Das Buch Ruth – praktische Lektionen für das Glaubensleben des Christen

Kapitel 4

Das vierte Kapitel zeigt uns, wie Boas die Sache tatsächlich zu einem guten Ende bringt. Ruth wird seine Frau und findet Ruhe bei ihm. Die mittellose Frau aus Moab wird die Frau des reichen Großgrundbesitzers in Bethlehem. Das ist das Ziel des Herrn Jesus mit jedem von uns. Wir – die wir nichts verdient hatten – sollen aus Gnade in der Verbindung mit Ihm Ruhe finden und Frucht für Ihn bringen.

Der andere Blutsverwandte (Verse 1–8)

Doch zunächst taucht ein Hindernis auf, das bereits in Kapitel 3 erwähnt wird. Es gab für Ruth noch einen anderen Verwandten, der Noomi näher stand und der damit ein erstes Recht an Ruth hatte. Erneut erscheint uns die Szene etwas sonderbar und fremd. Sie zeigt, dass sich Sitten und Gebräuche ändern können. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, sei nur gesagt, dass dieser andere Blutsverwandte ein Bild des Gesetzes ist, dem das Volk Israel unterworfen war, weil Gott es ihnen gegeben hatte. Das Gesetz kann jedoch niemals Erlösung bringen. Das gilt für Israel und das gilt für uns heute. Dieser andere Blutsverwandte sagt, dass er nicht „lösen“ (erlösen) kann. Der Römerbrief erklärt uns, dass es etwas gibt, das dem Gesetz unmöglich ist (Röm 8,3). Das Problem ist nicht das Gesetz selbst. Es ist heilig, gerecht und gut (Röm 7,12). Das Problem sind wir Menschen, weil wir das Gesetz nicht halten können. Deshalb hat Gott uns den Herrn Jesus (den wahren Boas) gegeben, der allein erlösen kann. Das Prinzip guter Werke auf einer gesetzlichen Basis ist völlig ungeeignet, irgendeinen Menschen zu erlösen.

Ruth wird gelöst (Verse 9–12)

Boas ist es, der Ruth lösen kann. Er ist dazu in der Lage und er ist willig, es zu tun, weil er Ruth liebt. Das lässt uns an unseren Herrn denken. Er ist der Einzige, der uns erlösen konnte und Er war aus Liebe bereit, es zu tun. Dafür können wir Ihm nie genug danken. Er hat nicht nur alles gegeben, was Er hatte (Mt 13,46), sondern Er ist noch weitergegangen. Paulus schreibt von dem „Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Es war Hingabe bis in den Tod.

Der gesamte Vorgang wird vor Zeugen besiegelt. Boas stellt sich damit öffentlich auf die Seite dieser jungen Frau aus Moab, die eigentlich überhaupt kein Anrecht darauf hatte, einen Mann aus Israel zu heiraten. Wir freuen uns über den Gedanken, dass der Herr Jesus sich nicht schämt, uns „seine Brüder“ zu nennen (Heb 2,11). Er steht zu uns, obwohl wir – wie damals Ruth – überhaupt kein Recht hatten, von Ihm geliebt und erlöst zu werden. Das muss uns tief dankbar machen für die Gnade, die Er uns gegeben hat.

Vers 12 enthält einen wunderbaren Segenswunsch von den Ältesten Bethlehems: „Und von den Nachkommen, die der Herr dir von dieser jungen Frau geben wird, werde dein Haus wie das Haus des Perez, den Tamar dem Juda geboren hat!“ Tamar war – wie Ruth – ebenfalls ein Denkmal der Gnade. Das wird ganz deutlich, wenn wir die Begebenheit in 1. Mose 38 lesen. Perez war aus einer sündigen Verbindung heraus geboren worden. Wir staunen, dass gerade da, wo die Sünde überströmend wird, die Gnade noch überreichlicher geworden ist (Röm 5,20).

Boas heiratet Ruth und bekommt einen Sohn (Verse 13–17)

Es wäre zu wenig und würde der biblischen Geschichte nicht gerecht, von einem „Happy End“ zu sprechen. Es ist viel mehr als das. Boas heiratet Ruth. Die Hochzeit spricht von der Vereinigung von Mann und Frau und zeigt uns, wie eng wir mit dem Herrn Jesus verbunden sind1. Gott segnet die Ehe der beiden, und ein Sohn wird geboren. Er bekommt den Namen Obed und der Text betont, dass er der Großvater Davids war. Das kleine Geschlechtsregister am Ende erinnert noch einmal an den Beginn mit Perez (dem Sohn Tamars), und es endet mit David. David ist – wie viele von uns wissen – ebenfalls ein Bild des Herrn Jesus.

Resümee

So schließt dieses kleine Buch, das so traurig anfängt, mit einem herrlichen Ausblick auf die Person des Herrn Jesus. Ich hoffe, dass wir alle aus diesem Buch etwas gelernt haben und lernen. Zum einen haben wir viele praktische Lektionen und Hinweise vor uns gehabt, die Gott uns als Warnung und Ermutigung gibt. Zum anderen haben wir etwas von der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus gesehen. Gott möchte, dass Er für uns immer größer wird und wir dankbar für die wunderbare Erlösung sind, die wir in Ihm haben.

Fußnoten

  • 1 Es sei darauf hingewiesen, dass Ruth kein Bild von der Versammlung (Gemeinde) ist, selbst wenn das manchmal so angewandt wird. Ruth spricht prophetisch von dem kommenden Überrest aus Israel, aber nicht von der Versammlung (ähnlich wie die Braut in Hohelied). Die Anwendung, die wir machen, betrifft nicht die Versammlung, sondern den einzelnen Gläubigen. Ich nenne hier nur einen einzigen Grund, warum das so ist (es gibt mehrere): Ruth steht von Anfang bis zum Ende des Buches in enger Verbindung mit Noomi. Sie nimmt sozusagen ihren Platz ein, denn in ihr geht die Geschichte Noomis weiter. Die beiden Frauen zeigen uns die beiden Phasen in der Geschichte Israels. Zuerst hat Israel Gott verlassen und sich den Nationen zugewandt. Sie haben alle Anrechte auf das Erbteil verloren (Noomi). Auf der Grundlage der Gnade wird Gott den Überrest annehmen (Ruth). Ruth nimmt Noomis Platz ein. Die Versammlung hingegen nimmt nie den Platz Israels ein. Es ist nicht in Übereinstimmung mit der Lehre des Wortes Gottes, die Versammlung als „geistliche Fortsetzung“ Israels zu bezeichnen (wie die sogenannten Bündnistheologen es tun). In Noomi kann es keine Frucht (Nachkommen) mehr geben. Die Frucht kommt aus Ruth. Dennoch wird das Kind, das am Ende durch Ruth geboren wird, Noomi zugeschrieben (Kap 4,17). Es ist der Segen Israels, der dem Überrest gegeben wird. Der Augenblick kommt, wo sie als Nation gesegnet werden. Das jedoch nur, weil ein kleiner Überrest aus ihnen zu Christus umkehrt und sich Ihm zuwendet. Die enge Verbindung von Ruth und Noomi wird besonders bei der Rückkehr nach Bethlehem deutlich. Kapitel 1,22 sagt ausdrücklich, dass Ruth nach Bethlehem zurückkehrte, obwohl sie offensichtlich vorher nie dort war. Das kann man nur prophetisch verstehen. Ruth wird hier völlig mit Noomi identifiziert, die tatsächlich zurückkehrte. Wenn man Ruth mit der Versammlung verknüpft, kann man diesen Vers nicht erklären (vgl. dazu ausführlicher meine Einführung zum Buch Ruth, die ebenfalls auf Bibelkommentare.de erschienen ist).
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