Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 3: Die Teppiche aus gezwirntem Byssus und ihre Farben
2. Mose 36,8-13
Einleitung
Als Gott ihm das Muster auf dem Berg Sinai zeigte, empfing Mose die göttlichen Anweisungen über die Stiftshütte. Mit 2. Mose 36 kommen wir nun zum tatsächlichen Bau der Hütte. Zwischen diesen beiden Zeitspannen ereignete sich der Abfall Israels. Kaum waren die Worte des Gesetzes und das feierliche Gelöbnis des Volkes, sie zu halten, gesprochen, als sie die ersten drei Gebote brachen, indem sie das goldene Kalb machten und sich am Werk ihrer Hände ergötzten.
Als Mose vom Berg herabsteigt und sie um dieses Götzenbild tanzend vorfindet, zerbricht er die Gesetzestafeln als Zeichen dafür, dass der Bund auf Grundlage des Gesetzes zu Ende war. Gott greift auf die Fürbitte Moses hin in Gnade ein und nimmt seine Beziehung mit dem Volk wieder auf – allerdings nicht mehr länger auf der Grundlage des reinen Gesetzes, sondern einer Vermischung von Gnade und Gesetz. So wird es möglich, dass Er trotz ihrer Halsstarrigkeit in Langmut mit ihnen umgehen kann, gleichzeitig jedoch einen Abstand zu ihnen wahrte. Der eigentliche Bau der Stiftshütte folgt auf das derartig wiederhergestellte Verhältnis mit dem Volk (2. Mo 32,33-35).
Der Unterschied in der Reihenfolge, in der die verschiedenen Teile vorgestellt werden, steht mit diesem Verhältnis in Einklang. Bei der Vorstellung in 2. Mose 25-31 beginnt Gott mit dem Allerheiligsten und seinem Thron, der Bundeslade, und fährt anschließend von dort ausgehend nach außen hin fort bis zum Aufbau der Stiftshütte. Er geht bei seinen Aussprüchen vom Standpunkt des Gesetzes aus, den gerechten Forderungen seines Thrones, der passenderweise als erstes beschrieben wird. Das Volk hat jedoch gesündigt, diesen Thron missachtet und verunehrt. Hätte die Gnade nicht eingegriffen, wäre kein Weg denkbar gewesen, auf dem Gott mit ihnen hätte weitergehen können. Deshalb beginnt die Schilderung des Stiftshüttenbaus (2. Mo 35-39) so treffend mit den Teppichen, welche die Stiftshütte bildeten. Warum das so passend ist, werden wir sehen, wenn wir zu ihrer Bedeutung kommen.
Es gibt mindestens vier Betrachtungsweisen der Stiftshütte:
- Erstens ist sie ein Bild der großartigen Schöpfung Gottes, des Universums. In diesem Fall stellt der Vorhof die Erde dar, das Heilige den Himmel und das innere Heiligtum (das Allerheiligste) die Himmel der Himmel, den Ort seines Thrones.
- In enger Verbindung damit können wir sie als Beschreibung des Weges zu Gott verstehen. Hier steht der Vorhof wieder für die Erde, dem Aufenthaltsort des sündigen Menschen. Das innere Heiligtum stellt den Himmel einschließlich des Thrones Gottes dar, der vor seinen schuldigen Geschöpfen verborgen ist. Der Weg zu Gott führt über den Brandopferaltar und den Sühndeckel.
- Die dritte Sicht auf die Stiftshütte richtet das Augenmerk auf das Bauwerk der Bretter, die mit Gold überzogen waren und auf silbernen Sockeln ruhten. Diese stellen das Volk Christi als vollendet in Ihm dar, ruhend auf der durch Ihn vollbrachten Erlösung und daher „mitaufgebaut […] zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22).
- In der vierten Sichtweise, die uns näher beschäftigen soll, liegt der Schwerpunkt auf den Vorhängen als Bild Christi. Sie sind in erster Linie nicht ein Vorbild des Himmels, des Wegs zu Gott oder des Volkes (ob individuell oder als Gesamtheit), sondern wir haben in den Vorhängen ein segensreiches und kostbares Vorbild von dem „Menschen Christus Jesus“, der Gottes Wohnstätte war, als Er hier auf der Erde lebte.
Die erste Stelle, die wir betrachten möchten, bestätigt uns darin, dass diese Sichtweisen schriftgemäß sind. Sie dürfen sich nicht auf Fantasie gründen, sondern auf die einfache und klare Anwendung des vollkommenen Wortes Gottes. „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Das Wort für „wohnte“ wird in der Fußnote korrekt mit zeltete wiedergegeben, d.h. „wohnte in einem Zelt“. Das ewige Wort – der göttliche Sohn, durch den alles wurde und alle Dinge aufrechterhalten werden – wurde Fleisch und zeltete als ein Mensch unter uns. Er verhüllte seine Herrlichkeit (obwohl der Glaube jubelnd ausruft: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut“) und ist „in Gleichheit der Menschen geworden“, indem Er die Gestalt eines Knechts annahm (Phil 2,6-8).
Lasst uns immer daran denken, dass es nicht darum geht, dass Gott in einem menschlichen Körper wohnte – wie es eine der vielen Irrlehren über die Person des Herrn Jesus darstellt. Es ist auch nicht Gott, der in einem vollkommenen Menschen wohnte – mit Körper, Seele und Geist –, so als ob Er von dieser Menschheit getrennt werden könnte, bzw. schließlich getrennt werden würde. Nein, es heißt, dass das Wort Fleisch wurde. Vollkommene Menschheit wurde Teil seiner Identität. Die vollkommene Menschheit wurde Teil seiner selbst (möge Gott uns geben, dass wir mit gebeugten Herzen und unbeschuhten Füßen in die Gegenwart dieser heiligen Wahrheit treten). Er wurde so völlig Mensch, dass es nach wie vor nur eine Person gab – den gesegneten Sohn Gottes. Die ganze Vollkommenheit seiner Menschheit wurde so vollständig mit der Würde seiner göttlichen Person verbunden, dass (während Er immer ein vollkommener Mensch bleibt) sein völlig göttliches Wesen zu der Anbetung führt, die Ihm als dem gebührt, „der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5).
Das schützt uns vor zwei konkreten Irrtümern: Einerseits anzunehmen, unser geliebter Herr sei schlicht eine in einem Menschen wohnende Gottheit. Andererseits, über seine Menschheit in einer Art und Weise zu denken, dass man seine Gottheit nahezu aus den Augen verliert. Für den Glauben ist es eine Freude Christus anzubeten, wann immer er Ihn sieht, und mit Thomas zu sagen: „Mein Herr und mein Gott!“. Was der Glaube dagegen nicht sagt, ist, dass wir Ihn hier nicht anbeten können, weil Er Mensch ist – verbunden mit dem Hinweis, dass es im Himmel wohl möglich sein wird, weil Er Gott ist. Nein, der Glaube durchbricht solche unheiligen und menschlichen Einschränkungen und wirft sich vor Ihm nieder, sowohl wenn wir die Male menschlicher Leiden in seinen Händen und seiner Seite anschauen, als auch wenn wir Ihn „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ sehen (Heb 2,9).
Wenden wir uns nun den Decken der Stiftshütte zu. Es gab deren vier:
- Die äußere bestand aus Dachs- bzw. Seekuhfellen.
- Die nächste war aus rot gefärbten Widderfellen.
- Dann gab es die elf Teppiche aus Ziegenhaar.
- Schließlich die innere und letzte Decke, die am vielfältigsten zusammengesetzt und die vollständigste von allen war. Sie bestand aus weißem gezwirnten Byssus, auf dem (wenn wir die Hinweise richtig deuten) Cherubim in blauer, purpurner und scharlachroter Farbe gestickt waren.
Die Cherubim werden wir genauer betrachten, wenn wir die Bundeslade und den Sühndeckel in Augenschein nehmen. Deshalb an dieser Stelle nur ein paar Bemerkungen dazu. Sie waren verschiedenartige Wesen, die vier Gesichter hatten: Das eines Löwen, Stieres, Menschen und Adlers (Hes 1,4-14; Off 4,6-7). Sie stellten dadurch vier Arten von Leben dar: Den majestätischen Löwen als Bild königlicher Macht, den ausdauernden Stier, ein Bild der Stärke in Arbeit und Dienst, den Menschen, der durch Mitgefühl und Einsicht gekennzeichnet ist und schließlich den Adler, den es hinauf zum Himmel zieht.
Die vier Evangelien stellen unseren Herrn Jesus in dieser vierfachen Weise vor. Im Matthäusevangelium sehen wir Ihn als „den Löwen aus dem Stamm Juda“, den König Israels. Im Markusevangelium erblicken wir Ihn im Dienst, wie Er (gleich dem ausdauernden Stier) sein Joch trägt: Die Last der menschlichen Not. Im Lukasevangelium haben wir ganz und gar das Gesicht des Menschen vor uns: Menschliche Einsicht, menschliches Mitgefühl, menschliche Liebe und menschliches Vorbild. Johannes zeigt uns den Adler vom Himmel, der aufsteigt, um an den Ort zurückzukehren, wo Er beim Vater war, ehe die Welt war.
Es gab 10 Teppiche aus Byssus, die jeweils 28 Ellen lang und 4 Ellen breit und Seite an Seite in zwei Reihen zu je fünf Teppichen zusammengefügt waren. Diese zwei Teile wurden wiederum durch fünfzig blaue Schleifen zusammengefügt und mit goldenen Haken ineinander eingehängt, die alles miteinander verbanden und ein Zelt bildeten. Uns begegnet hier ein Reichtum an Formen und Materialien, den wir sorgfältig betrachten müssen.
Byssus – das vollkommen reine Leben des Herrn
Tragen wir zuerst die Lehre der Schrift in Bezug auf den Byssus zusammen.1 Am großen Sühnungstag legte der Hohepriester seine alltägliche Kleidung „zur Herrlichkeit und zum Schmuck“ (2. Mo 28,2) beiseite und trug lediglich fleckenloses Weiß. Er ging als der Träger des Sühnungsblutes in die Gegenwart Gottes, sodass in den Gedanken des Volkes vor allem eins unterstrichen wurde: Dass in dieser heiligen Gegenwart eine absolute Notwendigkeit fleckenloser Reinheit bestand (3. Mo 16,4).
In den Tagen Hesekiels steht Gott im Begriff sein abtrünniges Volk zu richten, weil Er angesichts ihrer Bosheiten nicht länger mit ihnen weitermachen kann. Der Prophet sieht in einem Gesicht, wie Er einen Mann sendet, der in Leinen gekleidet und mit einem Schreibzeug an seiner Hüfte versehen ist, um jeden zu kennzeichnen, der über die verübten Gräuel seufzt und jammert (Hes 9,3-4). Die Bedeutung des Leinens in solchen Umständen ist offensichtlich und wir begegnen ihr im ganzen Alten Testament.
Im Neuen Testament haben wir in der Verwandlung auf dem Berg eine sehr eindrucksvolle Darstellung der Bedeutung dieser weißen Bekleidung. Die Herrlichkeit unseres anbetungswürdigen Herrn, sein wirkliches Wesen, sollte auf diesem heiligen Berg hervorstrahlen. Und zwar nicht in der Art und Weise, wie Er durch das Land zog, d.h. unter dem schlichten Gewand aus Seekuhfellen, die für das Auge des Unglaubens weder Gestalt noch Pracht besaß. Nein, dort wurden die äußeren Decken der Wohnung Gottes gewissermaßen entfernt und die persönliche, moralische Herrlichkeit des Heiligen strahlte hervor. „Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne“ (Mt 17,2), „seine Kleider wurden glänzend, sehr weiß, wie kein Walker auf der Erde weiß machen kann“ (Mk 9,3) – beides zeigte die innewohnende und vollkommene Reinheit seines Wesens.
Vielleicht wird die Bedeutung des Leinens am deutlichsten in Offenbarung 19 gezeigt. Von der Braut, der Frau des Lammes, heißt es dort: „Und es wurde ihr gegeben, dass sie sich kleide in feine Leinwand, glänzend und rein; denn die feine Leinwand sind die Gerechtigkeiten der Heiligen“ (Off 19,8). Diese feine Leinwand darf nicht mit dem „besten Gewand“ verwechselt werden, das Christus, unsere Gerechtigkeit, ist (Lk 15,22; 1. Kor 1,30). Dieses Gewand wird dem Sünder in dem Augenblick angezogen, in dem er sich in wahrer Buße und wahrem Glauben Gott zuwendet. Aber die „feine Leinwand“ ist die persönliche Heiligkeit im jetzigen Leben, die durch die Macht des Heiligen Geistes im Leben der Heiligen Gottes bewirkt wird.
Deshalb kann es im Hinblick auf die Bedeutung des Byssus keine Zweifel geben. Es spricht von der fleckenlosen Heiligkeit, Reinheit und Gerechtigkeit des Herrn Jesus, die sich in jeder Handlung, jedem Wort und jedem Gedanken seines täglichen Lebens offenbarte.
Wir haben bereits eine Übereinstimmung zwischen den vier Angesichtern der Cherubim und jedem der vier Evangelien festgestellt. Lasst uns jetzt in jedem Evangelium den Ähnlichkeiten zu einer der vier Farben der Teppiche nachgehen. Natürlich gibt es Kennzeichen von all diesen Farben in jedem Evangelium, aber ist es nicht möglich, jeweils ein Kennzeichen zu identifizieren, das vorherrschend ist? Wo finden wir beispielsweise die Menschheit unseres Herrn, ihre fleckenlose Reinheit, auf unverkennbare Weise hervorgehoben und betont – und zwar getrennt von dem Gedanken einer amtlichen Stellung? Sehen wir uns das Lukasevangelium an.
Byssus im Lukasevangelium
Im ersten Kapitel wird die Geburt unseres Herrn vorhergesagt. Es ist nicht die einer gewöhnlichen Person, sondern die des fleischgewordenen Wortes. „Darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Seine Menschheit war ihrem Wesen nach heilig, ohne den geringsten Flecken von Sünde. David musste bekennen: „Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen“ (Ps 51,7). Davids Herr war hingegen „das Heilige“!
Im zweiten Kapitel hat das Kind Jesus ein Alter von zwölf Jahren erreicht und damit einen Lebensabschnitt, der bei umsichtigen Eltern normalerweise besondere Sorge hervorruft, weil sich der Wille des Jungen in deutlicherer Weise geltend zu machen beginnt. Einschränkungen durch die Autorität der Eltern sind lästig und es besteht der Drang nach Gesellschaft außerhalb des eigenen Zuhauses. Es ist auch das Alter besonderer Versuchungen und Gefahren, und die unumschränkte Gnade Gottes ist nötig, um auf den „rutschig-glatten Pfaden der Jugendzeit“2 aufrechtzubleiben. Richte deinen Blick nun auf das Kind Jesus in diesem Alter. Er ist nach Jerusalem mitgenommen worden, und als Joseph und Maria auf dem Rückweg nach Nazareth sind, verlieren sie Ihn für drei Tage aus den Augen. In welcher Gesellschaft befindet Er sich in dieser Zeit? Sie finden Ihn im Tempel, inmitten der Lehrer, und als Antwort auf die besorgte Frage seiner Mutter entgegnet Er: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 2,49). Sein einziges Interesse bestand darin, in dem zu sein, was seines Vaters war. Gab es je ein Kind, dem Gott in einer solchen Weise Vater war, dass Er seine Seele völlig erfüllte?
Folgen wir Ihm ein wenig weiter, sehen wir mehr von der feinen Leinwand. Er geht zurück nach Nazareth und ist seinen Eltern – denn so bezeichnet die Schrift sowohl Joseph als auch Maria – untertan, indem Er den Platz der Verantwortlichkeit anerkennt, den Joseph einnimmt. Wir finden bei Ihm sowohl die Vertiefung in die Dinge seines Vaters als auch Unterordnung unter diejenigen, die in der Stellung irdischer Verantwortung sind. Es gab nichts ungewöhnlich Frühreifes – wie die törichten Geschichten der apokryphen Evangelien nahelegen – außer vollkommener Reinheit in jeder Beziehung. „Und Jesus nahm zu an Weisheit und an Größe und an Gunst bei Gott und Menschen“ (Lk 2,52). Hier sehen wir, wie der Stoff der fleckenlosen Leinwand vor dem Auge Gottes gewoben wird.
Folge Ihm durch das Evangelium hindurch und du wirst überall den vollkommenen Menschen sehen. In Nazareth, in der Synagoge, mögen sie über seine einfache Verwandtschaft stolpern. Dennoch sind sie gezwungen, die gnädigen Worte der Liebe und der Wahrheit anzuerkennen, die aus seinem Mund hervorgehen (Lk 4,16-22).
Ein wenig weiter siehst du Ihn im Haus des Pharisäers, und was du entdeckst, ist, dass Ihn nichts anderes als gezwirnter Byssus umgibt. Da ist einerseits der in Stolz und Selbstgerechtigkeit aufgeblähte Pharisäer, und auf der anderen Seite liegt ein armes Kind der Schande mit schmutzigen Kleidern niedergeworfen zu den Füßen des Herrn. Aber wenn der Stolz des Pharisäers und die „Frau, die eine Sünderin war“, den Zustand der Menschheit in ihren zwei Extremen von Selbstgerechtigkeit und Elend verdeutlichen – was sollen wir von dem Vollkommenen am Tisch sagen, der sich des Kindes der Schande mit Frieden und Vergebung annimmt, und dem Pharisäer mit einem einfachen Tadel begegnet? Wie hell strahlt die fleckenlose Reinheit an dieser Stelle hervor! Und die Vorwürfe seiner Widersacher unterstreichen sie nur umso mehr. „Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen“ (Lk 15,2). Es ist diese Klasse von Menschen, in die sie Ihn einreihen mit dem Ziel, seine weißen Kleider nach Möglichkeit zu besudeln. Ja, bringt Ihn nur in engsten Kontakt mit dem Bösen, lasst Ihn sich Seite an Seite neben den armen Sünder setzen: Was ist die Folge? Hinterlässt es einen Flecken an Ihm – irgendetwas, auf das Gott nicht mit Freude sehen kann? Oh, die Folge ist, dass seine Fleckenlosigkeit durch den Kontrast nur umso stärker hervorsticht. Hier ist ein Mensch, in dem eine so vollkommene Reinheit ist, dass ihr Glanz durch die Schwärze der Selbstgerechtigkeit des Pharisäers bzw. die schmutzigen Kleider der Sünde nur noch deutlicher zu Tage tritt. Wie es Gottes Herz befriedigt haben muss, auf dieses fleckenlose Weiß zu blicken! Jahrhundertelang hatte Er auf diese sündenverfluchte Erde herabgeschaut um etwas zu finden, auf dem sein Auge ruhen konnte – etwas Gehorsames, Ihm Geweihtes. Wie traurig, dass selbst bei den Treuesten, einem Abraham oder David, das Gewand bis zu einem gewissen Grad „vom Fleisch befleckt“ (Jud 23) war. Aber da war Einer, dessen Kleider keine Verunreinigung aufnahmen, als Er durch diese Welt der Sünde ging.
Betrachte Ihn, wie Er in diesem Evangelium wiederholt im Gebet ist, indem Er sich vom Beifall derjenigen abwendet, die seine Wunder bestaunten und Nutznießer derselben waren, um wegzugehen und mit Gott allein zu sein, Ihm seine Seele auszuschütten. Sein untadeliges Leben wird durch diese beständige Abhängigkeit und diesen beständigen Gehorsam untermalt.
Wenn wir uns seinem Tod zuwenden, sehen wir das fleckenlose Weiß in all seiner Reinheit strahlen. Die Welt stellt Ihn zwischen zwei Diebe. Satan sagt: Ich will endlich sein Weiß besudeln, will Ihn mit Übeltätern vereinen und einen lästernden Pöbel gegen Ihn loslassen, der Staub in die Luft wirft. Und dann will ich doch mal sehen, was aus seiner Fleckenlosigkeit wird. Ja, lasst uns sehen, was aus seiner Fleckenlosigkeit wird! Gott macht sie in ihrer Ausprägung nur noch deutlicher inmitten der Schwärze menschlicher und satanischer Bosheit. Pilatus erklärt, dass er keine Schuld an Ihm findet. Sogar der Dieb an seiner Seite ist gezwungen, seine Sündlosigkeit anzuerkennen: „Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind“ – unsere Kleider sind beschmutzt – „dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan“ (Lk 23,40-41). Der Hauptmann, der bei der Kreuzigung den Vorsitz hat, erklärt Ihn ebenfalls zu einem gerechten Menschen.
Das und noch viel mehr entnehmen wir dem Lukasevangelium. Es ist – so könnten wir vielleicht sagen – das Evangelium des ungezwirnten, weißen Byssus.
Wir kommen nun zu den vermutlich in das weiße Byssus gestickten farbigen Garnen.
Blauer Purpur – der Himmlische
Zuerst haben wir den blauen Purpur.3 Wenden wir uns verschiedenen Schriftstellen zu, um die Bedeutung dieser Farbe kennenzulernen. 2. Mose 24,9-10 verleiht uns eine Vorstellung der Farbe Blau. Gott hatte sich am Sinai soweit es Ihm möglich war offenbart, denn „niemand hat Gott jemals gesehen“ (Joh 1,18). Er offenbart etwas von seinem Wesen und tut dies auf die symbolische Art, die zu der Zeit der Vorbilder und Schatten passt. Die Ältesten von Israel steigen auf den Berg und sehen unter den Füßen des Gottes Israels „ein Werk von Saphirplatten und wie der Himmel selbst an Klarheit“ (2. Mo 24,10). Das intensive Blau des Saphirs redet demnach vom Himmel.
Das Wort „Saphir“ stammt von der gleichen Wurzel ab, die „sprechen“, „verkünden“ oder auch „Buch“ bedeutet. Der Satz in Psalm 19,2 „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes“ lautet auf Hebräisch entsprechend: „Die Himmel saphiren die Herrlichkeit Gottes“. Blau ist die Farbe der Wahrheit und in Gott allein ist Wahrheit, „Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in ihm“ (1. Joh 1,5). Der letzte Teil des gleichen Psalms spricht indes von dem vollkommenen „Gesetz des Herrn“. Auch hier finden wir Saphir: In dem Buch – dem Wort, das das Wesen des Gottes des Himmels ganz und gar widerspiegelt.
Wenn wir zu Beispielen oder Darstellungen kommen, die uns die Bedeutung der Farbe Blau näherbringen, erinnern wir uns an die blaue Quaste und die blaue Schnur, von denen Gott anordnete, dass sie an den Zipfeln der Kleidung seines Volkes sein sollten (4. Mo 15,38-40). Die Israeliten mussten an dem Teil der Kleidung, der dem Boden am nächsten war, die Farbe des Himmels tragen. So würden sie an die Vollkommenheiten des Gesetzes erinnert werden, das, wie wir soeben gesehen haben, der Ausdruck der Wahrheit Gottes war. Alles das sollte dazu dienen, dass sie seinen Willen täten. Sie würden sich daran erinnern, dass sie das Volk Gottes waren.
Wie passend ist es, wenn wir diese Dinge einmal auf uns anwenden, dass wir daran erinnert werden sollen, dass wir ein himmlisches Volk sind, vereint durch den Heiligen Geist mit unserem Herrn im Himmel, und dass unsere Kleider (womit im Wort Gottes die „Gewohnheiten“ des Lebens gemeint sind) vom Himmel sprechen sollen. Und das betrifft selbst den niedrigsten Teil, der in direktesten Kontakt mit der Erde kommt. Aber wer hat jemals diese Wesensart gezeigt, außer Einem? Nur wenn sein Bild in uns durch den Heiligen Geist und Glauben Gestalt gewinnt, können wir ein Stück weit seinen Gedanken in Bezug auf uns entsprechen.
Von Anfang an war die Farbe des Himmels auf unserem Herrn. Wie freudig begleiteten Ihn die Engel, die seine Geburt verkündigten, auf seinem ganzen Weg und dienten Ihm bereitwillig als ihrem Herrn. Er war „vom Himmel“, und es war die Freude des ganzen Himmelsheeres, Ihm Ehre zu erweisen. In Gethsemane, der Stunde seiner tiefsten Erniedrigung (abgesehen von Golgatha) stand Ihm der ganze Himmel zur Verfügung. So konnte Er sagen: „Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte und er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde?“ (Mt 26,53).
Die blaue Farbe im Johannesevangelium
Gibt es nun ein Evangelium, das unseren Herrn besonders in dieser Weise vorstellt? Viele würden umgehend antworten: Ja, weil es die Kennzeichen des Johannesevangeliums sind. Vom allerersten Vers bis zu seinem Ende haben wir Ihn in diesem Evangelium als den Himmlischen vor uns: „Das Wort war bei Gott […] das Wort wurde Fleisch“ (Joh 1,1.14). Im dritten Kapitel sagt Er zu Nikodemus: „Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubt nicht“ – wobei Er von der Notwendigkeit der Wiedergeburt spricht, um in das Königreich eingehen zu können – „wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage? Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist“ (Joh 3,12-13). Es ist hier nicht nur der Sohn des Menschen, der vor seiner Menschwerdung im Himmel war; auch nicht der Sohn des Menschen, der im Himmel sein wird, wenn Er zum Vater zurückkehrt. Nein, es ist der, dessen ganzes Leben hier auf der Erde die Luft des Himmels atmet. Wir nennen es manchmal das Evangelium der Gottheit, aber zeichnet es sich nicht auch als das Evangelium des Himmlischen aus? Folge Ihm durch dieses wunderbare Evangelium und du wirst feststellen, dass dir das Blau überall begegnet. Dürfen wir nicht ehrfürchtig sagen, dass Ihn nach seinem Vater verlangte, obwohl Er hier stets und ausschließlich (selbst bis zur Hingabe seines Lebens) seinen Willen suchte? Aber der, der Ihn gesandt hattte, war immer vor seinem Herzen und auf seinen Lippen: „Wie der lebendige Vater mich gesandt hat und ich lebe des Vaters wegen“ (Joh 6,57). Was für eine vollkommene Abhängigkeit und Unterordnung! Der einzige Grund für sein Leben hier war sein Vater, in dem Er sich als vollkommener Mensch immer aufhielt.
„Dies ist das Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist“ (Joh 6,58). Beachte, dass das Brot der Sohn des Menschen ist, der sein Fleisch und Blut gab. Dennoch spricht Er davon als dem Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Die Theologie könnte darauf hinweisen, dass wir die zwei Naturen nicht verwechseln sollen, den Sohn Gottes und den Sohn des Menschen. Das „Brot“ ist Letzteres. Wir sind deshalb fälschlicherweise beschuldigt worden zu lehren, dass die Menschheit unseres Herrn etwas Himmlisches in dem Sinne sei, dass es aus dem Himmel herabkam. Eifrig auf der Hut vor Irrlehren zu sein ist völlig richtig, besonders dann, wenn sie die Person unseres allerheiligsten Herrn betreffen. Hier sehen wir uns jedoch einer äußerst kostbaren Wahrheit gegenüber. Wollte unser Herr wirklich sagen, dass sein Fleisch nicht auf der Erde geboren wurde? Sicherlich nicht! Stattdessen ging es Ihm darum deutlich zu machen, dass Er so mit seiner Menschheit identifiziert war, dass alles vom himmlischen Wesen seiner ganzen Person sprach. Alles war himmlisch, weil Er aus dem Himmel herabgekommen war: Das Brot ist Er selbst, unsere geistliche Nahrung, und sein Blut ist das Leben – ewiges Leben. Er ist die himmlische Speise: „Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit“ (Joh 6,58). Die gesamte Ewigkeit hindurch werden wir uns von diesem „Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist“, nähren.
So sehen wir das mit göttlichem Geschick und göttlicher Weisheit in „Kunstweberarbeit“ eingewobene Blau, woran der Glaube Schönheiten sehen und anbeten kann. Das tut er ohne in die „höheren Höhen“4 einzudringen, die nur Gott allein kennen kann.
In Johannes 13 finden wir, wie das Blau in Verbindung mit dem Byssus in bemerkenswerter Weise hervorgehoben wird. Wir lesen dort in Vers 5, dass unser Herr sich mit einem leinenen Tuch umgürtete, die Füße der Jünger wusch und sie mit diesem leinenen Tuch abtrocknete, mit dem Er umgürtet war. Er wandte die fleckenlose Reinheit seines eigenen Lebens auf sie an, um ihre Wege praktisch zu reinigen. Das tat Er, indem Er sowohl das Wort als auch seinen eigenen Dienst benutzte, um sie für die Gemeinschaft mit sich selbst passend zu machen. Im dritten Vers sehen wir das Blau: „Jesus steht, wissend, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe, […] auf“. Der, der sich selbst mit dem leinenen Tuch umgürtete, ist der, der von Gott kam und zu Ihm zurückkehrte: Der Himmlische.
Nochmals: „Ich bin von dem Vater ausgegangen und bin in die Welt gekommen; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Wir könnten sagen, dass es der Mensch ist, der hier spricht – „dieser Jesus“ (Apg 1,11) –, doch unterscheidet Er nicht zwischen seiner Gottheit und seiner Menschheit. Er sagt nicht: „Meine Gottheit ist vom Vater ausgegangen und meine Menschheit und Gottheit werden zum Vater zurückkehren“. Nein, es ist die Person, der ganze Christus, um die es geht. Er ist von Gott ausgegangen und sein ganzes Leben hindurch kennzeichnete Ihn dieses himmlische Wesen. Bei seinem Tod übergab Er dem Vater seinen Geist. Somit geht Er dahin zurück, wo sein Herz immer war: Zu seinem Vater im Himmel. Er sagte zu seinen Jüngern: „Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe“ (Joh 14,28). Er ging dorthin, wo Er sein wollte. Sein Leben hier war eine Zeit des Exils für Ihn. Er sprach stets von seinem Vater, sehnte sich danach, bei Ihm zu sein – sein ganzes Leben war völlig dadurch gekennzeichnet: So sehen wir das Blau durchweg auf das Weiß gewoben.
Wenn wir uns daran erinnern, was wir über das Wort Saphir und seine Verbindung mit dem Buch gelernt haben, staunen wir, wie vollkommen unser Herr zeigte, dass sein himmlisches Wesen in völliger Übereinstimmung mit dem geschriebenen Wort war. Obwohl Er aus dem Himmel kam und vom Himmel war, fand Er nichts in der Schrift, was nicht Gott offenbarte. Für Ihn war alle Schrift durch Inspiration von Gott eingegeben (vgl. 2. Tim 3,16), womit ihre Quelle himmlisch und nicht irdisch war. Deshalb war ihr Autor Gott und nicht der Mensch. Und gerade diese völlige Unterordnung unter und Identifikation mit dem geschriebenen Wort zeichnete Ihn als den Himmlischen aus. Er lebte von dem himmlischen Buch. Es war für Ihn das, was in Psalm 119,89 gesagt wird: „In Ewigkeit, Herr, steht dein Wort fest in den Himmeln“. Er, das lebendige Wort, lebte als Mensch vom geschriebenen Wort. Und das genügt als Antwort an den Unglauben, der die Schrift vom Himmel zur fehlbaren und gefallenen Erde erniedrigen möchte, indem er ihr eine menschliche Herkunft in Inhalt oder Aufbau zuschreibt,.
Roter Purpur – der König der Juden
Die nächsten beiden Farben, (roter) Purpur und Scharlach (Karmesin), gleichen einander. Während der letzten Stunden unseres Herrn wurden Ihm aus Hohn Mäntel in diesen beiden Farben umgehängt. Im Matthäusevangelium ist es Scharlach (Mt 27,28) und im Johannesevangelium Purpur (Joh 19,2). Wir brauchen kaum zu sagen, dass dies kein Widerspruch ist, sondern einen göttlichen Grund hat. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass Ihm die erbärmlichen Soldaten verschiedene Mäntel umhängten, um Ihn mit all ihrem Hohn zu überschütten, ebenso wie auch Herodes Ihm ein „glänzendes Gewand“ umgeworfen hatte (Lk 23,11). Dabei könnte es sich tatsächlich um den purpurnen bzw. scharlachroten Mantel gehandelt haben, in den Er anschließend gekleidet war, während die Soldaten des Statthalters Ihm einen weiteren Mantel angezogen haben könnten. Entsprechend erwarten wir bei Purpur und Scharlach eine recht ähnliche, wenn auch unterschiedene, Bedeutung.
Wie das hebräische Wort für Blau (bzw. blauen Purpur) ist auch roter Purpur (Hebr. Argaman) der Name einer Farbe, die aus einem Schalentier gewonnen wird. Beim Scharlach werden wir das ebenfalls sehen, denn er wird in ähnlicher Weise aus einem Wurm gewonnen. Lydia (Apg 16,14) war eine Purpurhändlerin. Es war eine prachtvolle Farbe, ein Kennzeichen von Königtum und Luxus. Wie bedeutsam ist es, dass alle drei dieser brillanten Farben durch das Opfer tierischen Lebens gewonnen wurden. In Richter 8,26 wird uns berichtet, dass die Könige von Midian Purpurkleider trugen. Dies führt zu dem allseits bekannten Gedanken, dass Purpur, die königliche Farbe, von königlicher Würde spricht. Wenn also unser Herr, wenn auch aus Hohn, als „König der Juden“ gegrüßt wurde, passte das zu seiner Kleidung. Der reiche Mann in Lukas 16 trug Purpur und feines Leinentuch, Kleidung, die Königen gebührte.
Purpur im Matthäusevangelium
Wir brauchen kaum erwähnen, dass unser wunderbarer Herr tatsächlich ein König war. In diesem Charakter stellt Ihn besonders ein Evangelium unverkennbar dar – und zwar das nach Matthäus. Schauen wir uns dazu einige typische Stellen an. Als die Magier durch den Stern geleitet vom Morgenland her nach Jerusalem kommen, fragen sie: „Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Mt 2,2). Sie finden Ihn schließlich in der königlichen Stadt Davids, Bethlehem, und beschenken Ihn mit königlichen Gaben und bringen Ihm sogar mehr Verehrung dar als einem König.
In der Bergpredigt (Mt 5-7) haben wir die Verfassung des Königreiches, sein Grundgesetz, und das, was seine Anhänger kennzeichnen sollte. Wir sehen, dass es ein geistliches Königreich war, auch wenn es auf der Erde aufgerichtet wurde (dementsprechend auch sein Name „Königreich der Himmel“). In den folgenden Kapiteln haben wir die Werke des Königs – und welcher Herrscher verteilte jemals solche Gaben wie dieser, der segnete, wohin Er auch ging, indem Er heilte, reinigte und vergab? Es gab einmal den Aberglauben, dass die Berührung eines Königs eine bestimmte Art von Krankheit heilen würde. Hier begegnen wir der Wirklichkeit.
Gehen wir weiter, erkennen wir, dass dieser sanfte, heilige, allmächtige König von seinen Untertanen verworfen wird: „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). In Kapitel 12 haben sie seine Verwerfung praktisch beschlossen. Deshalb steht Er in Kapitel 13, obwohl wir Ihn immer mit seinem Königreich beschäftigt finden, im Begriff von seinem Königreich abwesend zu sein. Während dieser Zeit liegt die Verantwortung des Königreichs bei seinem Volk. Später, als Petrus Ihn als den Christus bekennt, den Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16), vertraut der Herr ihm die Schlüssel des Königreichs der Himmel an. In diesem Zusammenhang spricht Er auch von dem, was sich davon völlig unterscheidet: Seiner Versammlung. Diese baut Er, und dementsprechend ist sie vollkommen. Liegen die Dinge allerdings in der Hand des Menschen, zeigen sich Schwachheit und Verdorbenheit, bis schließlich unser Herr kommt und sein Königreich in Macht und Herrlichkeit aufrichtet und darüber herrscht.
Wohl wissend, was Ihn erwartet, zeigt Er sich vor seiner Kreuzigung noch einmal seinem geliebten irdischen Volk. Er hält einen triumphalen Einzug in Jerusalem und erfüllt damit die Prophezeiung aus Sacharja 9: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig auf einer Eselin reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen des Lasttiers“ (Mt 21,1-11).
Der König tritt also in die „Stadt des großen Königs“ (Mt 5,35) ein – nicht in Pracht und Herrlichkeit, sondern in der schlichten Gestalt, die so völlig zu dem passte, der sich selbst erniedrigt hatte, um der Diener für die Bedürfnisse des Menschen zu werden.
Und scheinbar sind die Menschen bereit Ihn anzuerkennen und als König in Empfang zu nehmen. Sie rufen: „Hosanna dem Sohn Davids“, während seine Jünger ihre Kleider ausziehen, um sie zusammen mit Palmzweigen auf dem Weg vor Ihm auszubreiten. Selbst die Kinder rufen laut in den Straßen. Steht Er also tatsächlich im Begriff, als König anerkannt und angenommen zu werden? Sind sie bereit, Ihn mit dem Purpurgewand zu schmücken? Doch nein – und wie schade für den Menschen, für Jerusalem und Israel! Sie erkennen die Zeit ihrer Heimsuchung nicht und schon bald treten an die Stelle der Jubelrufe die wütenden Schreie „Weg mit diesem!“, „Kreuzige ihn!“ (Lk 23,18.21). Unser geliebter Herr wusste wohl, dass es so kommen würde, und gibt ihnen die Gleichnisse von dem verworfenen König („Dieser ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten“), und. von dem Volk, das Ihn verwirft, im Bild des Mannes, der sich ohne Hochzeitskleid unter die Hochzeitsgesellschaft des Königssohnes mischt, während er Ihn gleichzeitig ablehnt – Christus, das beste Kleid, der ihn allein für die Gegenwart Gottes passend machen konnte (Mt 22,1-14).
So finden wir durch das ganze Evangelium hindurch die purpurne Stickerei seines königlichen Charakters. Damit stimmt auch die letzte prophetische Rede (Mt 24-25) überein: „Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden“ (Mt 25,31). Wir sehen die Herrlichkeit des Königs auf dem Thron, der mit seinen Augen alles Böse zerstreut (vgl. Spr 20,8).
In den abschließenden Szenen, seiner Gefangennahme, seinem Prozess und seiner Kreuzigung, strahlt der königliche Purpur immer noch hell hervor. Im Garten Gethsemane, als Petrus in kümmerlicher Verteidigung des Herrn sein Schwert zieht, erinnert ihn der König an die Armee der himmlischen Heere, die Ihm zur Verfügung stehen: „Oder meinst du, dass ich nicht meinen Vater bitten könnte und er mir jetzt mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde?“ (Mt 26,53). Aber Er war nicht gekommen, um eine Schlacht gegen den Menschen zu führen, nicht einmal gegen seine Feinde, sondern gegen die Sünde, und diesen Kampf muss Er alleine führen. Nach diesem herrlichen Sieg wird die königliche Erscheinung wunderbarer als je zuvor ausfallen.
Er wird von Pilatus mit den Worten herausgefordert: „Bist du der König der Juden?“, und antwortet: „Du sagst es“ (Mt 27,11). Die Soldaten ziehen Ihm aus Hohn den scharlachroten Mantel an „und sie flochten eine Krone aus Dornen und setzen sie ihm aufs Haupt und gaben ihm einen Rohrstab in die Rechte; und sie fielen vor ihm auf die Knie und verspotteten Ihn und sagten: Sei gegrüßt, König der Juden“! Wir greifen genau diese Worte auf, die sie in Gotteslästerung aussprachen, und machen sie zum Ausdruck dessen, was göttlich wahr ist: Ja, in der Tat ist Er ein gekrönter König und die Dornenkrone ist jetzt die Krone der Herrlichkeit. Weiter schreiben sie seine Anklage über das Kreuz (tatsächlich die Wahrheit darüber, wer Er war, denn welche Anklage konnte es gegen den Vollkommenen geben?): „Der König der Juden“. Sie hängen Ihn anstelle von Barabbas, der ein Mörder war, zwischen zwei Diebe, obwohl Er „nichts Ungeziemendes getan“ hatte (Lk 23,41). Ja, dies ist „Jesus, der König der Juden“.
Genau davon hängt in Matthäus alles ab. Mit einem König hoffte das Volk jemand zu haben, der es ihnen ermöglichen würde, das römische Joch abzuwerfen und ihr Reich in Macht aufzurichten. Ein solches Königreich hätte Barabbas ihnen gegeben, wenn er es gekonnt hätte. Aber ein Königreich gegründet auf Gerechtigkeit und Gericht, von dessen König gesagt werden konnte: „Gerechtigkeit hast du geliebt und Gottlosigkeit gehasst“ (Ps 45,7) war nicht der Mann nach ihrem Herzen. Den Mann, der als Zeuge Gottes hier war, der von der ganzen Wahrheit zeugte, – so beschämend und demütigend sie auch war –, der die Sünde der Führerschaft tadelte, den konnten sie nicht ertragen; eher einen Mörder als „diesen“. Gepriesen sei Gott, Er ist auch der König der Gnade – und die geringen, armen und hilflosen Sünder, die Ihn suchen, erkennen, dass seine Wahrheit und Gerechtigkeit für sie ist.
Bis zuletzt sehen wir Ihn als König. Im Augenblick des Todes lesen wir: „Jesus […] gab den Geist auf“ (Mt 27,50 – wörtlich: „entließ den Geist“); solch ein Wort ist einem König angemessen. So finden wir den Purpur durch das ganze Evangelium hindurch. In der Auferstehung ist Er immer noch der König, dessen Sieg über den Tod von einem mächtigen Engel voll Majestät verkündet wurde. Als Er seine kleine Jüngerschar um sich versammelt, verkündet Er: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde“, und sendet sie aus, um sein Königreich bis zu den entferntesten Enden der Erde auszubreiten, denn Er, der König, wird mit ihnen sein, bis das Zeitalter der Gnadenzeit endet und das Zeitalter seines Königreichs und seiner Macht anbricht (Mt 28,18-20).
Scharlach – durch Leiden und Tod zum Herrscher der Welt
Damit kommen wir zur letzten Farbe, dem Scharlach oder Karmesin. Wie bereits erwähnt, gibt es vieles, was mit Purpur übereinstimmt, aber lasst uns sehen, ob wir in der Schrift auch unterscheidende Merkmale finden können. In seiner Klage über Saul ruft David die Töchter Israels auf, um den zu weinen, der sie in Karmesin kleidete (2. Sam 1,24). Die „tüchtige Frau“ in Sprüche 31,21 kleidete ihr Haus ebenso. In 4. Mose 19, im bekannten Vorausbild der roten jungen Kuh, haben wir einen ähnlichen Gebrauch des Wortes Karmesin. Nachdem die junge Kuh geschlachtet und das Blut vergossen war, wurde sie außerhalb des Lagers verbrannt, und wenn sie brannte, wurden „Zedernholz und Ysop und Karmesin“ in das Feuer geworfen (4. Mo 19,6). Die Zeder und der Ysop sind die beiden Extreme in der Pflanzenwelt: Salomo redete „über die Bäume, von der Zeder, die auf dem Libanon ist, bis zum Ysop, der aus der Mauer herauswächst“ (1. Kön 5,13). Sie stehen daher für das Höchste und Niedrigste in der Welt, während Karmesin für die Pracht der Welt, d.h. für ihre Herrlichkeit, steht.
Im Buch der Offenbarung haben wir eine Stelle, wo die Farbe in einer bezeichnenden Art und Weise verwendet wird. In Kapitel 17,3.4 sehen wir, wie die Frau auf dem scharlachroten Tier sitzt und außerdem mit Purpur und Scharlach bekleidet ist. Sie verkörpert die falsche Kirche und nicht die „keusche Jungfrau“, die himmlische Braut, die Christus verlobt ist. Sie reißt wohl deren Namen an sich, ist aber in Wirklichkeit von der Erde und voll von allen Abscheulichkeiten. Sie ist mit den herrlichen Farbtönen irdischer Pracht angetan, während die wahre Kirche in bescheidenem Gewand umhergeht, sogar häufig Sacktuch trägt, und auf ihre prächtige Kleidung wartet bis der Bräutigam kommt.
Diese Schriftstellen zeigen uns die eine Anwendung der Farbe – den Prunk und Glanz der Erde. Aber das Wort wird auch noch in einer ziemlich gegensätzlichen Art und Weise verwendet, selbst wenn es eine Verwandtschaft gibt: „Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, wie Schnee sollen sie weiß werden“ (Jes 1,18). Das vollständige Wort für Scharlach ist Tolaath shani, „Scharlachwurm“. Es kann sein, dass shani, d.h. Scharlach, „doppelt“ bedeutet und auf die doppelte Färbung hinweist, aus der Scharlach hervorgeht. Dann würde es ein starkes Indiz dafür sein, dass der Stolz und die Herrlichkeit des Menschen eng mit der doppelten Färbung der Sünde verbunden sind.
Mit dem Wort für „Wurm“ sind jedoch andere Gedanken verknüpft. Die scharlachrote Farbe wird aus coccus cacti, aus der Cochenille, gewonnen. In Psalm 22 sagt unser heiliger Herr inmitten seiner Schmerzen als Sündopfer am Kreuz: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mann“ (Ps 22,7). Dies ist das Wort, das in Zusammenhang mit Scharlach gebraucht wird, wie wir gesehen haben. So wurde unser Herr, „der Sünde nicht kannte“, „für uns zur Sünde gemacht“ (bzw. zum Sündopfer; 2. Kor 5,21). Er hat den Platz eingenommen, den wir verdienten. Er nahm den Platz eines Wurmes ein, ging in den Tod, zertreten unter dem Zorn und Gericht Gottes. Sein kostbares Blut wurde vergossen, um unsere scharlachroten Sünden hinwegzutun.
Aber durch eben dieses Leiden bis in den Tod hat Er einen Platz höchster Herrlichkeit gewonnen und Ihm gehören die Königreiche und die Herrlichkeit der ganzen Welt. Da, wo Sünde und Selbstsucht herrschten, hat Er das Recht und die Macht erworben, zu regieren. Wo immer Er im Glauben anerkannt wird, nimmt Er Wohnung in diesem Gläubigen und regiert – unterwirft, herrscht, leitet. Der Glaube sieht Ihn nun „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,9). Eines Tages wird diese Erde der Schauplatz seiner Herrlichkeit sein. Der scharlachrote Mantel wird Den bekleiden, der allein das Recht dazu besitzt – weder eine abgefallene Kirche noch eine gottlose Weltmacht. Der Vater gibt den Mantel in die Hände dessen, der ihn sich erworben hat.
Während wir im ersten Teil von Psalm 22 sein Leiden bis in den Tod der Sünde wegen vor uns haben – die scharlachrote Farbe –, finden wir Ihn am Schluss mit Scharlach bekleidet: Königliche Herrschaft und Pracht. „Alle Enden der Erde“ – nicht nur Israel – „werden sich erinnern und zu dem Herrn umkehren; und vor dir werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen“ (Ps 22,28). Dies, so glauben wir, zeigt uns die grundsätzlichen Gedanken der Schrift über Scharlach.
Es gibt noch eine andere und ernste Bedeutung dieser Pracht des Scharlachs. Wenn der Sohn des Menschen mit den himmlischen Heerscharen erscheint, wird Er „bekleidet [sein] mit einem in Blut getauchten Gewand“ (Off 19,13). Der Scharlach ist die ernste Zusicherung, dass Er seine Feinde richten muss und richten wird. „Doch diese meine Feinde, die nicht wollten, dass ich über sie herrschen sollte, bringt her und erschlagt sie vor mir“ (Lk 19,27). Ebenso in Jesaja 63,1 wo wir den Sieger sehen, wie Er in Triumph vom Gericht über seine Feinde zurückkehrt: „prächtig in seinem Gewand, der einherzieht in der Größe seiner Kraft“. Aber sogar dort wird das Gericht als sein „befremdendes Werk“ angesehen (Jes 28,21) und Er spricht von sich selbst als „mächtig […] zu retten“ (Jes 63,1).
Scharlach im Markusevangelium
Unsere nächste Frage lautet: Gibt es ein Evangelium, das unseren Herrn entsprechend der Gedanken vorstellt, die wir mit Scharlach verbunden haben? Markus ist das einzige verbleibende Evangelium, aber entspricht es dieser Farbe? Es ist bekannt als das Evangelium des vollkommenen Knechts, so wie Matthäus das Evangelium des Königs ist. Wir sehen Ihn im Markusevangelium die Stellung des Knechts einnehmen, und inmitten der Not dienen, wo immer sein Mitleid und seine Liebe erbeten wurden. Er steigt an den niedrigsten Ort herab und wird dann zum höchsten Ort erhöht. Am Schluss von Kapitel 8 und zu Beginn von Kapitel 9 haben wir die beiden Gedanken seines Leidens und seiner Herrlichkeit miteinander vermengt. „Und er begann sie zu lehren, dass der Sohn des Menschen vieles leiden und verworfen werden müsse von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und dass er getötet werden […] müsse“ (Mk 8,31). Er wird abgelehnt, verachtet und unterdrückt: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mann“ (Ps 22,7). Schauen wir nun Vers 38 an: „Denn wer irgend sich meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht“ (die stolze religiöse Welt, die sich in Scharlach kleidet) „dessen wird sich auch der Sohn des Menschen schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln“. Hier wird der Scharlach von dem getragen, der das Recht dazu besitzt.
Wir finden eine Darstellung der Herrlichkeit des Herrn im nächsten Kapitel: „Wahrlich, ich sage euch: Unter denen, die hier stehen, sind einige, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie das Reich Gottes, in Macht gekommen, gesehen haben“ (Mk 9,1). Dann kommt die Verwandlung: Seine kommende Herrlichkeit wird offenbart als eine Zusicherung an seine Jünger, dass sich all diese Dinge erfüllen werden.
Im zehnten Kapitel finden wir wieder die Vorhersage seiner Verwerfung und seines Todes. In unmittelbarer Verbindung damit haben wir die Bitte der Söhne des Zebedäus, Ehrenplätze in seinem Königreich zu erhalten. Es ist leider bezeichnend, dass sie, als Er von seinen Leiden spricht, mit ihrer eigenen Würde in Verbindung mit seiner Herrlichkeit beschäftigt sind. Bis nach der Auferstehung scheinen sie die Notwendigkeit des Kreuzes vor der Herrlichkeit nicht verstanden zu haben. Das wurde zuletzt ein schwerer Schock für sie. Sogar unter dem Schatten des Kreuzes, beim letzten Abendmahl, gab es unter ihnen eine Auseinandersetzung, wer von ihnen der Größte sein sollte. Lasst uns daran denken, dass dies für uns nur natürlich ist, solange der Glaube nicht wirksam ist.
Die Söhne des Zebedäus begehrten den Scharlach – in Pracht und Würde der Macht bekleidet zu sein – aber unser Herr würde ihnen Scharlach in einer Weise geben, die ihren Stolz nicht fördern würde. Sie würden von seinem Kelch trinken und mit seiner Taufe getauft werden. Sie würden an seinen Leiden und seiner Verwerfung teilhaben – natürlich nicht an den sühnenden Leiden. Dies war alles, was Er ihnen hier versprechen konnte, und es würde ihre Ehre und Herrlichkeit sein (als solche schätzten sie es später auch selbst wert), um seinetwillen zu leiden. Als die anderen Jünger über diese beiden unwillig werden, eifersüchtig auf das, was auch sie als besondere Ehre ansahen, sagt unser Herr zu ihnen: „Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45).
Wir beobachten also, dass der Weg des Herrn und der seiner Diener zuerst durch Leiden und Ablehnung führt und danach zur Herrlichkeit. Die Vorstellung der Welt von Scharlach ist Herrlichkeit ohne Leiden und damit genau das Gegenteil der Gedanken unseres Herrn. Seine prophetische Rede betont die gleiche Wahrheit.
Wenn wir zu seinem Tod kommen, ist das kennzeichnende Merkmal seines Leidens, dass Er von Gott verlassen ist. Wir sehen den Heiligen zur Sünde gemacht – „ein Wurm und kein Mann“ –, damit diejenigen, die tiefer als Würmer standen, in die Schönheit des Herrn gekleidet werden könnten.
Seine Auferstehung ist die göttliche Antwort darauf, dass Er verlassen worden war. „Der Herr nun wurde […] in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes“ (Mk 16,19). So ist Er in seine Herrlichkeit eingegangen, und der demütige Knecht und Sündenträger ist, wie die Welt eines Tages sehen wird, in die Herrlichkeit gekleidet, die Ihm rechtmäßig zusteht. Er lehnte es ab, sie anders zu erhalten, sondern erwarb sie sich durch das Kreuz, damit auch wir sie mit Ihm teilen könnten.
Zusammenfassend halten wir fest:
· Der gezwirnte Byssus, der von seiner heiligen, fleckenlosen Menschheit spricht, wird im Lukasevangelium dargestellt.
· Das Blau seines göttlichen und himmlischen Wesens finden wir bei Johannes.
· Der Purpur zeigt seine Königswürde zeigt, wie in Matthäus.
· Der Scharlach erinnert uns an seine Erniedrigung und die danach folgende Herrlichkeit, wie wir sie in Markus sehen können.
Diese verschiedenen Materialien wurden in „Kunstweberarbeit“ zusammengefügt, wörtlich im „Werk eines Denkers“. Die Cherubim wurden nach einem festgelegten Plan aus den vier betrachteten Materialien gearbeitet, gestickt oder gewoben. Das Leben unseres Herrn, das der vollkommene Ausdruck seiner Person war, war ein wunderschönes, einheitliches, vollkommenes Ganzes. Sein Leben war das Werk eines „Denkers“ – dessen ganzer Gedanke und ganzes Sinnen und Trachten es war, Gott zu verherrlichen und sein Wesen zu offenbaren. So haben wir auch in der Aufzeichnung dieses Wesens und Lebens das vollkommene Werk des Heiligen Geistes. Die vier Farben, alle miteinander verwoben und vermengt, wie wir es in den vier Evangelien sehen, sind sein Werk. Jedes davon ist vollkommen durchdacht, und dies offenbart gleichzeitig den Herrn und die göttliche Fähigkeit des Heiligen Geistes, der Ihn dargestellt hat. Wie zurückhaltend sollte jedes menschliche Werkzeug sogar beim Sprechen über diese Dinge sein, damit nichts das „Muster“ stört, das so vollkommen erdacht und ausgeführt ist.
Was wir betrachtet haben, sind Themen, die das Herz zu Anbetung und Lob bewegen können. Mögen wir innerlich davon beherrscht und gefüllt sein und unsere Herzen von der Liebe und Freude brennen, die der Geist gibt.
Fußnoten
- 1 Das hebräische Wort für Byssus ist schesch, abgeleitet von einer Wurzel, die „weiß“ oder „strahlend“ bedeutet. Es war der „Byssus“ ägyptischer Herkunft, weiß, fein und kostspielig. Er wurde durch hochrangige Personen getragen (1. Mo 41,42) und war ein gängiger Handelsartikel. Es war wohl ein leinenartiger Stoff. (Anmerkung des Übersetzers: In der englischen Übersetzung (KJV) wird das Wort mit „Leinen“ übersetzt. Deshalb zieht der Autor zur Erklärung der symbolischen Bedeutung auch Stellen heran, in denen andere hebräische Wörter für Leinen vorkommen.)
- 2 Zitat aus einer Strophe des Liedes „When all thy mercies, O my God”.
- 3 Das hebräische Wort für Blau bzw. blauen Purpur ist tekhelet, wörtlich „ein Schalentier“, das ein Färbemittel von sattem Violettblau liefert. Während das Blau also überwog, enthielt es auch einen Anteil von Rot. Es ist ebenfalls bemerkenswert, dass es aus tierischem Leben gewonnen wurde. Es wurde für prächtige Kleidung ranghoher Personen verwendet (Hes 23,6; 27,7.24).
- 4 Vgl. Lied 150, Strophe 4 der „Spiritual Songs“: In Deines Wesens höh‘re Höhn dringt kein erschaff‘ner Sinn, der Vater nur erkennt den Sohn, Er zieht zu Dir uns hin, und Deines Namens Lieblichkeit, der Geist uns kündet allezeit.