Die Bergpredigt
Eine Verständnishilfe zu Matthäus 5 - 7

24. Zweierlei Schätze (Matthäus 6,19-21)

Die Bergpredigt

Die Verse 19 bis 34 bilden einen neuen Abschnitt der Bergpredigt, in dem der Herr Jesus über die Situation seiner Jünger in dieser Welt spricht. Er warnt sie zunächst vor dem Streben nach irdischen Reichtümern (V. 19–24). Seine Jünger dürfen ihre Interessen und Zuneigungen nicht in Richtungen lenken, die ihrem Bekenntnis und ihrem Auftrag zuwiderlaufen. Sie können nicht zweierlei Schätze sammeln, zweierlei Augen, d. h. Sichtweisen haben und zwei Herren dienen.

Andererseits will der Herr seinen Jüngern den Druck der Sorgen um die Notwendigkeiten des täglichen Lebens nehmen (V. 25–34). Er weist sie auf die liebende Fürsorge ihres himmlischen Vaters und ihren Wert in seinen Augen hin. Zugleich appelliert Er aber auch mit eindringlichen Worten an ihre Herzen: „Trachtet aber zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugefügt werden.“

Irdische Schätze

„Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo Motte und Rost zerstören und wo Diebe einbrechen und stehlen; sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen; denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“ (Mt 6,19–21)

Jeder weiß, was Schätze sind: Anhäufungen kostbarer Dinge oder wertvolle Besitztümer von großem persönlichen Wert. In früheren Zeiten bestanden solche Schätze meistens aus Kleidern, Stoffen und Edelmetallen. Man legte sich so ein „Polster“ an, um ruhig und sicher in eine ungewisse Zukunft blicken zu können, aber auch, um seinen Reichtum zu zeigen (vgl. 2. Kön 20,13; Lk 12,16–21).

Bei den Juden mochte der Gedanke leicht Eingang finden, dass großer Besitz in jedem Fall ein Beweis des Segens Gottes, und dass das Streben danach Gott wohlgefällig sei. Gott hatte Israel in 5. Mose 28,1–14 Wohlstand und Reichtum, ja, praktisch alle irdischen Segnungen verheißen. Aber gerade in diesem Abschnitt wird der Himmel, aus dem der für Wachstum und Leben nötige Regen kommt, bezeichnenderweise der „gute Schatz“ Gottes genannt (V. 12). Und in diesem Zusammenhang spricht Mose deutlich aus, dass der verheißene Reichtum Israel nur dann von Gott geschenkt würde, wenn es seine Gebote halten würde.

„Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde.“ Diese Warnung des Herrn Jesus, die sich ja zunächst an seine damaligen Jünger richtet, bezieht sich jedoch nicht auf den ersehnten Segen Gottes, sondern auf etwas ganz anderes, nämlich das gierige Streben nach Reichtum und irdischer Sicherheit, wovon es schon in Sprüche 23,4.5 heißt: „Bemühe dich nicht, reich zu werden, lass ab von deiner Klugheit. Willst du deine Augen darauf hinfliegen lassen, und siehe, fort ist es? Denn sicherlich verschafft es sich Flügel wie ein Adler und fliegt zum Himmel.“

Scheinbare Sicherheit

Irdischer Reichtum, irdische Schätze sind also vergänglich und daher etwas ganz Unsicheres. Das stellt der Herr Jesus seinen Jüngern hier vor. Die Motte, ein kleines, unscheinbares Tierchen, kann die wertvollsten Stoffe in kürzester Zeit ruinieren, der Rost1 die scheinbar dauerhaftesten und kostbarsten Gegenstände zerstören (vgl. Jak 5,2.3), und Diebe können auf einen Schlag alles mitnehmen. Wie viele – auch Kinder Gottes – haben außerdem in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts durch Krieg, Flucht und Inflation erfahren müssen, dass alle ihre vermeintlichen irdischen Sicherheiten dahinschwanden wie Rauch. Auch der Apostel Paulus warnt die Reichen unter den Gläubigen eindringlich vor der Ungewissheit des Reichtums (1. Tim 6,17).

Aber nicht nur materielle Besitztümer können als begehrenswerte Schätze betrachtet werden, sondern auch das Vorankommen, die Ehre und das Ansehen in der Welt, ja, alles, was unser Herz in seinen Bann schlägt und wodurch wir von der treuen Nachfolge unseres Herrn abgelenkt werden. Wenn das Streben nach solchen Dingen unsere Gedankenwelt beschäftigt, wird unser wahrer Herzenszustand offenbar. „Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern ist von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1. Joh 2,15–17).

Alle diese vermeintlichen „Schätze“ sind vergänglich und nichtig. Wer sich danach ausstreckt, erliegt einer gefährlichen Selbsttäuschung. Aber noch trauriger ist, dass das Herz dadurch von den wahren Schätzen abgelenkt und abgezogen wird.

Bleibende Schätze

„Sammelt euch aber Schätze im Himmel.“ Diese bleibenden und wahren Schätze sind nicht auf der Erde, d. h. in dieser Welt, zu finden, sondern im Himmel. Dorthin lenkt der Herr Jesus jetzt den Blick seiner Jünger.

Nun gibt es allerdings „himmlische Schätze“, in deren Besitz wir einzig und allein durch die Gnade Gottes gelangt sind. Er hat den Lichtglanz der Erkenntnis seiner Herrlichkeit im Angesicht Christi in unsere Herzen hineinstrahlen lassen, und diesen „Schatz“ besitzt jedes Kind Gottes schon jetzt (2. Kor 4,6.7). Gott hat uns auch wiedergezeugt zu einer lebendigen Hoffnung und zu einem „unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil“, das in den Himmeln für uns aufbewahrt wird (1. Pet 1,3.4). Diese himmlischen Schätze christlicher Segnungen waren jedoch während des Lebens des Herrn auf der Erde noch nicht bekannt. Deshalb muss der Herr hier etwas anderes meinen, wenn Er sagt: „Sammelt euch aber Schätze im Himmel.“ Er spricht also von Schätzen, die jeder Jünger damals wie heute selbst sammeln kann.

Aber wie werden solche Schätze im Himmel gesammelt? In Matthäus 19,21 sagt der Herr Jesus zu dem reichen Jüngling: „Wenn du vollkommen sein willst, so geh hin, verkaufe deine Habe und gib sie den Armen, und du wirst einen Schatz in den Himmeln haben.“ Ähnlich schreibt auch Paulus an Timotheus: „Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, ... Gutes zu tun, reich zu sein an guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage für die Zukunft sammeln, damit sie das wirkliche Leben ergreifen“ (1. Tim 6,17–19). Diese Schriftworte enthalten eine einfache, unmissverständliche Lehre. Jeder, der dem Herrn nachfolgen will und seine irdischen Besitztümer nicht als einen „Schatz“ betrachtet, sondern sie nach Gottes Gedanken und zu seiner Ehre verwendet, um Gutes damit zu tun, erwirbt sich dadurch andere, bessere Schätze. Er wird in Gottes Augen also nicht ärmer, sondern reicher!

Jeder Gläubige, der bereitwillig ist, für Bedürftige und für das Werk des Herrn zu geben, erwirbt sich einen Schatz im Himmel: das Wohlgefallen Gottes, denn „einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (Heb 13,16; 2. Kor 9,7). Aber dieses Wohlgefallen Gottes gilt nicht nur denen, die Gutes tun, sondern darüber hinaus jedem, der Ihn liebt, seinen Willen tut und seiner würdig wandelt (vgl. Joh 14,23; Kol 1,10).

Der größte Schatz

Die größten Schätze, die wir sammeln können, finden wir jedoch in Christus, unserem Herrn selbst. Je mehr wir uns mit Ihm beschäftigen, je mehr wir seine Liebe in allen unseren Lebenslagen sehen und Ihn dadurch besser kennenlernen, umso mehr wird Er unser wahrer Schatz im Himmel werden. Paulus konnte manche ererbten und erworbenen Vorzüge sein eigen nennen, die ihm vor seiner Bekehrung viel bedeuteten. Aber seit der Stunde vor Damaskus, als der Herr Jesus auf seinen Weg trat, waren alle diese „Schätze“ nur noch Verlust und Dreck im Vergleich zu der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, seines Herrn (Phil 3,7.8). Er verglich jetzt alles mit Ihm, maß alles an Ihm, seinem geliebten Erlöser und Herrn. Ihn allein wollte er immer mehr und immer besser erkennen! Deshalb lag es ihm auch besonders am Herzen, dass die Kolosser zu allem Reichtum der vollen Gewissheit des Verständnisses, zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes gelangten, in dem alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen sind (Kol 2,2.3). Dieses Geheimnis Gottes ist niemand anders als der verherrlichte Christus, das Haupt Seiner Versammlung.

„Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“ Schätze haben offenbar eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf das menschliche Herz. So werden uns unsere eigenen Gedanken zum Indiz dafür, wo wir unsere Schätze suchen. Wenn wir zu viel an irdische Dinge denken oder unsere Gedanken gar um weltliche Dinge kreisen, so zeigt das, wo unsere Schätze sind. Aber wenn wir als mit Christus Auferweckte nicht dem nachjagen, was auf der Erde ist, sondern suchen, was droben ist, wo Er zur Rechten Gottes ist (Kol 3,1.2), dann sammeln wir wirklich Schätze im Himmel.

Fußnoten

  • 1 Da das mit “Rost“ übersetzte griechische Wort brôsis zunächst die Handlung des Essens oder Fressens bezeichnet, wird es von einigen Übersetzern an dieser Stelle in Verbindung mit der vorher erwähnten Motte als ein fressendes Insekt o. ä. aufgefasst.
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel