Das Buch Ruth – praktische Lektionen für das Glaubensleben des Christen

Kapitel 2: Auf dem Feld des Boas

Am Ende von Kapitel 1 haben wir gesehen, wie Noomi und Ruth arm und mittellos nach Bethlehem zurückkehren. Wir haben gelernt, dass es geistliche Leere gibt, wenn wir eigene Wege gehen und unserem Herrn den Rücken zuwenden. Wenn wir allerdings umkehren und zu Ihm kommen, ist Er reich für alle. Er ist reich für einen Gläubigen, der nach einem falschen Weg umkehrt. Er ist reich für jemand, der noch jung im Glauben ist, der zum ersten Mal von Ihm hört und zu Ihm kommt.

In Kapitel 2 lernen wir, wie Boas Ruth und Noomi segnet. Boas ist ein Bild des Herrn Jesus, der reichlich gibt – und zwar mehr als nötig ist. Ruth lernt zuerst seinen Reichtum und dann ihn selbst kennen. Durch Ruth wird dann zugleich Noomi gesegnet. Doch es gibt eine Voraussetzung, um diesen Segen zu bekommen. Ruth muss sich aufmachen, um auf dem Feld des Boas Ähren zu sammeln. Genau das tut sie, und darüber berichtet uns das zweite Kapitel. Die große Lektion, die darin für uns liegt, lautet, dass wir uns aufmachen müssen, um das Wort Gottes zu lesen und in uns aufzunehmen, damit wir geistlichen Segen empfangen und den kennenlernen, der die Quelle jedes Segens ist1.

Boas (Vers 1)

Vers 1 unterbricht die eigentliche Handlung. Am Ende von Kapitel 1 lesen wir, dass die beiden Frauen zu Beginn der Gerstenernte in Bethlehem ankommen. Vers 2 des zweiten Kapitels setzt die Geschichte fort. Gerade deshalb ist es interessant zu überlegen, warum der Schreiber unter der Leitung des Heiligen Geistes den ersten Vers einfügt. In diesem Vers geht es erstmals um Boas, der bisher noch nicht erwähnt wurde. Er wird jetzt vorgestellt als ein Verwandter des verstorbenen Ehemannes Noomis und als ein vermögender Mann. Außerdem wird sein Name (Boas) genannt. Wir fragen uns vielleicht, wo Boas in Kapitel 1 war und warum er dort nicht erwähnt wird. Die Antwort liegt auf der Hand. Weder Elimelech noch Noomi hatten Interesse an Boas. Es ist so, als wenn er nicht existent war, als Elimelech seine fatale Entscheidung traf.

Gott möchte in diesem Vers unser Interesse für den Herrn Jesus wecken, von dem Boas ein Bild ist. Im weiteren Verlauf der Geschichte spielt er eine entscheidende Rolle und deshalb wird er hier zunächst vorgestellt. Boas bedeutet „in ihm ist Stärke“. Er ist ein vermögender Mann, d. h. er ist nicht nur reich, sondern er „vermag“ viel. Beides trifft vollkommen auf unseren Herrn zu. Er ist reich für alle (Röm 10,12). Zugleich vermag Er nicht nur viel, sondern Er vermag alles. Er ist – wie wir in der Einleitung gelernt haben – der Erlöser. Dazu war es nötig, dass Er Mensch wurde. Er musste „in allem den Brüdern gleich werden“, um Sühnung für unsere Sünden tun zu können. Deshalb wird gesagt, dass er aus der Familie Elimelechs war. Das Vorbild (Boas) reicht allerdings nicht an die Wirklichkeit (Jesus) heran. Anders als Boas musste der Herr Jesus nämlich arm werden und sogar sterben, damit wir durch seine Armut reich würden (2. Kor 8,9). Es hat Ihn alles gekostet, uns zu erlösen, während Boas „nur“ eine Summe Geld bezahlen musste.

Ruth setzt ihre Entscheidung um (Verse 2.3)

Ab Vers 2 wird Ruth aktiv. Zunächst fasst sie einen wichtigen und richtigen Entschluss. Sie will auf ein Feld gehen, um dort Ähren zu sammeln. Das war erforderlich, um für den Lebensunterhalt zu sorgen. Dabei ist sie sich von Anfang an bewusst, dass sie auf Gnade angewiesen ist – und das, obwohl im Gesetz geregelt war, dass die Ränder der Felder nicht vollständig abgeerntet werden sollten, damit etwas für die Armen und Fremden übrigblieb (3. Mo 23,22). Sie stellt überhaupt keine Ansprüche, sondern wartet auf Gnade.

Wir lernen daraus für uns, dass es wichtig ist, die Initiative zu ergreifen, wenn unser geistliches Leben sich weiterentwickeln soll. Es ist wahr, dass wir in allem von der Gnade abhängig sind. Das nimmt hingegen nichts davon weg, dass unser Herr bei uns diesen geistlichen Eifer sucht, um Gottes Wort besser kennenzulernen. Ein solcher Eifer wird nicht unbelohnt bleiben. Ruth trifft „zufällig“ auf das Feldstück des Boas. Dieser Zufall ist nicht irgendein menschlicher Zufall, sondern er ist von Gott geführt. Er sorgt dafür, dass Ruth ausgerechnet auf diesem einen Feldstück arbeitet und nicht woanders. Es fällt ihr sozusagen zu.

Ruth begegnet Boas (Verse 3–13)

Auf dem Feld des Boas lernt Ruth zunächst Boas´ Knechte kennen, die sie genau beobachten. Dennoch beginnt der biblische Bericht nicht mit den Knechten, sondern mit Boas selbst. Es geht immer um unseren Herrn. Wenn wir anfangen, Ähren aufzulesen, d. h. uns mit der Bibel (dem Wort Gottes) zu beschäftigen, werden wir sehr bald dem Herrn Jesus selbst begegnen, der sich für uns interessiert.

Ruth war eine Fremde. Dennoch hat Boas Interesse an ihr. Er fragt den Knecht, der über die Schnitter bestellt ist, nach Ruth und bekommt eine gute Antwort.2 Ruth war fleißig und konnte Wesentliches vom Unwesentlichen unterscheiden. Davon können wir erneut lernen. Der Herr wünscht, dass wir fleißig sind. Fleiß ist eine generelle Tugend, die den Christen kennzeichnen sollte. Das Buch der Sprüche stellt den Fleißigen und den Faulen mehrfach gegenüber und zeigt, welchen Stellenwert der Fleiß für unseren Gott hat (z. B. Spr 10,4; 12,24.27; 13,4). Das schließt die Beschäftigung mit dem Wort Gottes ebenso ein, wie die Arbeit, die wir im Werk für unseren Herrn tun. Das Beispiel Ruths lehrt uns, uns auf das zu konzentrieren, was wichtig ist und mit Fleiß und Eifer bei der Sache zu sein.

Boas gibt Ruth einen guten Rat. Sie soll nicht auf ein anderes Feld gehen. In Bethlehem gab es viele Felder, aber nur ein Feld gehörte Boas. Heute gibt es in der Christenheit ebenfalls viele „Felder“, d. h. es gibt viele Möglichkeiten, Nahrung für die Seele aufzunehmen. Doch es gibt nur das eine Wort Gottes, das unser geistliches Leben nähren kann. Es gibt nur ein „Feld“, auf dem Gott uns sehen möchte. Wenn wir woanders Nahrung suchen, riskieren wir, Schaden zu nehmen. Deshalb gilt Boas´ Warnung, nicht auf ein anderes Feld zu gehen, im übertragenen Sinn ebenso für uns3. Bei unserem „Boas“ sind wir sicher.

Ruth ist überwältigt von dem, was sie hört und fragt sich, warum gerade sie als Ausländerin Gnade gefunden hat (Vers 10).4 Gnade ist unverdiente Zuwendung, und Ruths Frage ist durchaus berechtigt. Finden wir eine Antwort auf die Frage, warum der Herr gerade uns gegenüber gnädig handelt? Verdient haben wir es ganz bestimmt nicht. Paulus schreibt über die Nationen folgendes: „... dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, entfremdet dem Bürgerrecht Israels, und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend, und ohne Gott in der Welt“ (Eph 2,12). Und trotzdem wendet der Herr sich gerade uns zu und segnet uns mit dem ganzen Reichtum seiner Gnade. Deshalb fährt Paulus fort: „Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden“ (Eph 2,13).

Boas hatte sich gut informiert. Er wusste über Noomi und Ruth Bescheid. Er kannte ihr Leben ziemlich gut. Mit uns ist es nicht anders. Der Herr weiß nicht nur viel. Er weiß alles. Er weiß, wo wir herkommen. Er weiß, welche Entscheidungen wir getroffen haben. Er kennt sogar die Motive unseres Herzens. Und Er wird jede Treue zu Ihm belohnen.

Ruths Antwort auf Boas´ Ansprache lautet: „Möge ich Gnade finden in deinen Augen, mein Herr! Denn du hast mich getröstet und hast zum Herzen deiner Magd geredet, und doch bin ich nicht wie eine deiner Mägde“ (Vers 13). Sie ist sich bewusst, dass sie als eine Fremde diese Gnade nicht verdient hat. Trotzdem bittet sie gleichzeitig um Gnade, weil sie weiß, dass sie Gnade nötig hat. Wir lernen für uns, dass Gnade einerseits unverdient, andererseits jedoch absolut notwendig ist.

Pausenzeit (Verse 14–16)

Es ist Pausenzeit auf Bethlehems Feldern. Arbeit und Pausen wechseln einander ab. Das ist im geistlichen Leben nicht anders als im natürlichen Leben. Wer arbeitet, benötigt Zeit, um zu regenerieren. Und nun erweist Boas sich als reichlicher Geber. Ruth bekommt mehr als sie nötig und verdient hat. Boas gibt ihr geröstete Körner. Ruth greift zu, sättigt sich und lässt übrig. Es fällt auf, dass Boas etwas tut und dass Ruth darauf reagiert. Hätte Boas ihr nichts gegeben, wäre sie hungrig geblieben. Hätte Ruth nicht zugegriffen und gegessen, wäre sie ebenfalls hungrig geblieben. Beides gehört zusammen. Mit uns ist es nicht anders. Der Tisch, den unser Herr uns deckt, ist immer reichlich gefüllt. Nun liegt es an uns, zu essen. Wenn wir die Bibel nicht lesen und die Zusammenkünfte der Gläubigen nicht besuchen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir geistlich unterernährt bleiben. Der Gebende ist jedoch immer der Herr. Das ist so, wenn wir persönlich für uns sein Wort lesen, das ist so, wenn wir als Gläubige zur Wortverkündigung versammelt sind oder uns bei anderen Gelegenheiten gemeinsam über sein Wort austauschen.

Zwei Dinge bekommt Ruth von Boas, nämlich erstens Brot, das in Essig getaucht wird und zweitens geröstete Körner. Beides spricht von der Person des Herrn Jesus selbst. Das Brot weist auf Johannes 6 hin, wo der Herr von sich als dem Brot des Lebens spricht und das mit dem Man verbindet, das damals dem Volk Israel auf ihrer Reise von Ägypten nach Kanaan zur Nahrung gegeben wurde (Vers 35.48). Das Man spricht von einem auf der Erde lebenden Christus. So will der Herr Jesus uns mit sich selbst nähren, wie Er auf dieser Erde gelebt hat. Wir sollen Ihn als unser Vorbild vor Augen haben, wie Er als vollkommener Mensch seinen Weg zur Ehre seines Gottes ging. Das Brot wurde in Essig getaucht. Der Essig ist ein treffliches Bild von der Bitterkeit der Leiden des Herrn Jesus. Sein Menschsein ist nie von seinen Leiden zu trennen. Sein ganzer Weg, von der Krippe bis zum Kreuz, war ein Weg unbegreiflicher Leiden und tiefen Schmerzes. Der Herr Jesus hat auf seinem ganzen Weg gelitten – und wir sind ebenfalls berufen, für ihn zu leiden.5 Mehr noch: Der Essig weist uns darauf hin, dass wir uns nicht nur von einem lebenden, sondern auch von einem gestorbenen Christus nähren. Er will uns immer wieder mit seinem Leiden und Sterben beschäftigen, mit dem, was Er am Kreuz von Golgatha für uns getan hat.

Zweitens bekommt Ruth geröstete Körner. Sie sprechen in der Bildersprache des Alten Testamentes von einem verherrlichten Christus im Himmel. In der Wüste aßen die Kinder Israel das Man. Als sie in das Land kamen, hörte das Man auf, weil es eine andere, eine neue Nahrung gab, nämlich unter anderem geröstete Körner (Jos 5,11.12). Das Land Kanaan entspricht in seiner neutestamentlichen Bedeutung den „himmlischen Örtern“, von denen wir im Epheserbrief lesen. Es ist der Ort, wo Christus jetzt zur Rechten Gottes ist – und wir in Ihm (vgl. Eph 2,6). Das Essen der gerösteten Körner bedeutet also, dass wir uns von einem verherrlichten Christus zur Rechten Gottes nähren. Wir beschäftigen uns mit dem, der nach seinem bitteren Tod am Kreuz – die Körner waren geröstet – jetzt diesen herrlichen Platz im Himmel hat. Er gibt uns nicht nur das Man, das wir in der Wüste nötig haben, um das Ziel zu erreichen, sondern Er nährt uns zugleich mit himmlischen Segnungen.

Nach der Pause geht die Arbeit weiter. Dabei fällt auf, dass Ruth einerseits selbst aktiv ist und aufsammelt. Zugleich fordert Boas die Schnitter auf, ihr zu helfen und sie nicht zu behindern. Diese Schnitter sind Boas´ Knechte, die erfahren sind und wissen, wie man die Ernte einbringt. Die Lektion für uns liegt auf der Hand: Beim „Auflesen der Ähren“, d. h. beim Lesen und Verstehen der Bibel benötigen wir „Schnitter“, die uns helfen. Das sind ältere und erfahrene Gläubige, die uns mit ihrem Rat und ihrer Hilfe zur Seite stehen. Gerade dann, wenn wir noch jünger im Glauben sind und erste Erfahrungen mit der Bibel machen, sind wir auf diese Hilfe angewiesen. Wir bekommen sie ganz besonders in den Zusammenkünften der Gläubigen, wenn Gottes Wort gemeinsam gelesen wird, darüber hinaus in Jugendstunden, auf Bibelkonferenzen und bei anderen Gelegenheiten, die wir unbedingt nutzen sollten. Das Lesen verständlich geschriebener Bibelauslegungen oder einer christlichen Zeitschrift (mit entsprechendem Tiefgang) kann ebenfalls nützlich sein.

Ruth kehrt zu Noomi zurück (Verse 17–23)

Nach getaner Arbeit kehrt Ruth zu Noomi zurück. Dabei fällt uns auf, wie die Aktivität Ruths in verschiedenen Punkten ausführlich beschrieben wird. Sie hatte aufgelesen und ausgeschlagen. Sie hatte genommen, war in die Stadt gegangen, hatte das Aufgelesene hervorgezogen und ihrer Schwiegermutter gegeben, nachdem sie sich selbst gesättigt hatte (Verse 17–19). Neben der Tatsache, dass uns der Fleiß Ruths beeindruckt und anspornt, liegen darin erneut praktische Lektionen für uns verborgen:

  1. Auflesen: Das Auflesen erinnert an das Hören und Lesen des Wortes Gottes. Wir wollen von Ruth lernen, genau das fleißig und regelmäßig zu tun, sei es in unserer persönlichen Bibelandacht (stille Zeit) oder zusammen mit anderen Gläubigen. Geistliches Wachstum und ein Leben zur Ehre des Herrn fangen hier an. Wenn wir die Bibel nicht regelmäßig lesen, müssen wir uns nicht wundern, wenn unser geistliches Leben degeneriert.
  2. Ausschlagen: Mit dem Auflesen allein ist es nicht getan. Um von den aufgesammelten Ähren wirklich Nahrung bereiten zu können, mussten die Ähren ausgeschlagen werden. Es ist nötig, dass wir das, was wir gelesen oder gehört haben, entsprechend nacharbeiten, d. h. darüber nachdenken und darüber beten, was es uns zu sagen hat. Wir müssen uns – wie Maria es tat – in Ruhe zu den Füßen des Herrn Jesus setzen. Dazu benötigen wir Zeit – und gerade die scheint uns häufig zu fehlen.
  3. Nehmen: Das Sammeln und Ausschlagen hätte für Ruth keinen Sinn gemacht, wenn sie die Gerste nicht tatsächlich mitgenommen hätte. Für uns geht es darum, das Wort Gottes zu unserem persönlichen Besitz zu machen und es sozusagen mitzunehmen in unseren Alltag. Es ist gut, wenn wir einen solchen „Vorrat“ an Bibelversen haben, die wir tatsächlich unser persönliches „Eigentum“ nennen, weil sie uns wichtig geworden sind.
  4. In die Stadt gehen: Dieser Punkt schließt sich an. In der Stadt spielt sich das tägliche Leben ab. Dort sieht man uns. Dort kennt man uns. Das Wort Gottes sollte – für unsere Umwelt sichtbar – einen Einfluss auf unser Leben haben, sei es in der Schule, in der Ausbildung, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder unter Freunden. Paulus verbindet in Kolosser 1 die Erkenntnis des Willens Gottes mit einem Leben zur Freude und zur Ehre des Herrn Jesus (Kol 1,9.10).
  5. Hervorziehen: Diese Aktivität lässt uns daran denken, dass wir Gottes Wort in ganz konkreten Lebenssituationen parat haben und anwenden können. Das kann z. B. in einem Gespräch mit Mitmenschen oder in einer anderen plötzlich auftretenden Situation der Fall sein. Als der Herr Jesus von dem Teufel verführt wurde, antwortete Er jedes Mal klar und entschieden: „Es steht geschrieben“ (Mt 4,4–10).
  6. Sich sättigen: Erst jetzt ist die Rede davon, dass Ruth sich selbst gesättigt hatte. Das war ja das eigentliche Ziel, warum sie auf das Feld gegangen war. Sie benötigte Nahrung. Alle anderen vorher beschriebenen Tätigkeiten sind wichtig und nötig, führen aber letztlich zu diesem Kernpunkt. Es ist zentral, dass Gottes Wort für uns tatsächlich geistliche Nahrung ist, d. h. dass wir es verinnerlichen und satt werden. So wie wir täglich essen, um unseren Körper gesund zu erhalten, müssen wir Gottes Wort täglich verinnerlichen, d. h., es soll ein Teil von uns selbst werden. Dann ist das Ziel Gottes erreicht.
  7. Teilen: Dennoch hört die Berichterstattung hier nicht auf. Ruth teilt das, was sie aufgelesen hat, mit Noomi. Die Anwendung ist einfach. Was wir selbst aus der Bibel gelernt haben, können und sollen wir mit anderen teilen. Gemeinsame und geteilte Freude über Gottes Wort ist doppelte Freude. Wir denken an die Aufforderung Nehemias, der zu dem Volk sagte: „Geht hin, esst Fettes und trinkt Süßes und sendet Teile denen, für die nichts zubereitet ist; denn der Tag ist unserem Herrn heilig“ (Neh 8,10).

Der Dialog unter Frauen (Verse 20–23)

Das Kapitel endet mit einem Dialog zwischen Noomi und Ruth. Dabei erkennen wir zum einen die Fürsorge der älteren Frau für die jüngere und den Gehorsam der Jüngeren (Verse 22 und 23). Noch auffallender hingegen ist, dass die beiden sich nicht über die Ernte und die Schnitter unterhalten, sondern ihr großes Thema ist Boas. Alles dreht sich um ihn. Noomi fragt zunächst noch wo Ruth aufgelesen und wo sie gearbeitet hat, fügt dann jedoch sofort hinzu: „Gesegnet sei, der dich beachtet hat!“ Eigentlich will sie also wissen, beim wem Ruth gewesen ist. Und in der Tat: Ruth beantwortet eigentlich nur den letzten Teil der Frage und teilt ihrer Schwiegermutter mit, bei wem sie gearbeitet hatte. Was zählte, war der Name Boas.

Darin liegt für uns eine weitere Lektion: Es geht nicht so sehr darum, was wir geleistet, getan und gelernt haben, sondern alles muss sich um unseren „Boas“ drehen, um den Herrn Jesus. Der Herr Jesus fragte einmal seine Jünger, ob sie Ihn verlassen wollten. Daraufhin sagt Petrus nicht: „Herr, wohin sollen wir gehen?“ sondern er fragt ganz bewusst: „Herr, zu wem sollen wir gehen?“ (Joh 6,68). Den Jüngern ging es – wie damals Ruth – um diese eine Person, die das Herz ausfüllte. Der große Inhalt der Bibel ist der Herr Jesus selbst. Jede Unterhaltung über Gottes Wort soll in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir neue Herrlichkeiten und Schönheiten unseres Herrn sehen, Ihn besser kennenlernen, Ihn mehr lieben lernen, um Ihm besser dienen und Ihn intensiver erwarten zu können.

Als dieser Name fällt, schöpft Noomi Hoffnung und erinnert sich an die Güte Gottes, die nicht von ihr und von ihrem verstorbenen Mann abgelassen hat. Sie nennt Boas einen nahen Verwandten (einen Blutsverwandten) und verbindet damit die Hoffnung auf die Erlösung für Ruth. Ruth scheint das noch nicht zu verstehen und doch hört sie auf den Rat ihrer Schwiegermutter, sich zu seinen Knechten zu halten, bis die ganze Ernte beendet ist. Ein junger Gläubiger mag (noch) nicht alles verstehen. Dennoch ist es gut, wenn er auf den Rat älterer Glaubensgeschwister hört. Für Ruth war es ein großer Segen. Bevor sie in noch näheren Kontakt mit Boas kam, blieb sie die gesamte Erntezeit (Gersten- und Weizenernte) bei den Mägden Boas. So bekam sie den vollen Segen mit, den Gott ihr zugedacht hatte. Gerste spricht in der symbolischen Sprache von der Auferstehung des Herrn Jesus und dem Segen, der damit verbunden ist. Weizenernte lässt uns an den verherrlichten Herrn im Himmel denken und an den Segen, der damit verbunden ist. Diesen Segen bekommt – im Bild gesprochen – Ruth. Und doch gibt es mehr als das. Das lernt Ruth nun kennen.

Fußnoten

  • 1 Es gibt eine weitere Lektion in diesem Kapitel, die jedoch nicht so sehr im Vordergrund steht. Sie lautet, dass Gott uns in diesem Kapitel zeigt, dass es auf dem Erntefeld unseres Herrn immer reichlich Arbeit gibt und dass wir uns alle – Männer und Frauen, Ältere und Jüngere – darin engagieren sollen (1. Kor 15,58). Das „Werk des Herrn“ zu betreiben ist nicht nur Sache einiger weniger Geschwister, die sich – wie wir manchmal sagen – vollzeitlich für das Werk des Herrn engagieren, sondern es geht uns alle an. Selbst ein junger Gläubiger kann auf dem Erntefeld unseres Herrn fleißig arbeiten – so wie Ruth es getan hat.
  • 2 Wir gehen wohl nicht zu weit, wenn wir annehmen, dass dieser Knecht, der über die Schnitter bestellt war, ein Bild des Heiligen Geistes ist, der den Knechten (solche, die für ihren Herrn, den wahren Boas, arbeiten) vorsteht und ihnen die Arbeit zuweist.
  • 3 Das schließt nicht nur die Frage ein, an welche Orte wir gehen, um das Wort Gottes – oder eine Predigt – zu hören, sondern es geht ebenfalls darum, was wir anderweitig aufnehmen, z. B. welche Bücher (einschließlich welcher Bibelauslegungen) wir lesen oder welche Internetseiten wir aufsuchen, um uns geistlich zu nähren. Es gibt sehr viele „Felder“ zur Auswahl. Umso wichtiger ist es, auf dem „Feld des Boas“ zu bleiben.
  • 4 Es ist durchaus möglich, dass Ruth wusste, was Gott über die Moabiter gesagt hatte: „Kein Ammoniter oder Moabiter soll in die Versammlung des Herrn kommen; auch das zehnte Geschlecht von ihnen soll nicht in die Versammlung des Herrn kommen in Ewigkeit“ (5. Mo 23,4). Nur Gnade konnte dagegen etwas ausrichten. Aber wenn das Gesetz auf die Gnade trifft, wird immer die Gnade die Oberhand behalten.
  • 5 Es ist klar, dass wir Ihm in den sühnenden Leiden am Kreuz niemals nachfolgen können. Darin hat Er uns ganz sicher kein Beispiel hinterlassen. Die sühnenden Leiden beschränken sich auf die drei Stunden der Finsternis am Kreuz, wo Er als der Gerechte „für Sünden gelitten“ hat (1. Pet 3,18). Wenn es aber um die Leiden des Herrn auf dem Weg geht, dann ist Er darin unser Vorbild.
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