Die Stiftshütte - ihre Bedeutung und Symbolik
Vortrag 12: Der Sühndeckel
2. Mose 37,6-9
Einleitung
Der Sühndeckel war, wie schon kurz beschrieben, eine Abdeckung über der Lade und stimmte mit ihr in Länge und Breite überein. Er bestand aus reinem Gold, und an seinen beiden Enden waren aus demselben Stück heraus Cherubim getrieben. Sie bildeten somit einen Teil des Sühndeckels. Diese symbolhaften Gestalten überschatteten mit ihren Flügeln den Sühndeckel, während ihre Gesichter darauf herabblickten.
Kein Götzenbild, sondern ein Manifest des unsichtbaren Gottes
Man erzählt sich, dass die Nationen etwas hatten, das der Lade und dem Sühndeckel mit seinen Cherubim ähnelte – allerdings von bizarrem und abstoßendem Charakter war. Es ist sehr bezeichnend, dass auf dem Deckel solcher heidnischer Laden ein Götzenbild stand, auf dem die anbetenden Blicke der Cherubim ruhten. „Ihre Götzen sind Silber und Gold, ein Werk von Menschenhänden“ (Ps 115,4). Es hatte Hände, Augen, Lippen; war aber ohne Kraft, ohne Kenntnis, und konnte kein Wort reden – ein elendes Menschengebilde. Wie unwürdig gegenüber dem wahren Gott, dem Schöpfer und Herrn des Weltalls! Bei Ihm sind Kraft, Kenntnis und Weisheit. Und: „Der das Ohr gepflanzt hat, sollte er nicht hören? Der das Auge gebildet hat, sollte er nicht sehen?“ (Ps 94,8.9).
Aber auf dem Sühndeckel war keine Darstellung Gottes. „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24). In welch göttlicher Übereinstimmung mit seiner ganzen Wahrheit ist es, dass Gott in jenen Tagen bruchstückhafter Offenbarung, in den Tagen der Vorbilder und Schatten, mit großem Eifer über die menschlichen Auffassungen seines unendlich herrlichen Wesens wachte, und keine Ähnlichkeit zu den allgemein unter den Heiden so verbreiteten Darstellungen zuließ.
Man sagt, dass Israel nur eine Stufe in der natürlichen Aufwärtsentwicklung des menschlichen Geschlechts sei. Aber wo lernten die Israeliten, alle Götzen wegzutun? Wie hätten sie, oder wie hätte Mose von selbst auf den Gedanken kommen können, dass Gott unendlich groß und allmächtig, aber nicht greifbar ist? Es gibt nur eine wahre Antwort: Es hat Gott gefallen, sich zu offenbaren. Und wie geduldig und sorgfältig hat Er diese Lektion stets wiederholt.
Man sagt, dass Jahwe (Herr) bloß die Bezeichnung für eine der vielen Stammes-Gottheiten war, von denen jede Nation mindestens eine hatte. Aber wie ist das in Einklang zu bringen mit Worten wie diesen: „Siehe, des Herrn, deines Gottes, sind die Himmel und die Himmel der Himmel, die Erde und alles, was in ihr ist“? (5. Mo 10,14). Das lässt überhaupt keinen Raum für irgendeinen anderen Gott – wohl aber für Dämonen, die unter Satans Führung in der Verehrung der heidnischen Gottheiten an vorderster Stelle stehen: Was die Nationen opfern, opfern sie den Dämonen und nicht Gott (1. Kor 10,20).
Wo hätte ein Mensch oder ein Volk, umgeben vom Götzendienst Ägyptens, Unterweisungen wie die folgenden empfangen können? „So hütet eure Seelen sehr – denn ihr habt keinerlei Gestalt gesehen an dem Tag, als der Herr am Horeb mitten aus dem Feuer zu euch redete –, dass ihr euch nicht verderbt und euch ein geschnitztes Bild macht, das Gleichnis irgendeines Bildes, das Abbild eines männlichen oder eines weiblichen Wesens, das Abbild irgendeines Tieres, das auf der Erde ist, das Abbild irgendeines geflügelten Vogels, der am Himmel fliegt, das Abbild von irgendetwas, das sich auf dem Erdboden regt, das Abbild irgendeines Fisches, der im Wasser unter der Erde ist; und dass du deine Augen nicht zum Himmel erhebst und die Sonne und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, siehst und verleitet wirst und dich vor ihnen niederwirfst und ihnen dienst, die der Herr, dein Gott, allen Völkern unter dem ganzen Himmel zugeteilt hat“ (5. Mo 4,15-19).
Die letzten Worte dieses Abschnitts hat man mit der historisch-kritischen Methode zu der Aussage verkehrt, Mose habe gedacht, dass Gott das Himmelsheer den Nationen als Gottheiten gegeben habe, während man ohne eine so verdrehte Denkweise gleich versteht, dass gemeint ist, dass die Himmelskörper als Lichtträger das gemeinsame Teil aller Menschen sind. Als Teil von Gottes Schöpfung zeugen sie von seiner Macht und Fürsorge für die ganze Menschheit. Welch eine Verblendung, darin etwas anderes zu sehen!
Die Lade war daher mit dem Sühndeckel und den zugehörigen Cherubim kein Götzenbild, sondern betonte, dass Gott, der Himmel und Erde erfüllt, ein Geist ist und doch gekommen, um inmitten seines Volkes zu wohnen und sich ihm überall dort zu offenbaren, wo es den Glauben gab, der Ihn erfassen konnte.
Der Kranz – Christus gekrönt
Oben auf der Lade war, wie wir gesehen waren, ein Kranz aus Gold, der wohl einem doppelten Zweck diente: Der Verzierung der Lade und der sicheren Einfassung des Sühndeckels. Dieser Kranz aus Gold stellt auf treffende Weise unseren nun verherrlichten Herrn vor. „Wir sehen aber Jesus […] mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,9). Mit göttlichem Wohlgefallen hat sein Gott und Vater Ihn, der seinetwegen Hohn getragen hat, verherrlicht (Ps 69,7). Und der Glaube sieht Ihn, dessen Aussehen einst mehr als irgendeines Mannes entstellt war (Jes 52,14), jetzt in all der Schönheit, Erhabenheit und Herrlichkeit des Himmels. Das ist Gottes Bestätigung der Annahme des Erlösungswerkes, das unser Herr so gnädig unternommen und so vollkommen ausgeführt hat. Er, der sich selbst als sühnendes Opfer für Sünder auf dem Kreuz gegeben hat, der als das Sündopfer von Gott verlassen war, gewissermaßen der äußersten Finsternis übergeben, ist nun auf den Thron der Herrlichkeit gesetzt. So führt uns dieser Kranz zur Bedeutung des Sühndeckels hin.
Reines Gold – vollkommen göttlich und ewig
Der Sühndeckel war aus reinem Gold. Das Wort „rein“ (es wird sowohl für Metalle verwendet als auch für moralische Reinheit, siehe Spr 15,26; Jer 33,8) soll darauf hinweisen, dass es keine Verunreinigungen enthielt. Nichts ist mit dem vermischt, was den Ansprüchen göttlicher Herrlichkeit genügen muss. Es erinnert uns daran, dass sich keine menschlichen Gedanken eindrängen dürfen, wo „alles von Gott“ ist (2. Kor 5,18). Sein Wort, sein Wille und seine Herrlichkeit allein haben Bestand, auch wenn es durch seine grenzenlose Langmut auch zeitweise anders scheinen mag. Was auch immer der Sühndeckel darstellt: Es muss göttlich und ewig sein.
Eine gerechte Bedeckung des gebrochenen Gesetzes
Das manchmal auch mit „Gnadenstuhl“ übersetzte Wort bedeutet wörtlich einfach „Decke“ bzw. „Bedeckung“. Wir erinnern uns, dass in Verbindung mit der Lade selbst keine Bedeckung erwähnt wurde (2. Mo 25,10-16). Unser ewig gelobter Herr benötigte keine. Alles stand offen vor den Augen seines Vaters, und so war es zu seinem Wohlgefallen. Der Allwissende konnte in die reinen Tiefen dieses vollkommenen Herzens hineinschauen und erblickte nichts als das, was seinem göttlichen Willen entsprach. Es war wirklich der gebührende Wohnsitz für das Gesetz eines heiligen Gottes. Nur so jemand konnte die Grundlage einer göttlichen „Bedeckung“ sein für solche, die ihrer bedurften.
Es wäre jedoch nicht angemessen, das Wort kapporeth ohne weitere Erklärung mit „Bedeckung“ wiederzugeben. Es leitet sich von der Intensiv-Form des hebräischen Verbs für „bedecken“ ab und stellt daher den Gedanken einer vollständig bewirkten, ewigen Bedeckung vor. In Verbindung mit dem Gold, woraus sie gemacht wurde, spricht es also von einer göttlichen Bedeckung. Menschen denken bei einer Bedeckung daran, etwas zu verbergen, Gottes Gedanke jedoch ist Sühnung: „Wer seine Übertretungen verbirgt, wird kein Gelingen haben“ (Spr 28,13). „Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine […] Ich tat dir meine Sünde kund und habe meine Ungerechtigkeit nicht zugedeckt“ (Ps 32,3.5). Für so jemanden stellt Gott eine vollkommene und ewige Bedeckung bereit. Als der verlorene Sohn bei seiner Rückkehr sagt: „Ich habe gesündigt“, antwortet der Vater: „Bringt schnell das beste Gewand her“ (Lk 15,21-22). Dieser Gedanke einer Bedeckung ist sehr reichhaltig und wird noch weiter unsere Aufmerksamkeit verlangen.
Wie wir gesehen haben, wurde das Gesetz in die Lade gelegt. Die im Gesetz ausgedrückten Grundsätze absoluter Gerechtigkeit gegenüber Gott und Menschen sind die Kennzeichen von Gottes Thron. „Denn gerecht ist der Herr, Gerechtigkeiten liebt er“, und diese Gerechtigkeit muss in völliger Unparteilichkeit gegen jeden Sohn Adams handeln. „Seine Augen schauen, seine Augenlider prüfen die Menschenkinder“ (Ps 11,4). Er „prüft den Gerechten“ und „er wird Schlingen auf die Gottlosen regnen lassen, Feuer und Schwefel“ (Ps 11,4-7). Das Gesetz kann bloß erklären, was wahr und richtig ist. Und so spricht es alle Menschen schuldig: „Darum, aus Gesetzeswerken wird kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden; denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (Röm 3,20). Nachdem es den Menschen als Sünder erwiesen hat, kann das Gesetz als nächstes nur noch die Strafe über ihn aussprechen: „Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben ist, um es zu tun!“ (Gal 3,10). Auf diese Weise schuldig und unter dem Fluch, wartet der Mensch nur noch auf den Vollzug des gerechten Urteils des Gesetzes: „Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buch des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen“ (Off 20,15).
Das ist das unausweichliche Verderben aller Menschen nach dem Urteilsspruch aus Gottes heiligem Gesetz. Der einzige, der aufgrund seiner vollkommenen Gesetzestreue vor Gott hätte bestehen können, ist unser Herr Jesus. Er hätte durch das Gesetz gerechtfertigt werden können, um daraufhin erhöht zu werden und das gerechte Verderben des gesamten Menschengeschlechts zu verkünden. Hat Er es getan? Nein, sein Name sei gelobt! Anstatt der Vollstrecker des Gesetzes zu sein, entblößte Er sein fleckenloses Herz dem Schwert der Gerechtigkeit. Er war ohne Fehl und ohne Flecken, und damit als Stellvertreter geeignet – von unendlichem Wert. Für uns schuldige Menschen ließ Er das Gesetz sein gerechtes Werk an sich selbst statt an den Schuldigen verrichten: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: ‚Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!‘)“ (Gal 3,13). Er trug nicht nur das Gesetz in seinem Herzen, sondern öffnete sein Herz für das Schwert der Gerechtigkeit: „Wegen der Übertretung meines Volkes hat ihn Strafe getroffen“ (Jes 53,8). Wunder der göttlichen Liebe! Dasselbe Herz, in dem das Gesetz in Unzerbrechlichkeit verwahrt wurde, empfing die Strafe dafür, dass der Mensch es gebrochen hat. Nachdem der Sturm des Zorns sich an Ihm erschöpft hat, kann das Gesetz den Sünder, der bei Jesus Zuflucht nimmt, nicht mehr verfluchen.
Hier also haben wir den wahren Sühndeckel – eine göttliche, gerechte, und ewige Decke für das Gesetz Gottes und für den schuldigen, aber glaubenden Sünder. „Gott hat ihn dargestellt als ein Sühnmittel (wörtlich: einen ‚Sühndeckel‘) durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher (d.h. in vergangenen Heilszeitaltern) geschehenen Sünden unter der Nachsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist“ (Röm 3,25-26). Es fällt auf, dass dieser Abschnitt eng mit dem vorhergehenden verbunden ist, der aufzeigt, wie unmöglich es für den Menschen ist, durch das Gesetz gerechtfertigt zu werden (Vers 20). Entsprechend sind die Gesetzestafeln durch den göttlichen Gnadenstuhl bedeckt.
Diese Wahrheiten werden durch die Maße des Sühndeckels noch einmal hervorgehoben: x Ellen (2. Mo 25,17), oder, wie wir in Kapitel XI. gesehen haben, im Verhältnis fünf zu drei. Die Zahl Fünf spricht von der Verantwortlichkeit, der unser Herr Jesus vollkommen entsprochen hat, und die Zahl Drei von göttlicher Fülle und Offenbarung. Wie vollkommen ist jedem göttlichen Erfordernis in seinem Sühnungswerk entsprochen, und wie vollkommen die Herrlichkeit des dreieinen Gottes darin offenbart worden! Infolgedessen ist Gott nun für den Glaubenden, statt gegen ihn zu sein, und das in Übereinstimmung mit all seinen Wesenseigenschaften.
Weil der Sühndeckel dieselben Maße hatte wie die Lade, bedeckte er sie genau. Es gab keine freiliegende Stelle. Das Gesetz war von jedem Blick abgeschnitten. In einem sehr wahren Sinn konnte es nichts gegen das Volk tun, obwohl das Volk es gebrochen hatte. Wird die Notwendigkeit dieser Bedeckung nicht in dem Bericht über die Rückkehr der Lade aus dem Land der Philister angedeutet, die wir schon kurz erwähnt haben? Die Männer von Beth-Semes schauten ehrfurchtslos in die Lade hinein. Zweifellos hoben sie dazu den Sühndeckel an (1. Sam 6,19), und der Herr schlug sie deswegen. Sie nahmen die göttliche Bedeckung hinweg und so erfuhren sie gewissermaßen unmittelbar die Wirkung des Gesetzes. Es wird manchmal gelehrt, dass die Glaubenden zwar nicht unter dem Gesetz als Grundlage ihrer Rechtfertigung stehen, wohl aber als einer Lebensregel. Das heilige Handeln Gottes bei Beth-Semes widerspricht dem und zeigt: „So viele aus Gesetzeswerken sind, sind unter dem Fluch“ (Gal 3,10). Das Gesetz unterscheidet die Menschen nicht. Es enthält Gottes gerechte Forderungen eines vollkommenen Gehorsams im Menschen. Wenn dieser nicht erbracht wird, kann es nur den Fluch aussprechen.
Damit ist aber keineswegs dem Fleisch oder einem gleichgültigen Lebenswandel auch nur der geringste Spielraum gelassen. „Die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (Röm 6,14). Der Apostel erklärt: „Ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe“ (Gal 2,19). Gott zu leben kann sicherlich keine Unheiligkeit bedeuten. „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er, seinen eigenen Sohn in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleisch verurteilte, damit die Rechtsforderung (wörtlich: die gerechten Forderungen) des Gesetzes erfüllt würde in uns, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln“ (Röm 8,3.4). So ist die vom Gesetz beabsichtigte Gerechtigkeit, die das Fleisch nicht erbringen konnte, nun durch den Geist sichergestellt, durch Gnade. Das ist ein Thema von großer Wichtigkeit, das wir hier nur kurz anschneiden können. Wir wenden uns jetzt wieder unserem eigentlichen Thema zu.
Cherubim in der Heiligen Schrift
Wir hatten bereits die Gelegenheit, auf die Cherubim hinzuweisen, sowohl auf den Teppichen und dem Vorhang, als auch auf dem Sühndeckel, aber wir haben es bisher aufgeschoben, ihre Bedeutung aus der Schrift aufzuzeigen.
Die Cherubim wurden, wie wir gesehen haben, mit dem Sühndeckel aus einem Stück getrieben. Das deutet wohl an, dass sie dieselben Wahrheiten verkörpern, die auch im Deckel dargestellt werden, bloß aus einem anderen Blickwinkel. Wir werden uns zunächst eine Reihe von weiteren Schriftabschnitten anschauen, die von den Cherubim sprechen.1
„Er ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen“ (1. Mo 3,24). Hier waren die Cherubim also Wächter, um den Menschen von dem zurückzuhalten, was er verwirkt hatte: seinem Anrecht am Baum des Lebens. Es wird nicht direkt gesagt, dass die Cherubim das Schwert trugen. Da sie unmittelbar in Verbindung damit genannt werden, ist dies jedoch anzunehmen. Der Engel des Herrn mit seinem gezückten Schwert, der Bileam widerstand (4. Mo 22,23), und der Bote der Pest für Israel nach der Sünde Davids in der Zählung des Volkes (1. Chr 21,16) lassen beide an dieses Werk der Cherubim an den Toren Edens denken und mögen weitere Anhaltspunkte zu ihrem Verständnis bieten.
„Und wenn Mose in das Zelt der Zusammenkunft hineinging, um mit ihm zu reden, dann hörte er die Stimme zu ihm reden vom Deckel herab, der auf der Lade des Zeugnisses war, zwischen den beiden Cherubim hervor“ (4. Mo 7,89). Das war in Übereinstimmung mit der früheren Verheißung: „Und dort werde ich mit dir zusammenkommen und von dem Deckel herab, zwischen den beiden Cherubim hervor, die auf der Lade des Zeugnisses sind, alles zu dir reden“ (2. Mo 25,22). So bildeten die zwei Cherubim die Flanken oder Stützen des Thrones Gottes, von dem es heißt, dass Er „zwischen den Cherubim thront“ (2. Sam 6,2). Dort wandte sich Hiskia an Gott, als er um Befreiung von den Assyrern betete (2. Kön 19,15). Siehe auch Psalm 99,1: „Der Herr regiert. Es zittern die Völker. Er thront zwischen den Cherubim: Die Erde wankt“. In Psalm 97,1.2 scheint das für uns übertragen worden zu sein: „Der Herr regiert. Es frohlocke die Erde, mögen sich die vielen Inseln freuen! Gewölk und Dunkel sind um ihn her; Gerechtigkeit und Gericht sind die Grundfesten seines Thrones“. Die Cherubim stellen offenbar die göttlichen Attribute der Gerechtigkeit sowie ihre Ausführung im Gericht dar. Sie bilden die Grundlage jeder wahrhaftigen Regierung, ob von Menschen oder von Gott, und sind die einzige Gewähr der Beständigkeit dessen, was ihrer Macht untersteht. Der Thron der Ungerechtigkeit (a.ü. des Verderbens) kann keine Gemeinschaft mit dem Gott des gerechten Gerichts haben (Ps 94,20). Darum wird Gott ihn umstürzen, bis der gerechte Herrscher kommt, der Gerechtigkeit liebt und Gottlosigkeit hasst (Hes 21,27; Ps 45,7-8). Nur ein solcher Thron kann „immer und ewig“ sein, und der genannte Herrscher ist der wahre Melchisedek, „König der Gerechtigkeit“ und „König des Friedens“, Sohn Davids und zugleich dessen Herr. Er sitzt nun zur Rechten Gottes, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße (Ps 110,1-2). Angesichts eines solchen Herrschers tut das Volk wohl daran, zu zittern und sich im Herzen vor Ihm zu beugen am Tag seiner Gnade, ehe sein Gericht herabfällt. Und doch: Wenn Er die Macht ergreift und herrscht, wird die Erde jubeln und sich freuen. Auf Ihn wartet seine ganze Schöpfung in Hoffnung, denn dann werden die Kinder Gottes offenbart werden in ihrer Freiheit der Herrlichkeit, und die Schöpfung wird von ihrer gegenwärtigen Knechtschaft befreit (Röm 8,21-22).
Der Hauptgedanke, den diese Schriftstellen über die Cherubim vermitteln, ist daher der von Stützen oder Wächtern des Thrones Gottes in seiner absoluten Gerechtigkeit und Ausübung des Gerichts. Wir finden denselben Gedanken in einem anderen Zusammenhang in Psalm 18, wo David sich freut über die Befreiung von all seinen Feinden, und insbesondere von Saul. Davids Gebet wurde in Gottes heiligem Tempel gehört, und von dort erscheint Er ihm zur Befreiung. Die Erde zittert, als ihr Schöpfer hervortritt zur Befreiung seines Geliebten – der ein Bild des wahren Königs ist, der all dem Hass der gottlosen Menschen ausgeliefert war. „Und er fuhr auf einem Cherub und flog daher, und er schwebte auf den Fittichen des Windes“ (Ps 18,11). Es ist, als ob der ewige König für eine Zeit seinen Platz im Heiligtum verlässt, und zum Gericht über seine Feinde erscheint. Der Ausdruck „Er fuhr auf einem Cherub und flog daher“ scheint einen Ausdruck zu erklären, der in Bezug auf den Sühndeckel gebraucht wird: „Und das Muster der Wagen der Cherubim aus Gold, die die Flügel ausbreiten und die Lade des Bundes des Herrn überdecken“ (1. Chr 28,18). Hier sehen wir den Thron als diesen Wagen, auf dem der Herr auszieht, wobei die Cherubim Ihn gleichsam mit unwiderstehlicher Macht durch seine Schöpfung tragen.
Das führt uns zu einer anderen Schriftstelle, an der dieser Gedanke ausgeweitet wird, nämlich Hesekiel 1,4-28. In der Wolke und dem verzehrenden Feuer wird die furchterregende Majestät Gottes sowie der Glanz seiner Herrlichkeit sichtbar (Vers 4). In Verbindung damit erscheinen die „lebendigen Wesen“ – und es sind derer vier, nicht bloß zwei. Mit erstaunlicher Genauigkeit werden sie beschrieben. Sie hatten die Gestalt eines Menschen (Vers 5), was andeutet, dass es vernunftbegabte Wesen sind, allerdings mit vier Gesichtern – eines Menschen, eines Löwen, eines Stieres, und eines Adlers. Die vier Gesichter weisen hin auf Einsicht im menschlichen Gesicht; furchtlose Autorität im Löwen; Stärke im Stier; und rasanten himmlischen Flug im Adler. Die „Fußsohlen wie die Fußsohle eines Kalbes“ deuten auf Standfestigkeit hin, und die Menschenhände und Augen auf den Rädern zeigen, dass der Verstand gegenüber bloßer Gewalt den überlegenen Platz einnimmt. Die Flügel deuten den himmlischen Charakter dieser Wesen an und erinnern uns auf diese Weise an die Engel als die „Gewaltigen an Kraft, Täter seines Wortes, gehorsam der Stimme seines Wortes“ (Ps 103,20). „Die lebendigen Wesen liefen hin und her wie das Aussehen von Blitzstrahlen“ (Vers 14) – Gott macht „seine Diener zu einer Feuerflamme“. Wir sehen augenblicklichen und unverzüglichen Gehorsam auf die Weisungen des Geistes (Vers 12). Dann werden die Räder beschrieben – diese furchterregenden Symbole der Macht Gottes, die ihren unwiderstehlichen Lauf nehmen – sie sind hoch wie die Himmel und tragen den Thron sowie den, der auf dem Thron sitzt, „eine Gestalt wie das Aussehen eines Menschen oben darauf“ (Vers 26).2
Hier haben wir in göttlicher Ausführlichkeit den „Wagen der Cherubim“ (1. Chr 28,18) beschrieben, den Wagen, auf dem der allmächtige Herr in Regierung und Gericht auszieht. Der Thron ist in Bewegung und durchzieht seine ausgedehnte Schöpfung in widerstandsloser Erhabenheit von Ort zu Ort. In engem Bezug dazu steht die Versetzung des Thrones aus seinem Tempel (der durch sündige Menschen verunreinigt wurde, denen es doch anvertraut war, ihn in Ehren zu halten) auf den Wagen, und seine Entfernung aus Jerusalem und weg vom auserwählten Volk. Seine Wegnahme gleicht der Entführung der Bundeslade in den Tagen Elis, aber Tragweite und Ernst des Geschehens sind hier noch viel größer.
Dasselbe Gesicht wird nochmals in Hesekiel 10 beschrieben, und dort werden die „lebendigen Wesen“ auch wirklich Cherubim genannt. Wir sehen die Gerichtsausübung auch in den „Feuerkohlen“, die einer der Cherubim austeilt, damit sie über die Stadt Jerusalem ausgestreut werden (Vers 7). Dann geschieht es: „Die Herrlichkeit des Herrn begab sich von der Schwelle des Hauses weg und stellte sich über die Cherubim“, und „Ikabod“ wurde über das Haus geschrieben, in dem der Gott Israels bis dahin seines Namens gedenken ließ. Ach! Wenn das Herz des Menschen die Quelle lebendigen Wassers verlässt!
Es mag eine Bedeutung darin liegen, dass in der Beschreibung der Cherubim im zehnten Kapitel nicht wie im ersten Kapitel das „Angesicht eines Stieres“ erwähnt wird, sondern das „Angesicht eines Cherubs“ (Vers 14). Der Stier als das wichtigste Geschöpf im Dienst des Menschen könnte die Tatsache hervorheben, dass diese Cherubim Geschöpfe sind und nicht göttlich.
Als nächstes wenden wir uns dem feierlichen Abschnitt im sechsten Kapitel des Propheten Jesaja zu (Jes 6,1-8). Hier finden wir Seraphim3 und nicht Cherubim. Ihre Tätigkeit ist Anbetung und nicht Gericht: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!“ (Vers 3). In der Gegenwart dieser unaussprechlichen Herrlichkeit ist der Prophet bis zum Staub gedemütigt. Er ruft aus: „Wehe mir! Denn ich bin verloren“. Aber es ist die Heiligkeit der Liebe, deren Gericht für die Sünde bereits an einem anderen vollzogen wurde, denn die glühende Kohle vom Altar spricht von einem Feuer, welches das Opfer samt seines Weihrauchs darauf bereits verzehrt hat. Die glühende Kohle berührt die unreinen Lippen (wie die eines Aussätzigen, vgl. 3. Mose 13,45) und reinigt von aller Ungerechtigkeit.
Im neutestamentlichen „Buch der Symbole“ fallen die wesentlichen Kennzeichen von Cherubim und Seraphim in den vier lebendigen Wesen zusammen (Off 4,6-8). Wie die Cherubim werden sie einzeln als Löwe, Kalb, Mensch und Adler beschrieben, und wie die Seraphim erweisen sie dem dreieinen Gott Anbetung. Den Cherubim gleichen sie zudem darin, dass sie mit dem Gericht in Verbindung stehen, das über die Erde kommen wird (Off 6,1 etc.).
Aus den betrachteten Schriftstellen schließen wir, dass diese Wesen symbolhaft für Gottes vernunftbegabte Schöpfung stehen, denn sie erweisen Ihm Anbetung; dass sie mit unbeschreiblicher Macht ausgestattet sind, denn sie laufen mit der Geschwindigkeit eines Blitzes hin und her; und dass sie eng verbunden sind mit dem Thron seiner Regierung und mit der richterlichen Vollstreckung des gerechten Gerichts auf diesem Thron. Aber wir wollen uns diese Tatsachen noch etwas näher ansehen.
Wir können sie nicht als bloß symbolische Darstellungen göttlicher Eigenschaften deuten, denn es ist undenkbar, dass Gott von seinen Wesenseigenschaften angebetet wird, oder dass diese in seiner Gegenwart mit Flügeln verdeckt würden. Nur Wesen mit einem eigenen Bewusstsein können Ihm auf solche Weise ihre Verehrung bringen. Und doch werden diese Wesen in ihrer Funktion mit der Ausübung göttlicher Gerechtigkeit identifiziert. Wir müssen uns hüten, auf Dinge einzugehen, die wir nicht gesehen haben, wozu auch die „Anbetung der Engel“ (Kol 2,18) gehört. Aber das soll uns nicht hindern, alles zurate zu ziehen, was uns nach Gottes Wohlgefallen offenbart ist.
Sowohl das Alte wie auch das Neue Testament sind voll von Abschnitten, die von der Existenz, der Persönlichkeit, und dem Dienst der Engel berichten. Wörtlich heißen sie „Boten“, denn das ist ihre Bedeutung sowohl im Hebräischen als auch im Griechischen, und es gibt keine Zweifel, dass sie himmlische Boten sind. Ihr Wohnort ist im Himmel (vgl. Gal 1,8; 2. Thes 1,7), und sie sind dort als Anbeter und Diener Gottes (Hiob 1,6; 38,7; 1. Kön 22,19). Der letztgenannte Vers lässt beinahe an die Stellung der Cherubim denken: „Ich sah den Herrn auf seinem Thron sitzen und alles Heer des Himmel bei ihm stehen, zu seiner Rechten und zu seiner Linken“. Sie sind um seinen Thron herum aufgeteilt und stehen bereit, seinen Willen zu tun. Engel wurden besonders Aufträge anvertraut, die mit Barmherzigkeit und Gericht zu tun haben: Sie kündigten Abraham die Geburt Isaaks zur bestimmten Zeit an (1. Mo 18,2 in Verbindung mit Heb 13,2). Sie retteten Lot aus Sodom (1. Mo 19,1). Sie dienten Jakob, als er schlief (1. Mo 28,12). In großer Menge waren sie am Sinai und prägten den Dienst des Gesetzes (vgl. Ps 68,18 mit Apg 7,53 und Heb 2,2).
Einen erhabeneren Gedanken haben wir in dem oft erwähnten „Engel des Herrn“ (1. Mo 16,7-13; 22,11; 2. Mo 3,2; 23,20; Ri 2,1 etc.), der in einer Anzahl von Stellen wohl mit dem Herrn selbst gleichzusetzen ist, der in Engelsgestalt erscheint, und an anderen Stellen ein Stellvertreter des Herrn ist. Das ist bedeutsam und führt uns zu dem Gedanken zurück, den wir in den Cherubim gesehen haben.
Die Cherubim scheinen also als symbolische Figuren wohlbekannt gewesen zu sein, die in ihrer zusammengestellten Form die Vereinigung aller geschöpflichen Macht darstellen, und in ihren Flügeln und der engen Beziehung zum Thron Gottes ihr himmlisches, engelsähnliches Wesen zum Ausdruck bringen. Sie waren daher Symbole des Himmelsheers, der Engel, Diener göttlichen Gerichts und göttlicher Gerechtigkeit, verbunden mit Gott als seine Diener in der Regierung der Welt. Als solche sind sie seine Stellvertreter, mit seiner Autorität bekleidet und, soweit nötig, auch mit seiner Macht (vgl. Mt 13,39; 25,31; Mk 8,38 etc.). Sie empfangen keine Anbetung, sondern sind selbst Anbeter. Aber als Beschäftigte in seinem Dienst sind sie seine Repräsentanten, und daher mit der Majestät versehen, die zur Darstellung der Gegenwart Gottes selbst gehört.4
Die Cherubim schauen auf den mit Blut besprengten Sühndeckel
Dass auf diesem Sühndeckel gleich zwei solcher Figuren waren, lässt sie als befähigte Zeugen der Heiligkeit, Gerechtigkeit und Güte Gottes erscheinen. Wir sehen sie dort mit ihren Gesichtern dem Sühndeckel zugewandt, über den sie ihre Flügel ausbreiten. Diese Haltung erinnert uns an 1. Petrus 1,12: „Dinge, in welche die Engel hineinzuschauen begehren“. Es ist, als ob sie voller Bewunderung und Anbetung auf den Deckel der Lade blicken, den Gnadenstuhl. Dieser bedeckte, wie wir gesehen haben, die Tafeln des Gesetzes. Und so waren es nicht diese Tafeln, worauf die Cherubim schauten. Sie waren mit der Verkündigung des Gesetzes inmitten dichter Finsternis, Blitzen und Donner am Sinai verbunden gewesen, und hatten bereitgestanden, Rache zu nehmen für „jede Übertretung und jeden Ungehorsam“. Aber es ist das Blut auf dem Sühndeckel, das den Blick dieser Diener der Gerechtigkeit und des Gerichts gefangen nimmt – das Blut des Opfertieres, das am großen Sühnungstag dorthin gesprengt wurde (3. Mo 16,14). Das Blut spricht von einem Gericht, das bereits an einem Stellvertreter vollzogen worden ist, und es nimmt die anbetenden Blicke dieser heiligen Diener Gottes gänzlich in Beschlag. Statt mit Windeseile oder wie ein Blitz sich auf die Feinde Gottes zu stürzen, beugen sie sich mit bewundernder Anbetung über dem, was davon spricht, dass Gerechtigkeit und Frieden sich „geküsst“ haben (Ps 85,11).
Und die Engel tun wohl, auf dieses Opfer zu blicken! Alle Eigenschaften des Wesens Gottes strahlen daraus hervor: Seine Gerechtigkeit, denn Er hat darin die volle Strafe für die Sünde des Menschen zugemessen; seine Liebe, denn es ist seine Gabe an eine verlorene Welt; seine Weisheit, denn niemand außer Gott hätte einen so wunderbaren Plan ersinnen können.
Wie die Cherubim blicken auch wir voller Bewunderung auf dieses herrliche Zeichen. Wir erinnern uns: „Von den Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hineingetragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“ (Heb 13,11-13). Der Ort größter Entfernung, wo das Opfer verzehrt wurde, bringt uns in die unmittelbarste Nähe des Thrones Gottes. Das Blut des Opfertieres, das außerhalb des Lagers verbrannt wurde, wird in das Heiligtum Gottes hineingetragen. Christus hat „außerhalb des Lagers gelitten“ – nicht bloß außerhalb der Stadt Jerusalem, und nicht nur als von den Juden allein verworfen – sondern auf jenem schmachvollen Kreuz wie an einem Galgen, von der ganzen Welt hinausgeworfen. Dort litt Er den Tod eines Übeltäters, obwohl Er selbst der einzig vollkommene und sündlose Mensch war, der je auf dieser Erde gelebt hat. Aber auch das macht noch nicht die ganze Tiefe der Bedeutung dieses Platzes außerhalb des Lagers aus. Er wurde dort von Gott verlassen (Mt 27,46). Der Zorn Gottes wurde über Ihn ausgegossen, als Er ein „Fluch“ wurde: Er hat den „Kelch“ des Zorns ausgeleert! Oh, welche Tiefe der Liebe und Gnade zu uns Menschen zeigt sich an diesem Kreuz – der Sündlose begibt sich außerhalb des Lagers!
Das Blut auf dem Sühndeckel bekundet, dass Gott das Opfer des Stellvertreters angenommen hat. Der Wert des Blutes ist auf ewig mit dem Thron und mit dessen Gerechtigkeit und Gericht verbunden.
Wenn das Material des Sühndeckels und des säumenden Kranzes der Lade von göttlichen Herrlichkeiten und von Christus spricht, der dort thront, ist das also in Übereinstimmung mit der Bedeutung des Blutes auf dem Gnadenstuhl und dem bewundernden Blick der Diener der Gerechtigkeit und des Gerichts. Alles ist vereint, um den Wert dieser „ewigen Erlösung“ zu bezeugen, die Christus erfunden hat (Heb 9,12). Auch zeigt es die Übereinstimmung des Vorbilds mit der dahinterstehenden göttlichen Wahrheit. Und es lässt uns einen Blick tun auf den seit jeher in Gottes Gedanken vorherrschenden Plan der Erlösung. Er wird auch das Zentrum der himmlischen Schar der Erlösten bilden, denn „inmitten des Thrones“ steht ein „Lamm wie geschlachtet“ (Off 5,6).
Dort ist wirklich der „sühnende“ und immerwährende Ort der Begegnung Gottes mit seiner Schöpfung. Wie sonst könnte ein schuldiger Sünder dem nahen, der zu rein von Augen ist, um Böses zu sehen? Aber durch den Glauben an Christus, dessen Blut die Sühnung von Sünden bewirkt hat, kann der reuige Sünder hinzutreten und dankbaren Herzens beanspruchen, was die göttliche Liebe ihm geradezu aufdrängt. Keine Furcht auf Seiten des Sünders – kein Zorn auf Gottes Seite! Das Gesetz mit seinem zweifachen Zeugnis gegen den Menschen ist groß und herrlich gemacht. Sein gerechtes Urteil hat das Opferlamm getragen. So wohnt Gott nun und für immer inmitten der Lobgesänge seines bluterkauften Volkes (Ps 22,4).
Der Thron der Gnade
Wenn wir dem Gedanken der Lade als einer Truhe etwas weiter nachgehen, können wir sie uns als den Schatz Gottes vorstellen, der endlose Vorräte an Reichtümern für sein Volk enthält. Sie spricht von Christus, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt (Kol 2,9). Zu Ihm, „der allen willig gibt und nichts vorwirft“ (Jak 1,5), können wir für alles kommen, was in dem unermesslichen Ausdruck der „die Erkenntnis übersteigenden Liebe des Christus“ enthalten ist (Eph 3,19). Und dieser Vorrat ist für die Bedürfnisse des Weges bestimmt, wie uns der „Brief des Heiligtums“ sagt: „Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe“ (Heb 4,16). Erhebt und heiligt es nicht all die Erbarmungen Gottes, wenn das Herz begreift, wie alles durch das kostbare Blut Christi erworben ist und damit in Verbindung steht? Gott lehrt uns, so zu denken: „Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?“ (Röm 8,32).
Der Sühndeckel war und ist der Ort der Gemeinschaft. „Dort werde ich mit dir zusammenkommen und von dem Deckel herab […] zu dir reden“ (2. Mo 25,22). Dort zeigt Er deshalb seinen Willen durch sein Wort und seinen Geist – die Offenbarung seiner Liebe und Gnade, seiner Heiligkeit und Majestät. Von der göttlichen Heiligkeit dieses Ortes zeugt die Schrift auf unmissverständliche Weise. Die furchtbare Majestät Gottes und seine vollkommene Heiligkeit haben sich seit jenen Tagen, als Er Mose und Josua befahl, die Schuhe von ihren Füßen zu ziehen, nicht verändert (2. Mo 3,5; Jos 5,15). Möge dieselbe Gnade, die einen solchen Ort der Begegnung bereitgestellt hat, auch unser ganzes Sein bestimmen und uns vor der Lästerung bewahren, diesen heiligen Namen und diesen heiligen Ort mit einem gleichgültigen und ungerichteten Zustand in Berührung zu bringen. Satan ist es, der die unschätzbarsten Segnungen verderben, und selbst die Gnade Gottes in ein Mittel für seine Zwecke verkehren möchte. Sein Gericht wird kommen, und mit ihm das Gericht all derer, die willentlich die Gnade Gottes missbrauchen. „Deshalb, da wir ein unerschütterliches Reich empfangen, lasst uns Gnade haben, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht“ (Heb 12,28-29).
Aber das soll eine demütige Seele, wie sehr sie auch ihre Unwürdigkeit empfindet, nicht von diesem Thron der Gnade abhalten. So ist es stets, und selbst die Kraft zur wahren Beurteilung unseres eigenen Zustandes kommt von Gott. Dieser Thron der Gnade ist ein sicherer Ort – „damit sich vor Gott kein Fleisch rühme“ (1. Kor 1,29). Satan begegnet dort einem, der jede Anklage abweist – unserem „Sachwalter bei dem Vater“ (1. Joh 2,1; Sach 3,1-4). Die Welt samt ihrer Lust wird dort im rechten Licht beurteilt, wo die Freude an der Liebe des Vaters auf ewig das bewusste Teil der Seele ist.
Fußnoten
- 1 Was die Bedeutung des Wortes Cherubim betrifft, gehen die Meinungen der Gelehrten weit auseinander. Manche haben nahegelegt, dass es von einem Wort abgeleitet ist, das „für den gewöhnlichen Gebrauch verbieten“ bedeutet, also den Gedanken des Heiligens enthält. Es würde dann einen Wächter oder Hüter bezeichnen. Ein anderer Gedanke sieht es als Bezeichnung für „jemanden, der hinzunahen darf“. Wiederum andere verbinden es mit dem Wort „Griff“, abgeleitet von einem persischen Wort, das „halten“ oder „greifen“ bedeutet und somit auf den Hüter eines Schatzes hinweist. Es ist auch der Gedanke geäußert worden, dass es sich von einer Wurzel ableitet, die „reiten“ bedeutet, was an einen Streitwagen denken lässt und Psalm 18,10-11 erklären könnte. Ein anderer erwähnt, dass es vom Wort „eingravieren“ abgeleitet ist. Gravuren seien für diese Figuren besonders kennzeichnend. Es würde so eine Verbindung mit dem griechischen und lateinischen Wort für „schreiben“ bestehen. Aber es ist zu bedenken, dass solche Gravuren nur der Ausdruck des bereits Bestehenden waren, und es scheint unnatürlich, der Beschriftung eines Gegenstands statt dem Gegenstand selbst einen Namen zu geben. Zu guter Letzt hat man in dem Wort auch eine Zusammensetzung der Worte für „als Bittsteller“ und „Feinde“ gesehen. Diese Herleitung ist gut möglich und stimmt mit der offenkundigen Bedeutung der Cherubim überein. Aber angesichts der Menge an Vorschlägen zögere ich doch, mich endgültig festzulegen, würde sie allerdings reduzieren auf den letzten sowie den, der das Wort „herzunahen“ darin sieht – die Cherubim sind es, „die Zutritt haben“ und als solche die Wächter der göttlichen Gegenwart sind. Es ist auffallend, dass sie schon so früh in der Schrift erwähnt werden, und dort so, als müssten sie wohlbekannt sein. Es scheint, dass ihr Sinn sich mehr durch ihr Tun erschließt als durch die Bedeutung ihres Namens.
- 2 Die Felgen der Räder waren „hoch und furchtbar“ (Vers 18). Man kann in diesen Rädern eine Beschreibung von Gottes gewaltiger und unermesslicher Schöpfung sehen. Die Erde selbst und alle Himmelskörper sind sphärisch, und ihre Bewegungen kreisförmig. Das Ausmaß ihrer Umlaufbahnen ist nur schwer mit Worten zu beschreiben, die unser begrenzter Verstand fassen kann. Die Umlaufbahn der Erde hat einen Durchmesser von beinahe 300 Millionen Kilometern. Bei Neptun, dem entferntesten Planeten unseres Sonnensystems, sind es 9 Milliarden Kilometer. Aber das Sonnensystem als Ganzes hat eine Bahn von unerforschtem Ausmaß. So dreht sich ein System nach dem anderen um immer neue Mittelpunkte – Räder inmitten von Rädern. Alles geschieht in vollkommener Harmonie, und alles bringt den vollkommenen Willen dessen voran, der als Gott über allem steht. Angesichts dieser Unermesslichkeiten ist die Geschichte der Menschheit fast zu klein, um wahrgenommen zu werden. Wir beugen uns in unserer kümmerlichen Schwachheit vor dem allmächtigen Gott – Vater, Sohn, und Heiliger Geist.
- 3 Die Herkunft des Wortes „Seraphim“ ist umstritten, aber es scheint klar, dass es eine der zwei folgenden Wurzeln hat: „brennen“ oder „groß, vornehm sein“. Wenn wir die erste Bedeutung annehmen, so haben wir darin eine Andeutung des verzehrenden Feuers, und wenn wir die zweite annehmen, dann scheint der Gedanke fürstlicher Würde darin zu liegen – „Fürstentümer und Gewalten“ (Eph 3,10), oder Erzengel (Jud 9).
- 4 In Hesekiel treten die Cherubim, wie wir gesehen haben, besonders in Verbindung mit dem Thron Gottes hervor. In Kapitel 28 finden wir eine andersartige Erwähnung: „ein schirmender, gesalbter Cherub“ (Hes 28,14). So wird der „König von Tyrus“ beschrieben, Sinnbild von Glanz und Macht dieser Welt, und von dem Menschen als ihrem Herrscher. Aber, und darauf haben andere bereits hingewiesen, der wahre Herrscher dieser Welt, ihr „Fürst“, ist Satan (Joh 14,30), und dieser Abschnitt enthält bemerkenswerte Ausdrücke, die auf übermenschliche Würden und Privilegien hinweisen und auf mehr als nur eines Menschen Fall: „Dein Herz hat sich erhoben wegen deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichte gemacht wegen deines Glanzes“ (Vers 17). Solcherart war der durch Stolz bedingte Fall dessen, der eigentlich als eines der höchsten Geschöpfe Gottes in Gericht und Herrschaft mit seinem Schöpfer verbunden gewesen wäre.