Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 18: Das Becken
2. Mose 38,8
Einleitung
Abbildung 7: Das Becken und das Gestell Größenangaben existieren nicht Das Gestell war vielleicht ein Zubehör zum Waschen der Hände und Füße (2. Mo 30,21) |
In der Reihenfolge der Herstellung wird „das Becken und sein Gestell“ nach dem Brandopferaltar und nur in einem einzigen Vers genannt. In den Anweisungen für seine Herstellung und seinen Gebrauch (2. Mo 30,17-21) gibt es nur wenig wirkliche Beschreibung, was zweifellos eine Aussagekraft hat, denn auch das Schweigen der Schrift ist nie ohne Bedeutung.
Praktische Überlegungen bezüglich des Gestells
Das Wort kiyor, übersetzt mit „Becken”, bezeichnet eigentlich einen Topf, der zum Kochen, bzw. als Gefäß für Wasser verwendet wird. Damit verbunden war das „Gestell“1 und von beiden wird gesagt, dass sie „zum Waschen“ waren (2. Mo 30,18). Dieses Gestell scheint für die Reinigung von Bedeutung gewesen zu sein. Das hat manche zu der Annahme geführt, dass es mehr war als nur eine Halterung für das Becken – nämlich ein kleineres Gefäß am Fuß des größeren, in das ein Teil des Wassers zur Reinigung gefüllt wurde.
Wir haben gerade bemerkt, dass sowohl das „Gestell” als auch das Becken „zum Waschen” vorgesehen war (2. Mo 30,18). Der nächste Vers legt nahe, dass das Becken ein Vorratsbehälter und kein Waschbecken war: „Aaron und seine Söhne sollen ihre Hände und ihre Füße daraus waschen” (Vers 19). Dies deutet an, dass aus dem Becken Wasser zum Waschen entnommen wurde. „Das Becken und sein Gestell” wurden gesalbt (3. Mo 8,11), was eigenartig wäre, hätte das „Gestell“ selbst keine eigene Verwendung gehabt.
Dem gegenüber bestand im Tempel Salomos der Zweck der „Gestelle” (ein Wort vom gleichen Stamm wie der Ausdruck hier) offensichtlich darin, die Becken zu tragen (1. Kön 7,27-39). In Verbindung mit dem kupfernen „Meer“, das ebenfalls umfänglich beschrieben wird, gibt es keine Erwähnung von kleineren Gefäßen, in die das Wasser zur eigentlichen Benutzung gegossen wurde (1. Kön 7,23-26).
Es wird auch nicht unserer Vermutung überlassen, ob die zehn Becken zu diesem Zweck verwendet wurden, denn es heißt: „Er machte zehn Becken, und er setzte fünf auf die rechte und fünf auf die linke Seite, um darin zu waschen. Was zum Brandopfer gehört, spülte man darin ab. Und das Meer war für die Priester, um sich darin zu waschen” (2. Chr 4,6).
Wir sollten daher in Bezug auf die Verwendung des Gestells nicht zu dogmatisch sein, sondern uns auf das beschränken, was offensichtlich ist. Das Wort lässt zunächst einmal an einen festen Sockel für das Becken denken. Das muss unser vorrangiger Gedanke sein. Daraus, dass es separat erwähnt wird, können wir allerdings erkennen, dass unsere Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden soll. Wir können mit Sicherheit sagen, dass es die Halterung oder das Fundament des Beckens war. Darüber hinaus können wir festhalten, dass entweder das Gestell selbst oder ein anderes Gefäß verwendet wurde, um Wasser aus dem Becken für die verschiedenen Waschungen zu entnehmen. Die Abmessungen, bzw. die Form des Beckens und seines Gestells werden nicht genannt. Nur das Material und die Stelle, an der es im Vorhof stehen sollte, werden erwähnt: Zwischen dem Heiligtum und dem Altar. Für seine Verwendung werden hingegen explizite Anweisungen gegeben. Aaron und seine Söhne sollten ihre Hände und Füße daraus waschen, wenn sie zum Dienst in das Heiligtum gingen oder wenn sie in Verbindung mit einem Opfer an den Brandopferaltar kamen. Sie durften dies unter Todesstrafe nicht versäumen.
Was weiterhin angegeben wird und welche Angaben fehlen
Eine weitere auffällige Auslassung bezüglich des Beckens ist, dass es nicht speziell einer der Leviten-Familien zugeordnet wurde, und dass auch keine besonderen Vorkehrungen getroffen wurden, um es durch die Wüste zu tragen. Tatsächlich wird es nach seiner Anfertigung und Aufstellung nur noch erwähnt, als Mose es salbte (3. Mo 8,11). Das Becken wird nie wieder erwähnt, und erst mit Salomos „Meer” hören wir von etwas, das seinen Platz einnimmt. Diese Abwesenheit von Detailbeschreibungen steht in deutlichem Kontrast zu der ausführlichen Darstellung des „kupfernen Meeres” und der Becken, die im Tempel dazugehörten. Wird unsere Aufmerksamkeit nicht desto mehr auf das gelenkt, was erwähnt wird, und können wir nicht daraus lernen, dass auch die Auslassung von Einzelheiten eine Bedeutung hat?
Die Tatsache, dass die Anweisungen für das Becken und seine Verwendung in 2. Mose 30 auf die Anweisungen für den Räucheraltar folgen und im gleichen grundsätzlichen Zusammenhang stehen, legt nahe, dass sowohl der Räucheraltar als auch das Becken eng mit der priesterlichen Tätigkeit verbunden waren.
Das Becken bestand ausschließlich aus Kupfer. Es wurde aus den Spiegeln der Frauen gemacht, die an der Herstellung der Teppiche des Heiligtums beteiligt waren. Sie gaben bereitwillig ihre Spiegel zur Herstellung des Beckens – gaben also bereitwillig das, was die Eitelkeit befriedigen mochte, um dieses Gefäß der Reinigung zu ermöglichen, damit der Gottesdienst und die Anbetung ungehindert ausgeübt werden konnten.
Bei der Einweihung der Priester wurden Aaron und seine Söhne zunächst einmal vollständig gewaschen, d.h. ganz gebadet. Diese Waschung geschah ein für alle Mal. Sie regelte die grundsätzliche Frage ihrer Eignung für den Dienst Gottes. In ihrem täglichen Dienst mussten die Priester ihre Hände und Füße am kupfernen Becken waschen. Wann immer sie das Heiligtum betraten, sei es, um das Schaubrot zuzubereiten, die Lampen zuzurichten oder wohlriechendes Räucherwerk darzubringen, stets wuschen sie sich vorher am kupfernen Becken. Und wenn sie herauskamen, um am Brandopferaltar zu dienen, mussten sie dieselbe Handlung wiederholen, sodass sich die Priester ständig wuschen.
Das Material
Bei der Betrachtung der geistlichen Bedeutung des Beckens wollen wir in der schon vorgeschlagenen Reihenfolge vorgehen und uns als Erstes sein Material, das Kupfer, ansehen.
Kupfer – Prüfung und Gericht durch den Herrn
Wie wir bereits gesehen haben, steht es symbolisch für die Unnachgiebigkeit Gottes im Gericht und im Prüfen aller Dinge durch seine Heiligkeit. Es ist außerordentlich passend, dass im Vorhof, vor der Wohnung, Kupfer das meistverwendete Metall ist, während es innerhalb der Wohnung Gold ist. Wie wir bereits gesehen haben, stellt Gold die göttliche Gerechtigkeit, offenbart in Herrlichkeit, dar, weshalb es seine völlige Darstellung im Heiligtum findet, wo sich Gott offenbart. Der Himmel ist der Bereich, in dem die Herrlichkeit der göttlichen Gerechtigkeit vollkommen dargestellt werden wird. Aber hier in der Welt ist es nur allzu passend, dass Kupfer das Metall ist, das den Charakter Gottes in der Beziehung zu seinen Geschöpfen zeigt. Es ist Gottes unnachgiebige Heiligkeit und Gerechtigkeit im Gericht, offenbart in seinem Handeln mit seinen Geschöpfen. Es bedeutet, dass Er, wenn sie sündige Geschöpfe sind, mit ihnen im Gericht handeln muss. Oder wenn Er nicht mit ihnen handelt, dann handelt Er mit einem, der stellvertretend für sie unter das Gericht kommt. Und dorthin hat seine Gnade unseren gelobten Herrn gestellt, der sich selbst der Ausführung von Gottes gerechtem Handeln mit dem Menschen aufgrund der Sünde unterwarf.
In dem Becken werden wir an diese unnachgiebige Gerechtigkeit erinnert, in Ihm, der Gott in seinem wahren Charakter offenbart hat: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott” (Joh 1,1). Ich zitiere diesen Abschnitt in Verbindung mit dem Becken, weil es absolut angemessen ist, dass das lebendige Wort in Person die Verkörperung genau der Eigenschaften Gottes sein sollte, die in dem geschriebenen Wort, dargestellt in dem Becken, zum Vorschein kommen. Wie wir später noch sehen werden, ist das mit Wasser gefüllte Becken also ein Bild vom Wort Gottes. Christus selbst ist das lebendige Wort, und durch Ihn ist uns das Wort Gottes gegeben. Die Tätigkeit des Geistes ist natürlich nicht ausgeschlossen, aber wenn Gott es nicht für gut befunden hätte, zu uns über das Wort in Person zu sprechen, hätte Er uns auch nicht das geschriebene Wort gegeben. In Verbindung mit Johannes 1,1, wo wir Christus als das Wort sehen, haben wir in Johannes 5,22-27 das Gericht, das dem Sohn gegeben wird. Alle sollen den Sohn, das lebendige Wort, so ehren, wie sie den Vater ehren. Auf diese Weise werden die göttlichen Eigenschaften der Gerechtigkeit und des Gerichts mit dem Sohn verbunden, dem für die Ausführung des Gerichts entsprechend dem unveränderlichen Wesen Gottes alle Autorität verliehen wird.
Wenn wir uns 2. Korinther 5,10-11 zuwenden, sehen wir, dass die Zeit kommen wird, wo dieses Gericht, das dem Sohn gegeben ist, von Ihm auch ausgeführt werden wird. Wenn es heißt: „Wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden”, spricht das in erster Linie von dem Zeitpunkt, an dem die Werke des Gläubigen beurteilt werden und der Herr offenbar macht, was die Gnade für uns getan hat. Er wird zeigen, was wir von Natur aus waren und wie unsere Praxis ausgesehen hat. Er wird zeigen, wie seine Gnade uns führte, wie Er uns ertragen und uns aus manchem Fallstrick errettet hat. Er wird auch zeigen, wo der Eigenwille tätig gewesen ist und welche bitteren Früchte er getragen hat. Alles am Richterstuhl des Christus für die Seinen wird dazu dienen, dass die Herrlichkeit seiner Gnade in Bezug auf die Wege der Seinen sichtbar wird.
Später muss, wie wir wissen, auch der Ungläubige vor diesem Richterstuhl stehen, jedoch zu einem anderen Zeitpunkt und in einem völlig anderen Charakter (Off 20,11-15).
Wenn wir an den Richterstuhl des Christus denken, an den Ernst und die Heiligkeit der Szene und an die Majestät dessen, der dort sitzt, erfüllt gewiss feierliche Ehrfurcht unser Herz – nicht aber sklavische Angst, sodass wir zu den Bergen und Hügeln rufen würden, uns zu bedecken (vgl. Off 6,16). Und, Gott sei Dank, auch nicht der Wunsch, aus dieser Gegenwart zu fliehen. Aber wenn der Richterstuhl des Christus für den Gläubigen ein ernster Ort ist, was wird er erst für den Ungläubigen sein? „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, überreden wir die Menschen” sagt der Apostel (2. Kor 5,11). Der bloße Gedanke an den Richterstuhl sollte unseren Eifer verdoppeln, Sünder zu ermahnen, „dem kommenden Zorn zu entfliehen“ (Mt 3,7), von dem die Schrift als „dem Zorn des Lammes” spricht (Off 6,16).
Der Herr wandelt inmitten der Leuchter, die seine Versammlungen auf der Erde darstellen (Off 2-3), und blickt mit Augen gleich einer Feuerflamme und mit herzerforschenden Worten unter denen umher, die in der Stellung eines verantwortlichen Zeugnisses für Ihn sind. Das ist eine ernste und eindringliche Szene! Während Er alles hervorhebt, was Er anerkennen kann, hebt Er genauso alles hervor, was Er verurteilen und verdammen muss. Er führt das Gericht inmitten der Versammlungen aus. Diese Schriftstellen sollen genügen, um zu zeigen, wie angemessen das Kupfer in Verbindung mit dem Becken ist. Wir sehen darin nicht die Ausführung des Gerichts an unserem Stellvertreter, noch die Verhängung des Gerichts über uns, sondern das Prüfen und Erproben unserer Wege durch den Sohn Gottes gemäß der Autorität, die Ihm gegeben ist, um unter seinem Volk zu richten, bevor Er an einem späteren Tag die ganze Welt richten wird.
Die Spiegel – von menschlicher Eitelkeit zu göttlichem Urteil
Das Material des Beckens war Kupfer und stammte von den Spiegeln, die die Frauen brachten. Es ist ein wunderbarer Hinweis darauf, was das Empfinden der Güte Gottes im Herzen hervorbringen kann. Hingezogensein zu Ihm bringt immer Heiligkeit hervor. Es ist sogar der einzige Weg, auf dem Heiligkeit hervorgebracht wird. Die Spiegel mögen von Eitelkeit und von der Beschäftigung mit uns selbst sprechen, die Stolz hervorbringt. In Jesaja 3,23 finden wir in einer Aufzählung von Gegenständen, mit denen die Töchter Israels ihren Stolz nährten, auch „Handspiegel” erwähnt. Was für eine Frucht göttlicher Gnade ist es, bereitwillig das zu opfern, was natürlicherweise dem Stolz dient, um dafür das zu erhalten, was uns passend für die Gemeinschaft mit Gott macht. Nur Gottes Gnade kann bewirken, dass Spiegel gewissermaßen in ein Becken verwandelt werden.
Eine bemerkenswerte Illustration der natürlichen Verwendung des Spiegels finden wir bei dem Mann aus Lukas 18. Den Handspiegel vor sich haltend, betrachtet er seine Vorzüge und Schönheiten: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die übrigen der Menschen” (Vers 11). Er schaut noch einmal hinein und sagt: „Ich faste zweimal in der Woche, ich verzehnte alles, was ich erwerbe” (Vers 12). Wie zufrieden war er mit sich selbst! Und so verhalten auch wir uns von Natur aus.
Schauen wir uns einen Kontrast dazu an – eine Frau, der der Herr den göttlichen Spiegel vorhält: Die Samariterin in Johannes 4. Der Herr selbst will sich ihr zeigen, will ihr Erkenntnis des Heils geben und durch sie auch der Stadt, in der sie lebt. Er hält ihr den Spiegel vor. Sie sieht ihren wahren Zustand, aber sie sieht auch Ihn selbst, den Gesandten, den Messias. Welche Auswirkung hat das auf sie? Sie lässt ihren Wasserkrug stehen, geht in die Stadt und sagt: „Kommt und seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe! Dieser ist doch nicht etwa der Christus?” Sie tauscht den Spiegel menschlichen Stolzes gegen den Spiegel göttlicher Betrachtung – das Wort Gottes, das uns zeigt, was wir sind und wer Christus ist. Wo immer man zulässt, dass Christus uns so den Spiegel vor Augen hält, stimmt selbst der Pharisäer in die Worte des Zöllners ein und sagt: „O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!” (Lk 18,13)
Sehen wir uns noch eine andere Illustration des Spiegels an. In Philipper 3,4-7 teilt Paulus mit, wie er früher in den Spiegel geschaut hat: „Beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer“ etc. Wie hatte es ihn gefreut, jedes Merkmal zu betrachten und sich seiner Vorzüglichkeit zu rühmen! Aber der Anblick Christi in der Herrlichkeit zerbrach ihn, und die Dinge, die ihm Gewinn waren, achtete er fortan um Christi willen für Verlust. So legte er den Spiegel der Selbstgefälligkeit beiseite.
Doch in Römer 7 hebt er ihn sozusagen wieder auf, jetzt aber nicht, um seine Gerechtigkeit zu beweisen, sondern im Streben nach Heiligkeit. Er nimmt das Gesetz Gottes und sagt: „Wenn ich den Gedanken Gottes über die Heiligkeit entsprechen soll, muss ich sicher dieses Gesetz halten“. So wendet er sich dem Gesetz zu, das ihn früher als Sünder verdammt hatte. Doch jetzt wendet er sich ihm als Gläubiger zu, um Heiligkeit zu erlangen. Er fängt wieder an, bei sich selbst nach Früchten der Heiligkeit zu suchen. Beachten wir, wie der Geist Gottes das Gesetz benutzt. Es lässt ihn einen Blick in sein eigenes Herz tun, und 40 Mal sagt er in jenem Kapitel „ich“, „mir“, „mein“ – alles dreht sich um ihn selbst. Und was ist das Ergebnis des Ganzen? „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ (Vers 24).
Der Apostel Jakobus benutzt ebenfalls dieses Bild eines Spiegels – jedoch in einer etwas anderen Beziehung. Ein Mensch, der das Wort hört, ohne dass es in seine Seele eindringt, ist wie einer, der zwar in einen Spiegel schaut, dann aber vergisst, was sich ihm dort gezeigt hat (Jak 1,23.24). Auf der anderen Seite schaut derjenige, der das Wort hört, sich darunter beugt und dessen Wirkung zulässt, in das vollkommene Gesetz der Freiheit hinein – nicht in das Gesetz, das erretten oder Heiligkeit hervorbringen soll, sondern in „das Gesetz der Freiheit“, das Wort Gottes, das uns frei gemacht hat. Er schaut dort hinein, bleibt darin und ist glückselig in seinem Tun (Jak 1,25). Der Gebrauch des Spiegels ist dabei sehr eng verbunden mit dem, was wir als Anwendung des Beckens herausarbeiten werden.
Die Bedeutung der Waschungen
Lasst uns aus dem Alten und Neuen Testament Schriftstellen zusammentragen, die uns die geistliche Bedeutung der Waschungen zeigen.
Waschungen im Alten Testament
Im Alten Testament gibt es vier Worte, die mit „waschen” übersetzt werden. Zwei davon werden allerdings nur sehr selten verwendet.
Das Wort Duach („abspülen“) wird zweimal in Bezug auf die Reinigung von Opfern verwendet (2. Chr 4,6; Hes 40,38). Ansonsten wird es nur noch in Jesaja 4,4 im Sinne einer Reinigung verwendet („wegfegen“).
Das Wort Schataph bedeutet in erster Linie „überfluten”, „überschwemmen” und „spülen”, indem man Wasser über etwas fließen lässt, wie etwa über die Hände. In diesem Sinn wird es in 3. Mose 15,11-12; 6,21 verwendet. Es kommt auch in Hesekiel 16,9 vor. Alle diese Stellen weisen auf das gründliche Entfernen oder „Abspülen“ von Verunreinigung hin, wie durch einen fließenden Strom. Der Wagen Ahabs wurde gewaschen – abgespült – am Teich von Samaria, wo die Hunde sein Blut leckten (1. Kön 22,38).
In demselben Vers kommt auch das Wort Rachaz (eins der beiden verbleibenden Worte für „waschen”) vor.2 Es bedeutet in erster Linie „baden” und ist von den vieren das am häufigsten verwendete Wort. Es wird für das Baden einer Person oder das Abwaschen von Opfern verwendet. Wir wollen uns einige typische Abschnitte ansehen.
„Und Aaron und seine Söhne sollst du herzutreten lassen an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft und sie mit Wasser waschen” (2. Mo 29,4; 40,12). Dass diese Anweisung direkt auf die Salbung des Beckens folgt, lässt darauf schließen, dass sie aus eben diesem Gefäß gewaschen wurden. „Und Mose und Aaron und seine Söhne wuschen daraus ihre Hände und ihre Füße” (2. Mo 40,31). Der gereinigte Aussätzige musste sich baden, bevor er seinen Platz im Lager einnehmen konnte (3. Mo 14,8-9). Wer aus verschiedenen Gründen unrein war, musste sich baden (3. Mo 15,5-6 u.a.).
Am Sühnungstag war Aaron verpflichtet, sich zweimal zu baden: Bevor und nachdem er Sühnung tat (3. Mo 16,4.24). Ebenso mussten sich auch die Person, die den Bock für Asasel wegführte, und derjenige, der das Sündopfer außerhalb des Lagers verbrannte, baden (3. Mo 16,26.28). Dasselbe galt beim Zubereiten der Asche der roten jungen Kuh (4. Mo 19,7). Naaman sollte sich sieben mal im Jordan baden (2. Kön 5,10). Das Wort wird auch in Bezug auf einzelne Körperteile verwendet, etwa für das Waschen der Füße (1. Mo 43,24), des Gesichts (1. Mo 43,31), sowie von Händen und Füßen (2. Mo 40,31-32). Bei den Opfern wird dasselbe Wort verwendet. Die einzelnen Stücke wurden „gebadet“, damit sie völlig rein waren (3. Mo 1,9 u.a.).
Wir können den einenden Gedanken bei der Verwendung dieses Wortes klar erkennen. Es wird gebraucht, um die Reinigung einer Person im Ganzen oder in Teilen auszudrücken. Das Opfer fällt hier in dieselbe Kategorie, da es ein Stellvertreter der Person ist und dazu ein Bild von dem Einen, der keine Reinigung nötig hatte, sich aber jeder Prüfung unterwarf, und dessen Heiligkeit durch diese Prüfungen vollkommen offenbart wurde.
Das letzte Wort für „waschen” ist Kabas und dessen Verwendung ist ebenso markant wie die des gerade untersuchten. Das Wort bedeutet „walken”, bezeichnet also die Reinigung von Stoffen durch einen Walkprozess. Es wird ausschließlich für die Reinigung von Kleidung und anderen Gegenständen verwendet, oder zur Beschreibung der geistlichen Wirkung einer Reinigung wie in Psalm 51,4.9, Jeremia 2,22 und 4,14. Wir finden die beiden zuletztgenannten Worte einige Male unmittelbar nebeneinander in demselben Vers; das eine immer auf die Person bezogen, das andere auf die Kleidung (3. Mo 15,7 u.a.). In einem Vers finden wir sogar drei der Worte jeweils in ihrer typischen Weise verwendet: Die Hände abspülen, die Kleider waschen und die Person baden (3. Mo 15,11).
Diese drei Worte stellen uns drei Sichtweisen der Reinigung vor:
1. Die Reinigung der Person oder ihrer Glieder
2. Die durch das Waschen erzielte Wirkung, wie bei den Kleidern – den Gewohnheiten
3. Das Abwaschen oder Entfernen der Unreinheit
Waschungen im Neuen Testament
Lasst uns nun über die entsprechenden Verse im Neuen Testament nachdenken und mit dem Licht, das sie auf die geistliche Bedeutung der Waschungen werfen, ins Alte Testament zurückkehren, um deren Tragweite dort zu verstehen.
Es ist bezeichnend, dass dort, wo der Schatten der Wirklichkeit weicht, die verschiedenen Worte für „waschen” nur vereinzelt zu finden sind. So kommt das Wort rachaz im dritten Buch Mose fast genauso häufig vor wie sämtliche Worte für „waschen” im Neuen Testament zusammengenommen, während nunmehr die Worte, die von dem göttlichen Werk der Gnade sprechen, wie „Heiligkeit”, „Frieden” und „Liebe” reichlich vorhanden sind.
Die verschiedenen Worte für „waschen” im Neuen Testament sind:
Griechisches Wort im NT | Textlicher Zusammenhang | Stellenangabe |
Apoluo | Steh auf, lass … deine Sünden abwaschen | Apg 22,16 |
Aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt | 1. Kor 6,11 | |
Aponipto | … wusch sich die Hände | Mt 27,24 |
Brecho | … fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen3 | Lk 7,38.44 |
Luo | Als sie sie aber gewaschen hatten | Apg 9,37 |
… wusch ihnen die Striemen ab | Apg 16,33 | |
Den Leib gewaschen mit reinem Wasser | Heb 10,22 | |
Die gewaschene Sau | 2. Pet 2,22 | |
Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat | Off 1,5 | |
Nipto | Wasche dir das Gesicht | Mt 6,17 |
Sie waschen ihre Hände nicht | Mt 15,2 | |
Wenn sie sich nicht … die Hände gewaschen haben | Mk 7,3 | |
Geh hin, wasche dich im Teich Siloam | Joh 9,7.11.15 | |
… fing an, den Jüngern die Füße zu waschen | Joh 13,5.6.8. 10.12.14 |
|
Plyno | … wuschen die Netze | Lk 5,2 |
Sie haben ihre Gewänder gewaschen | Off 7,14; 22,14 |
Das Wort brecho hat an der einzigen Stelle, wo man es mit „waschen” übersetzen könnte, eine besonders schöne Bedeutung. Wörtlich bedeutet es „regnen”. Die Tränen der reuigen Sünderin waren mehr als ein übliches „Waschen“; sie waren wie ein erfrischender Regenguss, es waren echte Himmelstropfen.
Die regelmäßig verwendeten Worte luo und apoluo beziehen sich auf das allgemeine Waschen von Personen.
Nipto und aponipto beziehen sich auf das Waschen von Körperteilen, wie Hände, Füße und Gesicht.
Plyno bezieht sich auf das Waschen von Gegenständen wie Kleidungsstücken.
Es gibt einen Vers, der die unterschiedliche Verwendung von luo und nipto illustriert: „Wer gebadet (luo) ist, hat nicht nötig, sich zu waschen (nipto), ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein” (Joh 13,10). Diese beiden Ausdrücke deuten offensichtlich auf zwei unterschiedliche geistliche Reinigungen hin.
Das Wasser und die Neugeburt
Lasst uns nun untersuchen, welche Bedeutung „Wasser” als das für diese Reinigung verwendete Mittel hat: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen” (Joh 3,5). Der Ausdruck „aus Wasser geboren” in Verbindung mit der Neugeburt wird von Ritualisten als Beleg für die Lehre der Taufwiedergeburt verstanden, sodass nach der Taufe eines Kindes dafür gedankt wird, dass es wiedergeboren und dadurch zu einem Glied Christi und einem Erben des Reiches der Himmel gemacht worden ist. Wasser kann das aber nicht bewirken. Johannes der Täufer sagt: „Ich zwar taufe euch mit Wasser zur Buße”, der nach mir Kommende aber wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen” (Mt 3,11). Das ist die Realität. „Aus Wasser geboren” in Johannes 3 meint genauso wenig die Taufwiedergeburt wie das Essen des Fleisches Christi und Trinken seines Blutes in Kapitel 6 die Transsubtantiation4 beim Mahl des Herrn bedeutet.
Was bedeutet „Wasser”? In Titus 3,4-5 lesen wir: „Als aber die Güte und die Menschenliebe unseres Heiland-Gottes erschien, errettete er uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung (hier steht das Wort für Becken) der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes”. Es steht im Gegensatz zur alten Natur, von der der Herr in Johannes 3 spricht: „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch” (Joh 3,6). Der Abschnitt im Johannesevangelium spricht genauso von der Neugeburt wie der im Titusbrief. In 1. Petrus 1,22-23 wird das bei der Neugeburt verwendete Mittel erwähnt: „Die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes”. Das Wort Gottes ist also das Mittel, das bei der Neugeburt verwendet wird. Es überführt den Sünder und weist ihn auf Christus hin. „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort” (Röm 10,17).
In Jakobus 1,18 finden wir dieselbe Wahrheit wiederholt: „Nach seinem eigenen Willen hat Er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien”. Der souveräne Wille Gottes hat bei unserer Neugeburt gewirkt. Und auf welche Weise? Durch „das Wort der Wahrheit”.
Von der Reinigung mit Wasser lesen wir in 1. Korinther 6,9-11, wo eine schreckliche Aufzählung von Sünden genannt wird – ein furchtbares Bild dessen, was der Mensch ist. Nach dieser Aufzählung fährt Paulus mit den Worten fort: „Und solches sind einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes”. Diese ehemals so beschmutzten Korinther waren von neuem geboren worden. Es hatte eine zweifache Handlung stattgefunden, deren beide Seiten in diesem Vers erwähnt werden: „Ihr seid abgewaschen […] ihr seid geheiligt […] durch den Geist unseres Gottes”. Beides wird bei der Wiedergeburt, bei der eine reine Natur verliehen wird, durch den Heiligen Geist hervorgebracht, indem Er das Wort Gottes benutzt. Um zu zeigen, dass diese beiden Dinge nicht voneinander getrennt sind, heißt es dann: „Aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes”. Reinigung und Heiligung werden so untrennbar mit der Rechtfertigung verbunden, die wir in dem Namen unseres Herrn Jesus besitzen.
Diese Stellen bereiten uns darauf vor, das zu betrachten, was das Wasser im Wasserbecken zweifellos bedeutet. Wir finden es in Epheser 5,25-27. Große Wahrheiten werden oft in scheinbar gewöhnlichen und dennoch wichtigen Verbindungen gezeigt. In Verbindung mit der Liebe der Männer zu ihren Frauen wird ein wunderbares Geheimnis beschrieben: Christus gibt sich selbst für die Versammlung, damit Er sie reinigte. Beachten wir, wie Er es tut. Es geht hier nicht um die Reinigung durch das Blut, die dazu befähigt, vor Gott zu stehen, indem sie alle Schuld zwischen dem Gewissen und Gott wegnimmt. Die Reinigung, von der hier gesprochen wird, ist die innere Reinigung: „damit er sie heiligte, sie reinigend durch die Waschung mit Wasser durch das Wort”. Er liebte die Versammlung. Er gab sich selbst für sie hin, um sie nun zu heiligen und zu reinigen durch die Waschung mit Wasser durch das Wort. Wasser ist also das Wort, das der Herr als Mittel benutzt.
Wenn wir all die verschiedenen Stellen zusammenfassen, finden wir:
1. In Johannes 3, dass die Neugeburt eine Notwendigkeit ist.
2. In Titus 3, dass diese Neugeburt durch „die Waschung der Wiedergeburt und die Erneuerung des Heiligen Geistes” geschieht.
3. In 1. Petrus 1, dass sie durch das Mittel des Wortes Gottes geschieht.
4. In Jakobus 1, dass sie zudem eine Wirkung des souveränen Willens Gottes ist.
5. In 1. Korinther 6, dass diejenigen, die einst beschmutzt und verdorben waren, abgewaschen und geheiligt worden sind durch den Geist Gottes und in Verbindung mit der Rechtfertigung in dem Namen Jesu.
6. In Epheser 5, dass unser wunderbarer Heiland gerade zu diesem Zweck gestorben ist, dass Er seine Versammlung heiligt und reinigt „durch die Waschung mit Wasser durch das Wort”.
Deshalb spricht das Becken ohne Frage von Christus als dem, der sein Volk durch sein Wort unter der Wirkung des Geistes reinigt.
Das Becken hatte eine zweifache Verwendung: Erstens in Verbindung mit der Waschung bei der Priesterweihe – das war eine vollständige Waschung, die ein für alle Mal geschah (2. Mo 29,4) und der Neugeburt entspricht, über die wir gesprochen haben; zweitens in Verbindung mit der täglichen Reinigung der Priester bei ihrem Dienst im Heiligtum und am Altar.
Hebräer 10,19-22 verknüpft auf bemerkenswerte Weise die Reinigung durch das Blut und das Waschen mit Wasser. Zuerst wird das Gewissen durch das Blut gereinigt. Dann fügt der Schreiber hinzu: „den Leib gewaschen mit reinem Wasser”, das heißt ganz gewaschen, wie es mit den Priestern damals geschah und bildlich in der Wiedergeburt durch das Wort Gottes geschieht. Nachdem der ganze Mensch gereinigt und ihm eine neue Natur verliehen wurde, kann er Gott mit der Freimütigkeit eines Kindes nahen.
Die tägliche Reinigung
Wir haben das Becken in Verbindung mit der Neugeburt betrachtet. Wir wollen uns nun mit der täglichen Reinigung beschäftigen, die für die Gemeinschaft mit Gott nötig ist. Es ist das Vorrecht des Gläubigen, nicht zu sündigen, wie 1. Johannes 2,1 lehrt. Wie kann aber ein Gläubiger, wenn er durch Unachtsamkeit oder Selbstüberschätzung in Sünde gefallen ist, wiederhergestellt werden? Er hat nicht nötig, von neuem geboren zu werden. Die Neugeburt geschieht nur einmal und kann nicht wiederholt werden. Aber „wenn jemand sündigt” – beachtet den Anlass – „wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten”. In Ihm ist keine Sünde, Er ist gerecht. Außerdem ist Er „bei dem Vater” und diese gesegnete Beziehung hält Er zu unseren Gunsten aufrecht. Vielleicht muss Er uns zurechtweisen, doch Gott sei Dank erhält Er uns unseren Platz als Kinder beim Vater.
Ein Vergleich mit Johannes 13
Eine wunderschöne Darstellung dieser Tätigkeit des Waschens – der Waschung durch das Wort – haben wir in Johannes 13, wo unser Herr seinen Jüngern die Füße wäscht. Wenn Er in Johannes 15 zu seinen Jüngern spricht, sagt Er: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe” – sie waren gereinigt worden, indem sie sein Wort aufgenommen hatten. Dann betet Er in Johannes 17: „Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit”. Diese Heiligung angesichts des Bösen, das in der Welt ist, geschieht durch den Geist Gottes, indem Er das Wort auf uns anwendet und uns tagtäglich bewahrt.
Beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern liegt unserem Herrn daran, sie in der Gemeinschaft mit sich selbst zu erhalten. Von dieser Gemeinschaft spricht ja der Tisch. Und wie Er schon in der Menschwerdung seine Herrlichkeit abgelegt hatte, um seinem Volk zu dienen, legt Er nun sein Obergewand ab. Dann gürtet Er sich mit dem leinenen Tuch, nimmt das Waschbecken mit Wasser und geht zu jedem einzelnen der Jünger, um seine Füße zu waschen. Was für eine demütige Handlung der Gnade!
Diese Fußwaschung dient der Reinigung von jeder Art der Verunreinigung, die wir auf dem Weg durch diese Welt aufnehmen mögen. Vielleicht liegt kein äußerlich sichtbares Versagen vor, es mag etwas rein innerliches sein, oder auch nur ein Mangel an geistlicher Kraft, die uns im Geist von der Welt unbefleckt erhalten würde. Dem Priester wurde nicht unterstellt, versagt zu haben, wenn er seine Hände und Füße waschen musste, bevor er die Opfer darbrachte oder ins Heiligtum hineinging. Aber er wurde damit daran erinnert, dass er sich in einer Umgebung befand, in der ihm Staub und Schmutz unbemerkt anhafteten. Deshalb musste er das Wasser beständig anwenden. So geht es bei der Szene in Johannes 13 nicht um eklatantes Versagen – Schlamm, wenn ich diesen Ausdruck verwenden darf – sondern um das, was sich einschleichen will, um die volle Gemeinschaft mit unserem Herrn zu verhindern. So wie die Sorgen dieser Welt, der Betrug des Reichtums oder die Begierde nach den übrigen Dingen das Wort ersticken können (Mk 4,19), können in dem Gläubigen Haushaltspflichten, tägliche Aufgaben, geschäftliche Angelegenheiten, ja, sogar der christliche Dienst praktischerweise die Gemeinschaft mit dem Herrn behindern. Wir dürfen nicht denken, dass die Gemeinschaft ungestört bleibt, ohne dass wir uns dieser Handlung unseres Herrn, dass Er uns die Füße wäscht, beständig unterziehen. Jemand mag das Evangelium verkündigt oder seinen Geschwistern gedient haben, aber wenn er nicht zum Herrn gegangen ist für die praktische Reinigung – etwa von Stolz, Selbstvertrauen, Selbstgefälligkeit etc. – wird manche Ungerechtigkeit seinen heiligen Dingen anhaften (vgl. 2. Mo 28,38). Ja, sogar im christlichen Dienst wird er sich Verunreinigungen zuziehen.
Was für eine Welt ist es, in der wir uns sogar im Dienst verunreinigen können! Oder sollten wir es nicht vielmehr so sagen: Was für Herzen haben wir, dass sie diese Anwendung des heiligen Wortes sogar in Verbindung mit dem Dienst für den Herrn nötig haben! Petrus kannte diese Notwendigkeit nicht. Er hielt sich seinem Herrn für besonders hingegeben, obwohl er im Begriff stand, Ihn zu verleugnen. „Herr,” sagt er (und er denkt dabei an die Würde des Herrn, den er liebte), „du wäschst mir die Füße?” – jemand wie Du sollte den Platz eines Dieners einnehmen und meine Füße waschen? Der Herr sagt: „Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen”. Wie wahr, in vielerlei Hinsicht, sind die Worte: „Du wirst es nachher verstehen”. Auf Petrus’ Einwand antwortet der Herr: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du kein Teil mit mir” – nicht etwa kein Teil an der Errettung, sondern an der Gemeinschaft.
In das andere Extrem verfallend, antwortet Petrus: „Herr, nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt” – als wenn er eine vollständige Reinigung nötig hätte. Die Antwort unseres Herrn ist äußerst bedeutsam: „Wer gebadet ist (so wie der Priester am Tag seiner Weihe ganz gewaschen wurde, was der Neugeburt entspricht), hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein” – ganz rein durch die Neugeburt, und passend für die Gegenwart Gottes. Aber die Füße, die mit der Erde in Berührung kommen, brauchen eine tägliche Reinigung. Und diese Reinigung wird nach der Auferstehung fortgesetzt, wie wir im letzten Kapitel des Johannesevangeliums sehen, als der Herr dreimal die Verleugnung durch Petrus in Erinnerung bringt, um ihn gründlich von seinem nichtigen Rühmen („wenn alle Anstoß nehmen, ich nicht”) zu befreien. Der Herr reinigt ihn von all dem Stolz und der Selbstsicherheit, und Petrus, nun ein gereinigter Mann, wirft sich mit den Worten auf den Herrn: „Herr, du weißt alles, du erkennst, dass ich dich lieb habe”. Und Jesus sagt zu ihm: „Weide meine Schafe”.
Wer kann den Heiligen dienen, wer kann die Füße seines Bruders waschen, dienen, wie Christus gedient hat? Es ist derjenige, der die Wirkung des Wortes in der praktischen Reinigung selbst erfahren hat, wie der Herr zu Petrus sagt: „Und du, bist du einst umgekehrt, so stärke deine Brüder”.
Es gibt einen Unterschied zwischen der Reinigung am Waschbecken und der Handlung in Johannes 13. Die Priester mussten am Waschbecken sowohl ihre Hände als auch ihre Füße waschen, doch unser Herr wusch nur die Füße der Jünger. Die Hände sind ein Hinweis auf Werke, wie das Gesetz sie forderte. Aber unsere Stellung als Christen ist „nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten” (Tit 3,5). Es sind die Füße, unsere Wege, die ständig durch das Wort Gottes gereinigt werden müssen durch die Sachwalterschaft Christi, unseres Herrn, und den Dienst des Heiligen Geistes. Aber der Wandel schließt das gesamte irdische Leben des Gläubigen ein. Wir dürfen keine Unterscheidung machen zwischen unserem Dienst und unserem Weg. Das ist vollkommen klar. Der Gedanke ist allein der, vor jeder Idee des gesetzlichen Gehorsams zu bewahren, der durch die Waschung der Hände angedeutet würde. Das ganze Leben, sogar die Gedanken und Wünsche, muss unter die Reinigung des Wortes kommen.
Weitere Stellen
In 1. Korinther 11,28 lesen wir: „Ein jeder prüfe (oder richte) sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke aus dem Kelch”. Und später heißt es: „Wenn wir uns aber selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden” (Verse 31–32). Das heißt, wenn wir in der rechten Weise am Mahl des Herrn teilnehmen wollen, muss es im Selbstgericht geschehen. Wir müssen zulassen, dass das Licht seines Wortes unsere Wege prüft und reinigt. Beständig sollten wir vor dem Herrn sein, damit Er uns prüfen möge, dass nichts Verunreinigendes an uns haftet, wenn wir zu seinem Tisch kommen, noch irgendetwas seine Gunst und seinen Segen in unserem täglichen Leben hindert.
In Galater 6,1 wird das auf unsere Beziehungen untereinander angewendet: „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt würde, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen wieder zurecht im Geist der Sanftmut, wobei du auf dich selbst siehst, dass nicht auch du versucht werdest”. Hier geht es um unser Miteinander in brüderlicher Liebe und Fürsorge. Unsere Aufgabe besteht nicht darin, mit anderen über den Fehltritt des Bruders zu sprechen oder in Selbstzufriedenheit Gott zu danken, dass wir nicht in der Art gefallen sind. Vielmehr geht es darum, dass wir im Geist der Demut und im Bewusstsein, dass auch wir selbst versucht werden können und in der Situation des Bruders vielleicht dasselbe getan hätten, zu ihm gehen und versuchen, ihn in seiner Beziehung zu seinem Herrn wiederherzustellen, damit alles zwischen seiner Seele und dem Herrn ausgeräumt wird. Dann können wir sicher sein, dass die Gemeinschaft wiederhergestellt ist. Das ist wahre, gegenseitige Fußwaschung.
Im Jakobusbrief gibt es ein schönes Beispiel für dieses Waschen der Füße der Heiligen. In Kapitel 5 heißt es: „Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet” (Jak 5,16). Es geht nicht darum, sich in die Angelegenheiten anderer Menschen einzumischen oder sich um Dinge zu kümmern, die einen nichts angehen, sondern es geht um ein göttliches Interesse, die Gemeinschaft mit dem Herrn für sein Volk sicherzustellen. Es geht nicht darum, wie der Priester zu fordern, dass andere gegenüber mir ein Bekenntnis ablegen müssen, sondern darum in brüderlichem und gegenseitigem Vertrauen einander die Fehltritte zu bekennen und füreinander zu beten, „damit ihr geheilt werdet“.
Das Gestell – das Wort zu seiner Zeit
Wenn das Waschbecken als Ganzes auf Christus hinweist und das Wasser darin auf das ganze Wort Gottes, was ist dann die Bedeutung des kleineren Gefäßes am Fuß des Beckens? Ich glaube, dass uns Epheser 6,17 einen Hinweis gibt: „Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das Gottes Wort (wörtlich Gottes Reden) ist”: Nicht das Wort Gottes allgemein, sondern „Gottes Reden”, d.h. es geht um das Wort, das gerade zutreffend ist, das Wort, gesprochen zur rechten Zeit (Spr 15,23). Wir sollen dem Bruder nicht die ganze Bibel bringen, sondern das passende Wort, das auf seinen aktuellen Zustand zutrifft. Es erfordert Weisheit und die Leitung des Geistes, das rechte Wort zu bringen, sodass es reinigt und eine Hilfe ist.
Und wie wichtig ist es in diesem Zusammenhang, dass wir selbst das Wort lesen und uns davon ernähren. Wie kann der Geist Gottes es zu unserer Reinigung und Auferbauung benutzen oder wie können wir es zur Hilfe und zum Segen anderer benutzen, wenn wir nicht wirklich damit vertraut sind? Wenn wir das Wort Gottes kennen wollen, muss unsere Lektüre einem gewissen System folgen, wie wir es auch bei unserer natürlichen Ernährung tun. Planloses Lesen von Lieblingsstellen und ein Springen von einem Punkt zum nächsten, so hilfreich es in gewisser Weise sein mag, wird uns nicht gründlich zurüsten. Möge kein Tag vergehen, an dem wir nicht unseren regelmäßigen Abschnitt aufmerksam und unter Gebet lesen. Der kann lang oder kurz sein, je nachdem wie die Zeit es erlaubt, aber es sollte fortlaufend sein. Wir sollten auch nicht die Abschnitte vernachlässigen, die uns eher unklar vorkommen – wie beispielsweise die Propheten. Machen wir uns mit dem gesamten Inhalt der Schrift gründlich vertraut.
Erscheint das wie eine unmögliche Aufgabe? Dann wollen wir uns an die Ermunterung erinnern: „Wer hat, dem wird mehr gegeben werden” (Mt 13,12). Die feste Gewohnheit, die Zeit zu nutzen, und seien es nur einige Momente am Morgen und Abend, wird uns im Verlauf eines Jahres ein recht gutes Grundwissen über Gottes Wort geben. Mehr als das, es wird in uns den Appetit nach mehr wecken. Wir werden merken, wie wir in die Lage versetzt werden, immer mehr in die großen und segensreichen Felder vorzudringen, die sich vor uns auftun. Was wir in der Morgenstunde gesammelt haben, wird unsere Gedanken und unser Herz während des Tages nähren. Wie viel wird es darüber hinaus nach und nach von den fleischlichen Dingen aufdecken, die noch in unseren Wegen verborgen sind, wobei es so geschehen wird, dass wir es ertragen können. Wir stellen dem Herrn damit eine Fülle von „Wasser” zur Verfügung, um unsere Wege zu reinigen.
Abschließende Gedanken
Wir haben von praktischer Heiligung, von Reinigung gesprochen. Lasst uns nun eine weitere Schriftstelle ansehen, die uns auf einen Blick die wunderbare Wahrheit der Heiligung in einer etwas anderen Art vorstellt, und doch eng mit alledem verbunden ist, was uns bisher ausführlich beschäftigt hat. Es ist 2. Korinther 3,18: „Die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden [wir] verwandelt nach demselben Bild”. Das Wort „anschauen” meint ein ausgiebiges Betrachten, nicht unseres eigenen Spiegelbilds, sondern der Herrlichkeit des Herrn. Der Schleier ist weggenommen, die Herrlichkeit Gottes erstrahlt aus dem Angesicht Christi als unseres Vorläufers im Himmel. Betrachte das, wirf einen ausgiebigen Blick auf Christus in der Herrlichkeit. Und was wird das Ergebnis sein, wenn du so mit Ihm dort beschäftigt bist? Oh, was für ein gesegnetes Ergebnis: Menschlicher Stolz macht dann den Herrlichkeiten Christi Platz. Indem wir Ihn betrachten, werden wir „verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit”.
Schließlich lesen wir in Offenbarung 15,2-3: „Und ich sah etwas wie ein gläsernes Meer, mit Feuer gemischt, und sah die Überwinder über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens an dem gläsernen Meer stehen, und sie hatten Harfen Gottes. Und sie singen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes”. Hier wird uns ein Blick in die Herrlichkeit gestattet. Dort, im himmlischen Heiligtum, steht der Thron Gottes und des Lammes, so wie damals im Heiligtum die Lade den Thron bildete. Das verborgene Manna ist dort, das dem Tisch der Schaubrote entspricht. Die sieben Geister Gottes sind vor dem Thron, die dem Leuchter entsprechen. Dann das gläserne Meer, das demselben Gegenstand im Tempel Salomos entspricht. Beachte, dass das Becken hier nicht mit Wasser gefüllt ist – es gibt dort keine Notwendigkeit, Verunreinigung zu entfernen. Es ist ein Meer von durchsichtigem Glas, was uns an das Becken erinnert, das seine Aufgabe hier erfüllt hat. Wenn alle Erlösten Gottes dort versammelt sind, ist keine Reinigung von Beschmutzung mehr nötig: Niemand muss mehr dem anderen die Füße waschen. Auch der Herr braucht unsere Füße nicht mehr zu waschen. Stattdessen stehen wir dort mit Harfen Gottes in unseren Händen und nichts hindert das Lob und die Anbetung. Aber das gläserne Meer, das Zeugnis und die ständige Erinnerung an unsere Reinigung, wird uns ewig an den gnädigen und demütigen Dienst unseres Herrn während unserer Reise auf der Erde erinnern.
Fußnoten
- 1 Anmerkung des Übersetzers: Im Englischen teilweise mit Fuß („foot“) übersetzt.
- 2 In seinem Tod kam eine zweifache Schande über Ahab: Die Hunde leckten sein Blut, und es geschah da, wo die Huren badeten.
- 3 Anmerkung des Übersetzers: Das Wort kommt noch häufiger vor, aber an dieser Stelle übersetzen es manche mit „waschen“.
- 4 Anmerkung des Übersetzers: Eine falsche Lehre, bei der behauptet wird, dass Brot und Wein buchstäblich in den Körper und das Blut des Herrn Jesus verwandelt werden.