Die Versammlung Gottes im Matthäusevangelium
Teil 4: Der Herr in der Mitte derer, die zu seinem Namen versammelt sind (Mt 18,20)
Teil 4: Der Herr in der Mitte derer, die zu seinem Namen versammelt sind (Mt 18,20)
Der Zusammenhang
Wir wollen jetzt im vierten und letzten Teil unserer Betrachtung die besondere Zusage anschauen, die der Herr Jesus denen gibt, die in seinem Namen versammelt sind, nämlich in ihrer Mitte zu sein. Der Vers in Matthäus 18,20 begründet durch das erste Wort „denn“ die Aussage unseres Herrn in dem gesamten Abschnitt. Deshalb ist es zunächst unerlässlich, den Zusammenhang zu sehen, zu dem der Herr auch in Vers 17 zweimal von der Versammlung spricht.
- Vers 15 ist der Ausgangspunkt der Belehrung: Der Herr setzt zunächst den Fall voraus, dass ein Gläubiger (Bruder oder Schwester) sich an einem anderen versündigt. Das ist ein konkreter Fall, der leider vorkommen kann. Dass der Herr diesen Fall zum Anlass nimmt, um daraus später allgemeine Belehrung abzuleiten, ist nicht ungewöhnlich. Er hat das häufig so getan. Zweitens zeigt der Herr, wie derjenige, an dem gesündigt wurde, reagieren soll. Er soll hingehen und den Bruder oder die Schwester gewinnen. Das ist der erste Schritt. Die Sache kann nicht einfach übergangen werden. Sie soll allerdings auch nicht unnötig verbreitet werden (vgl. 1. Pet 4,8).
- Vers 16 zeigt, was geschehen soll, wenn es nicht gelingt, den anderen zu gewinnen und die Sache zu bereinigen. Jede Eile und schnelle Verurteilung ist zu vermeiden. Ein zweiter Schritt ist erforderlich. Der Betreffende soll noch einen Zweiten oder Dritten mitnehmen und einen weiteren Versuch unternehmen, den anderen zu gewinnen. Diejenigen, die mitgehen, sollen die Sache bezeugen.
- Vers 17 zeigt den dritten Schritt. Wenn der Bruder oder die Schwester nicht auf die Zeugen hört, soll der Betreffende (nicht die Zeugen) es der Versammlung sagen. Jetzt kommt also erstmals die örtliche Versammlung ins Spiel. Sie soll sich mit der Sache beschäftigen und mit der Person reden. Das Ziel ist ohne Frage immer noch, den Betreffenden zu gewinnen. Es kann jedoch sein, dass dies nicht gelingt. Was die Versammlung dann möglicherweise tun muss, wird in Vers 18 gesagt. Zunächst zeigt der Herr jedoch, was derjenige tun soll, gegen den gesündigt wurde. Für ihn ist der Betreffende wie der Heide und der Zöllner. Damit will der Herr sagen, dass der Betreffende keinen sozialen Umgang mehr mit ihm haben soll. Er soll ihn nicht mehr wie einen Bruder oder einen Nächsten behandeln.
- In Vers 18 folgt dann die Handlung der Versammlung, und jetzt weitet sich der Blickwinkel. Der Herr spricht nicht länger nur noch von dem konkreten Fall, sondern nimmt diesen Fall zum Anlass für eine generelle und wichtige Belehrung. Er spricht von „binden“ und von „lösen“ und sagt: „Wahrlich, ich sage euch: Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein.“ Wenn der Herr „wahrlich“ (oder Amen) sagt, bedeutet das, dass es ganz sicher so ist. Was die örtliche Versammlung bindet, bindet sie für die Erde, und es wird im Himmel anerkannt. Was die örtliche Versammlung löst, löst sie für die Erde, und auch das wird im Himmel anerkannt. Das ist nicht schwierig zu verstehen und wird doch oft missachtet. Binden und Lösen geschieht örtlich, hat weltweite Folgen (auf der Erde) und wird im Himmel anerkannt. „Binden“ bedeutet dabei „die Sünde auf jemand zu binden“ (vgl. Hos 10,10). „Lösen“ bedeutet, den Gebundenen wieder zu befreien. Paulus gebraucht dafür später die Worte „hinaustun“ (1. Kor 5,13) und „vergeben“ (2. Kor 2,7). Die örtliche Versammlung hat also Autorität hinauszutun (auszuschließen) und zu lösen (wieder aufzunehmen). Ihre Kompetenz besteht durchaus nicht darin festzulegen, wer zur Versammlung Gottes gehört – das tut allein der Herr Jesus. Ihre Aufgabe ist es, anhand des Lebenswandels einer Person die Frage der Gemeinschaft (am Tisch des Herrn) zu klären.
Wenn eine örtliche Versammlung auf der Erde bindet oder löst und der Himmel diese Handlung anerkennt, ist es undenkbar, dass eine andere Versammlung, die auf dem Fundament der Lehre des Neuen Testaments zusammenkommt, eine solche Handlung nicht anerkennt. Wer in diesem Sinn meint, Versammlungen seien „unabhängig“, steht im direkten Widerspruch zu dem, was die Bibel lehrt. - Vers 19 beschäftigt sich mit der Gesinnung, die für diese Handlung der Versammlung erforderlich ist. Es geht nur im Gebet, dem Zeichen der Abhängigkeit von oben. Genau das hatten die Korinther vermissen lassen, als sich in ihrer Mitte nicht gerichtetes Böses zeigte (1. Kor 5,2). Eine betende Haltung ist eine demütige Haltung. In uns selbst haben wir weder Weisheit noch Kraft, Entscheidungen richtig zu treffen. Der Herr spricht hier nicht – jedenfalls nicht vordergründig – allgemein von dem Gebet, das Gläubige miteinander pflegen, sondern von dem Gebet der örtlichen Versammlung in Verbindung mit der Handlung des Bindens und Lösens.
- In Vers 20 zeigt der Herr schließlich die Begründung für die Kompetenz der örtlichen Versammlung, zu binden und zu lösen. Sie hat diese Kompetenz nicht in sich selbst, sondern sie wird ihr durch den in ihrer Mitte weilenden Herrn gegeben. Das sollten wir nie vergessen. Die Autorität ist nicht darin begründet, dass eine Versammlung geistlich gut dasteht oder dass sie keine Fehler macht. Das hat primär nichts mit der Kompetenz zum Handeln zu tun (vergleiche Eltern, die ihre Autorität, Kinder zu erziehen, nicht deshalb besitzen, weil sie alles richtig machen, sondern weil Gott ihnen den Auftrag dazu gegeben hat). In 1. Korinther 5,4 spricht Paulus davon, dass sie „im Namen unseres Herrn Jesus Christus“ handeln sollten, „wenn ihr und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus versammelt seid“. Gerade die Korinther sind nun nicht gerade als geistlich gereifte Versammlung bekannt. Kraft, Weisheit und Handlungsfähigkeit der örtlichen Versammlung beruhen ausschließlich darauf, dass der Herr in der Mitte ist. Ohne Ihn kann die Versammlung nicht handeln. Ohne Ihn wird die Handlung nicht im Himmel anerkannt. Solange die in Vers 20 genannten Voraussetzungen für die persönliche Gegenwart des Herrn nicht vorhanden sind, ist eine Versammlung nicht handlungsfähig und im Sinn der Bibel nicht einmal als Versammlung zusammen.
- Doch das ist nicht alles. Vers 20 öffnet den Blickwinkel noch weiter. Nicht nur dann, wenn es um Fragen von Zucht und (Wieder)Zulassung geht, ist eine örtliche Versammlung als Versammlung um den Herrn versammelt. Immer dann, wenn sie sich im Namen des Herrn Jesus (oder zu seinem Namen hin) versammelt, kann sie mit seiner Gegenwart rechnen. Die Apostelgeschichte und die Briefe zeigen uns andere Zusammenkünfte der örtlichen Versammlung: Die Zusammenkunft zum Brotbrechen, zum Gebet und zur Wortverkündigung. Immer dann, wenn wir so zusammenkommen, haben wir die Zusage der Gegenwart unseres Herrn. Wenn wir in seinem Namen zusammenkommen, gilt sie.
In diesem Sinn verstehen wir den Ausdruck „Magna Charta“ für diese Aussage. Dennoch wollen wir bedenken, dass die manchmal gebrauchte Formulierung von Gläubigen: „Wir versammeln uns nach Matthäus 18,20“ nicht sehr glücklich ist. Zum einen darf sie nicht zu einer Art „Erkennungszeichen“ (Schibboleth, vgl. Ri 12,6) werden, mit dem wir uns zu erkennen geben oder gar „eingruppieren“. Zum anderen gibt es in den Briefen weitere wichtige Aussagen über das Zusammenkommen als Versammlung. Es ist deshalb besser zu sagen, dass es unser Wunsch ist, nach den Gedanken des Wortes Gottes zusammenzukommen. Ein wichtiger Teil davon ist unser Vers hier, den wir jetzt ein wenig näher besehen wollen.
Versammelt in seinem Namen
Der zwanzigste Vers schließt die Belehrungen des Herrn in diesem Abschnitt ab und ist, ohne Frage, ein besonderer Höhepunkt. Der Herr spricht von denen, die in seinem Namen (wörtlich: zu seinem Namen hin) versammelt sind und sagt ihnen seine Gegenwart zu. Es lohnt sich, diese Aussage sorgfältig zu überdenken. Wir wollen das in acht Punkten tun:
1. Es gibt eine göttliche Begründung
Der Satz fängt mit dem Wort „denn“ an. Wir müssen also unbedingt den Zusammenhang beachten. Das „denn“ gibt die Begründung für das, was zuvor gesagt worden ist. Die Autorität (Kompetenz) der Versammlung zum Binden und Lösen (ausschließen und zulassen) gründet sich allein auf die Tatsache, dass eine Versammlung zu seinem Namen hin zusammenkommt und Er in der Mitte ist. Deshalb können es nie einzelne Geschwister sein (auch nicht die Brüder, die den Dienst der Ältesten tun), die über einen Ausschluss oder eine Zulassung entscheiden. Es muss die ganze Versammlung sein, die im Namen des Herrn Jesus Christus versammelt ist (vgl. 1. Kor 5,4).
2. Es gibt ein göttliches Fundament
Der Herr sagt „wo“. Dabei denken wir nicht zuerst an eine Örtlichkeit, sondern es geht um einen biblischen Grundsatz. Im Alten Testament war der Ort der Gegenwart Gottes ein geographischer Ort (zuerst die Stiftshütte, später der Tempel in Jerusalem). Es gab nur einen Ort, den Gott sich erwählt hatte. Natürlich benötigt eine örtliche Versammlung ebenfalls einen Raum, in dem sie zusammenkommt. Doch der Raum selbst und seine Beschaffenheit spielen keine Rolle. Entscheidend ist das geistliche Fundament, auf dem wir uns versammeln. Und so wie es im Alten Testament nur einen Ort gab, gibt es im Neuen Testament nur ein geistliches Fundament, das der Herr anerkennt. Das ist das biblische Fundament. Es geht nicht um Gedanken und Ideen von Menschen, sondern um den Plan Gottes. Wir fragen nicht danach, welcher „Ort“ uns gefällt, sondern welchen „Ort“ der Herr ausgesucht hat. Als die Jünger das Passah zubereiten wollen, fragen sie den Herrn: „Wo willst du, dass wir es bereiten?“ (Lk 22,9; vgl. Mt 26,17; Mk 14,12). Diese Frage sollte uns alle bewegen, und wir sollten darauf eine Antwort finden. Der Herr zeigt uns diesen geistlichen Ort durch sein Wort, das wir vom Geist geleitet verstehen (vgl. der Mann mit dem Wasserkrug, der den Jüngern den Weg wies).
3. Es gibt eine göttliche Anzahl
Es mag uns verwundern, dass der Herr von „zwei oder drei“ spricht. Wenn wir die Apostelgeschichte lesen, gewinnen wir den Eindruck, dass die örtlichen Versammlungen deutlich größer waren. Und doch nennt der Herr nicht ohne Grund die kleinstmögliche Zahl, die notwendig ist, um versammelt zu sein. Alleine kann man nicht versammelt sein. Es müssen mindestens zwei oder drei sein. Was der Herr uns lehrt ist, dass es nicht auf die Menge ankommt, sondern darauf, dass wir zu seinem Namen hin versammelt sind. Selbst wenn es nur zwei oder drei sind, verbindet Er die Zusagen seiner Gegenwart damit. Selbst eine so kleine örtliche Versammlung hat die Autorität zu binden und zu lösen, und ihre Entscheidungen finden Anerkennung im Himmel. Es kommt nicht auf die Zahl der Geschwister an, sondern auf die richtige Grundlage und die richtige Einstellung. Der Herr ist nicht notwendigerweise da in der Mitte, wo sich die meisten Geschwister treffen, sondern da, wo man Ihn treffen möchte. Diese Worte des Herrn sind gerade in unserer Zeit eine besondere Motivation für kleine und ganz kleine örtliche Versammlungen. Die Gegenwart des Herrn bei den Wenigen ist keine andere als bei den Vielen. Er verachtet den „Tag kleiner Dinge“ nicht (Sach 4,10). Wir sollten es ebenfalls nicht tun.
4. Es gibt einen göttlichen Anziehungspunkt
Es fällt auf, dass der Herr nicht direkt davon spricht, dass die Gläubigen sich zu seinem Namen hin versammeln, sondern dass sie versammelt sind. Offensichtlich gibt es eine Kraft außerhalb der Gläubigen, die das tut. Damit ist nicht gesagt, dass wir uns nicht selbst aufmachen müssen, um dahin zu kommen, wo die Gläubigen sich versammeln. Dennoch liegt die Betonung hier anders. Wir werden versammelt (Passiv). Das Wort „versammeln“ (im Grundtext mit dem Wort Synagoge = Versammlungsort verwandt) wird an anderen Stellen sowohl im Aktiv als auch im Passiv verwendet. Die Frage ist, wer ist der Magnet, der uns zu dem Herrn zieht. Zum einen könnten wir dabei an Ihn selbst denken. Der Herr versammelt uns zu sich, damit wir in seiner Gegenwart sind. Zum anderen können wir an den Heiligen Geist denken, der immer bestrebt ist, uns zu Christus zu ziehen und Ihn zu verherrlichen. Gerade in Verbindung mit der erwähnten Suche nach dem geeigneten Ort, um das Passah zu feiern, scheint es mir legitim zu sein, hier durchaus auch an den Geist Gottes zu denken.
Wenn es nur einen Ort (eine Grundlage) gibt, auf der wir versammelt werden, dann wird unmittelbar klar, dass weder der Herr noch der Geist die Gläubigen an unterschiedlichen geistlichen Orten versammeln wird. Wäre es so, würden göttliche Personen menschliche Trennungen und Gruppenbildung sanktionieren. Dieser Gedanke ist natürlich völlig undenkbar. Die vielen christlichen Benennungen gleichen nicht einem schönen und bunten Blumenstrauß, an dem Gott sich freut, sondern sie sind im Gegenteil ein Ergebnis unseres Eigenwillens. Das wird unser Herr niemals gutheißen. Und der Heilige Geist ebenfalls nicht. Das Ergebnis göttlicher Bemühungen ist immer Einheit.
5. Es gibt einen göttlichen Sammelpunkt
Der Herr sagt: „in meinem Namen“ oder „zu meinem Namen hin“. Alles richtet sich auf Ihn aus. Es fällt auf, dass der Herr nicht sagt: „zu mir hin“, sondern „in meinem Namen“. Der Name steht natürlich für das, was in einer Person zu finden ist, dennoch fällt die Formulierung auf. Und das umso mehr, wenn wir sie mit einer Aussage von Paulus in 2. Thessalonicher 2,1 vergleichen. Dort spricht er nämlich tatsächlich davon, dass wir einmal „zu ihm hin“ versammelt werden. Dort ist es nicht mehr der Name, sondern Christus selbst. Der Unterschied liegt auf der Hand. Paulus spricht über die Entrückung. Dann werden wir unseren Herrn tatsächlich sehen und sind für immer bei Ihm. Wenn die örtliche Versammlung hingegen zusammenkommt und den Herrn in ihrer Mitte hat, dann ist es „zu seinem Namen hin“.
In Apostelgeschichte 4,12 ist es der Name, der rettet. Hier ist es der Name der uns versammelt. Jede Zusammenkunft ist eine neue Gelegenheit, den Herrn zu erleben. Als der Herr seine Jünger einmal fragt, ob sie ebenfalls weggehen wollten, antworten sie mit einer Gegenfrage: „Zu wem sollten wir gehen?“ Die Frage ist nicht „wohin“ (in welche Gruppe von Gläubigen) sondern „zu wem“ wir gehen. Christus selbst muss der Sammelpunkt sein. In Johannes 20,20 freuen sich die Jünger, als die den Herrn sehen. Obwohl diese Zusammenkunft (noch) keine Zusammenkunft als Versammlung sein konnte (weil sie der Zeit nach noch nicht existierte), zeigt sie uns doch einiges von dem, was wir heute erleben, wenn der Herr der Sammelpunkt ist.
6. Es gibt eine göttliche Bedingung
Sein Name hat mit Offenbarung zu tun, die mit seiner Person verbunden ist. Es geht hier nicht um einen speziellen Namen (Jesus, Christus, Sohn Gottes etc.), sondern um alles, was in seinem Namen zu finden ist, jede Seite der Herrlichkeit seiner Person. Wenn wir daran irgendwelche Abstriche machen (z. B. an seiner Gottheit, seiner Menschheit, der Vollgültigkeit seines Opfers), sind wir nicht in seinem Namen versammelt. Zu seinem Namen gehört auch die Wahrheit über die Versammlung (vgl. 1. Kor 12,12). Wer sich wider besseres Wissen weigert, die biblische Wahrheit über die Versammlung und ihre Einheit festzuhalten und zu praktizieren, kann wohl kaum in seinem Namen versammelt sein. Die Versammlung in Philadelphia ist uns in diesem Punkt ein gutes Beispiel. Der Herr Jesus konnte von ihr sagen: „Du hast meinen Namen nicht verleugnet“ (Off 3,8).
Es liegt auf der Hand, dass ein Zusammenkommen zu seinem Namen jeden anderen Namen ausschließt. Es kann nur ein Zusammenkommen zu seinen Namen geben. Jeder andere Name trennt und teilt. Selbst der manchmal gebrauchte Ausdruck „Brüdergemeinde“ wird der Sache nicht gerecht (von Begriffen wie „Darbysten“, „alter“ oder „neuer“ Versammlung ganz zu schweigen). Wie könnten wir im Namen eines Menschen oder einer Gruppe zusammenkommen und gleichzeitig im Namen des Herrn versammelt sein? Es ist unmöglich. Paulus schreibt den Korinthern: „Ich sage aber dies, dass jeder von euch sagt: Ich bin des Paulus, ich aber des Apollos, ich aber des Kephas, ich aber des Christus. Ist der Christus zerteilt?“ (1. Kor 1,12.13).
7. Es gibt einen göttlichen Gastgeber
Der Herr ist der Einladende. Nicht Menschen laden zu einer Zusammenkunft zum Namen des Herrn ein. Nein, Er selbst lädt ein, und deshalb ist Er als der Herr auch der Gastgeber. Er ist Anziehungspunkt, Sammelpunkt, und zugleich geht alle Autorität von Ihm aus. In einer Zusammenkunft in seinem Namen ist menschliche Herrschaft ausgeschlossen. Im Mittelpunkt stehen der Herr und sein Wort. Der Heilige Geist leitet eine solche Zusammenkunft. Deshalb ist das Mahl, das wir gemeinsam nehmen, nicht unser Mahl, sondern das Mahl des Herrn (1. Kor 11,20). Der Tisch, an dem wir uns versammeln, ist nicht unser Tisch, sondern der Tisch des Herrn (1. Kor 10,21). Deshalb kann die Zulassung zu diesem Mahl und zu diesem Tisch nur nach den Anweisungen des Herrn erfolgen. Grundsätzlich gilt – und daran müssen wir unbedingt festhalten – dass der Herr alle Kinder Gottes aufnimmt und keinen zurückweist, es sei denn, dass es Hindernisse gibt, die uns die Bibel zeigt.
8. Es gibt eine göttliche Zusage
Wenn die genannten Bedingungen erfüllt sind, dann wird aus dem „denn“ (am Anfang des Verses) ein „da“ (am Ende des Verses). Christus verspricht, in der Mitte zu sein. Damit ist seine persönliche Gegenwart in der Mitte derer gemeint, die sich zu Ihm hin versammeln. Es geht hier nicht um seine Gegenwart im Geist und auch nicht darum, dass er jedem einzelnen Gläubigen nah ist (Mt 28,20; Heb 13,5). Nein, der Herr ist persönlich in der Mitte derjenigen anwesend, die sich in seinem Namen versammeln. Wir erleben das, was die Jünger erlebt hatten, als sie zu Thomas sagten: „Wir haben den Herrn gesehen“ (Joh 20,25). Bei den Jüngern damals geschah dies persönlich und körperlich. Wir erleben es nur persönlich – deswegen allerdings nicht weniger real. Jede Zusammenkunft bietet diese einmalige Chance, den Herrn zu erleben – ein Grund mehr, keine Zusammenkunft leichtfertig zu verpassen.
Die Zusage unseres Herrn, in der Mitte der versammelten Gläubigen zu sein, hängt also davon ab, dass wir in seinem Namen zusammenkommen. Damit ist sie nicht primär von unserem momentanen geistlichen Zustand abhängig, sondern vielmehr davon, ob wir an den Grundsätzen festhalten, die die Bibel uns über das Zusammenkommen zeigt. Damit ist nicht gesagt, dass unser geistlicher Zustand gleichgültig ist. Ganz und gar nicht. Paulus musste die Korinther wegen ihres fleischlichen Zustandes rügen, und dennoch war es für ihn keine Frage, dass sie den „Namen unseren Herrn Jesus Christus“ anriefen (1. Kor 1,2) dass sie in seinem Namen und seiner Kraft versammelt waren (1. Kor 5,4) und dass sie „als Versammlung“ zusammen kamen (1. Kor 11,18) – und das, obwohl Paulus gehört hatte, dass Spaltungen unter ihnen waren (Achtung: Spaltungen sind noch keine Trennungen).
Kein äußeres Erkennungszeichen
Es gibt noch einen wichtigen Punkt zu bedenken. Wir haben schon kurz daran erinnert, dass die Aussage „in seinem Namen versammelt zu sein“ nicht zu einer Art Erkennungszeichen für eine bestimmte Gruppe von Gläubigen werden darf. Ob der Herr wirklich in der Mitte ist, hängt nicht von unserem Bekenntnis ab. Es mag sein, dass Gläubige an ihren Versammlungsräumen ein Schild angebracht haben, auf dem das steht. Es mag sein, dass sie sich im Internet als solche zu erkennen geben, die zu seinem Namen zusammenkommen möchten. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Wirklichkeit dahintersteht. Das Bekenntnis muss mit Leben gefüllt werden. Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einmal in Ruhe Jeremia 7 zu lesen. In der Versen 4–7 sagt Gott zu seinem irdischen Volk: „Und verlasst euch nicht auf Worte der Lüge, indem man spricht: Der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn ist dies! Sondern wenn ihr eure Wege und eure Handlungen wirklich gut macht, ... so will ich euch an diesem Ort, in dem Land, das ich euren Vätern gegeben habe, wohnen lassen von Ewigkeit zu Ewigkeit“. Die Gegenwart des Herrn in der Mitte der zwei oder drei, die sich zu seinem Namen versammeln, ist nicht konservierbar und schon gar nicht vererbbar. Sie muss immer wieder neu verwirklicht werden.
Wir wollen deshalb mit der Behauptung: „Wir kommen nach Matthäus 18,20 zusammen“ sehr vorsichtig umgehen. Es ist besser zu sagen, dass es unser Wunsch ist, das zu praktizieren, was der Herr in diesen Versen sagt. Wir sollten ebenfalls sehr vorsichtig sein, anderen Gläubigen zu unterstellen, die Gegenwart des Herrn in ihrer Mitte nicht zu verwirklichen. Die Beurteilung darüber überlassen wir unserem Herrn. Es gibt keinen Grund, hochmütig auf andere herabzusehen. Wir wollen uns bemühen, so zu leben – persönlich und gemeinschaftlich – dass der Herr uns sagen kann: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast eine kleine Kraft, und du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet“ (Off 3,8).
Sieben Unmöglichkeiten
Ich möchte an dieser Stelle exemplarisch auf sieben Dinge hinweisen, die wir unmöglich mit der Gegenwart des Herrn in der Mitte der versammelten Gläubigen verbinden können. Dabei geht es an dieser Stelle nicht um persönliches Fehlverhalten, sondern um kollektives Fehlverhalten.
- Seine Person und sein Werk in Zweifel ziehen. Wer nicht in der Lehre des Christus bleibt (2. Joh 1,9), kann unmöglich im Namen des Herrn zusammenkommen. Wir dürfen solche nicht einmal grüßen.
- Ihn nicht als Haupt und Herrn seiner Versammlung anerkennen. Dabei geht es nicht um das, was wir mit unseren Worten sagen, sondern was wir tun. Wenn wir uns selbst zu Häuptern einer Gruppe von Gläubigen machen und andere regieren und beherrschen, wird der Herr seine Zusagen nicht erfüllen können.
- Dauerhaft Dinge praktizieren, die seiner Heiligkeit und Wahrheit entgegenstehen. Wenn eine Gruppe von Gläubigen an Lehren oder Praktiken festhält, die dem Wort Gottes entgegenstehen, können sie nicht zugleich im Namen des Herrn versammelt sein (z. B. das allgemeine Priestertum der Gläubigen verneinen, das Schweigen der Schwestern in den Zusammenkünften ignorieren). Das gilt auch, wenn eine örtliche Versammlung sich nachhaltig weigert, notwendige Zucht auszuüben.
- Eigene Rechte beanspruchen und die Rechte unseres Herrn nicht anerkennen. Er ist das Haupt seiner Versammlung und besitzt alle Autorität, wenn wir zusammenkommen. Wenn eine Gruppe von Gläubigen auf eigenen Rechten besteht und dauerhaft in die Rechte des Herrn eingreift – etwa bei der Zulassung zum Mahl des Herrn – wird der Herr seine Gegenwart ebenfalls nicht zusagen können.
- Menschliche Regeln, Ordnungen und Organisationen einführen. Eine örtliche Versammlung ist kein Verein, der feste Organisationsformen benötigt. Menschliche Regeln ersetzen sehr schnell die Leitung durch den Heiligen Geist, und auch damit wird Christus sich auf Dauer nicht verbinden.
- Die Aufforderung, die Einheit des Geistes im Bande des Friedens zu bewahren, bewusst ignorieren und Beschlüsse von örtlichen Versammlungen grundsätzlich in Frage stellen oder gar ignorieren. Dies zu tun, ist keine „Kleinigkeit“, denn Christus ist unter anderem deshalb nach Golgatha gegangen, um „die zerstreuten Kinder Gottes“ in eins zu versammeln (Joh 11,52).
- Uns selbst in den Mittelpunkt stellen. Das ist vielleicht eines der größten Übel, weil es sehr schwer zu detektieren ist. Leider bleibt das Fleisch in uns – und ganz besonders das religiöse Fleisch – in keiner Zusammenkunft draußen. Wir nehmen es immer mit. Und nur zu leicht macht es sich in unseren Zusammenkünften bemerkbar. Wenn wir ihm dauerhaft Raum geben und uns selbst erheben, nehmen wir den Platz ein, der Christus allein gebührt. Das wird es Ihm ebenfalls unmöglich machen, seine Zusage zu erfüllen.
In allem gilt: „Und er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe“ (Kol 1,18).
Der Ort, den Er sich erwählt
Wir haben uns daran erinnert, dass es im Alten Testament einen Ort gab, den Gott sich erwählt hatte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen. In der letzten Konsequenz war das Jerusalem, wo Gott im Tempel bei seinem Volk wohnte. Das 5. Buch Mose spricht 21 Mal über diesen Ort. Es war damals ein geographischer Ort. Der „Ort“, den wir heute kennen, ist ein geistlicher Ort, d. h. ein biblischer Grundsatz. Dennoch dient der Ort im Alten Testament als Illustration für das, was wir heute als Versammlung erleben, wenn wir im Namen des Herrn Jesus zusammenkommen. Das Neuen Testament selbst spricht von der Versammlung als von einem „heiligen Tempel“ und einer „Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,21.22).
Ich möchte auf folgende Parallelen hinweisen:
- Es gab im Alten Testament nur einen Tempel, keine zwei oder drei. Im Neuen Testament gibt es nur eine Versammlung und nur einen Grundsatz, auf dem die örtliche Versammlung zusammenkommt.
- Der Tempel in Jerusalem war der Ort, wo Gott zu seinem Volk redete. In der Versammlung redet Gott besonders in der Wortverkündigung zu uns.
- Der Tempel in Jerusalem war der Ort, wo das Volk zu Gott betete. Er wird ausdrücklich ein „Bethaus“ genannt (Jes 56,7; vgl. Mt 21,13). Das erinnert an die Zusammenkunft zum Gebet, die wir im Neuen Testament finden.
- Der Tempel in Jerusalem war der Ort, wo Gott geopfert wurde. Es war ein Ort der Anbetung. Für uns ist das besonders mit der Zusammenkunft zum Mahl des Herrn verbunden, wo wir seinen Tod verkündigen und Gott als heilige Priester anbeten.
- Der Tempel in Jerusalem war ein Ort des Gerichts. Auf uns übertragen lernen wir, dass Zulassung zu und Ausschluss von den Vorrechten der Gläubigen an die örtliche Versammlung gebunden sind.
- Der Tempel in Jerusalem war ein Ort, an dem Gott mit seinem Volk zusammentraf. Für uns sind die Zusammenkünfte eine wunderbare Gelegenheit, Gemeinschaft zu pflegen. Zuerst vertikal mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, sodann auch horizontal untereinander.
Das Volk Israel sollte diesen Ort regelmäßig aufsuchen, d. h. mindestens dreimal im Jahr. Für uns gilt, dass wir unser Zusammenkommen nicht versäumen sollen (Heb 10,25). Das bedeutet in erster Linie, es nicht generell aufzugeben (in dieser Gefahr standen die Hebräer). Es bedeutet in zweiter Linie, dass wir regelmäßig da sein sollten, wenn der Herr uns einlädt, in seine Gegenwart zu kommen. Jede versäumte Zusammenkunft ist zugleich eine verpasste Gelegenheit, Ihn in der Mitte der Seinen zu erleben. Im Himmel wird keiner mehr fehlen, wenn wir das Lamm in der Mitte bewundern und anbeten. Das sollte heute nicht anders sein.
Und noch etwas: Das Volk Israel sollte den Ort suchen und aufsuchen, doch es gab keinen Grund, diesen Platz selbst zu erwählen. Gott hatte ihn ausgewählt. Wenn wir das auf uns ertragen, gewinnt die manchmal gestellt Frage: „In welche Gemeinde soll ich denn gehen?“ eine ganz neue Dimension. Die Frage stellt sich eigentlich so gar nicht. Sie lautet vielmehr: „Welchen Ort hat Gott festgelegt, wo Gläubige sich versammeln sollen?“. Es ist der Ort (der Grundsatz), wo Gläubige sich schlicht und einfach zu dem Namen des Herrn Jesus hin versammeln, seine Rechte anerkennen und seine Gegenwart genießen.
Resümee
Zweimal spricht der Herr Jesus im Matthäusevangelium unmittelbar von der Versammlung.
- In Kapitel 16 geht es um die Versammlung nach Gottes Ratschluss, die aus allen Erlösten besteht, die von Pfingsten (Apg 2) bis zu Entrückung das Evangelium des Heils hören und im Glauben annehmen. Der Sohn Gottes selbst baut dieses Haus, das dann fertig ist, wenn der letzte lebendige Stein hinzugefügt worden ist.
- In Kapitel 18 geht es um die örtliche Versammlung, die zum Namen des Herrn Jesus zusammenkommt und seine Gegenwart in ihrer Mitte erlebt. Der Herr zeigt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Er diese Zusage wahr machen kann – eine Zusage, die viele Leser oft in der Praxis des Versammlungslebens erfahren haben und die wir – trotz all unserer Fehlerhaftigkeit – immer noch erleben können, wenn wir uns an die Grundsätze des Wortes Gottes über das Zusammenkommen der Gläubigen halten.