Der Brief des Jakobus im Überblick

Kapitel 5: Leben im Unglauben und Leben im Glauben

Verse 1–6: Reiche und ihr Verhalten

„Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über euer Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind von Motten zerfressen worden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird zum Zeugnis sein gegen euch und wird euer Fleisch fressen wie Feuer; ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der von euch vorenthalten worden ist, schreit, und das Geschrei der Schnitter ist zu den Ohren des Herrn Zebaoth gekommen. Ihr habt in Üppigkeit gelebt auf der Erde und geschwelgt; ihr habt eure Herzen gepflegt wie an einem Schlachttag. Ihr habt verurteilt, ihr habt getötet den Gerechten; er widersteht euch nicht“ (Jak 5,1–6).

Jakobus wendet sich an eine besondere Gruppe von Menschen, nämlich die Reichen (begüterte Menschen), von denen es unter den Ungläubigen viele gab. Die Gläubigen waren i.d.R. arm, denn sie hatten ihren Besitz verkauft und waren aufgrund von Verfolgung „zerstreut“ (Apg 8,1). Die Hinweise sind jedoch auch für Gläubige wichtig, denn die Gefahr des Reichtums ist immer groß (1. Tim 6,17).

„Genügsamkeit ist natürlicher Reichtum, Luxus künstliche Armut“ (Sokrates)

  • Die „Reichen“ sind hier in der direkten Bedeutung Bekenner. Sie glaubten, eine Beziehung zu Gott zu haben, hatten sie aber nicht. Sie vertrauten vielmehr auf ihr Vermögen (ihr Können, ihren Einfluss...). Aber sie sollten das Ende besehen. Das Ende entscheidet (Lk 6,24.25). Am Ende:
    • wird der Reichtum vergehen (es kommen Elend oder Drangsale). Der Reichtum verfault, und die Kleider werden zerfressen. Gold und Silber verrosten.
    • wird das Gericht kommen.
    • wird das Fleisch „gefressen“ werden, d. h., sie werden vergehen (ewig verloren).
  • Wer viel haben will, unterdrückt oft diejenigen, die wenig haben, anstatt ihnen zu geben, was ihnen zusteht (vgl. 5. Mo 24,14.15). Gott nimmt Kenntnis davon.
  • Wer viel haben will, lebt häufig in Üppigkeit (Genusssucht) und Luxus und vergisst die Armen.
  • Die Armen konnten sich nicht wehren. Ihre Hilfe war Gott, der für die Armen eintritt und ihnen Gerechtigkeit verschafft (der Herr Zebaoth ist der Herr der Heerscharen).
  • Es waren die „Reichen“ (die Juden), die „den Armen“ (Jesus Christus), „den Gerechten“, getötet haben, der sich nicht gewehrt hat.

Als Christ ist Reichtum nicht verboten (die Bibel hat Beispiele von reichen und gleichzeitig gottesfürchtigen Menschen), aber dennoch eine Gefahr.

J.N. Darby: „Reichtümer sind eine direkte Gefahr für uns, da sie den Stolz nähren und unsere Herzen abseits der Armen halten, mit denen sich der Herr Jesus in dieser Welt verbindet“.1

Impuls für die Praxis: „Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Rost zerstören und wo Diebe einbrechen und stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen“ (Mt 6,19.20).

Verse 7–12: Geduld bis zum Kommen des Herrn

„Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn. Siehe, der Ackerbauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld ihretwegen, bis sie den Früh- und den Spätregen empfängt. Habt auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen. Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür. Nehmt, Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben. Siehe, wir preisen die glückselig, die ausgeharrt haben. Von dem Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist.

Vor allem aber, meine Brüder, schwört nicht, weder bei dem Himmel noch bei der Erde, noch mit irgendeinem anderen Eid; es sei aber euer Ja ja und euer Nein nein, damit ihr nicht unter Gericht fallt“ (Jak 5,7–12).

Jakobus wendet sich wieder den Gläubigen zu. Die Brüder (viele von ihnen gehörten zu den Armen) werden jetzt zur Geduld aufgefordert.

  • „Brüder“ (Gläubige) stehen im Kontrast zu „den Reichen“ (Ungläubige).
  • Die „Brüder“ wurden unterdrückt. Ihnen wurde Unrecht getan. Deshalb brauchten sie „Ausharren“ (d. h. Geduld in Umständen) und eine klare Orientierung nach vorn auf die Ankunft des Herrn.
  • Die Ankunft des Herrn wir hier nicht näher definiert. Der Ausdruck bezieht sich manchmal auf die Entrückung, manchmal auf das Kommen in Macht und Herrlichkeit. Hier wird gesagt, dass diese Ankunft „nah gekommen“ ist (Heb 10,37).
  • Als Beispiel für Geduld gilt der Ackerbauer (oder Weingärtner):
    • Er ist fleißig und muss arbeiten (Verantwortung) (siehe 2. Tim 2,6).
    • Er ist geduldig und vom Segen Gottes abhängig (Jak 5,7).
    • Die Ankunft des Herrn macht zwei Dinge klar (vgl. 2. Thes 1,6–10):
    • Gericht für diejenigen, die jetzt die Gläubigen unterdrücken
    • Ruhe für diejenigen, die jetzt unterdrückt werden
  • Bei allen Schwierigkeiten und Prüfungen (von außen und innen) wollen wir nicht gegeneinander seufzen, sondern zufrieden sein, wie Gott es führt. Wir brauchen Geduld miteinander.
  • Der Richter steht vor der Tür. Er „verurteilt“ uns nicht, aber Er „beurteilt“ uns (Richterstuhl des Christus). Wir überlassen Ihm jede Beurteilung und seufzen nicht.

Zwei Beispiele aus dem Alten Testament:

  • Die Propheten: Sie redeten für Gott und wurden übel behandelt. Dennoch harrten sie im Leid aus (z. B. Jeremia) und überließen das Urteil Gott (das vollkommene Beispiel ist der Herr Jesus selbst, siehe 1. Pet 2,22.23). Sie hatten Geduld (oder Ausharren).
  • Hiob: Er wurde geprüft wie kaum ein anderer. Sein Beispiel zeigt das „Ende (die Vollendung, das Endziel, den Ausgang) des Herrn“. Er ist voll Mitgefühl und barmherzig. Am Ende wurde Hiob doppelt gesegnet.

In Schwierigkeiten und Nöten gibt es zwei Gefahren:

  1. Wir vergessen, dass Gott alles beurteilt.
  2. Wir reden gegeneinander, indem wir den Namen Gottes unnütz aussprechen und schwören und Gott zum Zeugen anrufen. Das ist ein weiterer Missbrauch der Zunge. Was wir sagen, soll immer wahr sein.

In der Bergpredigt warnt der Herr Jesus davor, zu schwören (Mt 5,33–37).

Impuls für die Praxis: Wir wollen tatsächlich wartende Christen sein und das tragen, was Gott uns bis dahin auferlegt: „Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren“ (Röm 8,25).

Verse 13–20: Das Gebet und das Leben des Glaubens

„Leidet jemand unter euch Trübsal? Er bete. Ist jemand guten Mutes? Er singe Psalmen. Ist jemand krank unter euch? Er rufe die Ältesten der Versammlung zu sich, und sie mögen über ihm beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken heilen, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden. Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet; das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel. Elia war ein Mensch von gleichen Empfindungen wie wir; und er betete ernstlich, dass es nicht regnen möge, und es regnete nicht auf der Erde drei Jahre und sechs Monate. Und wieder betete er, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht hervor.

Meine Brüder, wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt, und es führt ihn jemand zurück, so wisse er, dass der, der einen Sünder von der Verirrung seines Weges zurückführt, eine Seele vom Tod erretten und eine Menge von Sünden bedecken wird“ (Jak 5,13–20).

Jakobus geht in den letzten Versen auf zwei ganz unterschiedliche Situationen im Leben der Gläubigen ein (Freude und Leid) und zeigt, wie wichtig das Gebet ist. Schließlich endet er seinen Brief mit einem Hinweis darauf, wie mit irrenden Glaubensgeschwistern umgegangen werden soll

  • Das Leben des Christen spielt sich zwischen zwei Polen ab: Leid und Freude. Für beides brauchen wir ein „Ventil“:
    • Bei Trübsal („Härte erdulden“ oder Leid, Trauer, Unheil) ist die Hilfsquelle das Gebet. Wir wehren uns nicht, wir lehnen uns nicht auf, wir resignieren nicht. Wir legen alles vertrauensvoll in die Hand des Herrn.
    • Bei Freude (guten Mut haben) vergessen wir Gott nicht und danken Ihm (Psalmen singen kann ein Ausdruck von Lob und Dank sein).
  • Not kann von außen kommen, aber auch von innen, z. B. Krankheit. Krankheit ist kein Zufall, sondern eine Folge der Schwachheit der menschlichen Existenz. Sie kann verschiedene Ursachen haben (Vorsicht mit der „Diagnose“ bei anderen):
    • Gott will sich verherrlichen (z. B. Lazarus in Joh 11,4)
    • Glaubenserprobung von Gott (evtl. auch präventiv, z. B. Abraham in 1. Mo 22)
    • Folge eigenen Fehlverhaltens (1. Kor 11,30a)
  • Hier geht es konkret um Krankheit, die Folge einer Sünde ist, die bekannt werden muss. In einem solchen konkreten Fall verspricht Gott Heilung, wenn die Ursache für die Krankheit bereinigt ist.
  • Es werden drei Punkte genannt:
    • der Kranke soll die Ältesten rufen (Achtung: die Initiative geht von dem Kranken aus, nicht von den Ältesten).
    • die Ältesten sollen über ihm beten (es heißt nicht, dass sie ihn heilen).
    • sie sollen ihn mit Öl salben (das war eine jüdische Behandlungsmethode von Krankheiten).
  • Die Folgen sind:
    • Das Gebet (Zeichen der Abhängigkeit) des Glaubens wird den Kranken heilen. Es ist ein Gebet, dass sich auf die Zusagen Gottes stützt.
    • Der Herr wird ihn aufrichten. Wiederherstellung kommt von dem Herrn.
    • Wenn die Ursache der Krankheit begangene Sünde ist, wird ihm vergeben werden (Vergebung hat hier mit der praktischen Glaubensbeziehung zu Gott zu tun, die durch Sünde belastet wird. Es geht um zeitliche Vergebung für die Erde und nicht um Vergebung im Blick auf die Ewigkeit).
  • Vorsicht bei der „Übertragung“ in unsere Zeit: Es war „Anfangszeit“, in der es eingesetzte Älteste gab (heute gibt es wohl die Aufgabe, nicht aber das Amt eines Ältesten). Das Salben mit Öl war eine jüdische Sitte (vgl. Mk 6,13). Es geht hier speziell um jüdische Gläubige in der Anfangszeit. In den Briefen von Paulus lesen wir nichts davon. Dennoch steht der beschriebene Weg grundsätzlich offen, wobei das jüdische Element (das Salben mit Öl) nicht mehr dazu gehört.
  • Es geht nicht um „Wunderheilungen“ oder die „Gabe der Heilungen“, sondern um das „Gebet des Glaubens“ (nicht die Ältesten heilen durch eine Gabe, sondern das Gebet des Glaubens und der Herr). Das geschieht im „Namen des Herrn“, d. h., die Betenden sind sich über den Willen des Herrn im Klaren. 1. Johannes 5,16 zeigt, dass es geistliches Unterscheidungsvermögen braucht, weil Sünde im Leben des Gläubigen auch – im Einzelfall – zum (zeitlichen) Tod führen kann.
  • Für ein Bekenntnis vor den Ältesten bzw. voreinander (dem man Unrecht getan hat) und das Beten füreinander braucht man keinen offiziellen Auftrag, sondern den Geist der Demut und des Vertrauens.
  • Ein Beispiel für intensives Gebet ist Elia. Er war kein „Übermensch“ und betete ernstlich. Gott hörte und erhörte sein Gebet. Im Fall Elias war es keine Krankheit, aber doch eine Strafe Gottes aufgrund von Sünde. Diese Strafe wurde durch Gebet hervorgerufen und wieder weggenommen.

„Wie schlimm auch immer der Zustand des Ruins in der Versammlung Gottes sein mag, können wir doch immer einander unsere Fehler bekennen und füreinander beten, dass wir geheilt werden. Dazu bedarf es nicht eines offiziellen Auftrages, sondern es setzt Demut, brüderliches Vertrauen und Liebe voraus. Wir können einander in der Tat unsere Fehler nicht ohne Vertrauen in die Liebe des Bruders bekennen. Wir mögen einen weisen, verschwiegenen Bruder auswählen (anstatt unsere Herzen einer indiskreten Person anzuvertrauen), aber diese Wahl ändert nichts an dem Zustand der Seele des Schuldigen. Nicht durch das Verstecken des Bösen, sondern durch das Öffnen seines Herzens befreit er sein Gewissen, vielleicht auch seinen Körper“ (J.N. Darby).2

  • Jakobus endet nicht mit Krankheiten, die uns treffen können, sondern mit Problemen anderer. Jemand irrt von der Wahrheit ab. Wir sollen ein Auge aufeinander haben und Fehlverhalten bemerken, um den Abirrenden zurückzuführen.
  • Anstatt sich über das Verhalten anderer zu empören oder darüber mit anderen zu reden, sollen wir ihnen helfen. Wer das tut, tut ein Werk der Liebe, denn er rettet den anderen vor großem Schaden.
  • Sünden zu bedeckten bedeutet nicht, sie ungeschehen zu machen oder für gut zu befinden, sondern sie nicht unnötig zu verbreiten. Es ist die Liebe, die das tut (1. Pet 4,8). Wer so handelt, handelt nach dem „königlichen Gesetz“ (der Liebe).

Der Schluss des Briefes ist eher ungewöhnlich. Er zeigt jedoch noch einmal das grundlegende Anliegen des Jakobus und sein Hirtenherz. Er will die Leser zusammenfassend dazu motivieren, nicht gegeneinander zu streiten, sondern füreinander da zu sein.

Impuls für die Praxis: Wie ist es um unserer Gebetsleben bestellt? Kennen wir Gebete des Glaubens

  • für uns selbst?
  • für andere?

Sind wir uns bewusst, welche ungeheure Macht das Gebet des Glaubens hat?

Fazit

Der Jakobusbrief hat jedem Bibelleser viel zu sagen. Wir sollten seinen Inhalt unter Gebet zur Kenntnis nehmen, darüber nachdenken und die Belehrungen im Lebensalltag umsetzen. Das wird sowohl in unserem persönlichen Glaubensleben als auch im geschwisterlichen Miteinander neue Impulse setzen!

F.B. Hole: „Wir finden im Brief des Jakobus kaum irgendwelche Wahrheiten, die christliche Lehre entfalten, wohl aber viele, die christliche Praxis einschärfen. Er könnte fast ein Brief der Werke oder des christlichen Betragens genannt werden“.3

H. Smith: „Der Hauptzweck dieses herzerforschenden Briefes ist, das bekennende Volk Gottes aufzufordern und die Gläubigen zu ermahnen, durch einen praktischen Wandel die Wirklichkeit des Glaubens unter Beweis zu stellen“.4

  • Matthäus 5,16: „Ebenso lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen“.
  • Epheser 2,10: „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen“.

Fußnoten

  • 1 J.N. Darby: Der Brief des Jakobus
  • 2 J.N. Darby: Der Brief des Jakobus
  • 3 F.B. Hole: Der Brief des Jakobus
  • 4 H. Smith: Der Brief des Jakobus
« Vorheriges Kapitel