Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 2: Gottes Wohnort
2. Mose 25,1-9
Einleitung
Wir begegnen hier einer Liste an Materialien, die für den Bau der Stiftshütte, der Wohnung Gottes, notwendig waren. Es war ein wunderbares Gebäude, das für die Zeit, in der es errichtet wurde, aber auch für alle Zeiten, das Äußerste an Aufwand und Wert darstellte. Es wurden weder Kosten gescheut noch Abstriche bei der prachtvollen Gestaltung gemacht, um die Wohnung Gottes herzurichten. Das Ergebnis war so herrlich und wunderbar, wie es bis dahin kein menschliches Auge je gesehen hatte und zugleich doch passend, um sie in der Wüste zu begleiten.
Als Metalle sollten Gold, Silber und Kupfer verwendet werden. Sämtliches Akazienholz innerhalb der Stiftshütte war mit Gold überzogen, d.h. die Bretter, die Bundeslade, der Räucheraltar und der Schaubrotetisch. Der Leuchter und der Sühndeckel wurden hingegen vollständig aus diesem Edelmetall angefertigt.
Silber bildete das Fundament des Gebäudes, denn jedes Brett ruhte sicher auf zwei silbernen Füßen, die mit Aussparungen versehen waren, in die sich die Zapfen der Bretter einfügten. Dies verlieh der gesamten Konstruktion Festigkeit und Stabilität.
Im Vorhof wurde Kupfer verwendet, sowohl die Füße der Säulen am Eingang der Stiftshütte als auch diejenigen des gesamten Vorhofs waren aus Kupfer. Außerdem wurden das Waschbecken und der Überzug des Brandopferaltars aus diesem soliden und strapazierfähigen Material hergestellt, ebenso wie die diversen Gerätschaften des Altars.
Als nächstes werden die Materialien erwähnt, aus denen die Teppiche hergestellt wurden: Blauer und roter Purpur, Karmesin und Byssus. Für die übrigen Teppiche wurden Ziegenhaar, rot gefärbte Widderfelle und Seekuhfelle verwendet. Das Akazienholz war für die Bretter. Jedes dieser Materialien wird uns noch im Detail beschäftigen, wenn die einzelnen Teile dieses wunderbaren Aufbaus vor uns kommen.
Schließlich werden das Öl, die Gewürze und die Edelsteine erwähnt, von denen jeder einzelne kostbare Gedanken enthält. Wir werden später zu ihrer geistlichen Bedeutung kommen.
Lasst uns nun drei Punkte in Verbindung mit der Aufzählung dieser Elemente bedenken:
- Zunächst heißt es, dass Gott sein Volk dazu ermuntert, ein freiwilliges Opfer zu bringen: „Von jedem, der willigen Herzens ist, sollt ihr mein Hebopfer nehmen“ (Vers 2).
- Zweitens begegnen wir seinem Wunsch, eine Wohnung unter seinem Volk zu haben: „Und sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich in ihrer Mitte wohne“ (Vers 8).
- Drittens sollte alles nach dem Muster gemacht werden, das Mose gezeigt wurde: „Nach allem, was ich dir zeige, das Muster der Wohnung und das Muster aller ihrer Geräte, so sollt ihr es machen“ (Vers 9). Besonders dieser letzte Punkt wird uns noch bei der eingehenden Betrachtung der Stiftshütte beschäftigen.
Wir werden nun über die ersten beiden Punkte näher nachdenken.
Alle Materialien sprechen in gewisser Weise von Christus in seinen vielfältigen Vollkommenheiten und Herrlichkeiten. Dennoch war das Volk aufgefordert, sie als freiwillige Opfergabe zu bringen. Gott hat uns Christus in seiner ganzen Fülle offenbart – soll Er aber nun unter uns wohnen und sollen wir uns seiner Gegenwart praktisch erfreuen und Gemeinschaft mit Ihm haben, muss es dann nicht in gewisser Weise auf der Basis eines freiwilligen Opfers unsererseits geschehen? Heute geht es nicht mehr um materielle Opfergaben, denn wir sind nicht dazu aufgefordert, unseren buchstäblichen Anteil an Gold, Silber oder Edelsteinen zu bringen. Doch unsere Herzen müssen angefacht und willig gemacht werden, in das einzugehen, was Christus, unser Herr, ist, um es so gewissermaßen zu Gott zu bringen, der uns wiederum den Herrn durch seinen Geist offenbart und uns dazu veranlasst, Ihn völliger zu genießen.
Wir könnten also sagen, dass die Verantwortung bei uns liegt. Alles entspringt vollkommener Gnade, fließt aber durch Herzen, die durch diese Gnade willig gemacht wurden. So muss Christus gewissermaßen für unsere Herzen das sein, wovon das Gold, das Silber, etc. sprechen. Dabei geht es nicht um ein bloß intellektuelles Erfassen, sondern um ein Ergreifen der eigentlichen Quellen unseres Lebens, was uns wiederum dazu bringt, sie sozusagen vor unseren gnädigen Gott hinzulegen – zu seiner Verwendung und Annahme. Welch ein Gedanke! Möge der Heilige Geist seine Frucht in uns bewirken. Wir sind nicht nur dazu bestimmt, zu empfangen, sondern auch zu geben. Wenn wir jetzt einen Bestandteil dieses Baus nach dem anderen vor uns haben, soll alles mit dem Ziel geschehen, dass wir sie tief in unsere Herzen aufnehmen, damit sie uns zu Anbetung und einem Christus ähnlichen Leben führen. Das ist es, was Gott verherrlicht, denn es ist sein Wohlgefallen, etwas von seinem gepriesenen Sohn zu hören. Er liebt es, wenn wir Ihm von unserer Not berichten, und doch ist es der eine kostbare und süße Jesusname, in dem die ganze Herrlichkeit des Eingeborenen hervorstrahlt.
Lasst uns also ein williges Volk sein, das ein Herz für Christus hat, und die mit ihrem Herrn und Erlöser als Gegenstand der Freude ihrer Herzen vor Gott hintreten.
Kommen wir damit zum zweiten Punkt in Verbindung mit dem Thema der Wohnung Gottes bei den Menschen: „Sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich in ihrer Mitte wohne“ (Vers 8).
Gott hat Gemeinschaft im Garten Eden
Als Gott sein Schöpfungswerk begann, war sein Gedanke, in der Mitte seiner Geschöpfe zu sein. Das wird uns in schöner Weise in Sprüche 8 vorgestellt. Dort spricht Einer namens Weisheit – der da war, bevor die Schöpfung war, bevor die Erde mit ihren Bergen und Quellen gebildet wurde. Er war von jeher bei Gott, ein Mitglied der göttlichen Familie – Einer, an dem Gott seine Wonne hatte. Doch Er fügt hinzu: „Meine Wonne war bei den Menschenkindern“ (Spr 8,23-31). Beachte also, dass die göttliche Liebe – im Sohn – schon bevor die Schöpfung existierte auf seinen Geschöpfen ruhte, und dass es sein Verlangen war, bei ihnen zu wohnen.
Dort scheinen die beiden Gedanken, die Erlösung und das Wohnen bei den Menschen, miteinander verbunden zu sein. So sicher wie unser geliebter Herr der Erlöser war, das Lamm „zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt“ (1. Pet 1,20), so sicher verlangte Er danach, inmitten seines erlösten Volkes zu wohnen.
Doch lasst uns das etwas genauer anschauen, indem wir uns einige Schriftstellen vornehmen, die im Vorbild von dem Wohnen Gottes bei den Menschen reden. Zuerst blicken wir zurück nach Eden, dem Paradies des Menschen, wo unsere ersten Eltern in Unschuld wohnten. Wir haben den Eindruck, dass Gott heiligen Umgang mit ihnen pflegte, wenn wir es so ausdrücken dürfen. Denn nach dem Sündenfall wird von Ihm gesagt, dass Er im Garten wandelte bei der Kühle des Tages, und aus den Worten dürfen wir schließen, dass das kein unüblicher Besuch vonseiten des heiligen Gottes war. Obwohl Eden, der Wohnsitz des unschuldigen Menschen, nicht der Ort ewiger Gerechtigkeit war, hatte doch Sünde dort noch keinen Einzug gehalten, und Gott konnte in gewissem Maße Umgang mit seinen Geschöpfen haben. Welch ein schönes Bild ist das: Der Garten, von Gottes Hand gepflanzt zum Genuss und als Wirkungsstätte für den Menschen, und der Schöpfer, der hernieder kommt an diesen Ort, um soweit Gemeinschaft mit ihm zu haben wie es unter diesen Gegebenheiten möglich war.
Doch leider verdarb die Sünde schon bald alles. Satan, der die Gegenwart eines heiligen Gottes ebenso wenig ertragen konnte wie den Gedanken der Unterordnung von Geschöpfen unter ihren Schöpfer, war bereits aus dem Zustand gefallen, in dem er geschaffen war. Er hatte sich selbst gegen Gott erhoben und war seitdem der gefallene, unerbittliche, hoffnungslose Feind der Heiligkeit, Güte und Barmherzigkeit Gottes. Er kommt mit subtilen Zweifeln an dieser Güte Gottes und verführt die Frau. Der Mann folgt ihr in vollem Bewusstsein. So hält die Sünde in der Welt Einzug und als Gott hernieder kam um (dürfen wir das sagen?) seinen gewohnten Umgang mit seinen Geschöpfen zu haben, flohen sie vor Ihm und versteckten sich hinter den Bäumen des Gartens.
Sünde kann die Gegenwart Gottes nicht ertragen. Von diesem Tag an ist der Mensch nicht mehr fähig gewesen, den Gedanken dieser heiligen Gegenwart auszuhalten. Was ist das Ziel jeder heidnischen Religion? Nicht, dem Menschen Gotteserkenntnis zu vermitteln, sondern ihn zu befähigen, ohne Gott auszukommen. Die schlimmsten oder raffiniertesten Rituale haben eins gemeinsam: In ihnen verbirgt sich der Mensch vor Gott. Er betrügt sich zwar selbst damit, aber gefällt sich darin und fürchtet doch nichts so sehr wie den Gedanken an einen vollkommen heiligen Gott. Das Gewissen schreit nach irgendetwas, und deshalb schiebt der Mensch seine Religion zwischen sich und Gott, befindet sich aber damit praktisch außerhalb von Eden. Wir kennen nichts mehr von diesem ursprünglichen Wohnen Gottes bei seinen Geschöpfen, bis auf diesen kurzen Blick, den die Schrift uns hier gewährt. Es ist eine Sache, die für immer Vergangenheit ist.
Gott besucht Abraham
Wir gehen weiter zu einer anderen Anspielung im ersten Buch Mose auf das Wohnen Gottes oder besser den Besuch Gottes bei den Menschen. Gibt es ein schöneres Bild in diesem Buch als den Besuch jener drei Fremden bei Abraham (1. Mo 18,1-8), als er bei der Hitze des Tages am Eingang seines Zeltes saß? Der glaubensvolle Patriarch sieht die Fremden näherkommen und bietet ihnen mit Eifer die Gastfreundschaft seines Hauses an. Einer von ihnen ist der lebendige Gott, die anderen beiden sind seine Engel, die Er in Kürze zu einem anderen Dienst aussenden wird. Der heilige Gott nimmt die angebotene Gastfreundschaft an und wird ein Gast im Zelt Abrahams, des Pilgers.
Hier, im ersten Buch der Schrift, haben wir ein Bild des Charakters der Vertrautheit Gottes mit seinem Volk. In den als Speise angebotenen ungesäuerten Kuchen und dem Kalb sehen wir vorbildlich „das Brot Gottes“ – die sündlose Person Christi – und sein Opfer. Dies ist die einzige Grundlage, auf der ein gerechter und heiliger Gott überhaupt Gemeinschaft mit einem gefallenen Geschöpf haben kann. Der Glaube erkennt das immer an, anfangend von Abel.
Im ernsten Gegensatz dazu werden die Engel nach Sodom gesandt, wo Lot sein Zuhause gefunden hat. Dort gibt es weder Zelt noch Altar. Lot hatte für irdischen Gewinn seinen Charakter sowohl als Fremdling als auch als Priester geopfert, deshalb nähert sich Gott ihm auch nicht persönlich. Seine Engel retten ihn aus Gnade, aber es gibt keine Vertrautheit.
Gott wohnt im Zelt der Zusammenkunft
Das nächste Bild vom Wohnen Gottes bei den Menschen (das Zelt der Zusammenkunft) wird uns später noch beschäftigen. Es ist kein vorübergehender Besuch bei einem Einzelnen, sondern ein Bleiben bei seinem Volk während der Wüstenreise und danach.
Die Bundeslade außerhalb des Zeltes
Als das Zelt der Zusammenkunft in das Land gebracht worden war, wurde es in Siloh aufgestellt. Nach der verheerenden Geschichte Israels, wie sie im Buch der Richter beschrieben wird – eine Abtrünnigkeit nach der anderen –, wird die Bundeslade von den Philistern entführt, und obwohl Gott sie aus ihrer Hand befreite, wurde sie doch nie wieder im Zelt der Zusammenkunft in Siloh aufgestellt (vgl. Ps 78,60-72). Und das ist einer von mehreren Hinweisen darauf, dass das Zelt der Zusammenkunft nur einen symbolischen Wert hatte – indem es von Christus redete. 2. Chronika 1,3.13 zeigt uns das Zelt der Zusammenkunft in Gibeon, doch nicht für den festgelegten Gottesdienst, so viel uns berichtet wird.
Gott wohnt im Tempel
Wir kommen als Nächstes zu einem Symbol des ständigen Wohnortes Gottes auf der Erde – dem Tempel. Dieser, errichtet durch Salomo, war die prächtige Krönung seiner herrlichen Herrschaft. Während grundsätzlich der Plan des Zeltes der Zusammenkunft eingehalten wird, spricht doch alles von Beständigkeit: Seine Steine sprechen von göttlicher Stabilität, seine Schnitzereien und sein Gold von Herrlichkeit. Doch es ist immer noch nur ein Symbol. „Salomo aber baute ihm ein Haus“, verkündete Stephanus, nur um seine Hörer gleich daran zu erinnern, dass „der Höchste nicht in Wohnungen wohnt, die mit Händen gemacht sind“ (Apg 7,47-50). Bezeichnenderweise schließt Stephanus seine Zusammenfassung der Geschichte Israels mit dem Tempel; es war der Höhepunkt der Herrlichkeit der Nation, und wir müssen nur die Geschichte Salomos weiter verfolgen, um zu sehen, dass alles nur ein Schatten war. Das Einweihungsgebet war in den Bergen Jerusalems noch nicht ganz verhallt, da fiel Salomo in beschämende Sünde und Götzendienerei. Alles war nur ein Bild und wartete darauf, dass die ganze Herrlichkeit Gottes einem anvertraut werden würde, der vollkommen, absolut und ständig – im Herzen, Leben und Wesen – die Darstellung Gottes war.
Der Tempel wird zerstört – und neu aufgebaut
Nebukadnezar zerstörte den Tempel, verbrannte ihn völlig und führte die goldenen Geräte mit dem Volk nach Babylon weg. Durch Gnade wird ein Überrest des Volkes nach 70 Jahren Gefangenschaft wieder nach Jerusalem zurückgebracht, und der Tempel wird wieder aufgebaut. Gewiss, alles war sehr reduziert, und wir lesen nichts davon, dass die Schechina-Wolke zu sehen war. Aber das Haus Gottes war da und auch die Verheißung an das Volk, dass, wenn sie aufrichtig zu Gott umkehrten, Er die letzte Herrlichkeit des Hauses größer machen würde als die erste (Hag 2,9).
Gott wohnt in Christus Jesus
Zwischen Maleachi und Matthäus liegen einige Jahrhunderte des Schweigens, als plötzlich die Herrlichkeit nach Immanuels Land zurückkehrt. Gott selbst ist gekommen! „Und plötzlich wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den ihr sucht“ (Mal 3,1). Und wie kommt Er? Wir sehen, wie der Himmel geöffnet ist und seine Diener mit Wonne anlässlich der Ankunft ihres Schöpfers auf der Erde dienen. Doch wenn wir auf die Erde schauen, um zu sehen, wo diese Herrlichkeit ihr Zuhause finden würde, finden wir sie nicht im Tempel, nicht einmal in Jerusalem. Wir gehen hinaus nach Bethlehem und sehen mit den verwunderten Hirten in der Krippe den Tempel Gottes, das Heiligtum, wo seine Herrlichkeit eine Heimat und Wohnstätte gefunden hat. „Das Wort wurde Fleisch und wohnte [o. zeltete] unter uns, und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater“ (Joh 1,14). Wenn wir den Menschen Christus Jesus sehen, erblicken wir den wahren Wohnort Gottes. Er konnte von seinem Leib sagen: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten“ (Joh 2,19). Gott hatte endlich eine geeignete Wohnstätte bei den Menschen gefunden.
Hier sind sozusagen zwei Wohnsitze: Der eine, der Tempel ohne die Schechina-Herrlichkeit, aber verbunden mit allen Formen und Ritualen, derer die Juden sich rühmten. Der andere, in dem Menschen Christus Jesus, dem herrlichen Sohn Gottes, der sich selbst als das Zeugnis Gottes auf der Erde vorstellte. Diese beiden Wohnsitze stehen im Gegensatz zueinander. Der eine ist ein Zeuge von Israels zurückliegender Geschichte der Sünde und ihrem Bedürfnis nach Errettung. Der andere ist der makellose, sündlose Heilige. Welchen werden die Führer anerkennen?
Unser Herr kommt zum Tempel und treibt die Käufer und Verkäufer mit den Worten hinaus: „Macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus“ (Joh 2,13-17). Später nennt Er es eine „Räuberhöhle“ (Mt 21,13), was eigentlich ein Bethaus sein sollte. Welchen Tempel wollen sie haben – das bloße Gebäude, „euer Haus“ (Mt 23,38), wie Er es nennt, oder Ihn, der das Haus reinigen würde und der selbst der Wohnort Gottes war? Wir kennen die schreckliche Antwort. Pilatus stellt einen Mörder und Christus vor sie, und sie schreien (ach, unsere bösen Herzen sagten einst dasselbe): „Hinweg mit diesem, gib uns aber den Barabbas los!“ (Lk 23,18).
So wurde der Tempel zerstört, soweit menschliche Hände es tun konnten. Der schöne, unverderbliche Tempel seines Leibes wird in das Grab gelegt und sein Geist kehrt zum Vater zurück. Das ist die Antwort des Menschen in Bezug auf den Wohnort Gottes hier. Er bringt Gott zu nah – seine Heiligkeit tadelt die Sünde, und der Mensch zieht sogar einen Mörder dem heiligen Christus Gottes vor.
Doch Gottes Gnadenabsichten werden durch die Sünde des Menschen nicht vereitelt. Gerade diese Gewalttat, diese in der Verwerfung und dem Tod des Herrn Jesus offenbarte Feindschaft, ist die Gelegenheit für die vollkommenste Offenbarung der Liebe Gottes. Sein Tod bahnte den Weg dafür, dass die Liebe Gottes in überströmender Gnade zu den schlimmsten und ärmsten Sündern fließen kann.
Wir gehen nun ein wenig weiter. Gott hatte in seinem eigenen, geliebten Sohn diesen herrlichen Wohnplatz auf der Erde. Doch der Mensch konnte und wollte diese Nähe eines bei ihm wohnenden Gottes nicht und warf Jesus – Immanuel – hinaus, indem er Ihn kreuzigte. Aber Gott weckte Ihn aus den Toten auf, und Er ist in den Himmel aufgefahren. Der „Tempel“ ist innerhalb des Vorhangs, in das innere Heiligtum, gegangen.
Der Heilige Geist wohnt in den Gläubigen
Doch betrachte die Wunder der Gnade Gottes. Der Geist Gottes wurde von einem verherrlichten Christus und vom Vater ausgesandt und wir haben jetzt eine Wohnung Gottes, die durch den Geist gebildet wurde (Eph 2,22). Jeder an den Herrn Jesus Glaubende ist ein lebendiger Stein in diesem geistlichen Haus, das „wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn“. Wie wunderbar ist die Gnade Gottes! In der Welt, wo sein geliebter Sohn gekreuzigt wurde, wo Menschen ausriefen: „Hinweg mit diesem“, ist eine Wohnung gebildet worden, die aus solchem Material besteht. Menschen, die ihren verlorenen Zustand erkennen und die unendliche Gnade und Liebe Gottes anerkennen – aus diesem Steinbruch der Natur sind die kostbaren Steine für diesen Tempel Gottes gehauen. So wächst ohne viel Aufhebens, ohne das Geräusch eines Hammers (1. Kön 6,7), diese ewige Wohnstätte Gottes, bis Gott „den Schlussstein herausbringen wird unter lautem Zuruf: Gnade, Gnade ihm!“ (Sach 4,7).
Doch schon jetzt wohnt Gott durch seinen Geist in der Versammlung, seinem Tempel. Und auch jeder Gläubige persönlich ist eine Wohnung Gottes. „Wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel des Heiligen Geistes ist?“ (1. Kor 6,19). In dem Moment, wenn jemand Christus angenommen hat, wird er „mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ versiegelt und hat den Geist als „Unterpfand unseres Erbes, zur Erlösung des erworbenen Besitzes“ in sich wohnen (Eph 1). Welch ein heiliger Gedanke ist das – unsere Körper sind Gottes Wohnung durch den Heiligen Geist, der darin Wohnung genommen hat, auf der Grundlage der vollbrachten Erlösung durch den Sühnungstod Christi.
Gottes Wohnen im Tausendjährigen Reich
Wir haben davon gesprochen, dass Israel Christus verworfen und die Herrlichkeit ihren Tempel verlassen hat. Der Herr hatte gesagt: „Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen werden“ (Mt 23,38), und kein Stein würde auf dem anderen bleiben. Doch im Propheten Hesekiel haben wir ein sehr schönes Bild in Verbindung mit der Zerstörung des Tempels unter Nebukadnezar und seiner Wiederherstellung zu Beginn des Tausendjährigen Reiches.
Der Prophet sieht, wie die Herrlichkeit Gottes ihren Platz zwischen den Cherubim verlässt und über der Türschwelle des Tempels steht (Hes 10,4). Es zeigt, wie ungern der heilige und gnädige Gott seinen Wohnplatz verlässt. Es ist, als ob Er mit Flehen sein Volk bittet, ob sie seiner Heiligkeit nicht doch einen Platz unter ihnen geben wollen. Ach, es kommt keine Antwort; und zögernd verlässt Er die Schwelle und nimmt außerhalb des Tempels Platz (Hes 10,18-19). Immer noch zögert Er, und noch immer kommt keine Antwort, so dass Er den Tempelberg verlässt und hinüber zum Ölberg geht (Hes 11,22-23). Schließlich entfernt Er sich und lässt sie allein. Sein Volk wird dann in Gefangenschaft geführt, und der Tempel liegt in Trümmern.
Doch gehen wir zum letzten Teil der Weissagung, die uns den Überrest des Volkes zeigt, der – in der Vision des Propheten – aus der Gefangenschaft zurückgeführt ist (Hes 43). Das ist allein der Treue ihres gnädigen Gottes geschuldet, der in ihnen Selbstgericht und wahre Buße bewirkt. Sie sind in ihr Land zurückgeführt, jeder Stamm in sein eigenes Erbteil, und erneut ist der Tempel Gottes ihr Mittelpunkt, der mit weit größerer Herrlichkeit denn je wieder aufgebaut ist, und die Herrlichkeit, die von ihm gewichen war, kehrt in weitgehend gleicher Weise zurück, wie sie gewichen war. Gott kehrt zurück und nimmt Wohnung in jenem zukünftigen Tempel, und die Herrlichkeit wird als Decke dienen (Jes 4,5). Von Zion, der vollkommenen Schönheit, aus wird Gott leuchten, und der Name der Stadt wird sein: Jahwe Schammah, „der Herr daselbst“ (Hes 48,35). Wir haben dort den irdischen Wohnort Gottes während des Tausendjährigen Reiches. Und das Auge muss nur aufschauen, um die Herrlichkeiten der himmlischen Stadt zu sehen. Im Licht dieser Stadt werden die Nationen auf der Erde während dieser glücklichen Zeitepoche wandeln. Dann wird der „König regieren in Gerechtigkeit“ (Jes 32,1), und unser Herr Jesus wird anerkannt werden als der rechtmäßige Herrscher über die Welt, wo Er verworfen und gekreuzigt wurde.
Gottes Wohnen im ewigen Zustand
Zum Schluss haben wir die endgültige Wohnung Gottes. Unser gesegneter Herr verhieß seinem Volk: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seiet“ (Joh 14,2-3). Wir kennen den Weg, auf dem Er zum Vater ging. Er hätte zu jeder Zeit während seines unvergleichlichen und heiligen Lebens in seine Heimat im Himmel auffahren können, doch dann wäre Er allein geblieben. In der Sprache des hebräischen Knechtes, der es ablehnte, frei auszugehen, sagte Er: „Ich liebe meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen“ (2. Mo 21,5). Und so wurde Er in seiner hingebungsvollen Liebe gleichsam an dem Türpfosten durchbohrt. Mit anderen Worten: Sein Weg zum Vater führte über Golgatha – durch den Tod würde Er hingehen – gekreuzigt, und „aus den Toten auferweckt durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Röm 6,4). So legte Er die ewige und gerechte Grundlage für diese Heimat, wo Sünde niemals eindringen kann und die vom Gericht niemals erschüttert werden wird.
Er ist in den Himmel selbst eingegangen und hat ihn in Besitz genommen als Wohnung für sein erlöstes Volk in alle Ewigkeit. Am Ende der Offenbarung sehen wir die himmlische Stadt „wie eine für ihren Mann geschmückte Braut“, und wir hören eine Stimme, die sagt: „Siehe, die Hütte [engl. „tabernacle“] Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen [eig. zelten; engl. „tabernacle“], und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott. Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen“ (Off 21,3-4).
Gott ruht schließlich in seiner Schöpfung, wohnend inmitten seines Volkes – eines erlösten Geschlechts, eines Volkes, das nicht mehr vor seinem Angesicht flieht wie unsere schuldigen Eltern in Eden. Er wird ihnen auch nicht nur einen Besuch abstatten wie bei Abraham. Er wird sich auch nicht nur undeutlich und bedingt offenbaren wie im Zelt der Zusammenkunft oder im Tempel. Auch offenbart Er sich nicht nur in dem makellosen Sohn seiner Liebe, der in seiner Erniedrigung für kurze Zeit über diese Erde ging. Es ist auch nicht nur ein geistliches Haus, in dem der Heilige Geist in der Versammlung auf der Erde wohnt; sondern es wird eine volle und ewige Offenbarung seiner selbst in Christus, und durch Ihn in der Versammlung, in Israel, in den geretteten Nationen und in dem ganzen Universum sein.1 Wenn das erreicht ist, kann Gott sagen: „Die Hütte Gottes bei den Menschen, und er wird bei ihnen wohnen“.
Während wir so bei der Stiftshütte verweilen und ihre geistlichen Wahrheiten erfassen, erkennen wir das, was Gott von Anfang an gewollt, wofür Er gewirkt und was sein anbetungswürdiger Sohn, unser Herr, durch seinen sühnenden Tod ermöglicht hat. „Er freut sich über dich mit Wonne, er schweigt [oder „ruht“] in seiner Liebe, frohlockt über dich mit Jubel“ (Zeph 3,17).
Der dritte Punkt, dass Mose alles nach dem Muster machen sollte, das ihm auf dem Berg gezeigt wurde, wird uns noch in seinen Einzelheiten beschäftigen. An dieser Stelle genügt es daran zu erinnern, dass die Ausgestaltung nicht dem natürlichen Geist Moses überlassen wurde. Tatsächliche oder bloß eingebildete Ähnlichkeiten zwischen der Stiftshütte und ägyptischen Tempeln verbitten sich. So wie die Religion Ägyptens eine satanische Verdrehung der dem Menschen bekannt gemachten Wahrheit Gottes war, so waren auch die Tempel, die diese Religion beherbergten, eine Perversion der Wahrheit über den Wohnort Gottes. Gerade die Ähnlichkeiten bestanden aus Fälschungen, die zu den übelsten Gotteslästerungen Anlass gaben. Wie dankbar dürfen wir Gott sein, der nichts dem Verstand des gefallenen Menschen überließ, sondern alles vollständig in seinem Wort offenbarte – und zwar nicht mehr länger nur als ein „Muster“, sondern in Ihm, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist. Wir werden sehen, dass bereits dieses „Muster“ bis ins kleinste Detail von Ihm erfüllt ist. Möge es unser Verlangen sein, in diesem ganzen Muster den Herrn zu erkennen und in die Worte der Griechen in Johannes 12,21 einzustimmen: „Wir möchten Jesus sehen“.
Fußnoten
- 1 Anmerkung des Übersetzers: Im ewigen Zustand wird allerdings der Unterschied zwischen Israel und Nationen nicht mehr bestehen.