Die Bergpredigt
Eine Verständnishilfe zu Matthäus 5 - 7

11. Das Salz der Erde (Matthäus 5,13)

Die Bergpredigt

In der Bergpredigt (Mt 5–7) stellt der Abschnitt Kap. 5,13–16 einen kleinen Einschub dar. Darin spricht der Herr Jesus über die Stellung seiner Jünger in der Welt. Wenn Er „ihr“ sagt, meint Er damit nicht nur seine Jünger oder spätere Führer im Reich Gottes, sondern wie in den vorausgehenden Seligpreisungen alle seine Jünger zu allen Zeiten, also auch uns!

Der Herr Jesus gebraucht hier zwei für jedermann leicht fassliche Bilder, das Salz und das Licht. Beide sind so allgemein bekannt, dass sie keiner näheren Erläuterung bedürfen, um verstanden zu werden. Und doch ist – wie bei fast allen bildlichen Ausdrücken des Neuen Testaments – ein Hinweis angebracht. Das Salz ist von Natur aus salzig, das Kennzeichen des Lichtes ist, dass es leuchtet. Aber im geistlichen Leben geht nichts automatisch! Da kommt es leider nur zu oft vor, dass die göttliche Kraft durch unser fleischliches Tun behindert und verdeckt wird. Nur deshalb bekommen wir so viele Ermahnungen in den Schriften des Neuen Testaments. Ohne das neue Leben in uns wären jedoch auch diese Ermahnungen nutzlos. Daher sagt der Herr hier auch nicht: „Ihr sollt das Salz und das Licht sein“, sondern: „Ihr seid das Salz der Erde, ... das Licht der Welt.“

Salz

Salz war im Altertum das wichtigste Mittel zum Würzen und Konservieren der Speisen. Salz ist scharf, beißend, aber es erhält und bewahrt das Gute und verhindert Fäulnis und Verderben. Im Alten Testament musste das „Salz des Bundes“ auf Gottes Anordnung zu allen Opfern dargebracht werden (3. Mo 2,13). So ist Salz ein passendes Bild von der heiligenden, bewahrenden Kraft Gottes, die in uns zum Ausdruck kommen soll. Wir sind nicht Zucker oder Honig, sondern das Salz der Erde. Wenn wir in der Schule, bei der Arbeit oder bei sonstigen Gelegenheiten Zeuge von Spöttereien über göttliche Dinge werden und das nicht so stehen lassen, sondern die Spötter in der richtigen Art zurechtweisen, und wenn wir bei bestimmten Witzen nicht mitlachen, dann sind wir das Salz der Erde. Dann übt oft schon unsere Anwesenheit auf die Ungläubigen einen mäßigenden Einfluss aus.

Dass dieses „Salz“ nicht mit menschlicher Schärfe oder gar Bissigkeit verwechselt werden darf, geht aus zwei anderen Stellen hervor. Der Herr sagt in Markus 9,50 zu seinen Jüngern: „Habt Salz in euch selbst und seid in Frieden untereinander“. Paulus schreibt den Kolossern: „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6). Gnade und Friede stehen also nicht im Gegensatz zum Salz, sondern sie ergänzen sich gegenseitig.

Salz ist etwas ganz Unscheinbares, Unauffälliges, aber es übt doch eine starke Wirkung aus. Diese ist äußerlich nicht sofort zu erkennen, sondern sie vollzieht sich mehr im Verborgenen und auf die Dauer gesehen. Es mag uns ganz nutzlos erscheinen, als Einzige in unserer Umgebung den Willen und die Gedanken unseres Herrn zu vertreten, aber denken wir daran: „Ihr seid das Salz der Erde“!

Der Herr sagt hier im Unterschied zum nächsten Vers: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Erde ist nicht dasselbe wie Welt. Das griechische Wort kann sowohl „Land“ als auch „Erde“ bedeuten. Hier weist es wohl auf den Schauplatz hin, auf dem Gott bezeugt wird. Zunächst einmal war das Israel, wozu die Jünger ja gehörten. Dann ist darin aber wohl auch der weitere Bereich des Zeugnisses Gottes in der heutigen Christenheit zu sehen, die ja ihrem Umfang nach dem Reich Gottes entspricht. Hier, wo das Licht der Wahrheit und des Evangeliums Gottes am hellsten erstrahlte, wird in der Zukunft der größte Abfall aller Zeiten stattfinden. Darauf zielt der Herr mit seinen folgenden Worten.

Nutzlos

„Wenn aber das Salz kraftlos (oder: fade) geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden.“ Das im Altertum bekannte Salz besaß nicht die Reinheit des modernen Kochsalzes. Besonders das am Toten Meer gewonnene Salz enthielt beträchtliche Beimengungen von Mineralien. Wurde dieses Salz bei längerer ungeeigneter Lagerung zu nass, konnte das Kochsalz ausgewaschen werden. Dadurch wurde das Salz fade, „kraftlos“, weil nur die wertlosen Bestandteile übrig blieben, die dann fortgeworfen werden mussten, um von den Menschen achtlos zertreten zu werden.

Der Herr spricht in diesem Abschnitt von der Stellung der Jünger im Reich Gottes. Das Salz ist ein Bild des Einflusses, der von dem Zeugnis für die Heiligkeit Gottes ausgeht. Jemand, dessen Zeugnis diese Kraft nicht besitzt, ist nutzlos. So wird auch Jerusalem, die Stadt, die ihren eigenen König verwarf, von den Nationen zertreten (Lk 21,24). Die Christenheit, die Jahrhunderte die Botschaft der Gnade und der Rettung in Christus besessen hat, wird von Gott abfallen und sein Strafgericht erfahren.

Es handelt sich hier nicht darum, ob ein von neuem geborener Christ verloren gehen kann oder nicht. Darüber lässt uns Gottes Wort nicht im Unklaren. Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat ewiges Leben, und niemand kann und wird diejenigen, denen Er ewiges Leben gegeben hat, aus seiner und des Vaters Hand rauben (Joh 3,36; 10,28.29).

Eine Mahnung

Die Worte des Herrn enthalten jedoch eine ernste Ermahnung für jedes der Seinen. Sind nicht unser geistliches Leben und unser Zeugnis oft fade und kraftlos? Ach, dann taugen wir, praktisch gesehen, für den Herrn nichts! Wir ähneln dem Salz, das seine Würze und Kraft eingebüßt hat. Wenn wir nicht täglich Gemeinschaft mit unserem Herrn durch das Gebet und das Lesen des Wortes Gottes haben, wird unser geistliches Leben trocken, freud- und kraftlos.

Auch wenn wir meinen, immer und ausschließlich Milde, Geduld und liebes Wesen zeigen zu müssen, wird uns die Kraft des Salzes fehlen. Es gibt Situationen, in denen müssen wir entschieden für unseren Herrn und seine Rechte eintreten, auch wenn es wehtun sollte. Dass auch in solchen Momenten die Gnade und der Friede nicht vergessen werden dürfen, wurde bereits bemerkt.

Die größte Gefahr ist jedoch die Gleichförmigkeit mit der Welt. Lot, der Neffe Abrahams, war ein Gläubiger, der sich in der gottlosen Stadt Sodom niedergelassen hatte. Als er am Ende seine Schwiegersöhne vor dem drohenden Strafgericht Gottes warnen wollte, war er in ihren Augen „wie einer, der Scherz treibt“ (1. Mo 19,14).

Manche Christen meinen, aus dem betrachteten Vers sei zu entnehmen, dass wir uns innerhalb der Christenheit und ihrer Organisationen oder gar mit der Welt zusammenschließen und gemeinsam aktiv betätigen müssen, um so in verstärktem Maß einen christlichen Einfluss auf die Regierungen und ihre Gesetzgebung und unsere Mitmenschen ausüben zu können. Aber das ist mit dem Ausspruch des Herrn Jesus „Ihr seid das Salz der Erde“ nicht gemeint. Unser Einfluss auf unsere Umgebung und unser Zeugnis für den Herrn soll nicht durch zahlenmäßige Stärke, sondern durch unsere sittliche Haltung der Absonderung vom Bösen wirken (vgl. Röm 12,2; 2. Kor 6,14–7,1; 2. Tim 2,21; Heb 13,13).

Andererseits darf die notwendige Absonderung von der Welt auch nicht in eine ungeistliche Abkapselung entarten. Denn auch dann können wir nicht sein, was wir sein sollen: das Salz der Erde.

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