN bauen würde. Das ist der Tempel, den Hesekiel so ausführlich beschreibt (Hes 40–43).
2. Der Messias würde derselben Aktivität nachgehen, die auch sie momentan beschäftigte, nämlich dem Bau des Tempels des Herrn.
Diese Tatsache adelt die Tätigkeit dieser Rückkehrer. Sie muss eine große Ermutigung für den Überrest gewesen sein, besonders wenn man bedenkt, dass es in den Augen Gottes nur einen Tempel gibt. Haggai prophezeite, dass „die letzte Herrlichkeit dieses Hauses“ größer sein sollte als die erste (Hag 2,9). Er spricht nicht von der Herrlichkeit des letzten Hauses, sondern von der letzten Herrlichkeit dieses Hauses! Der Tempel Salomos, der Tempel der aus dem Exil zurückgekehrten Juden und der zukünftige messianische Tempel sind für Gott alle ein und dasselbe Haus. Damit war der Tempel, an dem sie in Schwachheit bauten, in Gottes Augen dasselbe Haus wie der Tempel des kommenden Messias. Was für eine Ermutigung für ihre Arbeit: Sie taten jetzt schon, was der Messias einmal tun würde.
In Vers 13 wird die Aussage noch einmal wiederholt, allerdings mit verstärkendem „Ja“, wobei die Betonung auf „er“ liegt: „Ja, er wird den Tempel des HERRN bauen.“ Damit wird noch einmal die Würde des Messias betont. Kein Geringerer als Er selbst wird den Tempel bauen. Er ist der wahre Kores (Jes 44,28): „Der von Kores spricht: Mein Hirte und der all mein Wohlgefallen ausführt, und zwar, indem er von Jerusalem sagen wird: Es werde aufgebaut!, und vom Tempel: Er werde gegründet!“ Kores hatte zum Tempelbau aufgefordert; Christus wird ihn sogar ausführen.
6. Er wird Herrlichkeit tragen
Mit „Herrlichkeit“ bezeichnet die Bibel den Charakter der Attribute Gottes, die verschiedenen Vorzüge oder Vortrefflichkeiten seiner Eigenschaften. Sicher dürfen wir dabei an Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit denken, aber auch an seine Liebe, Gnade und Barmherzigkeit. Das alles und mehr wird endlich auf der Erde gesehen und dargestellt werden, wenn Christus regiert. Unter David und Salomo hatte es einen gewissen Vorgeschmack davon gegeben.
Auch Josua und Serubbabel würde Er bei weitem übertreffen. Sie hatten in Treue den Tempelbau angeführt, aber nur in Christus werden alle Attribute der Herrlichkeit Gottes sichtbar, und das auf Dauer. Er wird so regieren, dass allen Ansprüchen Gottes entsprochen wird.
Dazu wird Er amtliche Herrlichkeit „tragen“. Er wird als „König der Herrlichkeit“ regieren (Ps 24,7–10). Gott wird seinen Beschluss wahr machen und Ihn als König in Zion einsetzen (Ps 2,6). So heißt es in Lukas 1,32.33: „Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; … er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Kann ein gläubiges Herz kalt bleiben, wenn man diesen Endpunkt sieht und dabei bedenkt, wodurch das möglich gemacht wurde? Christus hat Gott am Kreuz, am Ort der Schmach, verherrlicht. In den drei Stunden der Finsternis hat Er den ultimativen Beweis dafür erbracht, dass Er in der Lage ist, die ganze Herrlichkeit Gottes zu „tragen“, auch seine Heiligkeit, in der Gott „die Sünde im Fleisch verurteilte“, seinen Sohn „zur Sünde“ machte, und das, ohne Ihn zu verschonen (Röm 8,3.32; 2. Kor 5,21). Das kann nicht unbeantwortet bleiben. Gott hat sein Wohlgefallen daran ausgedrückt, indem Er Ihn aus den Toten auferweckt und Ihm den Ehrenplatz zu seiner Rechten gegeben hat. Aber eine Antwort steht noch aus, nämlich die Verherrlichung und Anerkennung Christi auf der Erde (Joh 13,31.32). Er wird in Herrlichkeit erscheinen und dann dauerhaft der Träger der Herrlichkeit sein.
Auch hier ist wieder das Wort „Er“ betont. Diese Person allein ist dazu fähig und Er allein ist dazu würdig.
Jesaja beschreibt Ihn als den Pflock, der an einem heiligen Ort eingeschlagen wird und an dem die gesamte Herrlichkeit hängen wird: „Und man wird die gesamte Herrlichkeit seines Vaterhauses an ihn hängen“ (Jes 22,24).
In seinem Dienst auf der Erde hat Er „unsere Leiden getragen“ (Jes 53,4), am Kreuz hat Er „die Sünden vieler getragen“ (Jes 53,12), aber dann wird Er Herrlichkeit „tragen“ (dasselbe Wort im Grundtext).
7. Er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen
Christus wird auf seinem Thron sitzen. Ein Thron spricht von Regierung (siehe z. B. Off 4,2). In Offenbarung 4 ist es der Thron Gottes im Himmel, hier dagegen geht es um die Herrschaft Christi auf der Erde in Gerechtigkeit, Frieden und Aufrichtigkeit (Jes 32,1; Ps 45,7; 72,1–4). Dieser Thron wird für immer (solange die Erde besteht) feststehen (Ps 45,7) und die Herrschaft wird bis an die Enden der Erde reichen (Ps 72,8).
Noch sitzt Christus nicht auf diesem Thron (obwohl viele behaupten, es sei der Fall). Er selbst hat gesagt, dass Er auf dem Thron seines Vaters sitzt: „Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf seinen Thron“ (Off 3,21). Er hat sich auf den Thron seines Vaters gesetzt, aber der Zeitpunkt, wenn Er sich auf seinen eigenen Thron setzt, ist noch zukünftig.
Übrigens sitzt Christus heute auch noch nicht auf dem Thron Davids (Lk 1,32). Der Thron Davids bezieht sich auf ein sichtbares Reich auf der Erde, und zwar in Israel (2. Sam 3,10; 1. Kön 2,12.24.33 etc.). Wenn davon die Rede ist, dass Christus als Auferstandener jetzt schon einen Thron bekommen hat, dann ist nie vom Thron Davids die Rede, sondern von dem Thron des Vaters (Off 3,21) bzw. dem Thron Gottes (Off 12,5).
8. Er wird Priester sein auf seinem Thron
Dieser Satz bringt uns zum Höhepunkt des messianischen Porträts, das in den acht Visionen gemalt wurde, nämlich dass Christus König und Priester in einer Person sein wird. Die vorherigen Gesichte (Visionen) waren vorbereitend dafür:
- In Kapitel 3 stand Josua, der Hohepriester im Vordergrund und wurde (im zweiten Teil des Kapitels) zu einem Vorbild von Christus.
- In Kapitel 4 haben wir zunächst Serubbabel gesehen, einen Sohn Davids, aber in großer Schwachheit. Dennoch wurde er als ziviler oder politischer Führer zum Vorbild auf Christus, der einmal als König kommen und den Schlussstein des Tempels setzen würde.
- Am Ende von Kapitel 4 sehen wir beide, Josua und Serubbabel, miteinander verbunden als die „Söhne des Öls“. Aber noch immer sind es zwei verschiedene Personen, die das Priestertum einerseits und die Herrschaft andererseits verkörpern.
- In Kapitel 5 haben wir dann zwei Frauen gesehen, die Satans Fälschung vorstellen: ein falsches Priestertum und ein verdorbenes Königtum (das des Antichristen).
- Aber in Kapitel 6 ist es so weit: Christus wird vorgestellt als der, der beide Ämter einnimmt. Er wird der vollkommene König und der vollkommene Priester sein, und zwar nicht etwa nacheinander, sondern zur gleichen Zeit, in einer Person.
Wir hatten bereits erwähnt, dass es in Israel immer eine strenge Trennung zwischen Königtum und Priestertum gegeben hatte (und das sicher nicht ohne Grund, denn das Königtum hat mit Autorität zu tun, das Priestertum dagegen mit Gnade und Barmherzigkeit). Die Trennung dieser beiden Ämter war in Israel unter anderem dadurch zementiert worden, dass Gott festgelegt hatte, dass Priester aus der Familie Aarons und damit aus dem Stamm Levi, Könige dagegen aus dem Stamm Juda kommen sollten (4. Mo 3,10; 18,1.2.5.7; Heb 7,13.14; 1. Mo 49,10).
Diese Unvereinbarkeit von Königtum und Priestertum wurde zur großen Testfrage im Leben des Königs Ussija. In den ersten Jahren seiner Regierung tat er, „was recht war in den Augen des Herrn“, er „suchte Gott“ und „Gott gab ihm Gelingen“ (2. Chr 26,1–15). Aber dann wurde er hochmütig und ging in den Tempel, um zu räuchern. Zusammen mit 80 Priestern folgte der mutige Priester Asarja dem König, um ihn daran zu hindern, sich in dieser Weise an Gott zu vergehen. Aber Ussija wurde zornig und schimpfte über die Priester. Da schlug Gott ihn mit Aussatz (2. Chr 26,16–21). Dieses Ereignis veranschaulicht die strenge Trennung von Königtum und Priestertum in Israel.
Aber wenn Christus kommt, wird diese Trennung nicht mehr nötig sein. Unter seiner Herrschaft wird es eine vollkommene Harmonie geben zwischen der Gerechtigkeit und Autorität des Königtums einerseits und der Gnade, dem Mitgefühl und Erbarmen des Priestertums andererseits.
Interessanterweise gibt es doch ein Vorbild darauf im Alten Testament – nur eben vor der Zeit Israels: „Und Melchisedek, der König von Salem, brachte Brot und Wein heraus; und er war Priester Gottes, des Höchsten“ (1. Mo 14,18). Alles deutet darauf hin, dass Melchisedek ein Vorbild auf Christus im 1000-jährigen Reich ist: Er heißt Melchisedek („König der Gerechtigkeit“), ist „König von Salem“ („König des Friedens“, siehe Heb 7,2), er ist Priester, und Gott ist unter dem Namen „Gott der Höchste“ bekannt, der sich auf das 1 000-jährige Reich bezieht. Dazu heißt es ausdrücklich, dass er mit „dem Sohn Gottes verglichen“ wird (Heb 7,3).
Psalm 110 bestätigt das. Dieser Psalm spricht von Christus: „Den Stab deiner Macht wird der HERR aus Zion senden; herrsche inmitten deiner Feinde!“ (V. 2). Dann heißt es weiter: „Geschworen hat der Herr, und es wird ihn nicht reuen: ‚Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks!‘“ (V. 4). Der Brief an die Hebräer bestätigt die Anwendung auf Christus (Heb 5,6.10; 6,20; 7,17.21). Christus ist der wahre Melchisedek, der nach 1. Mose 14,19.20 das Volk von Gott segnet und Gott für das Volk preist (segnen und preisen ist im Hebräischen – wie auch im Griechischen – dasselbe Wort).
Das alles hat auch eine wichtige Bedeutung für uns als Christen. Wir freuen uns nicht nur darüber, dass der Herr Jesus einmal der vollkommene König und Priester sein wird, sondern wir werden mit Ihm darin verbunden sein. Wir wissen, dass Er „uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater“ (Off 1,5.6). Wenn die erste Auferstehung erfolgt ist, werden wir auf Thronen sitzen und herrschen und dabei gleichzeitig Priester sein: „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten; … Über diese hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen tausend Jahre“ (Off 20,4.6). Christus wird der wahre Melchisedek sein, der aus dem himmlischen Heiligtum heraustritt und den Menschen eine Fülle von Segen bringt. Aber wir werden mit Ihm verbunden und selbst königliche Priester sein. Wie einmal jemand gesagt hat: „Dann wird gesehen werden, was Satan immer abgestritten hat: dass Gott gut ist“!
Aber noch ein Detail: Sacharja hört in dem Wort des HERRN, dass Christus auf seinem Thron „sitzen“ wird und dort Priester sein wird. Auch das gab es nicht im Priestertum Aarons. Die Söhne Aarons mussten stehen, um ihren Dienst zu verrichten, aber Christus hat sich nach vollbrachtem Werk gesetzt (Heb 10,11.12).
9. Und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein
Anlässlich der Geburt des Herrn Jesus hatten die Engel Gott gelobt und gesagt „Friede auf der Erde“ (Lk 2,14). Der Friede war noch nicht da, aber der, der ihn einmal bringen würde, war nun geboren worden. Sacharja darf vorausblicken auf die Zeit, wenn es tatsächlich bleibenden Frieden auf der Erde geben wird. Das ist Gottes Ratschluss oder Plan für die Erde.
Dabei stellt sich die Frage, wer mit „zwischen ihnen beiden“ gemeint ist. Es können wohl kaum Juden und Nationen gemeint sein. Nur zwei Personen waren genannt worden: der HERR und der Spross. Dieser Rat des Friedens wird existieren und aufrecht erhalten werden zwischen dem Messias als König auf der Erde und Gott (vgl. Ps 85,11). Die Freude über diese Friedensregierung wird in Psalm 98,4–9 äußerst plastisch beschrieben, siehe z. B. Vers 8: „Mögen die Ströme in die Hände klatschen, mögen jubeln die Berge allesamt …“
Unser Teil als Christen ist noch besser. Wir genießen schon heute den Frieden, den Christus am Kreuz gemacht hat (Kol 1,20; Röm 5,1). Und wir warten darauf, an der gerechten Friedensherrschaft Christi teilzunehmen! Das sollte nicht ohne Auswirkung auf unser tägliches Leben bleiben (s. dazu die Argumentation von Paulus in 1. Kor 6,1–7).
Denn dieser Melchisedek, König von Salem, Priester Gottes, des Höchsten, der Abraham entgegenging, als er von der Schlacht der Könige zurückkehrte, und ihn segnete, dem auch Abraham den Zehnten von allem zuteilte; der erstens übersetzt König der Gerechtigkeit heißt, dann aber auch König von Salem, das ist König des Friedens, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Geschlechtsregister, weder Anfang der Tage noch Ende des Lebens habend, aber dem Sohn Gottes verglichen, bleibt Priester auf immerdar.
Die Krone im Tempel
„Und die Krone soll Chelem und Tobija und Jedaja und der Güte des Sohnes Zephanjas zum Gedächtnis sein im Tempel des HERRN“ (V. 14).
Nach dem neunfachen Porträt des kommenden Messias wird eine neue Anweisung gegeben. Diese macht klar, dass sich diese Zusage auf einen Zeitpunkt bezog, der damals noch in weiter Zukunft lag. Die Krone war nicht dazu gedacht, von nun an von Josua getragen zu werden, sondern sie sollte zum Gedächtnis im Tempel aufbewahrt werden.
Gott hatte gesehen, dass diese Männer den Wunsch gehabt hatten, den Bau des Hauses Gottes zu unterstützen und dass sie dazu nicht nur den weiten Weg von Babel nach Jerusalem auf sich genommen, sondern auch wertvolles Material, Gold und Silber, mitgebracht hatten (vgl. V. 11). Auch die Unsicherheit darüber, wie man ihnen in Jerusalem begegnen würde, hatte sie nicht zurückgehalten.
Das alles honoriert Gott. Was sie getan hatten, war in seinen Augen wertvoll. So gibt Er die Anweisung, dass die Krone sorgfältig aufbewahrt werden sollte, und zwar „ihnen zum Gedächtnis“. Somit würde Gott dafür sorgen, dass die Treue, Hingabe und Freigebigkeit dieser Leute nicht in Vergessenheit geraten würde. Das gilt übrigens noch heute (vgl. Heb 6,10). Das Gedächtnis dessen, was wir aus Treue zu Ihm getan haben, wird ewig aufbewahrt.
Aber es liegt noch mehr darin. Diese Anweisung zeigt, dass es sich um ein typologisch signifikantes Ereignis handelte. Die Tatsache, dass die Krone Josua aufgesetzt werden sollte, hatte also eine tiefere Bedeutung: Sie war eine symbolische Handlung und gleichzeitig eine Zusage. Aber bis zu deren Erfüllung sollte es noch geraume Zeit dauern. Der Messias sollte tatsächlich kommen – und die im Tempel aufbewahrte Krone sollte die Sehnsucht danach wach erhalten.
Außerdem ehrt Gott Chelem, Tobija und Jedaja noch dadurch, dass sie zu einem Bild von anderen werden, die in der Zukunft kommen werden, um den Bau des messianischen Tempels zu unterstützen (siehe V. 15).
Bevor wir darauf eingehen, noch eine Bemerkung zu dem Ausdruck „die Krone“. Eine Fußnote in der Elberfelder Übersetzung (Edition CSV) verrät uns, dass eigentlich von „Kronen“ in der Mehrzahl die Rede ist. Es ist eine interessante Konstruktion: Das Wort „Kronen“ steht im Plural, aber das Verb („soll sein“) steht im Singular. Es ist anzunehmen, dass es sich um eine aus mehreren Reifen bestehende Prachtkrone handelte. Dadurch wird einerseits angedeutet, dass Christus der König der Könige ist, der „mit vielen Diademen“ gekrönt werden wird. Andererseits zeigt die Einzahl, dass es nur eine Krone ist. Es gibt nur einen, dem diese Ehre gilt.
Ein neuer Name
Noch ein Umstand fällt auf. Ein Name ist geändert worden. Einer der Heimkehrer aus Babel war in Vers 10 Cheldai genannt worden, nun heißt er Chelem. Im Hebräischen handelt es sich nur um einen einzigen Buchstaben, der geändert worden ist (zwei Buchstaben werden zu einem). Aus dem Zusammenhang wird klar, dass derselbe Mann gemeint sein muss: Cheldai, Tobija und Jedaja hatten Gold und Silber gebracht (V. 10). Die daraus angefertigte Krone soll Chelem, Tobija und Jedaja zum Gedächtnis aufbewahrt werden (V. 14). Warum ist diese Namensänderung erfolgt?
Beide Namen haben eine Bedeutung. Cheldai ist von einer Wurzel abgeleitet, die sehr verschieden übersetzt wird: „Zeitlauf“, „Lebensdauer“, „Alter“, „kurz“ und „Welt“. Das Rätsel löst sich dadurch, dass die Grundbedeutung „gleiten“ ist. Es geht also um das, was schnell vorübergeht und vergänglich ist. Die deutlichste Stelle7 dazu ist Psalm 39,6: „Meine Lebensdauer ist wie nichts vor dir“. Ist dieser Name nicht eine treffende Bezeichnung für das Leben in Babel, für die Pracht und Kultur und Schätze Babylons: Alles gleitet vorüber und ist letztendlich „wie nichts“. Aber nun bekommt Cheldai einen neuen Namen. Nun heißt er Chelem – das bedeutet Traum. Wir sind heute geneigt, mit dem Wort Traum Begriffe wie „unrealistisch“ und „Phantasie“ zu verbinden. Aber im Alten Testament haben Träume einen ganz anderen Stellenwert. Das Wort kommt zum ersten Mal in 1. Mose 28 vor. Dort geht es um den Traum Jakobs, der davon spricht, wie es einmal im 1 000-jährigen Reich sein wird. Das nächste Kapitel, in dem dieses Wort vorkommt, ist 1. Mose 37, und zwar mehrfach (V. 5.6.9.10). Dort geht es um die Träume Josephs, die prophetisch darauf hinweisen, dass sich alles vor dem wahren Joseph beugen wird, sowohl auf der Erde (die Ähren) als auch im Himmel (Sonne, Mond und Sterne). Diese Träume weisen in dieselbe Richtung (vgl. Eph 1,10).
Wir wollen bei der Auslegung hebräischer Namen vorsichtig sein. Aber wenn man die oben zitierten Stellen anschaut, in denen die jeweiligen Worte (oder deren Wurzeln) vorkommen, ergibt sich doch ein sehr schönes Bild: Cheldais Leben in Babel war durch das charakterisiert, was flüchtig und vorübergehend ist. Aber er hat sich aufgemacht und ist nach Jerusalem gekommen, hat sein Interesse am Bau des Hauses Gottes bewiesen – und dort wird er zu einem Chelem, zu einem Mann, der von dem „Traum“ des kommenden Priesterkönigs erfüllt wird.
Unterstützung aus der Ferne
„Und Entfernte werden kommen und am Tempel des Herrn bauen“ (V. 15a).
Wenn Gott hier sagt „Entfernte werden kommen“, dann können damit nicht die drei genannten Männer gemeint sein. Diese waren ja bereits eingetroffen. Sie werden vielmehr zu einem Vorbild von anderen „Entfernten“, die einmal kommen werden, und zwar auch mit dem Ziel, den Bau des Tempels zu unterstützen. Wann wird das sein und wer ist damit gemeint?
Es geht um die Zeit, von der der Prophet soeben gesprochen hatte, in der der Messias als Spross kommt, aufsprosst, Herrlichkeit trägt und den Tempel baut, d. h., wenn Christus in Herrlichkeit erscheint und sein Reich aufrichtet. Der Antichrist wird dann gerichtet sein (Off 19,20) und der Tempel, in dem dieser sich hatte verehren lassen (2. Thes 2,4), wird dem messianischen Tempel gewichen sein (Hes 40–44). Diesen Tempel wird Christus selbst bauen (V. 13a), aber Er wird anderen Gelegenheit geben, daran beteiligt zu sein8.
Hier wird erwähnt, dass Menschen dazu aus entfernten Orten, aus anderen Ländern, kommen werden. Es ist nicht ganz einfach zu entscheiden, ob damit Personen aus Israel oder aus anderen Völkern gemeint sind:
- An vielen Stellen sprechen die Propheten davon, dass Gott die über den Erdball zerstreuten Israeliten wieder sammeln und in das Land bringen wird (Jes 11,11.12; 43,5.6; Jer 23,3; 29,14; 32,37; Hes 11,17; 20,34; Mich 2,12; Sach 10,8–10). Die erste dieser Stellen erwähnt sogar ausdrücklich Sinear (Babylon).
- An anderen Stellen lernen wir, dass auch solche aus den Nationen kommen und Materialien zum Bau des Tempels beisteuern werden. Eine interessante Stelle in diesem Zusammenhang ist Jesaja 60: „Und die Söhne der Fremde werden deine Mauern bauen, … Die Herrlichkeit des Libanon wird zu dir kommen, Zypresse, Platane und Buchsbaum miteinander, um die Stätte meines Heiligtums zu schmücken; und ich werde herrlich machen die Stätte meiner Füße“ (V. 10.13). Dieses Phänomen wurde schon zur Zeit Salomos durch Hiram, den König von Tyrus, illustriert, als dieser Salomo wertvolle Materialien für den Tempelbau lieferte (1. Kön 5,22–24.32).
Wenn Sacharja von „Entfernten“ spricht, könnten beide Gruppen gemeint sein. Allerdings spricht doch einiges dafür, dass in erster Linie die erste dieser Gruppen gemeint ist, denn es wird nur von „Entfernten“ gesprochen, nicht von „Nationen“. Außerdem waren es Personen „von den Weggeführten“ (V. 10), also von Juden, die (oder deren Eltern) nach Babel deportiert worden waren. Sie trugen auch jüdische Namen, die jeweils eine sehr schöne geistliche Bedeutung haben. Tobija bedeutet „der Herr ist mein Gut“ und Jedaja bedeutet so viel wie „der Herr kennt, weiß oder unterstützt“.
Das Gold und Silber, das von Tobija, Jedaja und Cheldai mitgebracht worden war, haben bekanntlich eine symbolische Bedeutung: Sie sprechen von Gottes Herrlichkeit und Gerechtigkeit (Gold) und Erlösung (Silber). Das mag andeuten, dass diese Entfernten eine Wertschätzung der Person Christi („Gold“) und seines Werkes („Silber“) haben werden.
Die Erfüllung als Beweis
„Und ihr werdet erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Und dies wird geschehen, wenn ihr fleißig auf die Stimme des Herrn, eures Gottes, hören werdet“ (V. 15b).
In den Worten „und ihr werdet erkennen“ liegt ein Verweis auf die damals noch ferne Zukunft, von der wir gesprochen haben, nämlich die Zeit, wenn der Messias persönlich anwesend sein und den Tempel bauen wird und Entfernte dazu beitragen werden. Dann wird kein Zweifel mehr bestehen, dass die ermutigende Botschaft, die sie gerade gehört hatten, wirklich von Gott war.
Ganz ähnlich hatte Sacharja in Kapitel 2 gesprochen. Auch dort nennt er Ereignisse, die das prophetische Wort einmal bestätigen würden. Wenn Gott erst einmal die Nationen richten würde (Kap. 2,13) und wenn sich dann erst viele Nationen dem Herrn anschließen und Er in der Mitte seines Volkes wohnen würde, dann würden sie „erkennen“ (Kap. 2,13.15, vgl. Joel 4,17; Jes 49,23; 60,16).
Die Erfüllung als Antwort auf Treue
Aber dann folgt eine Bedingung: „Wenn ihr fleißig auf die Stimme des Herrn, eures Gottes, hören werdet“. Werden diese Ereignisse nicht ohnehin eintreffen? Steht Gottes Plan in Bezug auf den Messias nicht fest? Natürlich – die „Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“ (Röm 11,29). Aber das macht das Verhalten der Gläubigen nicht zur Nebensache. Ihre Verantwortung bleibt bestehen. Die Zusagen sollen sie (und uns) sogar dazu ermutigen, Gott umso mehr gehorsam zu sein und so zu handeln, als wenn alles von der eigenen Treue abhing. Das ist ein Hauptzweck der Beschäftigung mit Prophetie: Der Blick in die Zukunft soll Licht auf die Gegenwart werfen und unser Verhalten heute prägen.
Fußnoten
- 1 „Wind“ ist im Hebräischen dasselbe Wort wie Geist (ruach). Wie wir aus dem Buch Daniel wissen, stehen Engelmächte hinter den Weltreichen (und hinter Israel): Daniel 10,13.20 und 12,1.
- 2 Durch dieses „Wort des HERRN“ wird der erste Teil des Buches (Kap. 1 bis 6) mit dem darauffolgenden Teil des Buches verbunden. Letzterer erwähnt wiederholt das „Wort des HERRN“ (Sach 7,4.8; 8,1.18).
- 3 Das hebräische Wort für „Goldblech“ (nezer) kann auch mit Diadem übersetzt werden, aber niemand hätte dieses Goldblech mit einer Königskrone verwechselt. Sacharja benutzt dagegen hier ein Wort (hebr. `atar), das oft eine königliche Krone bezeichnet (2. Sam 12,30; 1. Chr 20,2; Est 8,15 etc.).
- 4 So heißt es in Sacharja 9,9: „Siehe, dein König“. Den Herrn Jesus als König Israels sehen wir besonders im Matthäus-Evangelium. In Sacharja 3,8 hatten wir gelesen: „Siehe, mein Knecht“ – das haben wir besonders im Markus-Evangelium vor uns, wo wir den Herrn Jesus als den Knecht Gottes finden, der gekommen war, um zu dienen. Hier heißt es: „Siehe, ein Mann …“ Das entspricht der Herrlichkeit des Herrn Jesus im Lukas-Evangelium, wo wir Ihn besonders als den wahren Menschen sehen. Schließlich lesen wir: „Siehe da, euer Gott!“ (Jes 40,9). Das weist uns auf das Johannes-Evangelium hin, das den Herrn Jesus als den Sohn Gottes vorstellt.
- 5 Wir hatten gesehen, dass der Spross in vier Aspekten vorgestellt wird, die jeweils dem Charakter eines der vier Evangelien entsprechen: König (Jer 23,5), Knecht (Sach 3,8), Mensch (hier) und Gott (Jes 4,2).
- 6 Natürlich wurde der Herr in Bethlehem geboren (Mich 5,1; Mt 2,5.6; Joh 7,42). Dieser Ort liegt nahe bei Jerusalem und in Psalm 87 wird kein Unterschied gemacht, sondern Er wird als in Zion geboren betrachtet.
- 7 Siehe auch Psalm 17,14 („Zeitlauf“); Psalm 39,6 und 89,48 („Lebensdauer“) und Psalm 49,2 („Welt“).
- 8 Das ist heute übrigens auch der Fall: In einem Sinn baut Christus das Haus, die Versammlung (Mt 16,18), in einem anderen Sinn dürfen wir auch daran bauen (1. Kor 3,10).