Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 20: Der Weg, Gott zu nahen
3. Mose 16,1-22
Einleitung
Wir sind nun durch die ganze Stiftshütte gegangen. Wir können sagen, dass die gesamte Einrichtung in zwei Teile untergliedert werden kann: Die Gegenstände, die den Zugang zu Gott ermöglichen und die Gegenstände, die etwas von Ihm darstellen. Es gibt bestimmte Dinge, die darstellen, was Gott in Christus ist, wie der Tisch und der Leuchter, während es andere gibt, die unmittelbar mit dem Zugang zu Ihm verbunden sind. Es ist auffällig, dass sich alle Gegenstände des Zugangs zu Gott in einer geraden Linie zwischen dem Tor des Vorhofs und dem Sühndeckel im Heiligtum befinden. Diese Linie kann ausgehend vom Tor des Vorhofs, über den Brandopferaltar, das kupferne Waschbecken, den Eingangsvorhang der Stiftshütte und den Scheidevorhang (der das Heilige vom Allerheiligsten trennt) bis zum Sühndeckel gezogen werden. Praktisch alles, was sich auf dieser geraden Linie befand, sollte in irgendeiner Weise den Weg des Zugangs zu Gott darstellen. Einige Gegenstände standen nicht so im Vordergrund wie andere. Besonders der Räucheraltar, in dem man leicht einen Gegenstand erkennen kann, der etwas darstellen soll, hat gerade dadurch einen Platz in Verbindung mit dem Zugang zu Gott.
Es gibt zwei Möglichkeiten auf diese gerade Linie zu schauen: Aus der Sicht Gottes und aus der des Menschen. Wenn wir aus Gottes Sicht darauf schauten, würden wir am Sühndeckel starten, der der Thron Gottes ist und wo wir sehen, dass alles von göttlicher Gerechtigkeit, Majestät und Herrlichkeit spricht. Wir würden durch den Scheidevorhang gehen, am Räucheraltar vorbei, wo Anbetung als wohlriechender Weihrauch geopfert wurde und zu Gott aufstieg. Anschließend würde unser Gang am Becken vorbeiführen, wo die Waschung stattfand, weiter am Brandopferaltar vorbei, wo die Opfer dargebracht wurden und schließlich würden wir durch das Tor hinaustreten.
Jetzt lasst uns diese Reihenfolge einmal umdrehen und dort beginnen, wo der Sünder beginnen muss – draußen, dann werden wir sehen, wie Gott in seiner Gnade einen Weg bereitet hat, Ihm zu nahen.
Der Mensch fern von Gott
Es gibt drei Eingänge, die den Gedanken zu betonen scheinen, dass der Mensch draußen steht: Das Tor des Vorhofs (2. Mo 40,33), der „Eingangs-Vorhang zur Wohnung“ (2. Mo 40,5) und der Scheidevorhang innerhalb der Stiftshütte (2. Mo 40,21). Als die Sünde in die Welt gekommen war, wurden unsere ersten Eltern aus der Gegenwart Gottes ausgeschlossen. Sobald sie seine Stimme im Garten hörten, konnte nichts in Eden sie in die Lage versetzen, in Gottes Gegenwart zu bestehen. Ihre ganze Umgebung, die von seiner Güte sprach, konnte unsere schuldigen Eltern nicht davon abhalten, sich vor seiner Gegenwart zu verstecken. Obwohl sie sich bemüht hatten, sich zu bekleiden, bemerkten sie augenblicklich, dass ihre Schuld sie unpassend machte, vor Gott zu stehen. Und von diesem Tag an war der Mensch von Gott getrennt. Warum können die Menschen frei über die Welt, ihre Geschäfte und materiellen Fortschritt reden? Sie können sogar über moralische Dinge, Reformfragen etc. reden und zögern nicht, ihre Meinung darüber zu äußern. Aber in dem Moment, in dem man von Gott oder Christus redet, in dem Moment, in dem die Wahrheit und die Heiligkeit Gottes direkt vorgestellt wird, hüllt man sich – wenn die Seele von Gott entfremdet ist – plötzlich in Schweigen. Und dieses Schweigen deutet auf einen Seelenzustand hin, der zu Gott sagt: „Weiche von uns! Und nach der Erkenntnis deiner Wege verlangen wir nicht!“ (Hiob 21,14). Und selbst da, wo die Seele erweckt wurde, hat man das Gefühl, dass sie Ihm nicht nahen kann. Als unser Herr durch den wunderbaren Fischfang in Gnade mit Petrus und seinen Gefährten gehandelt hatte, fiel Petrus, nachdem sie die Schiffe an Land gebracht hatten, zu den Füßen Jesu nieder und sagte: „Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr“ (Lk 5,8b).
Um den sündigen Zustand des Menschen zu erkennen, brauchen wir nicht zu wissen, wie sein Leben verlaufen ist. Der Beweis für die Sünde im Menschen ist, dass er außerhalb der Gegenwart Gottes zu Hause ist und dass er dort völlig unglücklich ist – ein Beweis, der alle Menschen einschließt. Wir müssen dem Menschen keine spezifischen Übertretungen vorwerfen. Nur Gott, der Herzenskenner (Apg 15,8), kann dies tun und Er weiß, dass es im Leben eines jeden Menschen vieles gibt, das, wenn die Aufzeichnungen geöffnet werden, ganz konkrete Übertretungen zeigen wird. Aber dass der Mensch von Gott entfernt ist, kann niemand bestreiten: Allein die Erinnerung an Gott macht ihn unruhig, wie der Psalmist sagt (Ps 77,4). Wenn Gott den Menschen überhaupt irgendwo antrifft, dann in diesem Zustand. Auch der Apostel Paulus spricht in dieser Weise. Den Heiligen in der Versammlung in Ephesus, die Heiden gewesen waren, schreibt er: Ihr wart „Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend, und ohne Hoffnung in der Welt“ (Eph 2,12). Wie wurde das Geschöpf ein Fremdling gegenüber dem Schöpfer? Es kann nur eine Antwort geben: Die Sünde kam und brachte Entfremdung und Distanz zu dem Gott der Güte und Liebe. Doch, Gott sei Dank, genau dort beginntseine Gnade.
Das Tor des Vorhofs – Errettung allein durch Christus
Zuallererst gibt es ein Tor zum Vorhof, einen Weg des Zugangs zu Gott, um sein Volk an den Freuden und Segnungen teilhaben zu lassen, die Er bereitstellt. Was ist dieser Weg? Um das Bild des Vorhofs zu nutzen, führt der Weg nicht durch die weißen Umhänge, die ihn umgeben, sondern genau in deren Mitte befindet sich ein großes Tor, 20 Ellen breit, das den Zugang zu der heiligen Stätte ermöglicht.
Wir haben bisher gesehen, was der Scheidevorhang und der Eingangsvorhang der Stiftshütte bedeuten. Das Tor hat die gleiche Bedeutung. Sie stellen Christus in den verschiedenen Eigenschaften seiner Person dar. Er ist derjenige, der der Seele vorgestellt wird, die mit der Frage kommt: „Ich würde mich gern den Vorhöfen des Hauses des Herrn nähern, würde gerne mit seinem Volk Anteil haben. Wie kann ich das nur tun? Welche Errungenschaften muss ich mitbringen, um dazu berechtigt zu sein?“ Und die Antwort darauf ist diese weite Einladung des Herrn Jesus selbst: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben“ (Mt 11,28). Hier ist eine Einladung, die dem Menschen gerade dort begegnet, wo er ist, an seinem entfernten Ort. Sie zeigt ihm Gottes Weg, sich zu nahen: Durch das Tor hin – durch Christus. Dort, dem Sünder zugewandt, ist der Eingang: „Ich bin die Tür“, sagt Christus, „wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden“ (Joh 10,9) und „wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Joh 6,37b).
Das ist die große Wahrheit des ersten Eingangs. Sie ist bis dahin sogar unabhängig von dem Verständnis des Werkes Christi. Es ist nicht nötig, dass man erklären kann, wie Christus rettet. Es ist nicht unser Wissen, dass uns rettet. Es geht nicht darum, wie Er es tut, sondern das, was zuallererst groß vor dem Sünder steht ist, „dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten“ (1. Tim 1,15). Und als Sünder nähert er sich durch das Tor, das für jeden, der kommen will, weit geöffnet ist. Dann findet er sich durch den Glauben als Teil der Gemeinschaft des Volkes Gottes wieder und ist in der Lage, in ihre Freuden einzutreten, etwas von dem Glück, das ihre Herzen füllt, zu verstehen – eine glückliche Schar, die auf dem Weg zur Herrlichkeit ist, in die herrliche Gegenwart Gottes.
Leider bleiben die meisten Menschen an dieser Stelle stehen. Sie denken, dass das alles ist, was unser Nahen zu Gott angeht – die Kenntnis unserer Errettung durch den Glauben an den Herrn Jesus. Wahrscheinlich gehen sie durchs Leben, ohne viel mehr als dies zu erkennen.
Wir dürfen Gott sehr dafür danken, dass wir nicht durch die Größe unserer Erkenntnis errettet werden, sondern durch den, an den wir glauben. Der Glaube mag nicht sehr deutlich oder sehr stark sein, aber wenn er sich auf den rechten Gegenstand bezieht, wenn er uns mit Christus verbunden hat, bringt er uns unter die Geretteten, die in seine Vorhöfe eingetreten sind, und echtes Lob wird die sichere Folge sein.
Der Brandopferaltar – Sein Opfer, die Grundlage des Friedens
Jetzt aber, wo wir im Vorhof sind, ist die erste große Lektion im Hinblick auf den Zugang praktischerweise zu Gott, die des Brandopferaltars. Hier lernen wir die Grundlage des Friedens kennen, d.h. wie es sein kann, dass wir bei Gott durch Christus willkommen sind. Wir lernen dort, dass das, was uns draußen vor dem Tor so großzügig angeboten wurde, drinnen am Altar so vollkommen bezahlt worden ist. Draußen wurde einem armen Sünder angeboten hereinzukommen. Drinnen finden wir das Zeugnis des Preises, der bezahlt wurde und das Tor weit öffnete. Das ist die große Wahrheit des Altars, die Wahrheit des Kreuzes Christi. Wir könnten uns an dieser Stelle ausführlich mit den verschiedenen Aspekten beschäftigen, wie sie in Verbindung mit den verschiedenen Opfern vorgestellt werden. Es muss uns hier jedoch genügen zu bemerken, dass es das Kreuz war, wo unser Herr Jesus Sühnung für die Sünde getan hat.
Jemand, der zu Christus gekommen ist, könnte die Frage stellen: Wie ist es möglich, dass meine Sünden vergeben werden konnten? Die göttliche Antwort darauf finden wir hier am Altar: Dadurch, dass unsere Ungerechtigkeiten auf Gottes heiliges Lamm gelegt wurden; dadurch, dass Er „selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat“ (1. Pet 2,24a); dadurch, dass Gott in Gerechtigkeit mit Ihm gehandelt hat, indem Er das Gericht, das wir verdient hatten, über Ihn ausgoss. Wie es unser Lied1 ausdrückt:
O Christus, welche Last hat Dein Haupt gebeugt!
Unsere Last wurde auf Dich gelegt.
Du nahmst die Stelle des Sünders ein,
um jede Schlechtigkeit zu tragen.
Durch Dein Opfer und Dein Blut,
Ist meine Last nun weg und wurde alles gut
Wenn die Seele in die Wahrheit des Kreuzes Christi eintritt, hat sie festen, gesicherten Frieden, der sich nicht auf Erfahrungen, Errungenschaften oder Kenntnis gründet. Vielmehr ist es ein Friede, der auf dem vollbrachten Werk Christi am Kreuz beruht. Eine Berührung im Glauben rettet zwar (vgl. Lk 8,44). Aber auf welch festem Grund können wir stehen, wenn wir die Wahrheit des Brandopferaltars kennen, des Platzes, wo Christus jede Frage geklärt hat, die zwischen Gott und dem Sünder stand!
Es gibt einen wunderbaren Ausspruch in Sacharja 6: „der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein“ (Sach 6,13). Die „beiden“ dort sind Gott und Christus, und der Rat des Friedens, die Friedensbedingungen, wurden zwischen den beiden vertragschließenden Parteien vereinbart: Gott auf der einen Seite, mit all seinen heiligen, gerechten Forderungen und auf der anderen Seite der Bürge, der Vertreter seines sündigen Volkes. „Die Strafe zu unserem Frieden lag auf ihm“ (Jes 53,5). Gott allein kannte alles, was seine Heiligkeit forderte. Er wusste, welche Barriere zwischen unseren Seelen und Ihm selbst bestand. Er stellte unserem großen Stellvertreter die vollkommen gerechten Bedingungen seiner Heiligkeit. Aber wir haben auch die Antwort unseres Herrn: „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30). Alles, was nötig war, um einen schuldigen Sünder in die Gegenwart eines heiligen Gottes zu bringen, ist vollbracht: Ihm ist vergeben, er ist gereinigt und passend für den Himmel.
Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf eine bemerkenswerte Verbindung zwischen den Wahrheiten des Altars und des Sühndeckels lenken. Wir gehen nun sozusagen direkt vom Brandopferaltar, der vom Kreuz spricht, in die unmittelbare Gegenwart Gottes am Sühndeckel im inneren Heiligtum. Eine Stelle in den Evangelien stellt uns das sehr deutlich vor (Mt 27,46.50-51), denn hier haben wir das Zerreißen des Scheidevorhangs, also dessen, was Gott vom Menschen trennte, verbunden mit der Hingabe des Lebens unseres Herrn am Kreuz (dem Brandopferaltar). Der Scheidevorhang stellt das Fleisch Christi dar, das, wie wir wissen, in seiner fleckenlosen Reinheit und Vollkommenheit ein Zeuge der Entfernung aller Menschen von Gott war. Wenn wir die Menschen mit Ihm vergleichen, sehen wir, wie weit sie von Gott entfernt waren. Ihr werdet euch daran erinnern, dass auf diesem inneren Vorhang Cherubim abgebildet waren, die von Gottes Gerechtigkeit und Gericht sprachen und den Weg in seine Gegenwart versperrten. Solange Christus hier im Fleisch war, war Er praktisch der Vorhang des Gerichts zwischen den Menschen und Gott. Hier war einer, der Zutritt zur Gegenwart Gottes hatte, der in der Freude dieser Gegenwart lebte, ein Zeuge davon, dass die Menschen von Gott entfernt waren und kein Recht hatten, in seine göttliche Gegenwart einzutreten. Das Leben, die Worte und die Taten unseres Herrn bewiesen, in welcher unendlichen Entfernung von Gott jeder andere Mensch war.
Wie ändert sich das alles, wenn wir nach Golgatha kommen. Dort sehen wir einen, der, selbst sündlos, „für uns zur Sünde gemacht“ (2. Kor 5,21) wurde, als unsere Übertretungen auf Ihn gelegt wurden. Gott behandelte seinen heiligen Sohn so, wie Er den unheiligen, schuldigen Sünder hätte behandeln müssen. Als die göttliche Gerechtigkeit so mit unserem Stellvertreter handelte, brachte sie diesen angstvollen Schmerzensschrei hervor, der von diesem Tag an bis heute widerhallt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46b). Beachtet, dass dieser Ruf direkt zum Thron Gottes gelangte, denn „der Vorhang des Tempels zerriss von oben bis unten in zwei Stücke“ (Mt 27,51). Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit wurden völlig befriedigt. Die Trennung zwischen Mensch und Gott – Gott in seiner unendlichen Heiligkeit, der Mensch in seiner Unwürdigkeit – ist beseitigt. Der Weg in die Gegenwart Gottes wurde so offenbar. Durch den zerrissenen Vorhang hin können wir in seine Gegenwart treten. Deshalb haben wir vom Kreuz und dem zerrissenen Vorhang in engstem Zusammenhang gesprochen. Der Thron des Gerichts, der den Menschen für immer in die äußerste Finsternis verbannt hätte, wird durch das Blut, das auf und vor den Sühndeckel gesprengt wird, zur Zufluchtsstätte des Sünders, indem es zeigt, dass durch das Werk des geliebten Sohnes Gottes am Kreuz sowohl Gottes Anspruch als auch dem Bedürfnis des Sünders völlig entsprochen wurde. An welch einen Ort der Nähe zu Gott hat uns das Kreuz gebracht! Die Linie reicht so von dem Platz des armen Sünders draußen, direkt bis zum Herzen Gottes auf seinem Thron. Christus hat den Weg geöffnet, so wie Hebräer 10,19-22 deutlich verkündet: Der Vorhang ist zerrissen, das Heiligtum steht uns offen.
Vergleichen wir das mit dem, was wir in 3. Mose 16 haben. Erinnern wir uns daran, wie Nadab und Abihu das Gericht Gottes auf sich gezogen hatten, nachdem sie es wagten, Ihm fremdes Feuer zu opfern und sich auf eine Weise zu nahen, die Er nicht vorgesehen hatte. Im Anschluss an dieses Gericht hatte Gott Aaron gewarnt und ihm gesagt, dass er Ihm nur einmal im Jahr innerhalb des Scheidevorhangs nahen durfte, und das auch nur für eine kurze Zeit. Das zeigte vorbildlich, wie die Sünde den Menschen in eine Ferne von Gott gebracht hatte, und „der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart“ war (Heb 9,8). Beachtet außerdem, auf welche Weise er nahen sollte. Alles in diesem Bild deutet auf Christus hin (mit Ausnahme der Dinge, die in diesem Schatten einen Gegensatz bilden).2 Der Priester, der seine Kleider zur Herrlichkeit und zum Schmuck beiseitegelegt hatte, mit Wasser gewaschen und von Kopf bis Fuß in fleckenloses Leinen gekleidet war – sinnbildlich für die Reinheit Christi – verstärkt den Gedanken, dass derjenige, der Gott naht, fleckenlos rein sein muss. Dann tritt er mit einer Wolke des Räucherwerks ein und es wird immer wieder in Verbindung mit diesen Dingen wiederholt: „damit er nicht sterbe“ (2. Mo 28,35; 3. Mo 16,2.13). Gott auf einem anderen Weg zu nahen, hätte den sicheren Tod bedeutet: Die Wolke des Räucherwerks bedeckte ihn sozusagen, während Gott auf das Räucherwerk sah. So riecht Gott den süßen Wohlgeruch der unendlichen Kostbarkeit Christi, während wir nahen.
So war der Priester ein Bild von Christus in seiner fleckenlosen Reinheit, der nicht einmal im Jahr, sondern ein für alle Mal ins Heiligtum eingetreten ist. Es war das Blut des Sündopfers, das der Priester innerhalb des Vorhangs mitnahm und siebenmal vor den Sühndeckel und einmal darauf sprengte: Für die Majestät Gottes reicht die einmalige Besprengung, während es für uns durch das gesprengte Blut vor dem Thron eine siebenfache Bestätigung unserer vollkommenen Stellung gibt.
Der Priester ist hineingegangen und hat das Blut in der Gegenwart Gottes gesprengt. Nun tritt er heraus und tut nach den Worten der Schrift für alles Sühnung, was in Verbindung mit dem schuldigen Volk gestanden hat. All diese Dinge zeigen symbolisch, wie uns das Werk Christi nahe bringt (Eph 2,13) und das Wohnen Gottes bei seinem Volk ermöglicht.
Das Waschbecken – passend gemacht durch Neugeburt und tägliche Reinigung
Aber wir müssen einige Wahrheiten betrachten, die essenziell sind und mit dem Wert des Kreuzes zusammenhängen. Zuerst muss es eine praktische Eignung geben, um Gott nahen zu können. Das bringt uns zu der Wahrheit des Waschbeckens, das zwischen dem Brandopferaltar und der Stiftshütte stand. Das Waschbecken, mit Wasser gefüllt, ist zunächst einmal ein Bild der Waschung der Wiedergeburt. Es ist für einen nicht wiedergeborenen Menschen völlig unmöglich, in die Gegenwart Gottes einzutreten. Er könnte dort nicht glücklich sein. Er muss zuerst von neuem geboren werden (Joh 3,7), auch wenn er die Wahrheit darüber vorher nicht unbedingt erfassen muss. Wenn jemand fragt: „Wie kann ich sicher sein, dass ich wiedergeboren bin, dass ich vom Tod ins Leben übergegangen und für die Gegenwart Gottes passend bin?“, lautet die einfache Antwort darauf: „Hast du Christus angenommen?“ Denke an die Worte unseres Herrn in Johannes 5,24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen“. So ist der Weg klar bezeichnet. Indem wir Christus im Glauben annahmen, sind wir aus dem Tod ins Leben übergegangen. Wir hatten „die Waschung der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes“ (Tit 3,5b). Das ist die erste große Wahrheit, die das Waschbecken vermittelt.
Aber das Waschbecken spricht nicht nur von Wiedergeburt, die ein für alle Mal geschieht, sondern auch von der täglichen Reinigung durch das Wort Gottes, die uns sittlich passend macht, seine heilige Gegenwart zu genießen.
Wir wissen nur zu gut, dass jemand, der durch den Glauben an Christus durch das Tor eingetreten ist, der den Wert des Opfers kennt, das auf dem Brandopferaltar geopfert wurde, der Kenntnis über den zerrissenen Vorhang und den Sühndeckel hat, dennoch dem Schmutz dieser Welt und der Verderbtheit der eigenen Natur erlauben könnte hineinzukommen, um so seinen ganzen Genuss zu verhindern. Leider ist es möglich, dass sich ein Kind Gottes weit von Ihm entfernt, dass die Freude der Gemeinschaft eine Sache der Vergangenheit wird, dass die Freude der Heiligkeit mit der Zeit vergessen wird und dass die Seele in einem Zustand ist, in dem sie Gott nicht genießen kann, gleichzeitig jedoch auch nicht zufrieden in der Welt und in der Sünde ruhen kann. Es gibt ein sehnsüchtiges Verlangen im Herzen, sich Gott wieder zuzuwenden, um seine einmal gekannte und genossene Gnade wiederzufinden. Gott sei Dank, dass Er für die Wiederherstellung seiner umherirrenden Kinder ebenso gesorgt hat, wie für die Rettung des Sünders, der fern von Ihm war. Das Becken ist das Wort Gottes, das uns unsere Sünde ins Gedächtnis bringt und uns an die Entfremdung des Herzens erinnert: Dieses heilige Wort Gottes wird vom Geist Gottes dazu benutzt, uns unseren Zustand bewusst zu machen, uns zum Bekenntnis unserer Sünde, unseres Abirrens zu führen und uns an Gott zu wenden, gegen den wir gesündigt haben. Wir kommen dann wie Kinder zu einem Vater und bekennen, was uns im Herzen von Ihm getrennt hat und sehen, wie vollkommen unser Herr Jesus wiederherstellt. Ist die Errettung frei und umsonst, dann auch die Wiederherstellung. Es bedeutet, dass wir uns einfach vom Wort erforschen und prüfen lassen. Es bringt uns in Gottes Gegenwart, wo wir unseren Zustand und unser Abweichen von Ihm anerkennen. Dort wird Verunreinigung bekannt und gerichtet und das, was unsere Freude an Gott verhinderte, ist nun weg – die Frische der ersten Liebe ist wiederhergestellt und wir sind in der Lage in die Stiftshütte einzutreten und den Dienst am Räucheraltar zu genießen.
Der Eingangsvorhang – Zugang ins Heiligtum allein durch Christus
Das bringt uns zum Eingangsvorhang der Stiftshütte, auf den ich bisher noch nicht eingegangen bin. Was für ein Eingang ist das? Auch er spricht von Christus. Er ist die Tür. Egal, wo du in deiner Erfahrung auch gerade stehst, Christus ist immer der nächste Schritt. Und so spricht dieser Vorhang am Eingang der Stiftshütte zu uns von Christus und erklärt, dass der einzige Weg zu himmlischem Genuss und wahrer Anbetung über Christus führt. Hebräer 13,15 legt für uns den Schwerpunkt auf diesen Aspekt: „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“. Durch Ihn treten wir praktischerweise ins Heiligtum ein und genießen seine Vorrechte.
Lassen wir das nochmal Revue passieren: Christus ist der Eingang, durch den ein armer Sünder zu Gott kommt. Christus bildet den Zugang, durch den ein Heiliger ins Heiligtum eintreten kann und Christus ist der zerrissene Vorhang, durch den wir in die Gegenwart Gottes nahen können und Freimütigkeit haben, vor Ihm zu stehen.
Der Räucheraltar – Anbetung
Das bringt uns zur letzten großen Wahrheit des Zugangs auf dieser direkten Linie vom Eingangstor des Vorhofs zum Thron: Der Wahrheit des Räucheraltars. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass der Räucheraltar nicht erwähnt wurde, bevor vom Priestertum gesprochen worden war. Es konnte keine wahre Anbetung Gottes außerhalb des Priesterdienstes geben, sodass es sich wunderbar in das einfügt, womit wir uns befassen. Wir haben gesehen, wie das Kreuz Christi den Vorhang, der den Weg in die Gegenwart Gottes versperrte, zerriss und das Heilige und das Allerheiligste zu einem großen Raum machte. Tatsächlich meint der Vers aus dem Hebräerbrief nicht nur die „Freimütigkeit […] zum Eintritt in das Allerheiligste (Heb 10,19)3, als ginge es nur um das innere Heiligtum, sondern es bedeutet, ins „Heiligtum“ (Heb 9,24) einzugehen, wo Gott offenbart, genossen und angebetet wird. Solange der Vorhang nicht zerrissen war, befand sich der Räucheraltar außerhalb. Als jedoch der Vorhang zerriss, stand er direkt vor dem Sühndeckel, was uns unseren bevorrechtigten Platz und unsere bevorrechtigte Beschäftigung zeigt.
Der goldene Räucheraltar steht vorbildlich für die Anbetung des Gläubigen. Ihr könnt die Gegenwart Gottes nicht genießen, wenn ihr keine Anbeter seid – und das ist der Dienst am goldenen Altar. Die Substanz des Lobes ist Christus selbst. Unser Lob besteht nicht aus unseren glücklichen Gefühlen, wir können Gott nichts Eigenes bringen. Vielmehr besteht die Anbetung, die wir bringen, in dem Wohlgeruch des kostbaren Namens Christi. Und das nicht als Grundlage unserer Annahme, sondern dem, was für Gott unendlich kostbar ist.
Nehmen wir beispielsweise den Tag des Herrn mit all seinen Vorrechten: Wenn wir in Gemeinschaft mit dem Herrn waren, an seinem Tisch versammelt mit Danksagung und Anbetung, die sozusagen auf Ihn ausgegossen wird – liegt darin nicht die tiefste Freude? Aber haben wir das Thema erschöpfen können? Haben wir aufgehört, weil wir genug hatten? Ich bin sicher wir würden gerne fortfahren, Anbetung mit Danksagung auszugießen, indem wir Gott die Kostbarkeiten Christi bringen. Aber da wir im Leib sind, unter Einschränkungen, die schnell erreicht sind, sind die besonderen Momente unserer gemeinsamen Anbetung einfach begrenzt. Aber gibt es bei Gott jemals eine Grenze, was die Kostbarkeit Christi für Ihn betrifft? Überall und zu jeder Zeit sind wir bevorrechtigt, Gott Opfer des Lobes zu opfern, „die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen“ (Heb 13,15b).
Diese spontane, freiwillige und uneingeschränkte Anbetung beantwortet die große Frage, was die Beschäftigung des Himmels ist. Was macht den Himmel aus? Ist es die Straße aus Gold? Ist es der Fluss des Wassers des Lebens? Ist es die prachtvolle Herrlichkeit des Ortes? Das sind die äußerlichen Entfaltungen und Begleiterscheinungen des Himmels. Aber was macht denn dann den Himmel tatsächlich zum Himmel? Kurz gesagt, dass Gott und das Lamm dort sind. Es ist der sichtbare Zugang zu Gott, der jetzt lediglich durch Glauben möglich ist. Was ist die Beschäftigung des Himmels? Sicherlich Freude und Lob. Ebenso ist es aber auch ein Ort, wo Dienst ausgeübt wird. Alle unsere Kräfte als Freigemachte werden dort in einer glücklichen Art und Weise eingesetzt werden. Vollkommene Erkenntnis und vollkommene Körper werden völlig in Tätigkeit sein. Aber was verleiht allem darüber hinaus einen Duft und macht den Himmel zum Ort unbefleckten und unaussprechlichen Wohlgefallens? Es ist die Anbetung, die alles durchdringt. Wir dienen immer noch und werden anbeten, während wir dienen. Wir werden Gemeinschaft und Austausch miteinander haben. Doch wird alles nur zu neuer Freude und Anbetung führen – und nicht etwa zu einer Ablenkung, sodass wir uns von einer nebensächlichen Beschäftigung zur nächsten wenden würden. Stattdessen wird alles unaufhörlich den duftenden Wohlgeruch Christi verströmen.
Das ist ein Prüfstein für unsere Gemeinschaft hier. Wenn der Himmel solch ein Ort der Anbetung ist, wie sieht es dann mit unserem Leben auf der Erde aus? Unsere Hände mögen beschäftigt sein – wie sie es sein sollten. Wir mögen mit den Menschen dieser Welt und allem, was dazugehört, zu tun haben. Doch gewissermaßen unter der Oberfläche, ja, verbunden mit allem, steigt der duftende Wohlgeruch Christi zu Gott auf, in Verbindung mit dem Glauben seiner Heiligen und in Gemeinschaft mit Ihm selbst.
Zusammenfassung und Schluss
Hier finden wir also, wie wir Gott nahen können. Ich wünschte, würdiger über dieses Thema sprechen zu können. Die Wahrheit über den Zugang zu Gott liegt jedoch vor uns:
· Christus, „der Weg, die Wahrheit, das Leben“ (Joh 14,6).
· Christus, der Weg für den Sünder in seinen Sünden, wenn er sich zu Gott wendet.
· Christus, der Weg für den Heiligen, um die Vorrechte der Gemeinschaft zu genießen.
· Christus, der uns durch seinen Tod in die Gegenwart Gottes bringt.
· Christus am Kreuz, als die Grundlage unseres Friedens.
· Christus als das Becken, um die Füße seiner Jünger zu waschen, um sie fähig zu machen, die Gemeinschaft zu genießen, die Gott für sein ganzes Volk begehrt.
Möge es für uns immer ein direkter Weg sein. Möge es für uns als Priester ein viel beschrittener Weg sein, um mit Dank, Lob und Anbetung ins Heiligtum Gottes einzutreten. Und von dort aus gehen wir in die Welt und laden unsere Mitmenschen ein, indem wir bezeugen, dass sie genauso willkommen sind und kommen können wie wir, die am Herzen Christi selbst ihr Willkommen gefunden haben!
Fußnoten
- 1 Vgl. Lied 138, Strophe 1 der „Spiritual Songs“.
- 2 Aaron, der für sich selbst ein Sündopfer darbringen musste, versagt in diesem Punkt ein Vorausbild auf Christus zu sein, es sei denn als Gegensatz. Christus hatte es nicht nötig, für sich selbst zu opfern, denn Er war fleckenlos und heilig. Aaron und alle anderen Menschen mussten hingegen ein Opfer darbringen bevor sie es wagen konnten, sich auch nur in einer äußerlichen, vorbildlichen Weise zu nahen.
- 3 Anmerkung des Übersetzers: In der Elberfelder Übersetzung Edition CSV steht hier „zum Eintritt in das Heiligtum“.