Der Brief des Jakobus im Überblick
Kapitel 2: Das königliche Gesetz – Glaube und Werke
Verse 1–5: Der Glaube unseres Herrn Jesus Christus und das Ansehen von Menschen
„Meine Brüder, habt den Glauben unseres Herrn Jesus Christus, des Herrn der Herrlichkeit, nicht mit Ansehen der Person. Denn wenn in eure Synagoge ein Mann kommt mit goldenem Ring, in prächtiger Kleidung, es kommt aber auch ein Armer in unsauberer Kleidung herein, ihr seht aber auf den, der die prächtige Kleidung trägt, und sprecht: Setze du dich bequem hierher, und zu dem Armen sprecht ihr: Stelle du dich dorthin, oder setze dich hier unter meinen Fußschemel; und habt ihr nicht unter euch selbst einen Unterschied gemacht und seid Richter mit bösen Gedanken geworden? Hört, meine geliebten Brüder: Hat Gott nicht die weltlich Armen auserwählt, reich zu sein im Glauben, und zu Erben des Reiches, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?“ (Jak 2,1–5).
Jakobus macht deutlich, dass der Glaube an Jesus Christus mit dem Ansehen der Person (d. h. Unterschiede zu machen in der Beurteilung des Wertes einer Person) unvereinbar ist. Dies ein wichtiger Grundsatz, den es zu beachten gilt:
- Jesus Christus hat zwei Titel, die seine Hoheit bezeugen:
- der Herr (der höchste Souverän, der „Chef“)
- der Herr der Herrlichkeit (in Ihm offenbart Gott sich)
- Jesus Christus ist der „Anfänger und Vollender“ des Glaubens (Heb 12,2). Wir ahmen Ihm nach. Er war „reich“ und ist „arm“ geworden (2. Kor 8,9). Er war „hoch“ und hat sich „erniedrigt“ (Phil 2,6.7). Er hat nicht die Person angesehen. Er hat sich z. B. um „Zöllner und Sünder“ und andere Menschen am Rand der Gesellschaft gekümmert.
- Im Judentum war Reichtum ein Zeichen des Segens Gottes. Deshalb wurde der Reiche geehrt und der Arme verachtet. Im Christentum (und in der Versammlung) ist das anders.
- Menschen aufgrund ihrer sozialen Stellung unterschiedlich zu bewerten, ist böse. Vor Gott sind alle Menschen gleich viel wert, und wenn die Gläubigen (auch und gerade in den Zusammenkünften) Unterschiede machen, handeln sie gegen den Willen Gottes.
- Gott sieht nicht das Äußere, sondern das Innere (1. Sam 16,7). Er beurteilt nicht nach dem äußeren Schein. Wenn wir das tun, richten (urteilen) wir mit „bösen Gedanken“.
- Gott nimmt weltlich (irdisch) arme Menschen und macht sie reich in Christus.
- 1. Korinther 1,26.27: „Denn seht eure Berufung, Brüder, dass es nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Edle sind; sondern das Törichte der Welt hat Gott auserwählt.“
- 2. Korinther 8,9: „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“
- Wir sind „reich im Glauben“ (d. h. alles was wir im Herrn Jesus besitzen, macht unsere Herzen jetzt schon glücklich, unabhängig von unserer sozialen Stellung).
Wir sind „Erben des Reiches“ (d. h., woran wir geglaubt haben, wird Wirklichkeit werden, wenn Christus in seinem Reich regiert).
- „jetzt“ (in der Gegenwart) sind wir manchmal bedrängt und in schwierigen Situationen
- „dann“ (wenn wir das Reich geerbt haben) werden wir – die wir Ihn lieben – mit dem Herrn Jesus herrschen
Impuls für die Praxis: Lernen wir von unserem Herrn, in der Praxis (auch im „Versammlungsleben“) keine Unterschiede zu machen, egal ob jemand arm oder reich, angesehen oder nicht angesehen, bekannt oder unbekannt ist?
Verse 6–13: Das königliche Gesetz (Das Gesetz der Liebe)
„Ihr aber habt den Armen verachtet. Unterdrücken euch nicht die Reichen, und ziehen nicht sie euch vor die Gerichte? Lästern nicht sie den guten Namen, der über euch angerufen worden ist?
Wenn ihr wirklich das königliche Gesetz erfüllt nach der Schrift: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, so tut ihr recht. Wenn ihr aber die Person anseht, so begeht ihr Sünde und werdet von dem Gesetz als Übertreter überführt. Denn wer irgend das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden. Denn der gesagt hat: „Du sollst nicht ehebrechen“, hat auch gesagt: „Du sollst nicht töten.“ Wenn du nun nicht ehebrichst, aber tötest, so bist du ein Gesetzesübertreter geworden.
So redet und so tut als solche, die durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen. Denn das Gericht wird ohne Barmherzigkeit sein gegen den, der keine Barmherzigkeit geübt hat. Die Barmherzigkeit rühmt sich gegen das Gericht“ (Jak 2,6–13).
Arme (Gläubige) und Reiche (Ungläubige) bilden einen starken Gegensatz.
- Die Reichen unterdrücken die Armen. Sie benachteiligen sie. Sie lästern (d. h. sprechen schlecht über sie) und bringen sie sogar vor Gericht. So erging es den ersten Christen in der Apostelgeschichte.
- Das „königliche Gesetz“ (das Gesetz der Liebe) sagt etwas anderes. Es macht keinen Unterschied zwischen „arm“ und „reich“. Es spricht von „deinem Nächsten“, den wir lieben sollen wie uns selbst (3. Mo 19,18).
- Galater 5,14: „Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
- Röm 13,9: „...und wenn es irgendein anderes Gebot gibt, ist in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
- Illustriert wird das in Lukas 10. Priester und Levit (zwei „Reiche“ – Angesehene) gehen bewusst an dem armen Mann vorbei. Der Samariter (ein Verachteter) kümmert sich um den Verletzten.
- Das Ansehen von Personen (Status, Stellung, Reichtum) ist Sünde und eine direkte Übertretung des größten Gebotes der Bibel: das königliche Gebot der Nächstenliebe. Wer so handelt, sündigt und macht sich damit vor Gott schuldig – selbst dann, wenn er sonst nach Gottes Willen lebt.
- Die Briefempfänger kannten das Gesetz (vom Sinai) und bekannten sich dazu. Sie wussten: „Wer ein Gebot übertritt, hat das ganze Gesetz übertreten“.
Jakobus zeigt das am Beispiel vom Totschlag und Ehebruch (wenn man ein Glied einer Kette durchtrennt, zerstört man die ganze Kette).
- Kinder Gottes besitzen eine Natur, die Freude hat, Gottes Willen zu tun. Deshalb sollen Worte und Taten mit dem „Gesetz der Freiheit“ (dem Wort Gottes) übereinstimmen. Wer nach Gottes Wort lebt, ist wirklich frei – frei, zur Ehre und Freude Gottes leben zu können. Für die neue Natur ist das nicht unmöglich.
- Reden und Handeln gegenüber anderen Menschen sollen von Barmherzigkeit und Liebe bestimmt sein (2,12.13).
- Das „Gesetz der Freiheit“ – das Gottes Wort – „richtet“ oder „beurteilt“ uns.
Beachte: Nicht wir beurteilen Gottes Wort, sondern Gottes Wort beurteilt uns.
- Das „Gesetz“ (in Buchstaben) ist ohne Barmherzigkeit. Es verurteilt (beurteilt) jeden Menschen, der keine Barmherzigkeit (d. h. Mitleid mit jemand in notvollen Umständen) übt. Wer unbarmherzig ist, lebt nicht nach dem „Gesetz der Freiheit“. Die Folge ist, dass Gott uns in seinen Regierungswegen „richten“ (d. h. strafen oder züchtigen) muss.
Drei Fragen, die nachdenklich stimmen:
- Welche Rolle spielen in unserem Versammlungsleben äußere Dinge, wie Kleidung, Aussehen, Status, Reichtum oder auch geistliche Begabung? Sind Geschwister, die im Rampenlicht stehen, mehr wert als solche, die sich mehr im Hintergrund aufhalten?
- Schauen wir von oben auf andere Gläubige herab, nur weil sie ihr Christentum anders leben und sich vielleicht anders versammeln? Sind wir wirklich von der Liebe zu allen Heiligen geprägt und haben „dieselbe Liebe“ (Phil 2,2) oder machen wir Unterschiede in der Liebe?
- Nach welchen Maßstäben beurteilen wir in unseren Zusammenkünften Besucher, die uns nicht bekannt sind? Schauen wir zuerst auf das Äußere, oder sehen wir sie aus Gottes Perspektive? Werden „bekannte Besucher“ geachtet und eingeladen und „unbekannte Besucher“ unbeachtet stehen gelassen?
Impuls für die Praxis:
- Kennen wir das „königliche Gesetz“?
- Praktizieren wir es in unserem Leben?
Verse 14–26: Glaube und Werke
„Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn erretten? Wenn aber ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und der täglichen Nahrung entbehrt, jemand von euch spricht aber zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht das für den Leib Notwendige – was nützt es? So ist auch der Glaube, wenn er keine Werke hat, in sich selbst tot.
Aber es wird jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke; zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, und ich werde dir meinen Glauben aus meinen Werken zeigen. Du glaubst, dass Gott einer ist, du tust recht; auch die Dämonen glauben und zittern.
Willst du aber erkennen, o nichtiger Mensch, dass der Glaube ohne die Werke tot ist? Ist nicht Abraham, unser Vater, aus Werken gerechtfertigt worden, da er Isaak, seinen Sohn, auf dem Altar opferte? Du siehst, dass der Glaube mit seinen Werken zusammen wirkte und dass der Glaube durch die Werke vollendet wurde. Und die Schrift wurde erfüllt, die sagt: „Abraham aber glaubte Gott, und es wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet“, und er wurde Freund Gottes genannt. Ihr seht also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein. Ist aber ebenso nicht auch Rahab, die Hure, aus Werken gerechtfertigt worden, da sie die Boten aufnahm und auf einem anderen Weg hinausließ? Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne die Werke tot“ (Jak 2,14–26).
Die ablehnende Haltung M. Luthers gegenüber dem Brief des Jakobus gründet sich vor allem auf diese Verse und die Frage, wie Glaube und Werke miteinander verbunden sind. Wenn wir jedoch einmal verstanden haben, worauf es Jakobus ankommt und aus welcher Perspektive er über das Thema „Glaube und Werke“ schreibt, löst sich jedes Problem.
- Paulus zeigt uns, wie wir vor Gott gerechtfertigt werden, nämlich durch Glauben (und nicht durch Werke z. B. Röm 4,5). Durch eigene Werke kann sich niemand den Himmel verdienen. Paulus hat Menschen im Visier, die noch nicht gerettet sind.
- Jakobus zeigt, wie sich der Glaube äußert, nämlich durch Werke (z. B. Jak 2,14). Es geht darum, wie ein Mensch, der aus Glauben gerechtfertigt ist, im täglichen Leben als Gläubiger erkannt werden kann (z. B. Jak 2,13).
Jakobus spricht von Menschen, die sich zum christlichen Glauben bekennen (übrigens spricht auch Paulus häufig von guten Werken derer, die geglaubt haben; z. B. Kol 1,10; Eph 2,10; Tit 2,14)
Fazit: Niemand erlangt den Glauben durch Werke, aber ein Glaube, der sich nicht durch Werke erweist, ist ein toter (d. h. unwirksamer) Glaube.
- „jemand sagt...“, d. h., er hat ein Bekenntnis. Das Bekenntnis wird nun auf seine Echtheit getestet.
- Der rettende Glaube ist aus Gott und ohne Werke (Röm 4,6: Gott rechnet Gerechtigkeit ohne Werke zu; vgl. Eph 2,9). Die Echtheit des Glaubens muss dann bewiesen werden – und zwar durch Werke.
Beachte: es handelt sich um Glaubenswerke und nicht um Gesetzeswerke!
- Die göttliche „Reihenfolge“ lautet:
- Das Heil (die Rettung des Menschen) ist aus Glauben (d. h. auf dem Grundsatz des Glaubens) und ohne Werke (d. h. nicht auf dem Grundsatz von Werken)
- Die Echtheit des Glaubens wird durch Werke bewiesen
- Das Beispiel (der notleidende Bruder) macht klar, dass der Glaube ohne Werke in sich tot ist, d. h., er richtet nichts aus. Er „nützt“ nichts (vgl. 1. Joh 3,17).
- Es gibt „tote Werke“ (Heb 6,1; 9,14). Jedes Werk ist tot, wenn es nicht aus Glauben getan wird (das können sogar solche Werke sein, die in den Augen der Menschen gut erscheinen).
- Es gibt „toten Glauben“, wenn er nicht durch Werke bewiesen wird! Solcher Glaube hat keinen Wert.
- Glauben kann man – objektiv betrachtet – nicht sehen. Man kann ihn allerdings subjektiv durch gute Werke zeigen. (Glaubens)werke sind der sichtbare Beweis des Glaubens.
- Ein Glaube, der nicht durch Werke sichtbar wird, rettet nicht. Es ist kein echter (lebendiger) Glaube.
Drei Beispiele – ein negatives, zwei positive – erläutern das (die positiven Beispiele – Abraham und Rahab – könnten nicht konträrer sein).
- Dämonen (Diener des Teufels) glauben und zittern – sind jedoch verloren. Ihr Glaube ist tot. Sie haben keine lebendige Beziehung zu Gott. Man kann der christlichen Wahrheit zustimmen und doch ohne Leben aus Gott sein. Toter Glaube ist nur ein „Fürwahrhalten“, ein Lippenbekenntnis (Kap 2,15–17). Viele Menschen (die sich Christen nennen) glauben, dass Gott existiert. Diesen Glauben teilen sie mit den Dämonen. Sie sind dennoch ewig verloren.
- Der fromme Abraham tat ein Werk des Glaubens, als er Isaak opferte (Heb 11,17).
- Jakobus sagt: Abraham wurde aus Werken gerechtfertigt
- Paulus sagt: Abraham wurde aus Glauben gerechtfertigt (Röm 4,9)
Beide Aussagen stimmen. Glaube und Werke gehören zusammen! Ohne Werke ist der Glaube tot. Ohne Glauben sind die Werke nutzlos! - Die sündige Rahab (an deren Vergangenheit erinnert wird)
- Jakobus: Rahab wurde aus Werken gerechtfertigt
- Hebräer: Rahab wurde durch Glauben gerettet (Heb 11,31)
Deshalb gilt: Wie ein Körper ohne Geist tot ist, ist der Glaube ohne Werke tot. Ein Körper ohne Geist ist ein Leichnam – so ist ein Glaube ohne Werke. Lebendiger Glaube kann nicht von Werken getrennt werden. Eine äußere Hülle (ein Bekenntnis) nützt nichts. Es muss mit Leben (Werken) gefüllt sein. Entweder wirkt der Glaube oder es ist kein Glaube. „Ein fruchtloser Glaube hat keine Verbindung zu Gott“ (W. Kelly).1
Zum Nachdenken: Werke des Glaubens müssen nicht immer das sein, was Menschen im Allgemeinen ein „gutes Werk“ nennen. Weder das Werk Abrahams (seinen Sohn zu opfern) noch das von Rahab (ihr Land zu verraten) würde man landläufig als „gutes Werk“ bezeichnen. Ganz im Gegenteil. Gott tut es trotzdem.
Impuls für die Praxis: Kann man unseren Glauben an unseren Werken erkennen oder begnügen wir uns mit einem frommen Bekenntnis?
Fußnoten
- 1 W. Kelly: Der Brief des Jakobus (In: Einführende Vorträge in das Neue Testament)