Die Bergpredigt
Eine Verständnishilfe zu Matthäus 5 - 7
3. Glückselig die Trauernden (Matthäus 5,4)
Niemand ist gern traurig. Viele gehen traurigen Menschen am liebsten aus dem Weg. Es ist so schwierig, Worte des Trostes zu finden, wenn jemand über den Tod eines Familienangehörigen oder eines Freundes trauert.
Als der Herr Jesus in der zweiten Seligpreisung die Trauernden glückselig nannte, dachte Er nicht an die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen. Nein, als Er diese Worte aussprach: „Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“, meinte Er etwas ganz anderes damit.
Es geht hier um das Reich Gottes, als dessen König Er gekommen war (vgl. 12,28). Aber wie wurde Er von seinem Volk empfangen! „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Bei seiner Geburt war kein Raum in der Herberge vorhanden, der König Herodes versuchte, Ihn umzubringen, und seine Familienangehörigen erklärten Ihn einmal für von Sinnen. Sogar seine Jünger, die Ihm in den drei Jahren seines Dienstes doch am nächsten standen, verstanden Ihn oft nicht; einer verleugnete Ihn, und einer verriet Ihn schließlich sogar an seine Feinde!
Ja, unser Herr hatte viel Grund zur Traurigkeit. Er weinte über Jerusalem und sprach über diese Stadt die Worte: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 23,37–39). Wenn Er nach seiner Erscheinung in Herrlichkeit zur Aufrichtung des tausendjährigen Friedensreiches von seinem Volk freudig begrüßt werden wird, dann wird Er wahrhaft „getröstet“ werden!
Auch der gläubige Überrest der Juden wird in der Drangsalszeit kurz vor dieser Erscheinung Christi durch tiefe Trauer gehen: Trauer über den verhärteten Herzenszustand des übrigen Volkes, das dem Antichristen anhängen wird, und Trauer über die Schuld des jüdischen Volkes und ihre Mitschuld am Tod des Messias. Aber auch sie werden durch den Herrn selbst getröstet werden: „Der Herr wird Zion noch trösten und Jerusalem noch erwählen“ (Sach 1,17). – „Wie einen, den seine Mutter tröstet, so werde ich euch trösten; und in Jerusalem sollt ihr getröstet werden“ (Jes 66,13; vgl. Kap. 40,1; 49,13; 51,3.12; 61,2).
Gibt es nicht auch in der heutigen Zeit Grund zu ähnlicher Trauer im Volk Gottes? Sehen wir, wie der Herr Jesus in der Christenheit verunehrt wird, wie das Wort Gottes auch von wahren Christen nicht mehr ernst genommen wird, wie Herzenshärte statt Liebe, Eigenwille statt Gehorsam, leerer Formalismus statt echter Abhängigkeit vom Herrn und Weltförmigkeit statt Absonderung vom Bösen sich ausbreiten? Gehen wir achtlos und gleichgültig daran vorbei, oder stellen wir uns in richtender, selbstgerechter Art und Weise darüber? Oder tun wir das, was vor unserem Herrn richtig und wohlgefällig ist: Trauern wir wirklich über solche Verunehrungen unseres geliebten Herrn?
Eine solche Trauer finden wir im Alten Testament bei Nehemia, der zu dem König Artasasta sagte: „Warum sollte mein Angesicht nicht traurig sein, da die Stadt, die Begräbnisstätte meiner Väter, wüst liegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?“ (Neh 2,3). Auch von Daniel und Esra lesen wir, dass sie über die Untreue des Volkes Gottes und deren Folgen trauerten (siehe Daniel 9 und Esra 9–10). Von diesen Gottesmännern können wir lernen. Dem Alter nach konnte keiner von ihnen persönlich als mitschuldig betrachtet werden. Aber sie stellten sich nicht selbstgerecht über ihr Volk. Sie bekannten dessen Sünden und schlossen sich selbst mit in die Schuld ein. Sie sahen ein, dass sie nicht besser waren und dass auch sie ein Teil dieses Volkes waren. Deshalb antwortete Gott ihnen auch und bekannte sich zu ihnen. Das gab ihnen Trost.
Wenn wir in unserer Zeit eine solche Haltung einnehmen, dann gilt auch für uns die Seligpreisung unseres Herrn: „Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ Vollkommen wird dies sicherlich erst beim Kommen des Herrn geschehen, aber auch jetzt gibt es im Ausblick darauf bereits den Trost, dass Gott selbst einmal jede Träne auch von unseren Augen abwischen wird, dann, wenn es keine Trauer mehr geben wird (vgl. Off 21,4).