Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 8: Der goldene Überzug der Bretter
Einleitung
Wir kommen nun zu dem Gold, das die Bretter völlig bedeckte. Zweifellos enthält es eine göttliche Belehrung für uns. Die Bretter, die Lade und alle Einrichtungsgegenstände in der Stiftshütte waren von außen nicht zu sehen und dementsprechend nur für die Priester und das Auge Gottes sichtbar. Für das Auge des Menschen blieb die göttliche Herrlichkeit unseres Herrn verborgen – nur der Glaube konnte sie unter dem Mantel seiner menschlichen Niedrigkeit wahrnehmen. Bei Gott verhält es sich jedoch genau umgekehrt. Das Akazienholz ist mit Gold überzogen – in den Tiefen seiner Erniedrigung sieht Er seinen Sohn, der Ihm wesensgleich ist. Selbst am Kreuz ist es sein „Genosse“, der geschlagen wird (Sach 13,7). Aber betrachten wir die biblische Grundlage für die Annahme, dass Gold vorbildlich für die göttliche Herrlichkeit steht.1
Gold – ein Bild der Herrlichkeit Gottes
Gold steht für alles, was für den Menschen wertvoll ist. In dieser Hinsicht stellt es die Schrift in einen Gegensatz zu den kostbaren Dingen Gottes. So sagt der Psalmist in Bezug auf die Rechte Gottes (d.h. seinen gerechten Wegen und Geboten, wie sie in seinem Gesetz zum Ausdruck kommen): „sie, die kostbarer sind als Gold und viel gediegenes Gold“ (Ps 19,11). Sprüche 8,10 bestätigt diesen Gedanken mit der Feststellung, dass die Erkenntnis (Gottes) auserlesenem, feinem Gold vorzuziehen ist. Gold ist das, wofür die Menschen arbeiten, für das sie ihre Kraft und Gesundheit einsetzen, die Ruhe und das Glück der Heimat aufgeben und selbst ihr Leben riskieren. Deshalb nennt die Schrift Habsucht (hier die Begierde nach Gold) auch Götzendienst (Kol 3,5), denn dadurch setzt der Mensch das Objekt seines Verlangens an die Stelle des Schöpfers. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Götzenbilder oft aus Gold gemacht wurden – dem nach menschlicher Einschätzung Wertvollsten überhaupt. Gerade in dem Buch, aus dem wir erfahren, wie Gott das Gold zur Darstellung seiner Herrlichkeit einsetzt, lesen wir auch vom goldenen Kalb, das als Repräsentanz des Herrn hergestellt und angebetet wird, sodass Gottes heiliger Name mit Götzenanbetung verbunden wird. Dabei dient das goldene Kalb den Menschen nicht nur als ein Wahrzeichen der Gottheit, sondern sie beten es sogar tatsächlich als ihren Gott an (2. Mo 32,3-4).
Derselbe Götzendienst wiederholt sich bei Gideon, einem der Befreier Israels. Aus den goldenen Ohrringen der besiegten Midianiter fertigt er ein Ephod an, das zum Mittelpunkt der Götzenanbetung und dabei öffentlich mit dem heiligen Namen Gottes verbunden wird (Ri 8,24-27). Bei der Teilung des Königreiches Israels sieht Jerobeam die Gefahr voraus, dass sein Volk zum Haus Davids zurückkehren könnte, wenn ihm gestattet würde, zur Anbetung nach Jerusalem zu gehen. Daher stellte er goldene Kälber zur Anbetung in Bethel und Dan auf (1. Kön 12,26-33). Auch das große Bild, das Nebukadnezar zur Anbetung aufstellen ließ (Dan 3,1), war aus Gold. Es ist zweifellos ein Vorausbild auf den endgültigen Abfall, wenn das „Bild des Tieres“ angebetet wird und Gott in seiner Welt offen verleugnet wird.
„Ihre Götzen sind Silber und Gold, ein Werk von Menschenhänden“, sagt der Psalmist (Ps 115,4) und in Jesaja 2,7-8 spricht der Prophet die Worte: „Sein Land ist voller Silber und Gold […] und sein Land ist voller Götzen“. Die Wurzel des Götzendienstes ist, dass der Mensch das vergöttert, was er für das Kostbarste hält, wonach sich sein Herz ausstreckt und was seiner Ehre dient. Gott wird verdrängt und indem der Mensch das Götzenbild erhöht, erhöht er sich letztlich selbst. Eine schreckliche Erniedrigung ist die Folge, wie uns im ersten Kapitel des Römerbriefes vorgestellt wird (Röm 1,25).
Dennoch heißt es in 1. Mose 2,12 „das Gold dieses Landes ist gut“. Nur dann, wenn es zum Bösen missbraucht wird, entwickelt sich jegliches von Gott Geschaffene wiederum zu einer Quelle des Bösen. Da Gold das Kostbarste ist, das der Mensch besitzt, ist es zu Recht ein Symbol der göttlichen Vorrechte, die er fälschlicherweise einem Götzen gibt. Gold ist also ein Bild der Herrlichkeit Gottes, seiner Eigenschaften wie Gerechtigkeit, Heiligkeit, Weisheit, Macht, Güte und Wahrheit – alles Eigenschaften, welche die Reinheit, der Glanz und die Wertigkeit des Metalls nahelegen. Dass dies keine bloße Vermutung ist, wird in negativer Art und Weise deutlich, wie wir es eben vor uns hatten. Unter Gottes Leitung wurde Gold nämlich auch dort verwendet, wo diese großartigen Tatsachen zum Vorschein kommen sollten. So war der Tempel Salomos als Gottes irdische Wohnstätte bis hin zum Fußboden mit Gold überzogen (1. Kön 6,21-22.30). Und in der Beschreibung der himmlischen Stadt im Buch der Offenbarung wird gesagt, dass sie die Herrlichkeit Gottes hatte und dass sie „reines Gold, gleich reinem Glas“ war sowie ihre Straße „reines Gold, wie durchsichtiges Glas“ (Off 21,11.18.21). Geht es darum, die Erhabenheit Gottes dort zum Ausdruck zu bringen, wo Er sich in seiner ganzen Herrlichkeit offenbart, einer Herrlichkeit, die niemand vollständig erfassen kann, wird Gold als Bild verwendet. Wir sind also zu der Ansicht berechtigt, dass Gold ein Bild der göttlichen Herrlichkeit des Sohnes Gottes ist, so wie Akazienholz von seiner vollkommenen Menschheit spricht.
Die Gottheit des Herrn
Beschäftigen wir uns jetzt ein wenig mit seiner Gottheit. Dazu wenden wir uns dem zu, was das Wort Gottes selbst so deutlich darüber aussagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist“ (Joh 1,1-3). Hier leuchtet das Gold hervor. Es geht um den Schöpfer, denn „alles wurde durch dasselbe“. Es geht um Gottheit, denn „das Wort war Gott“. Diesen Tatsachen können wir nicht entkommen. Wir brauchen uns auch nicht zu fürchten, uns auf diese Wahrheiten vollumfänglich zu stützen. Mehr noch: „Das Wort war bei Gott“. Der Sohn wird als vom Vater unterschieden, aber in gesegneter Verbindung mit Ihm gesehen: Ich war Werkmeister bei ihm und „Tag für Tag seine Wonne, vor ihm mich ergötzend allezeit“ (Spr 8,22-31). „Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass Er, da Er reich (an göttlicher Herrlichkeit) war, um euretwillen arm wurde (2. Kor 8,9). „Der, da Er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete (d.h. etwas Begehrenswertes), Gott gleich zu sein“, d.h. in der äußeren Herrlichkeit oder Zurschaustellung seiner Gottheit (Phil 2,6). Alle, die Gott angehören, geben Ihm göttliche Ehre. In gleicher Weise soll sie jedoch auch seinem Sohn erwiesen werden: „Damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat“ (Joh 5,23). Und im Namen des einstmals gedemütigten Jesus, der jetzt „hoch erhoben“ ist, wird sich einmal jedes Knie (auch das seiner Feinde), beugen (Phil 2,10-11). Das Gold strahlt hier hell hervor, obwohl es eng mit dem Akazienholz verbunden ist.
Die Gottheit des Herrn im Alten Testament
Bekanntlich ist das im Alten Testament am häufigsten verwendete Wort für „Gott“ ein Plural: „Elohim“. Anschließend folgt jedoch immer ein Verb in der Einzahl. Es ist einmal als „Der Plural der Majestät“ erklärt worden. Aber sehen wir im Licht der zitierten und weiterer (noch folgender) Stellen nicht eine Vorschattung der göttlichen Personen in der Gottheit? In 1. Mose 1 wird vom Geist Gottes gesagt, dass Er über der Fläche der Wasser schwebt. Aus Johannes 11 und anderen Schriftstellen wissen wir, dass „das Wort“, der eingeborene Sohn, der „Schöpfer aller Dinge“ ist. Wir können die drei göttlichen Personen (des einen Gottes) bereits in Verbindung mit der Schöpfung sehen. In 1. Mose 1,26 fassen sie gemeinsam den göttlichen Ratschluss „Lasst uns Menschen machen in unserem Bild, nach unserem Gleichnis“ (1. Mo 1,26). Mit wem hätte Er sich besser auf Augenhöhe beraten können, als mit dem, der – zusammen mit dem ewigen Geist – immer bei Ihm und seine Freude war, und der, gelobt sei sein Name, seine Wonne bei den Menschenkindern hatte?
Was die Offenbarung und die Kenntnis über Gott angeht, bildete das Alte Testament die Zeit der Kindheit. Doch jetzt, wo wir das volle Licht der Offenbarung im Neuen Testament besitzen, können wir den goldenen Schimmer des göttlichen Sohnes durchgehend erkennen. Es war Christus selbst, der durch den Geist hinging und vor der Sintflut durch Noah den Menschen gepredigt hat, deren Geister jetzt im Gefängnis sitzen – welch ein ernster Gedanke! (1. Pet 3,18-19). Wer kann in den Worten an Abraham: „Nimm nun deinen Sohn, deinen einzigen Sohn Isaak, den du lieb hast“ (1. Mo 22,2), die Andeutung der unendlichen Liebe Gottes in der Gabe seines eingeborenen Sohnes übersehen? Zweifellos war es genau diese Gelegenheit, bei der Abraham den Tag unseres Herrn sah und sich freute. Und als die Juden ihren Unglauben darüber zum Ausdruck bringen, dass dieser Mensch, der vor ihnen stand, Abraham gesehen haben könnte, bezeugt unser Herr seine absolute Gottheit mit den Worten „Ehe Abraham wurde, bin ich“. Er, der Ewige, in sich selbst bestehende Jahwe (Joh 8,56-58).
Es war die Schmach des Christus, die Mose „für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens“ (Heb 11,26). Es war Christus, der sein erlöstes Volk in der Wüste als Fels begleitete und den sie durch ihren Unglauben versuchten (1. Kor 10,4.9). Es war die heilige Person, die wir als den Christus Gottes kennen, die in Ägypten und während ihres Umherirrens bei ihnen war. Es war Gott, ja Gott der Sohn, der dort bei ihnen war. Das schließt die Gegenwart des Vaters und des Geistes natürlich nicht aus, stellt in diesem Zusammenhang jedoch den ewigen Sohn in den Vordergrund. Und so haben wir in der gesamten alttestamentlichen Geschichte nicht nur Vorausbilder und Prophezeiungen im Hinblick auf den Kommenden, sondern auch Andeutungen auf den Sohn, wenn die göttliche Gegenwart beschrieben wird.
In den Psalmen wird seine Gottheit klar und deutlich gelehrt. Der „König der Herrlichkeit“ wird in Psalm 24,7-10 als „Herr der Heerscharen“ verkündet. Aber dieser König der Herrlichkeit ist auch „mächtig im Kampf“ und identisch mit dem Sieger in Psalm 45, der mit seinem um die Hüfte gegürteten Schwert gesehen wird und dieser wiederum ist niemand anderes als „das Wort Gottes“ (Off 19,11-16). In Psalm 45 wird Er als Gott angesprochen: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig“ (Vers 7).
Wir haben also ein direktes Zeugnis der Gottheit des Sohnes. Dabei ist es der Messias, der an dieser Stelle vor uns kommt – sowohl Mensch als auch Gott. Es ist wunderbar zu sehen, wie das Gold die Form des Akazienholzes annimmt, über dem es liegt. Ja, die „Knechtsgestalt“ verschleierte in den Augen des Vaters nie die göttliche Herrlichkeit. Sie war stets vor Ihm. Vielleicht kommt das in unserem nächsten Zitat so anschaulich vor uns wie in kaum einem anderen Teil der Heiligen Schrift: „Er hat meine Kraft gebeugt auf dem Weg, hat verkürzt meine Tage. Ich sprach: Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage!“ (Ps 102,24-25). Es steht außer Frage, auf wen sich diese Worte und auch der gesamte Psalm beziehen. Das Zitat aus Psalm 102 in Hebräer 1 führt genau die Verse an, die direkt auf die oben zitierten folgen (d.h. Vers 26–28). Es ist das „Gebet eines Elenden, wenn er verschmachtet“ – wie in Gethsemane schüttet der Herr seine Seele mit starkem Schreien und Tränen aus. Er ist allein und leidet unter den Vorwürfen seiner Feinde. Vor allen Dingen aber sieht Er den – völlig unverdienten – Schrecken des göttlichen Zornsfür die Sünden anderer voraus. Das Kreuz wirft sozusagen seine Schatten über den einsam Leidenden. Seine Tage sind gezählt, und wie dunkel ist es für Ihn, auf den der Tod keinen Anspruch hatte, mit der Strafe für Sünde verbunden zu werden, die nicht seine eigene ist!
Und war es für Ihn nicht völlig richtig am Leben festzuhalten? War es nicht ein Zeichen Seiner menschlichen Vollkommenheit, dass Er dies tat, wenn Er diese Seite betrachtete? So spricht Er den Ewigen mit den Worten an: „Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage!“. Seine Worte im Matthäusevangelium sind damit in einer Linie, beinhalten aber zweifellos noch mehr, wenn Er sagt: „Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“ (Mt 26,39). Er wartet anschließend gewissermaßen auf die Antwort Gottes, die wir dann in den folgenden Versen finden. Welche Antwort kann es auf solch eine Hingabe geben, die angesichts eines derartigen Todes sagen kann: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst“? „Du hast einst die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk. Sie werden untergehen, du aber bleibst; und sie alle werden veralten wie ein Kleid; wie ein Gewand wirst du sie verwandeln, und sie werden verwandelt werden; du aber bist derselbe, und deine Jahre enden nicht“ (Ps 102,26-28).
Könnte es eine absolutere Erklärung der Gottheit dieses Heiligen geben? Er ist der Ewige, der Unveränderliche, der Schöpfer aller Dinge, die vergehen werden, während Er bleibt. Dieser Abschnitt zeigt, wie der Geist Gottes von Christus an Stellen spricht, wo wir es kaum vermuten würden. Das Zitat dieses Abschnitts in Hebräer 1 lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass es der Sohn ist, der hier angesprochen wird (Heb 1,10-12).
Dieselbe göttliche Wahrheit – die Gottheit in Verbindung mit der Menschheit unseres Herrn – finden wir auch in den Propheten: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel nennen“, „was übersetzt ist: Gott mit uns“ (Jes 7,14; Mt 1,23). Auch hier ist es Jesus – das Akazienholz – mit dem dieser göttliche Titel verbunden wird.
„Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst“ (Jes 9,5). „Ich kleide die Himmel in Schwarz und mache Sacktuch zu ihrer Decke. Der Herr, Herr, hat mir das Ohr geöffnet, und ich bin nicht widerspenstig gewesen, bin nicht zurückgewichen“ (Jes 50,3.5). Das ganze Kapitel ist eine wunderbare Darstellung dessen, der Gott ist, der sozusagen seine Hände an den Himmel legen konnte und der sich doch als gehorsamer Mensch Gott übergab und Schmach, Speichel und Tod erlitt.
„Siehe, Tage kommen, spricht der Herr, da ich David einen gerechten Spross erwecken werden […] und dies wird sein Name sein, womit man Ihn nennen wird: „Der Herr, unsere Gerechtigkeit“ (Jer 23,5-6). „Und oberhalb der Ausdehnung, die über ihren Häuptern war, war die Gestalt eines Thrones wie das Aussehen eines Saphirsteins; und auf der Gestalt des Thrones eine Gestalt wie das Aussehen eines Menschen oben darauf“ (Hes 1,26). Nur Gott allein kann auf dem Thron Gottes sitzen, weshalb Er (d.h. Christus) in Daniel 7,9 „ein Alter an Tagen“ genannt wird.
„Und du, Bethlehem-Ephrata, zu klein, um unter den Tausenden von Juda zu sein, aus dir wird mir hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll; und seine Ursprünge sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her“ (Mich 5,1). Und in Sacharja 13,7 wird Er, wie wir bereits gesehen haben, der Genosse des Herrn genannt.
Was das Alte Testament angeht, kann es also keine Frage geben, ob der Messias, der Herr Jesus, im vollsten Sinn des Wortes göttlich – d.h. Gott – ist. Wie töricht ist deshalb der Versuch, die göttliche und menschliche Natur in der einen heiligen Person zu trennen! Er ist Mensch, ebenso wie Er vollkommen und stets Gott ist. Dieses Geheimnis besteht. Doch der Glaube beugt sich davor, indem er anerkennt, dass es Tiefen des Lichts gibt, die der Verstand eines Geschöpfes nicht ergründen kann. Stattdessen ruht es in seiner Abhängigkeit von einer Liebe, Weisheit, Macht und Barmherzigkeit, die die Erkenntnis übersteigt.
Die Gottheit des Herrn im Neuen Testament
Wenden wir uns damit dem Neuen Testament zu, um weitere Stellen zu zitieren, die die Gottheit unseres Herrn betreffen, „der das Bild des unsichtbaren Gottes ist, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn durch ihn sind alle Dinge geschaffen worden, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen. Und er ist vor allen, und alle Dinge bestehen durch ihn“ (Kol 1,15-17). Welch ein wunderschöner Abschnitt, in dem uns der Herr in seiner Menschheit als Bild des unsichtbaren Gottes, vorgestellt wird. Christus war das Abbild der moralischen Wesenszüge Gottes in einer Weise, wie sie der erste Mensch nicht einmal zur Zeit seiner Unschuld widerspiegelte. Er ist auch das Haupt der ganzen Schöpfung, der Erstgeborene – nicht der Zeit, sondern der Stellung nach und von Rechts wegen. Und anschließend erfahren wir den Grund dafür: Er ist der Schöpfer aller Dinge. Wenn der Schöpfer in unendlicher Gnade seinen Platz als Mensch in seiner eigenen Schöpfung einnimmt, muss Er schon allein aus dem Grund das Haupt sein, weil Er ihr Schöpfer ist. Er mag seine volle göttliche Herrlichkeit nicht zeigen, dennoch kann Er sich nicht selbst verleugnen (2. Tim 2,13), kann nicht aufhören, Gott zu sein. Hier wird die Blasphemie der „Kenosis“ deutlich – der Lehre, die besagt, dass unser Herr seine Gottheit abgelegt habe, bzw. dass sie bei seiner Geburt praktisch auf nichts reduziert wurde. Wie böse ist doch der Verstand des Menschen, wenn er Gott nicht unterworfen ist und von Satan angeleitet wird. Was für eine schreckliche Lüge ist es doch, dass die „Erkenntnis von Gut und Böse“ den Menschen zu Gott machen könnte! Ungehorsam wird zur Gotteslästerung, wenn der Mensch an die Stelle Gottes gesetzt wird! Die unendliche Gnade Gottes gegenüber verdorbenen und widerspenstigen Sündern liegt jedoch darin, dass Er, Gott der Sohn, als wahrer Mensch auf den Schauplatz des Menschen herabstieg, um die Sünde zu beseitigen, indem Er sich selbst opferte.
Aber zurück zum Thema. Diese starke Kundgebung seiner Gottheit steht in Verbindung mit seiner Menschwerdung. Nicht nur das materielle Universum ist seine Schöpfung, sondern auch alle geistigen Wesen bis hin zu den höchsten Fürstentümern, sind Ihm durch die unermessliche Entfernung der Unendlichkeit unterlegen. „Alle Dinge sind durch ihn geschaffen (Kol 1,16), d.h. Er ist der Urheber ihres Seins, „und für ihn“, d.h. sie bestehen zu seiner Ehre. Das Geschöpf kann niemals für sich selbst sein, ohne völlig zu Grunde zu gehen. Gott allein ist vollkommene Liebe, und der Sohn ist der Mittelpunkt und das Ziel aller Dinge. Nur so kann die Schöpfung zu wahrem Segen gebracht werden. Hierin liegt nun das erstaunliche Werk der Erlösung. Müssen wir uns also wundern, dass Gott die Gottheit und die Menschheit des überaus Herrlichen, der gekommen ist, um dieses gewaltige Werk zu vollbringen, in einem göttlichen Leben und in einer Person miteinander verwoben hat? In Ihm [der Gott und Mensch ist] haben wir die Erlösung, durch sein Blut [der Gott und Mensch ist]. Er hat alle Dinge mit sich versöhnt (Kol 1,20) [denn Er ist Gott und Mensch], durch seinenen Tod [der Gott und Mensch ist]. Und ihr, die ihr einst Feinde wart, hat Er [der Gott und Mensch ist] in dem Leib seines Fleisches versöhnt (Kol 1,21-22). Er, der das Haupt seiner Versammlung ist, ist Gott und Mensch. Die Verbindung mit seiner Schöpfung ist seine Menschheit, seine Menschwerdung. Die Verbindung mit dem sündigen Menschen geschah in seinem Tod. Alles erhält seinen Wert durch seine Gottheit ohne die, das dürfen wir in aller Ehrfurcht sagen, keine Erlösung hätte bewirkt werden können.
Wenden wir uns erneut Hebräer 1 zu: „Welcher, die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit“ – das ist das Gold – „und der Abdruck seines Wesens seiend“ – das ist der Stempel, der die Münze prägt – „und alle Dinge durch das Wort seiner Macht tragend“ – Er ist der Gott der Vorsehung: „Alle Dinge bestehen durch ihn“ (wie in Kolosser 1). Das sind alles göttliche Attribute. Sie könnten keinem anderen als Gott zugeschrieben werden. Stellen wir uns einen absolut vollkommenen Menschen vor: Keine dieser Eigenschaften könnten ihm zugeschrieben werden. Es wäre Gotteslästerung, von einem solchen als „der Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und dem Abdruck seines Wesens“ zu sprechen und als von einem, „der alle Dinge durch das Wort seiner Macht trägt“.
Der nächste Teilsatz stellt uns das Geheimnis seines Todes unmittelbar vor Augen: „nachdem er durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt hat“ (Heb 1,3). Dies geschah, indem sein Blut vergossen wurde. Wessen Blut? Wird an dieser Stelle die Person gewechselt? Wer und was ist dieser, wenn nicht der ewige Sohn Gottes, der Mensch wurde, um die Reinigung der Sünden zu bewirken? Seine Gottheit, einsgemacht mit seiner sündlosen und vollkommenen Menschheit, gab diesem Opfer einen unendlichen Wert. Es geschah durch Ihn selbst. Er, in der ganzen Fülle seiner Gottheit und seiner makellosen Menschheit, war der „Altar, der die Gabe heiligt“ (Mt 23,19). Welchen Wert hätte irgendein anderes Opfer?
All diese Stellen zeigen, wie diese Wahrheit über das Gold, die Gottheit des Sohnes, die ganze Schrift durchzieht. Wir haben nur einige wenige markante Stellen berührt, die von Gott als offenbart im Fleisch (1. Tim 3,16) sprechen. Sogar wenn der Apostel Johannes über den sühnenden Tod des Herrn spricht, sagt er: „das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1. Joh 1,7). Dies ist der ewige Sohn Gottes, mit dem unsere Gemeinschaft ist (1. Joh 1,2). Und derselbe Apostel schließt seinen ersten Brief später, nachdem er von dem Sohn Gottes gesprochen hat, der gekommen ist, mit den Worten: „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (1. Joh 5,20).
Es ist also kein Götzendienst, wenn wir Ihn als Gott ansprechen. Es ist das Heilmittel und die Vorbeugung gegen Götzendienst, wenn das Herz Ihm auf diese Weise unterworfen ist, der einzige Weg, auf dem „Kinder“ sich vor den Götzen hüten können (1. Joh 5,21). Er ist „Gott, gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9,5). Er ist „der Erste und der Letzte, der Lebendige“, der tot war und von Ewigkeit zu Ewigkeit lebendig ist (Off 1,17-18).
Unsere Kenntnis über die Gottheit des Sohnes entnehmen wir jedoch nicht nur „Beweistexten“, wie zahlreich und klar sie auch sein mögen, sondern diese Wahrheit durchzieht die ganze Schrift auf essentielle Art und Weise. Die beiläufigen Hinweise darauf kann man gar nicht zählen. Diese Wahrheit bildet den Grundton aller Harmonien des Wortes. Davon geht alles aus, dorthin kehrt alles zurück und ohne sie könnte es keine göttliche Harmonie geben. Wir können uns eher den Tag ohne die Sonne erklären als das Wort Gottes ohne den göttlichen Sohn.
Der Ort des Goldes – Gottes Herrlichkeit wird im Himmel gesehen
Aber wir müssen das weitere Studium dieses heiligen Themas nun dem demütig gesinnten Gläubigen überlassen, um einen anderen Gedanken aufzugreifen, den das Gold nahelegt. Wir haben gesehen, dass es in der Symbolik des Himmels, in welchem Er sich offenbart, eine herausragende Rolle spielt. Außer im Gericht konnte diese Erde, wo die Sünde ist, nicht der Ort für die Entfaltung der göttlichen Herrlichkeit sein. Deshalb verbarg der Sohn Gottes seine Herrlichkeit, als Er kam, um seinen Auftrag der Liebe auszuführen. Nach seiner Auferstehung erschien Er keinem außer den Seinen. Die Welt wird Ihn bis zu dem Tag nicht mehr sehen, an dem Er in Macht und Herrlichkeit als Richter der Lebenden und Toten erscheint. Dagegen sieht der Glaube Jesus bereits jetzt als mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt (Heb 2,9). Der Ort für die Entfaltung des Goldes ist deshalb in der Herrlichkeit. Entsprechend schmückte es nur das Innere des Heiligtums. Der Glaube tritt jedoch mit Freimütigkeit ein und sieht Ihn auf dem Thron. Und jeder, der aus Gott geboren ist, glaubt, „dass Jesus der Sohn Gottes ist“ (1. Joh 5,5). Es sind solche, die die „Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes, Jesus Christus“ (Tit 2,13) lieben. Es kommt die Zeit, in der der Schleier für immer entfernt wird und die Herrlichkeit des Sohnes sowohl im Himmel als auch auf der Erde bis zum Ende ausstrahlen wird: „Halleluja! Denn der Herr, unser Gott, der Allmächtige, hat die Herrschaft angetreten“ (Off 19,6).
So haben wir versucht, die Bedeutung des Akazienholzes und seines goldenen Überzugs aufzuzeigen – die unverderbliche Menschheit und die absolute Gottheit des Sohnes Gottes. Möge es bereits hier das Thema kostbarer Andachten sein und den Gegenstand unserer Anbetung bilden wie es einmal in Ewigkeit sein wird, wo die Herrlichkeiten Christi einerseits in allem, was vollkommen menschlich ist und andererseits in all dem, was absolut göttlich ist, in einer Person geschaut werden. Dort werden wir den Menschen sehen und uns an dem erfreuen, der gelebt, geliebt und gelitten hat und gestorben ist. Oh, welch ein heiliges Geheimnis liegt darin! Wir schauen mit aufgedecktem Angesicht auf Ihn und erkennen Ihn als das Wort an, das Gott ist, Gott war und immer Gott sein wird!
„Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen noch irgendein Gleichnis dessen, was oben im Himmel und was unten auf der Erde und was im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott“ (2. Mo 20,4.5). Gott wacht eifersüchtig darüber, einem anderen seine Ehre zu geben, aber das unterstreicht nur die Tatsache, dass der Sohn eins mit dem Vater ist. Alle Bilder, die der Mensch machen könnte, können nur zur Eifersucht reizen. Dagegen haben wir im Sohn „das Bild des unsichtbaren Gottes“. Er wacht eifersüchtig über seinem Sohn, „damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren“ (Joh 5,23).
Aller Würden wert geachtet
und mit höchstem Ruhm bedacht
ist das Lamm, das einst geschlachtet,
zu empfangen Kraft und Macht.
Ihm muss alles bald sich beugen,
Himmel, Erde, nah und fern,
Seine Hoheit zu bezeugen,
Ihm zu huldigen, dem Herrn! 2
Fußnoten
- 1 Das Wort, das in Verbindung mit der Stiftshütte für Gold (zahab) verwendet wird, ist das gewöhnliche Wort, das im Alten Testament ca. 350 Mal vorkommt. Man nimmt an, dass die Wurzel dieses Wortes „hell“, bzw. „gelb“ bedeutet, da verwandte Wörter ebenfalls diese Bedeutung haben. Gold wird in der Schrift weniger mit Geld in Verbindung gebracht (was die Archäologie weitestgehend bestätigt), als vielmehr mit Zierelementen und Götzendienst. Stattdessen bildete Silber damals das Zahlungsmittel „gängig beim Kaufmann“ (1. Mo 23,16). Zweifellos hortete man Gold auch als Vermögensgegenstand (vgl. Jos 7,21). Hauptsächlich wurde es aber wohl dazu verwendet (abgesehen vom allgegenwärtigen Götzendienst für den es eingesetzt wurde), um Schmuck herzustellen. Rebekka wurde vom Knecht Abrahams mit Gold geschmückt (1. Mo 24,22) und Joseph wurde als Zeichen seiner Autorität eine goldene Kette umgelegt (1. Mo 41,42). Von den Ägyptern wurden goldene Geräte gefordert (2. Mo 12,25). Unter den Gegenständen, die Israel von den Midianitern erbeutete, befand sich goldenes Geschmeide: Armspangen und Handspangen, Fingerringe, Ohrringe und Spangen. Die Ismaeliter gaben Gideon auf dessen Bitte hin ihre goldenen Ohrringe (Ri 8,22-26). Die Philister fertigten goldene Bilder ihrer Plagen an (1. Sam 6,4.8). Saul zog goldenen Schmuck über die Kleider der Töchter Israels (2. Sam 1,24). Das Gewand der Tochter des Königs bestand aus Goldwirkerei (Ps 45,14) und war vermutlich von gleicher Art wie das Ephod des Hohenpriesters (2. Mo 39,2.3). Jeder seiner Freunde brachte Hiob einen goldenen Ring (Hiob 42,11). Trotz seines Schmucks mit goldenem Geschmeide würde das abtrünnige Israel von seinen Liebhabern geschmäht werden (Jer 4,30), wobei es Gott selbst war, der sie, bildlich gesprochen, damit ausgestattet hatte (Hes 16,13.17). Sein Glanz und seine Schönheit, seine Rost- und Anlaufbeständigkeit, seine leichte Bearbeitbarkeit und andere Eigenschaften machten es zu einem Synonym für Wertigkeit. Es ist bezeichnend, dass genau diese Eigenschaften ins Gegenteil verkehrt werden, wenn sie mit göttlichen Realitäten verglichen werden. „Euer Gold und Silber ist verrostet“ (Jak 5,3). Silber und Gold sind „vergängliche Dinge“, verglichen mit „dem kostbaren Blut Christi“ (1. Pet 1,18-19). In 1. Petrus 1,7 wird es „Gold, das vergeht“ genannt. So sollte auch der „Schmuck“ der Frauen nicht aus buchstäblichem Gold bestehen, sondern aus dem, was für Gott sehr kostbar ist, dem unvergänglichen Schmuck „des sanften und stillen Geistes“ (1. Pet 3,3-4). In seiner vorbildlichen Bedeutung ist es das „im Feuer erprobte Gold“, das der Herr wertschätzt, und das man nur von Ihm allein erlangen kann – von jeglichen Schlacken gereinigt.
- 2 Vgl. Lied 248, Strophe 2 der „Geistlichen Lieder“