Gedanken über das Johannesevangelium
Typische Themen: "Christus, der Anführer der Glaubenden"
Vor langer Zeit, als ich noch ein Junge war, las ich am Anfang eines Buches ein paar Kapitel und blätterte dann zu den letzten Kapiteln, um herauszufinden, wie es endete – ob das Paar heiratete und danach glücklich lebte. Wenn man erst die ersten und dann die letzten Kapitel las, konnte man eine ziemlich klare Vorstellung vom Thema des ganzen Buches bekommen und fast erahnen, was dazwischenlag. Ähnlich verhält es sich mit den Berichten, die die vier Evangelien über das Leben unseres Herrn Jesus Christus geben: Es ist interessant zu sehen, dass jedes der vier Evangelien mit demselben Thema beginnt und endet, das das allgemeine Thema des ganzen Buches angibt. Matthäus eröffnet, indem er unsere Aufmerksamkeit auf den Herrn als den König der Juden lenkt, und schließt mit seinem großen Anspruch: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ Alles, was dazwischen gesagt wird, verstärkt den Gedanken, dass Christus König ist und dass er allmächtig ist.
Markus zeigt uns ohne jede Einleitung den Herrn, der mit dem Werk beschäftigt ist, zu dem Er gekommen ist; und er schließt mit demselben Gedanken, denn er berichtet uns, dass die Jünger überall hinzogen und predigten, während der Herr mit ihnen war. Unser Herr begann das große Werk, den Menschen in ihrer Not und Sünde zu dienen, und die Jünger setzen es nach seiner Auferstehung fort. Das Thema dieses Evangeliums ist das Wirken des Herrn als Knecht Gottes.
Am Anfang des Lukasevangeliums haben wir ein Bild von drei Menschen, die von Jerusalem nach Nazareth gehen; im letzten Kapitel sehen wir drei, die gemeinsam von Jerusalem nach Emmaus gehen. In jedem Fall ist unser gesegneter Herr einer der drei. Im zweiten Kapitel sieht man ihn mit seinen Eltern gehen, am Ende mit zwei seiner Jünger. Damit haben wir den Schlüssel zum Thema des Lukasevangeliums in der Hand. Unser Herr wird als der Mann dargestellt, der in Gemeinschaft mit den Seinen den Weg des Lebens geht. Es ist das Evangelium des Menschen Christus Jesus, des Einen, der die Gemeinschaft der Seinen liebt und sie auf ihrem Weg ermutigt.
Wenn wir nun zu unserem Buch kommen, stellen wir fest, dass Johannes auf ähnliche Weise beginnt und schließt. Im Eröffnungskapitel sehen wir unseren Herrn, wie er von zwei seiner Jünger begleitet wird, und genau das Gleiche sehen wir im Schlusskapitel. Bei Lukas gehen die Jünger neben dem Herrn – vielmehr geht er an ihrer Seite. Aber bei Johannes gehen die Jünger hinter ihm. Hier wird der Herr nicht als einer dargestellt, mit dem wir in Gemeinschaft gehen, sondern als einer, der unser Führer ist. Johannes stellt den Herrn Jesus als den großen Anführer der Glaubenden dar, der die Seinen wie eine Kolonne von Soldaten durch das Land des Feindes führt, hin zu Herrlichkeit und Sieg.
In gewisser Weise. entspricht Johannes dem Buch Josua. Der Herr sagte zu Josua, dass niemand vor ihm bestehen könne, solange er lebe (Jos 1,5). Trotzdem führt uns unser Herr immer wieder zum geistlichen Sieg. Wir können sagen: „Gott sei Dank, der uns den Sieg schenkt durch unseren Herrn Jesus Christus“ (1. Kor 15,57). Das Volk Israel wurde ein- oder zweimal bei seinen Eroberungsversuchen in Kanaan besiegt, aber nie, als Josua sie anführte. Das einzige Mal, dass Christen kein siegreiches Leben führen, ist also, wenn sie nicht dem Weg des Gehorsams folgen. Das christliche Leben sollte immer ein Leben eines Überwinders sein (Eph 6,10.18).
Wie schön zu sehen, dass Johannes der Täufer bei der ersten Gelegenheit Jesus zu ihm kommen sah (Joh 1,29), während er bei der zweiten Gelegenheit Jesus von ihm weggehen sah (Joh 1,36). Zuerst sah er das Gesicht von Jesus, dann seinen Rücken. Das zeigt, dass die Seele zuerst sehen muss, wie Jesus zu ihr kommt, in der unvergleichlichen Gnade Gottes. Mit einem Strich seines verbalen Pinsels malt Johannes durch den Geist für uns die ganze Wahrheit des Evangeliums. Jesus kam zu uns – der Hirte kam, um das verlorene Schaf zu finden – und durch den Glauben muss jeder arme Sünder so auf das Antlitz Christi schauen und dort das mitfühlende Herz des Gottes der Liebe lesen.
Schauen Sie auf den Herrn Jesus Christus und sehen Sie Ihn, der Ihre Sünden am Kreuz getragen hat! Machen Sie Sein Erlösungswerk zu Ihrem, indem Sie Ihn als Retter annehmen. Schauen Sie zuerst auf das Gesicht Jesu, das zu Ihnen kommt; dann, aber erst dann, schauen Sie auf den Rücken Jesu und folgen Sie Ihm. Zuerst kommt Er in der Gnade zu uns, um uns zu retten; dann folgen wir Ihm in frohem Gehorsam nach. Am nächsten Tag sagte Johannes: „Siehe, das Lamm Gottes!“ (Joh 1:,36).
Diesmal erwähnt das Werk der Erlösung, wie in Johannes 1,29. Jetzt will er die Gedanken des Gläubigen mit der Lieblichkeit Christi beschäftigen und ihn so auffordern, Jesus zu folgen. Johannes schaute auf Jesus, wie er wandelte. Und der Apostel Johannes sagt uns in 1. Johannes 2,6, dass wir so wandeln sollen, wie Jesus gewandelt ist. Der Herr ist Führer und Vorbild für uns als Christen.
Lassen Sie mich noch einmal sagen, dass wir Ihm nicht folgen können, bevor wir nicht gesehen haben, dass Er als unser Retter zu uns kommt, als das Lamm Gottes, das sein Blut vergossen hat, um uns zu erlösen. Dann führt er uns – aber nicht immer auf bequemen Wegen, an stillen Wassern und auf grünen Wiesen – manchmal geht es in die Hitze des Kampfes oder durch das Tal des Leidens, wo der Tod seinen Schatten wirft.
Im Folgenden werden sieben Gelegenheiten genannt, bei denen unser Herr als führend und sein Volk als nachfolgend gesehen wird:
„Am folgenden Tag stand Johannes wieder da und zwei von seinen Jüngern, und hinblickend auf Jesus, der da wandelte, spricht er: Siehe, das Lamm Gottes! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und spricht zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sagten zu ihm: Rabbi (was übersetzt heißt: Lehrer), wo hältst du dich auf? Er spricht zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben jenen Tag bei ihm. Es war um die zehnte Stunde“ (Joh 1,35–39).
Im ersten Kapitel führt Er in die Gemeinschaft mit sich selbst, denn sie verweilten bei Ihm. Man fragt sich oft, wie sie diese gemeinsamen Stunden in der Gegenwart ihres neu gefundenen Herrn verbrachten. Es müssen Stunden von reichstem Segen gewesen sein.
„Wiederum nun redete Jesus zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12).
In Kapitel 8 ist Er das Licht der Welt, und niemand, der Ihm folgt, wird straucheln. Wie zärtlich führt er seine Schafe! Er führt sie sicher durch diese Welt, in der Gefahren von allen Seiten lauern – inmitten von Wölfen, aber sicher in der zärtlichen Fürsorge des Hirten.
„Simon Petrus spricht zu ihm: Herr, wohin gehst du? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dahin kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen“ (Joh 13,36).
In Kapitel 13 finden wir, dass Er die Seinen oft auf Pfaden des Leidens führt. Denn uns ist es nicht nur gegeben, an ihn zu glauben, sondern auch um seinetwillen zu leiden. Und wenn wir das Ende dieses großen Buches erreichen, sehen wir, wie Er den Seinen zur Herrlichkeit vorausgeht und sie für eine Weile hier zurücklässt, um für Ihn zu leben und seinen Namen und seine Herrlichkeit bekannt zu machen.
Weitere Stellen hierzu:
„Und eine große Volksmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat“ (Joh 6,2).
„Wenn er seine eigenen Schafe alle herausgeführt hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen“ (Joh 10,4).
„Dies aber sagte er, andeutend, mit welchem Tod er Gott verherrlichen sollte. Und als er dies gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem? Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ (Joh 21,19–22).
Es ist nicht immer leicht, dem Herrn zu folgen. Er sagte, dass der Knecht nicht größer ist als sein Herr, noch ist der, der gesandt ist, größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn sie Ihn verfolgt haben, werden sie auch uns verfolgen; wenn sie Sein Wort gehalten haben, werden sie auch das unsere halten.
Auch wenn der Weg manchmal unangenehm ist, gelobt sei Sein Name, es ist der richtige Weg; sonst würde Er uns nicht diesen Weg gehen lassen. Er führt zur Herrlichkeit. Unser Herr triumphiert über alle Mächte des Bösen. Er wagt es, seine Schafe durch eine Wüste zu führen, in der heulende Wölfe umherstreifen, doch niemals wird Er einen verlieren, der Ihm vertraut hat. Es lohnt sich, dicht hinter Ihm nachzufolgen, dort zu sein, wo wir unsere Augen auf Ihn gerichtet halten können. Dann werden wir Siege erringen. Wir werden Überwinder sein, anstatt überwunden zu werden.