Setze einen König über uns
Eine Auslegung zum ersten Buch Samuel
Kapitel 5
Kapitel 5 könnten wir mit einem Vers aus dem Buch Jesaja überschreiben: „Ich bin der HERR, das ist mein Name; und meine Ehre gebe ich keinem anderen, noch meinen Ruhm den geschnitzten Bildern“ (Jes 42,8). Es geht um die Bundeslade bei den Philistern (das Volk Israel wird in diesem Kapitel gar nicht erwähnt). Sie haben die Lade Gottes, das Zeichen seiner Herrlichkeit, in ihren Besitz gebracht. Jetzt müssen sie erleben, dass sich die Herrlichkeit Gottes gegen sie richtet. Psalm 78,65.66 beschreibt das Geschehen mit den Worten: „Da erwachte wie ein Schlafender der HERR, wie ein Held, der vom Wein jauchzt; und er schlug seine Feinde von hinten, gab ihnen ewige Schmach.“
Die Lade Gottes im Haus Dagons
„Und die Philister hatten die Lade Gottes genommen und brachten sie von Eben-Eser nach Asdod. Und die Philister nahmen die Lade Gottes und brachten sie in das Haus Dagons und stellten sie neben Dagon. Und als die Asdoditer am nächsten Tag früh aufstanden, siehe, da lag Dagon auf seinem Angesicht auf der Erde vor der Lade des HERRN; und sie nahmen Dagon und stellten ihn wieder an seinen Ort. Und als sie am nächsten Tag frühmorgens aufstanden, siehe, da lag Dagon auf seinem Angesicht auf der Erde vor der Lade des HERRN; und zwar lagen das Haupt Dagons und seine beiden Hände abgehauen auf der Schwelle, nur der Fischrumpf war an ihm übrig geblieben. Darum treten die Priester Dagons und alle, die in das Haus Dagons gehen, nicht auf die Schwelle Dagons in Asdod bis auf diesen Tag. Und die Hand des HERRN lag schwer auf den Asdoditern, und er verwüstete sie; und er schlug sie mit Beulen, Asdod und sein Gebiet“ (V. 1–6).
„Die Lade Gottes ist genommen!“ – so endet Kapitel 4 und so beginnt Kapitel 5. Die Wiederholung unterstreicht, wie bedeutsam dieses Ereignis ist. Es markiert den traurigen Abschluss einer langen Periode im Volk Israel, einer Zeit, die durch die Gegenwart des Zeltes der Zusammenkunft und der Bundeslade in Silo gekennzeichnet ist.
Nach der Wüstenreise ist das Zelt der Zusammenkunft im Land Kanaan in Silo aufgerichtet worden (Jos 18,1; 19,51). Es ist anzunehmen, dass die Lade seitdem dort für eine Zeit von ungefähr 300 Jahren gestanden hat. Jetzt gerät sie in die Hand der Philister und ist nie wieder nach Silo in das Zelt der Zusammenkunft zurückgekommen. Das wird deutlich, wenn wir ihre weitere Geschichte verfolgen. Als die Lade Gottes nach sieben Monaten aus dem Gebiet der Philister zurückkehrt (1. Sam 6) wird sie nach Kirjat-Jearim in das Haus Abinadabs gebracht (1. Sam 7,1). Dort bleibt sie zunächst 20 Jahre und noch länger, bis David sie zunächst für drei Monate in das Haus von Obed-Edom und dann nach Jerusalem bringt (2. Sam 6). Als Salomo später den Tempel in Jerusalem baut, findet sie wieder einen dauerhaften Ruheplatz. Erst dann ist der eigentliche Priesterdienst im Haus Gottes wiederhergestellt.
Die Herrlichkeit Gottes ist aus Israel gewichen. Ist die Lade Gottes jetzt bei den Philistern zum Segen? Nein! An allen Orten, wo sie hinkommt, bringt sie Fluch: zuerst in Asdod, dann in Gat und schließlich in Ekron.
Und nun im Detail: Die Philister bringen die Lade Gottes in das Haus Dagons und stellen sie neben ihren Götzen Dagon. Damit ist der Sieg nicht länger eine Angelegenheit zwischen den Philistern und Israel, sondern zwischen Dagon und dem Herrn, dem Gott Israels! Wenn die Philister meinen, dass sie endlich über den Gott Israels triumphieren können, dessen Macht schon etliche Nationen erlebt haben, dann befreit Gott sie jetzt von dieser Illusion. Er steht für seine Ehre ein und beweist seine Macht über den „Gott“ der Philister: Am nächsten Morgen liegt Dagon mit seinem Gesicht am Boden vor der Lade des HERRN. Was denken die Philister – ist es reiner Zufall? Als Dagon am nächsten Morgen mit abgehauenem Kopf und Armen vor der Bundeslade liegt, werden sie nachdenklich. Alle menschlichen Bestandteile des Götzen, die auf Intelligenz (Kopf) und Kraft (Arme) hinweisen sollten, sind vom Rumpf entfernt worden. Doch diese Niederlage ihres „Gottes“ bewirkt bei den Philistern keine Buße oder Beugung vor dem Gott Israels; lediglich ihr Aberglaube wird sichtbar: Die Schwelle Dagons wird seitdem nicht mehr betreten. Dieser religiöse Brauch wird letztlich zum beständigen Zeugnis, dass ihr Götze ein Verlierer ist.
Nachdem der Götze der Philister gerichtet worden ist, trifft das Gericht die Götzendiener, die Bewohner von Asdod. Gott „verwüstete sie; und er schlug sie mit Beulen“ (V. 6). Ähnlich war es in Ägypten. Dort vollzog Gott durch die Plagen ebenfalls Gericht an den Göttern und an den Bewohnern Ägyptens (vgl. 2. Mo 12,12; 4. Mo 33,4).
Die Lade Gottes in Gat und Ekron
„Und als die Leute von Asdod sahen, dass es so war, sprachen sie: Die Lade des Gottes Israels soll nicht bei uns bleiben; denn seine Hand ist hart über uns und über Dagon, unserem Gott. Und sie sandten hin und versammelten alle Fürsten der Philister zu sich und sprachen: Was sollen wir mit der Lade des Gottes Israels tun? Und sie sprachen: Man schaffe die Lade des Gottes Israels nach Gat. Und sie schafften die Lade des Gottes Israels hin. Und es geschah, nachdem sie sie hingeschafft hatten, da kam die Hand des HERRN über die Stadt, und es entstand eine sehr große Bestürzung; und er schlug die Leute der Stadt, vom Kleinen bis zum Großen, dass Beulen an ihnen ausbrachen. Da sandten sie die Lade Gottes nach Ekron. Und es geschah, als die Lade Gottes nach Ekron kam, da schrien die Ekroniter und sprachen: Sie haben die Lade des Gottes Israels zu mir hergeschafft, um mich und mein Volk zu töten! Und sie sandten hin und versammelten alle Fürsten der Philister und sprachen: Sendet die Lade des Gottes Israels fort, damit sie an ihren Ort zurückkehre und mich und mein Volk nicht töte. Denn es war eine tödliche Bestürzung in der ganzen Stadt; die Hand Gottes war dort sehr schwer. Und die Leute, die nicht starben, wurden mit Beulen geschlagen; und das Geschrei der Stadt stieg zum Himmel empor“ (V. 7–12).
Die Asdoditer erkennen die Überlegenheit Gottes und schreiben die Verwüstung und die Beulen dem Herrn zu. Sie wollen die Lade Gottes so schnell wie möglich loswerden. Nach Beratung mit den Fürsten der Philister wird die Lade nach Gat gesandt. – Das ist typisch für die Welt: Jeder ist sich selbst der Nächste, teilweise auch auf Kosten anderer.
Gat ist eine der Heimatstädte Enakims, einem Geschlecht der Riesen (Jos11,21 ff.). Auch zur Zeit Samuels haben dort noch Riesen gewohnt, zum Beispiel Goliath (1. Sam 17,4). Riesen sprechen von der Größe und Macht der Menschen. Während sich in der Tempelstadt Asdod die Überlegenheit der Macht Gottes über die der Götzen erwiesen hat, wird nun in Gat deutlich, dass Gottes Macht auch größer ist als alle Macht der Menschen. Das Gericht an den Philistern in Gat ist dasselbe wie Asdod: „Und es entstand eine sehr große Bestürzung; und er schlug die Leute der Stadt, vom Kleinen bis zum Großen, dass Beulen an ihnen ausbrachen“ (V. 9). Die große Beulenepidemie führt dazu, dass man auch in Gat die Lade Gottes schnellstmöglich loswerden will. Daher sendet man sie nach Ekron.
Vielleicht erhoffen sich die Philister, in Ekron Erleichterung von der Plage zu bekommen. Aber gerade dort erreicht das Gericht Gottes einen gewissen Höhepunkt, wie aus den Versen 11 und 12 zu erkennen ist. Gottes Macht erweist sich noch einmal stärker als alle Macht der Götzen.
Die Ereignisse in Verbindung mit der Lade Gottes bei den Philistern lassen Parallelen zu den letzten Etappen des Weges erkennen, den unser Heiland kurz vor seiner Kreuzigung erlebt hat:
- Die Lade kommt in die Hände der Philister – der Herr wird in die Hände der Sünder überliefert (Mk 14,41)
- Die Lade gerät in die Gefangenschaft (vgl. Ps 78,61) – der Herr wird festgenommen und gebunden (Joh 18,12)
- Dagon fällt um – die Feinde des Herrn „wichen zurück und fielen zu Boden“ (Joh 18,6) als sich die Macht des Herrn in seinen Worten „Ich bin es“ offenbart.
- Die Lade wird von einem Ort zum anderen gebracht und überall offenbart sich die Herrlichkeit Gottes – der Herr wird von einem Verhör zum nächsten gebracht und an jedem Ort kommt seine Herrlichkeit zum Vorschein.
So lässt sich auch in diesem „Philister-Kapitel“ etwas finden, was unseren Herrn betrifft (vgl. Lk 24,27).