Setze einen König über uns
Eine Auslegung zum ersten Buch Samuel

Kapitel 28

Setze einen König über uns

Kapitel 28 berichtet kurz über den dunklen Zeitabschnitt in der Geschichte Davids und beschreibt dann ausführlich den hoffnungslosen Zustand Sauls.

David wird Achis‘ Hüter

Und es geschah in jenen Tagen, da versammelten die Philister ihre Heere zum Krieg, um gegen Israel zu kämpfen. Und Achis sprach zu David: Wisse bestimmt, dass du mit mir ins Lager ausziehen sollst, du und deine Männer. Und David sprach zu Achis: So sollst du denn auch erfahren, was dein Knecht tun wird. Und Achis sprach zu David: So will ich dich denn zum Hüter meines Hauptes setzen alle Tage“ (V. 1–2).

Die Philister eröffnen wieder einmal den Krieg gegen Israel, und Achis erwartet von David und seinen Männern, dass sie mitziehen. Jetzt wird offenbar, wie verhängnisvoll es für David ist, dass er im Feindesland wohnt und sich mit dessen König verbunden hat. Doch nicht nur David ist betroffen, sondern auch seine Männer; sie müssen die Folgen dieses verkehrten Weges mittragen. Hat David gar nicht daran gedacht, dass zwischen den Philistern und Israel ein Krieg entstehen kann? Wer eigene Wege geht, übersieht schnell Gefahren. David befindet sich nun in einer Zwickmühle: Verweigert er Achis seine Hilfe, hat er ihn gegen sich (Achis hat ihm schließlich auch geholfen!). Kommt er ihm zu Hilfe, wird er zum Verräter seines eigenen Volkes (er soll bald König dieses Volkes werden!).

Davids Dilemma warnt uns: Auf einem falschen Weg können wir in Situationen kommen, aus denen wir nicht ohne Schaden wieder herauskommen. Wenn wir die Hilfe der Welt in Anspruch nehmen, müssen wir damit rechnen, dass sie ihren Preis dafür fordert. Daher gilt es, wachsam zu sein. Denn wie schwierig ist es, einen falschen Weg wieder zu verlassen!

David gibt Achis keine eindeutige Antwort: „So sollst du denn auch erfahren, was dein Knecht tun wird“ (V. 2). Will David Achis helfen oder will er ihn hintergehen? Offensichtlich hat Achis nicht gemerkt, dass David ihn schon über längere Zeit getäuscht hat. Er interpretiert Davids Antwort als Zusage und ernennt David zum „Hüter seines Hauptes“. Nachdem er zunächst meint, David sei für immer sein Knecht, „befördert“ er ihn nun zu einer Art Leibwächter für „alle Tage“. Damit bindet er David noch enger an sich. – Das ist die Taktik des Teufels, um Gläubige für die Sache des Herrn unbrauchbar zu machen: Er bringt sie in eine enge Verbindung mit der Welt, eine Verbindung, die möglicherweise sogar verpflichtet. – Für David wird die Situation damit immer schwieriger. Wohin hat sein verkehrter Weg ihn nur geführt! Der zukünftige König des Volkes Gottes wird zum Leibwächter des Erzfeindes von Israel bestellt.

Saul erhält keine Antwort

Samuel aber war gestorben, und ganz Israel hatte um ihn geklagt und ihn in Rama, in seiner Stadt, begraben. Und Saul hatte die Totenbeschwörer und die Wahrsager aus dem Land weggeschafft. Und die Philister versammelten sich, und sie kamen und lagerten in Sunem. Und Saul versammelte ganz Israel, und sie lagerten auf dem Gilboa. Und als Saul das Heer der Philister sah, fürchtete er sich, und sein Herz zitterte sehr. Und Saul befragte den HERRN; aber der HERR antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durch die Urim, noch durch die Propheten“ (V. 3–6).

Es folgt ein Szenenwechsel, der Saul in einer verzweifelten Lage zeigt. Vorab finden wir eine Information, die den Hintergrund seiner weiteren Geschichte erklärt:

  • Samuel lebt nicht mehr.
  • Saul hat alle Totenbeschwörer und Wahrsager aus dem Land weggeschafft.

Samuels Tod weist darauf hin, dass Gott aufgehört hat, zu Saul zu sprechen. Dass Saul das Land von Totenbeschwörern und Wahrsagern gereinigt hat und auf diese Weise die Gräuel für den HERRN weggeschafft hat (vgl. 2. Mo 22,17; 3. Mo 19,31; 20,6.27, 5. Mo 18,10–12), entspricht eher seiner äußeren Frömmigkeit als einem echten Herzensanliegen. Denn im Herzen hat er sich von den okkulten Praktiken nicht vollständig distanziert, wie der folgende Bericht zeigt.

Nach dieser Einschaltung lesen wir, wie Achis seinen Plan ausführt und sich gegen die Kinder Israel aufstellt. Diesmal kämpfen die Philister nicht im Süden des Landes, sondern ziehen hoch in den Norden Israels, nach Sunem. Obwohl Israel häufig gegen die Philister gekämpft hat, ist deren Stärke ungebrochen; sie können ungehindert in das Land eindringen. Saul hat es in all den Jahren seiner Regierung nicht geschafft, seinen Auftrag vollständig auszuführen – das Volk Gottes aus der Hand dieses Feindes zu retten (vgl. Kap. 9,16). Und jetzt, am Ende seiner Regierungszeit, hat er große Angst vor ihnen.

In seiner Verzweiflung – nicht etwa in aufrichtiger Buße und in Bereitschaft, Gottes Willen zu tun – befragt Saul den Herrn,1 aber dieser antwortet ihm nicht, weder durch Träume, noch durch die Urim, noch durch die Propheten. Armer Saul! Doch er ist an dieser Situation selbst schuld. Sein Eigenwille hindert Gott daran, direkt (durch Träume) zu ihm zu sprechen. Auch durch den Priesterdienst (Urim und Thummim) erhält er keine Antwort. Dieser Möglichkeit hat er sich selbst beraubt als er die Priester hat töten lassen (vgl. Kap. 22). Und der Prophetendienst ist vorübergehend auch zum Stillstand gekommen, weil Samuel nicht mehr lebt. Der Herr schweigt – eine schreckliche Situation (vgl. Spr 1,24–32)!

Saul sucht eine Totenbeschwörerin auf

Da sprach Saul zu seinen Knechten: Sucht mir eine Frau, die einen Totenbeschwörer-Geist hat, damit ich zu ihr gehe und sie befrage. Und seine Knechte sprachen zu ihm: Siehe, in En-Dor ist eine Frau, die einen Totenbeschwörer-Geist hat. Und Saul verstellte sich und zog andere Kleider an und ging hin, er und zwei Männer mit ihm, und sie kamen zu der Frau bei Nacht; und er sprach: Wahrsage mir doch durch den Totenbeschwörer-Geist und bring mir herauf, wen ich dir sagen werde. Aber die Frau sprach zu ihm: Siehe, du weißt ja, was Saul getan hat, dass er die Totenbeschwörer und die Wahrsager aus dem Land ausgerottet hat; und warum legst du meiner Seele eine Schlinge, um mich zu töten? Und Saul schwor ihr bei dem HERRN und sprach: So wahr der HERR lebt, wenn dich eine Schuld treffen soll wegen dieser Sache! Da sprach die Frau: Wen soll ich dir heraufbringen? Und er sprach: Bring mir Samuel herauf“ (V. 7–11).

Saul ist völlig verzweifelt. Weil er weder aus noch ein weiß, will er eine Totenbeschwörerin befragen. Interessant, dass seine Knechte nicht lange zu suchen brauchen; ihnen ist eine entsprechende Person bekannt. Sauls Maßnahmen, die Wahrsager aus dem Land wegzuschaffen, sind offensichtlich nicht konsequent umgesetzt worden.

Wie konsequent beseitigen wir Dinge, die verkehrt sind und uns zum Fallstrick werden können? Als in Ephesus heidnische, götzendienerische Menschen zum Glauben kamen, nahmen sie einen radikalen Schnitt vor: „Viele aber von denen, die Zauberei getrieben hatten, trugen die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen“ (Apg 19,19). Damit waren diese Dinge dauerhaft beseitigt. Und was war die Folge? Geistliches Wachstum! „So wuchs das Wort des Herrn mit Macht und nahm überhand“ (Apg 19,20). Ohne Trennung vom Bösen können wir im Glaubensleben nicht wachsen.

Niemand soll erfahren, was Saul vorhat. Deshalb verstellt und verkleidet er sich und sucht die empfohlene Wahrsagerin in En-Dor auf. Weil En-Dor hinter dem Lager der Philister liegt – eine gefährliche Angelegenheit also – wird er von zwei Männern begleitet. Die Bibel berichtet von mehreren Personen, die versuchten, ihre Identität zu verbergen. Das ging nie gut. Ahab zum Beispiel verkleidete sich im Kampf gegen die Syrer und wurde dennoch tödlich getroffen (1. Kön 22,30–35). Josia verkleidete sich, um gegen den König Neko zu kämpfen und kam ebenfalls um (2. Chr 35,22–24). In Zephanja 1,8 spricht Gott ein ernstes Gericht über Götzendiener aus und über alle, „die sich mit fremdländischer Kleidung bekleiden“. Es mag Situationen in unserem Leben geben, in denen auch wir uns „verkleiden“ wollen, weil uns niemand erkennen soll. Doch dann ist unser Glaubensleben nicht gesund; dann leben wir vor Menschen. Wer vor Gott lebt, braucht kein Verstecken zu spielen. Gott hat uns erforscht und erkannt, vor Ihm können wir niemals irgendetwas verbergen (Heb 4,13).

Saul will unbedingt wissen, was ihm die Zukunft bringt. Dieses Verlangen liegt in der Natur des Menschen. Die Fragen, wie es auf dieser Erde weitergehen wird und wo wir die Ewigkeit zubringen werden, sind von größter Bedeutung. Darauf gibt uns die Bibel eine eindeutige Antwort. Doch wenn Gott uns vorenthält, wie unser persönliches Leben hier auf der Erde verlaufen wird, meint Er es gut mit uns, denn wir könnten diese Mitteilung nicht ertragen. Denken wir nur an die Horoskope, die immer wieder gelesen werden. Wie viele Menschen werden dadurch beunruhigt! Wahrsagerei und Spiritismus sind böse Dinge, vor denen wir uns in jeder Form hüten müssen. Für Gott sind sie ein Gräuel (vgl. 5. Mo 18,10–12; 1. Sam 15,23). Hinter allem Okkulten steht niemand anderes als Satan und seine Dämonen. Die Gläubigen fordert der Herr auf: „Über das Zukünftige fragt mich; meine Kinder und das Werk meiner Hände lasst mir anbefohlen sein!“ (Jes 45,11).

Die Wahrsagerin wittert eine Falle: Saul hat die Totenbeschwörer und Wahrsager aus dem Land ausgerottet. Jetzt könnte sie ertappt werden. Saul beruhigt sie, indem er bei dem HERRN schwört. Er, der von dem HERRN keine Antwort bekommen hat, scheut sich nicht, den heiligen Namen des HERRN mit einem Gräuel zu verbinden. Wie verblendet und skrupellos ist Saul! Und jetzt soll die Frau auch noch Samuel heraufbringen. Dieser Wunsch wird sie überrascht haben ...

Samuels letzte Botschaft an Saul

Und als die Frau Samuel sah, da schrie sie mit lauter Stimme; und die Frau sprach zu Saul und sagte: Warum hast du mich betrogen? Du bist ja Saul! Und der König sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Doch was siehst du? Und die Frau sprach zu Saul: Ich sehe einen Gott aus der Erde heraufsteigen. Und er sprach zu ihr: Wie ist seine Gestalt? Und sie sprach: Ein alter Mann steigt herauf, und er ist in ein Oberkleid gehüllt. Da erkannte Saul, dass es Samuel war, und er neigte sich, das Gesicht zur Erde, und beugte sich nieder. Und Samuel sprach zu Saul: Warum hast du mich beunruhigt, mich heraufkommen zu lassen? Und Saul sprach: Ich bin in großer Not, denn die Philister kämpfen gegen mich, und Gott ist von mir gewichen und antwortet mir nicht mehr, weder durch die Propheten noch durch Träume; da ließ ich dich rufen, damit du mir kundtust, was ich tun soll. Und Samuel sprach: Warum doch fragst du mich, da der HERR von dir gewichen und dein Feind geworden ist? *Und der HERR hat für sich getan, so wie er durch mich geredet hat; und der HERR hat das Königtum aus deiner Hand gerissen und es deinem Nächsten, David, gegeben. Weil du der Stimme des HERRN nicht gehorcht und seine Zornglut nicht ausgeführt hast an Amalek, darum hat der HERR dir dies heute getan. Und der HERR wird auch Israel mit dir in die Hand der Philister geben; und morgen wirst du mit deinen Söhnen bei mir sein; auch das Heerlager Israels wird der HERR in die Hand der Philister geben(V. 12–19).

Die Totenbeschwörerin beginnt mit ihren spiritistischen Praktiken. Doch diesmal läuft alles anders als sonst. Anstatt dass die ihr bekannten dämonischen Geister erscheinen, sieht sie einen Mann. Sie ist ganz erschrocken, denn bisher hat sie nie eine verstorbene Person „heraufgeholt“. Kein Mensch, kein Totenbeschwörer und selbst nicht Satan, kann einen Toten ins Leben zurückbringen. Gott allein hat die „Schlüssel des Todes und des Hades“ (Off 1,18). Während die Seelen der gestorbenen Gläubigen bei Christus im Paradies sind, befinden sich die Geister der ungläubig Gestorbenen „im Gefängnis“, wo sie bis zum Tag des Gerichts aufbewahrt werden (vgl. 1. Pet 3,19). Nur Gott kann sie von dort heraufbringen. Wahrsager und Totenbeschwörer sind lediglich in der Lage, mit dem Bereich der Dämonen in Kontakt zu treten und Sprachrohr der bösen Geister zu sein. Dass die Frau jetzt einen von Gott gesandten Botschafter sieht, lässt sie erschrecken und zugleich erkennen, dass Gott hier eingegriffen hat. Dadurch wird ihr sofort klar, dass Saul vor ihr steht.

Die Frau sieht „einen Gott“, das heißt eine übernatürliche Erscheinung aus der Erde heraufsteigen. Da Saul selbst nichts sieht, möchte er genauer wissen, wer „heraufgekommen“ ist. Als die Frau ihm die Gestalt der Erscheinung beschreibt und das Oberkleid erwähnt, weiß Saul sofort, dass es Samuel ist und beugt sich vor ihm nieder. Dieses Prophetenkleid hat Samuel sein Leben lang gekennzeichnet (s. Kap. 2,19; 15,27).

Dann hört Saul Samuel sprechen. Er ist es tatsächlich, der hier erschienen ist! Doch er fühlt sich in seiner Ruhe gestört. So erschreckend die Situation mit der Totenbeschwörung hier auch ist, so gewährt sie uns doch einen Blick ins Totenreich: Alle Gläubigen, die „in Christus Entschlafenen“ sind dort in tiefer Ruhe (vgl. Dan 12,13; Off 14,13). Das Bild von dem „Schoß Abrahams“ (Lk 16,23) stimmt mit dieser Tatsache völlig überein. Es ist ein glückseliger Ruheort für die Gläubigen.

Auf Samuels Frage bekennt Saul ungeschönt seine verzweifelte Lage, seine große Not und die Tatsache, dass Gott von ihm gewichen ist und ihm deshalb nicht mehr antwortet. Er bittet Samuel, ihm mitzuteilen, was er tun soll. So versucht er, das Schweigen Gottes zu umgehen. Das lässt Samuel jedoch nicht zu. Als Prophet ist Samuel das Sprachrohr Gottes gewesen und wenn Gott nicht mehr mit Saul spricht, dann kann auch er jetzt nichts sagen. Das Einzige, was Samuel Saul noch einmal hören lässt, ist das gerechte Urteil Gottes. Die ersten Punkte kennt Saul schon: „Der HERR ist von dir gewichen und dein Feind geworden“ (V. 16). Wie schrecklich, wenn so etwas von Gott in Bezug auf einen Menschen gesagt werden muss.2

Weiterhin bestätigt Samuel noch einmal seine Worte über das Königtum Sauls, die er ihm bereits viele Jahre zuvor mitgeteilt hat (1. Sam 13; 14). Hier wird jedoch zum ersten Mal der Name Davids als Nachfolger Sauls klar genannt. Dann begründet Samuel ein weiteres Mal das Handeln Gottes im Gericht. Dabei kommt er auf Sauls große Sünde zu Beginn seiner Laufbahn zurück – beim Sieg über Amalek (vgl. Kap. 15). Gott steht zu seinem Wort. Selbst wenn Er ein Gerichtsurteil nicht sofort ausführt – sicher ist, dass Er es ausführt.

Neben diesen bereits bekannten Punkten fügt Samuel noch etwas Neues hinzu: Er kündigt Saul an, dass er und seine Söhne sterben werden. Sauls Körper würde dann von den Philistern an die Mauer von Beth-Schean geheftet werden, aber seine Seele würde im Scheol (im Totenreich) sein. Aus dem Neuen Testament wissen wir, dass das Totenreich in zwei Bereiche unterteilt ist: in Paradies und Hades. Im Paradies ruhen alle Gläubigen, im Hades dagegen leiden die Ungläubigen große Pein (vgl. Lk 16,19–31).

Dann folgt die letzte Gerichtsbotschaft, die Saul zu hören bekommt: Der HERR wird das Heerlager Israels in die Hand der Philister geben. Saul war von Anfang an von Gott gewesen, diesen Feind zu bezwingen. Jetzt tritt das Gegenteil ein: Die Philister bezwingen Israel. Saul hat total versagt.

Sauls Bestürzung

Da fiel Saul plötzlich seiner Länge nach zur Erde, und er fürchtete sich sehr vor den Worten Samuels; auch war keine Kraft in ihm, denn er hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht nichts gegessen. Und die Frau trat zu Saul und sah, dass er sehr bestürzt war; und sie sprach zu ihm: Siehe, deine Magd hat auf deine Stimme gehört, und ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt und auf deine Worte gehört, die du zu mir geredet hast; und nun höre doch auch du auf die Stimme deiner Magd, und lass mich dir einen Bissen Brot vorsetzen, und iss, dass Kraft in dir sei, wenn du deines Weges gehst. Aber er weigerte sich und sprach: Ich will nicht essen. Da drangen seine Knechte und auch die Frau in ihn; und er hörte auf ihre Stimme und stand von der Erde auf und setzte sich auf das Bett. Und die Frau hatte ein gemästetes Kalb im Haus; und sie eilte und schlachtete es; und sie nahm Mehl und knetete es und backte daraus ungesäuerte Kuchen. Und sie brachte es herzu vor Saul und vor seine Knechte, und sie aßen. Und sie machten sich auf und gingen in jener Nacht fort“ (V. 20–25).

Samuels vernichtendes Urteil wirft Saul zu Boden. Mit einem Mal wird ihm bewusst, dass seine Lage hoffnungslos ist. Ihn packt die Todesangst. Das ist das schreckliche Ende eines Menschen, der unter der Knechtschaft Satans ist, weil er die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen hat (vgl. Heb 2,15; 2. Thes 2,10). Dieser schöne und große Mann, der von seiner Schulter an aufwärts alles Volk überragt, ist völlig am Ende. Einst haben seine äußeren Vorzüge ihn ausgezeichnet (1. Sam 9,2; 10,23.24). Davon sieht man jetzt nichts mehr. „Der HERR der Heerscharen hat einen Tag über alles Stolze und Hohe und Erhabene, und es wird erniedrigt werden; und über alle Zedern des Libanon, die hohen und erhabenen ... Und der Hochmut des Menschen wird gebeugt und die Überheblichkeit der Männer erniedrigt werden ...“ (Jes 2,12–17).

Wie ganz anders verlief das Leben des Sauls (oder Saulus), von dem das Neue Testament ausführlich berichtet. Auch in seinem Leben gab es einen Moment, wo er zu Boden fiel. Doch für ihn war es nicht das hoffnungslose Ende seines Daseins, sondern der Anfang eines überaus gesegneten Lebens. Als Saulus die Stimme des Herrn vernahm, nutzte er die Gelegenheit und tat Buße. Von da an wurde Jesus, den er verfolgt hatte, sein Herr, dem er mit größter Hingabe diente.

Die Totenbeschwörerin hat getan, was ihr aufgetragen worden ist. Das Ergebnis hat sie nicht voraussehen können. Insofern fühlt sie sich nicht verantwortlich für Sauls Zustand, zeigt aber Mitgefühl. Anstatt Lohn für ihren Dienst zu erwarten, will sie Saul auf die Beine helfen. Doch Saul verweigert sich. Erst als seine Knechte und die Wahrsagerin ihn zum Essen drängen, gibt er nach.

Die eilig zubereitete Mahlzeit, bestehend aus dem gemästeten Kalb und den ungesäuerten Kuchen, erinnert an die Mahlzeit, die Abraham einst dem HERRN vorsetzte (1. Mos 18,6–8). Aber was für ein Gegensatz: Dort ist Abraham, der Mann des Glaubens; Gott konnte Gemeinschaft mit ihm haben und ihm seine Gedanken mitteilen. Hier ist Saul, von dem der HERR gewichen ist und der im Haus einer bösen Frau sein Gerichtsurteil hört. Es ist der Gegensatz zwischen Licht und Finsternis, zwischen Glaube und Unglaube.

Nach dem Essen macht Saul sich mit seinen beiden Knechten auf und zieht fort in die Nacht. Sein Weg gleicht dem Weg von Judas Iskariot, der ebenfalls hinausging als es Nacht war (Joh 13,30). Beide Wege führen in die ewige Finsternis.

Fußnoten

  • 1 Man hat den Eindruck, dass Saul den HERRN mehr oder weniger aus abergläubischem Interesse fragt. Denn wer in seiner Widerspenstigkeit verharrt und sich dann an Gott wendet, ist nicht weit von Wahrsagerei entfernt (vgl. Kap. 15,23). Weil Sauls Herz und Gewissen nicht beteiligt sind, gibt der Herr ihm keine Antwort; Er lässt sich nicht von Menschen „benutzen“. Vor diesem Hintergrund sehen wir keinen Widerspruch zu 1. Chronika 10,14, wo es im Rückblick auf diese Situation heißt: „aber den HERRN befragte er nicht“.
  • 2 Im Allgemeinen ist Gott kein Feind des Menschen, sondern der natürliche Mensch ist ein Feind Gottes (Röm 5,10; Kol 1,21). Das zeigt, wie hoffnungslos der Zustand Sauls hier ist.
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