Das Bild gesunder Worte
„Halte fest das Bild gesunder Worte.“ (2. Tim 1,13)
Kapitel 11: Anbetung und Dienst
Ein Leben als Christ ist in der Praxis eine ausgewogene Kombination der passiven und aktiven Seite unseres göttlichen Lebens. Jeder Christ ist während seines ganzen Lebens hindurch ein Empfänger. Er muss täglich zu Jesu Füßen sitzen, seinem Wort zuhören (Lk 10,39) und den stillen Geist kultivieren, den wir brauchen, wenn wir etwas empfangen möchten. Sonst hat er nichts zum Weitergeben. Wenn er dann etwas empfangen hat, sieht er sich durch die Liebe gedrängt, selbst zu geben. Wenn wir uns darüber freuen, dass wir Vergebung der Sünden empfangen haben, dann wird unsere Freude nicht vollkommen sein, solange wir das nicht auch anderen erzählt haben. Wenn wir eine Wahrheit in der Schrift neu entdeckt haben, werden wir sie solange nicht wirklich verstehen, bis wir sie in unserem Leben umgesetzt haben. Wir besitzen eine Wahrheit erst dann wirklich, wenn wir nach ihr gehandelt haben.
Ein Christ ist wie ein Wasserspeicher: Er muss sowohl einen Einlass als auch einen Auslass haben. Wenn er so sehr in die Beschäftigungen als Christ verwickelt ist, dass er stets bemüht ist zu geben, ohne Pausen, um auch etwas aufzunehmen, wird sowohl geistliche Leere als auch geistliche Armut die Folge sein. Wenn er zu einem träumerischen Mystizismus abrutscht, der alle Arten christlicher Aktivität ablehnt, bei gleichzeitigem vermeintlichen Eifer für die göttliche Wahrheit, dann führt das zu geistlicher Ausschweifung und Unordnung – ein großer Verlust. „Von dem aber, der nicht hat, von dem wird selbst das, was er hat weggenommen werden“ (Mt 25,29); dies wird über den Knecht gesagt, der ein Talent empfangen, es jedoch nicht eingesetzt hatte, um zumindest Zinsen damit zu verdienen.
Jede echte christliche Aktivität hat ihren Ursprung in der Liebe Gottes, die von der Seele gekannt wird. Solche Aktivitäten haben sowohl Gott allein zum Inhalt und Ziel (Anbetung), als auch den Menschen als direkten Gegenstand (Dienst) zu Gottes Ehre. Die Anbetung muss dabei jedoch an erster Stelle stehen. Da sie eine rein geistliche, an Gott gerichtete Aktivität ist, die keinem anderen einen konkreten Nutzen bringt, wird sie oft vernachlässigt und nur wenig verstanden.
Wenn Christen zusammenkommen und bewusst in die Gegenwart Gottes treten, um ihre Herzen in Danksagung und Anbetung vor Ihm auszuschütten, dann werden viele bereit sein, ihnen Zeitverschwendung vorzuwerfen: „Wozu ist diese Vergeudung des Salböls geschehen?“ (Mk 14,4). Die Anbeter fordert man dazu auf, hinauszugehen und etwas zu tun, wovon andere einen praktischen Nutzen haben.
Andere sogenannte „Geistliche“ „sinnen so sehr auf das Irdische“ (Phil 3,19), dass sie keinen Blick für die Dinge haben, „die droben sind“ (Kol 3,1) – Dinge, die der Gläubige zu suchen aufgefordert ist. Ihr Ziel ist beschränkt auf den materiellen Gewinn des Menschen – eine schreckliche geistliche Herabwürdigung.
Ein Artikel in einer Zeitschrift beschrieb die Ansichten solcher Leute darüber, wie eine „Gemeinde“ geführt werden sollte, wie folgt: „Indem Personen musikalisch und als Redner und Sportler ausgebildet werden, durch die Einrichtung von Bibel-Klassen mit jeder Menge Spaß und indem die Gemeinde zu einem sozialen Zentrum gemacht wurde, hat der Schreiber ein neues Gemeinschaftsgefühl geschaffen. Das Ergebnis ist, dass die Attraktivität steigt.“ Solche Aktivitäten sind weder Anbetung noch Dienst. Es ist nichts für Gott dabei, aber auch nichts, das zum geistlichen Wohl des Menschen wäre. Solche sogenannten „Geistliche“ und Gemeinden haben keine Ahnung davon, was Anbetung wirklich bedeutet.
Was ist Anbetung? Im Alten Testament wurde dieses Wort oft in einem zeremoniellen Sinn gebraucht: „sich niederbeugen“ war die buchstäbliche Bedeutung. Im Neuen Testament hat das Wort seine innere und geistliche Bedeutung erhalten. Es bedeutet das Aufsteigen von Verehrung, eine Antwort der Liebe seitens des Gläubigen zu Gott, den wir jetzt als „Vater“ kennen.
In Johannes 4,21–24 unterscheidet der Herr sorgfältig zwischen „wahren Anbetern“ und Anbetern gemäß altertümlicher Riten. Nachdem Er von dem Vater als dem Gegenstand der Anbetung gesprochen hat, fügt Er hinzu: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (V. 24). Der Vater muss so angebetet werden, wie Er sich selbst geoffenbart hat. Die Anbetung muss „in Geist“ sein, denn Gott ist ein Geist. Somit ist wahre Anbetung nicht eine Frage religiöser Gefühle, die durch beeindruckende Zeremonien und/oder Musik hervorgerufen wurden [Dinge aus dem seelischen Bereich, Hrsg.]. Der Geist ist der höchste Bereich des Menschen, und wenn wir nicht „in Geist“ anbeten, beten wir überhaupt nicht an.
Unsere Anbetung muss auch „in Wahrheit“ sein. Wahrheit ist das, was Gott wirklich ist – das, was Er von sich offenbart hat. Nur der Herr allein konnte sagen: „Ich bin ... die Wahrheit“ (Joh 14,6). Er allein ist die vollkommene Offenbarung Gottes, und der Herr hat uns Gott als Vater geoffenbart. Deshalb hat der Herr gesagt: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). So muss der Vater in Wahrheit angebetet werden, im Licht der Offenbarung, die in Christus zu uns gekommen ist. Alles jedoch, was Christus nicht den Ihm angemessenen Platz gibt, ist keine Anbetung. Den Vater anbeten und unsere Freude über Christus ausdrücken, geht Hand in Hand (Phil 3,3).
Das ist äußerst wichtig! Sobald wir die Tatsache begreifen, dass wahre Anbetung in Geist ist, werden wir von der rituellen Vorstellung befreit, die meint, Gott könne mit menschlichen Mitteln angebetet werden – dass, je eindrucksvoller die Zeremonie, je prächtiger die äußere Umgebung, desto besser auch die Anbetung sei. Und wenn uns auch bewusst ist, dass wahre Anbetung in Wahrheit geschehen muss, dann werden wir davor bewahrt, Gott durch Wissenschaft oder durch das Studium von Gottes Schöpfung in der Natur anzubeten zu versuchen. Wir werden uns viel mehr um die unbedingt erforderliche Kenntnis Gottes, wie in Christus offenbart, bemühen.
Nach der Anbetung kommt der Dienst, das Ergebnis der gnädigen Wirksamkeit göttlicher Liebe in den Herzen der Gläubigen, die sie zu einer endlosen Vielfalt von Diensten zur Ehre Gottes und zum Wohl anderer Menschen leitet. Täuschen wir uns nicht! Die wirkliche Grundlage echten Dienstes ist – auch wenn er zum Wohl anderer ausgeübt wird –, dass er zur Freude und unter der Leitung des Herrn Jesus Christus ausgeübt wird.
Unser alleiniges Motiv im Dienst sollte es sein, dem Herrn zu gefallen, der unser großes Vorbild darin ist. Als Er von dem Vater sprach, sagte Er: „... weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue“ (Joh 8,29). Es reicht nicht, lediglich die richtigen Dinge zu tun. Richtige Dinge mit einer falschen Motivation zu tun, ist in Gottes Augen verkehrt. Es reicht auch nicht, wenn das Motiv stimmt, wir aber einfach nach unseren eigenen Gedanken handeln. Ein Arbeiter mag ein guter Fachmann, jedoch ein schlechter Diener sein. Wenn er starrköpfig und unabhängig ist, wird er stets gegen die Wünsche des Vorgesetzten anrennen und in ständigen Schwierigkeiten sein. Er wird nicht besonders nützlich sein.
Wieder ist der Herr unser Vorbild. In Johannes 4,34 sagt Er: „Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe.“ Dienst ist also nicht einfach nur Arbeit, selbst gute Arbeit, auch nicht christliche Aktivität geistlichster Art, sondern viel mehr Aktivität unter der Leitung des Herrn!
Johannes 12,1–9 illustriert das sehr passend. Martha diente: Sie arbeitete an dem Abendessen, und davon profitierten viele – doch der entscheidende Punkt ist, dass sie es für den Herrn tat. „Sie machten ihm ein Abendessen.“ Das war echter Dienst aus einem Herzen voller Liebe für den, der ihren toten Bruder auferweckt hatte. Dann lag Lazarus „mit ihm zu Tisch“, ein Bild dieser Gemeinschaft mit dem Meister, die allein dem Dienst und der Anbetung Charakter verleiht. Maria nahm ein sehr kostbares Salböl und salbte die Füße Jesu (V. 3). Sie goss es vollständig über Ihm aus. Das kam aus einem Herzen, das ganz auf Christus konzentriert war. Der Geruch des Salböls erfüllte das ganze Haus. Wahre Anbetung ist immer ein Duft.
Der Vater sucht Anbeter (Joh 4,23). Der Herr braucht Diener (2. Tim 2,1–7). Mögen wir auf beide Wünsche eine Antwort geben!
Wir sollten keine Form für unsere Anbetung haben. Die Juden der vorherigen Haushaltung hatten eine gewisse äußere, nationale, zeremonielle Form der Anbetung, die recht war vor Gott, wenn sie mit einem aufrichtigen Herzen ausgeführt wurde. Doch ihre Herzen waren nicht aufrichtig, und so musste der Herr sagen: „Vergeblich verehren sie mich“ (Mt 15,9). Unsere Anbetung heute ist nicht national und es geht auch nicht darum, bestimmte Ausdrücke zu gebrauchen oder gewisse Zeremonien oder religiöse Gebote auszuführen. Es ist der bewusste, persönliche Ausdruck von Liebe und Verehrung Gottes, der aus unserem eigenem erretteten Herzen kommt!
Manchmal sprechen Menschen von Anbetung Gottes, wann immer sie einen Gottesdienst besuchen. Ein Prediger stand eines Sonntagmorgens auf und sagte: „Lasst uns die Anbetung Gottes mit dem Lied beginnen: ‚Kommt ihr Sünder, arm und bedürftig‘.“ Für ihn war jedes religiöse Treffen offenbar Anbetung. Doch das ist nicht so! Es mag für jemanden ein wahrer Dienst für den Herrn sein, eine Wortverkündigung zur Auferbauung von Gläubigen oder eine Evangelisation zur Errettung von Sündern zu halten – doch es ist kein „Dienst“ für die Hörenden und keineswegs Anbetung, weder für den Prediger noch für die Zuhörer! Anbetung ist weder das Hören noch das Verkündigen von Predigten, noch ist es das Gebet oder das Singen von Evangeliumsliedern. Anbetung ist das Aufsteigen von Verehrung aus einer erlösten Seele zu Gott, sonst nichts!
Nun sind alle Christen sowohl Priester als auch Diener. 1. Petrus 2,5.9 sagt uns: „Werdet auch ihr selbst, als lebendige Steine, aufgebaut ..., ein heiliges Priestertum, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlannehmlich durch Jesus Christus“, und auch: „... ein königliches Priestertum ..., damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“. Diese Worte wurden an alle Christen geschrieben, nicht nur an einen bestimmten „Klerus“. Wir alle sind sowohl ein heiliges als auch ein königliches Priestertum. Als heiliges Priestertum opfern wir Gott geistliche Schlachtopfer, d. h. Anbetung! Als königliches Priestertum verkünden und zeigen wir das Lob Gottes, d. h. Dienst!
Es ist wahr, dass wir nicht alle eine große Gabe nach 1. Korinther 12,28 haben, noch sind wir alle Evangelisten, Hirten oder Lehrer nach Epheser 4,11, doch wir alle können nach Römer 12,3–8 dienen (oder helfen, wie uns 1. Korinther 12,28 sagt). Wenn wir nicht weissagen oder lehren können, so können wir doch Gastfreundschaft und Barmherzigkeit üben. Wir können unsere Verfolger segnen und voll Mitempfinden mit einem weinenden Gläubigen weinen. Wo immer es nötig ist, können wir helfen und in allen diesen Dingen wahrhaft dem Herrn dienen.
Jedoch gibt es für uns einige Bedingungen, wie wir Gott wirklich anbeten und dienen können. Was die Anbetung betrifft, spricht Hebräer 10,19–22 von „Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu“, und wir werden aufgefordert, Gott zu nahen „mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens“. Das sind wichtige Bedingungen. Der Glaube muss aktiv ausgeübt werden, sodass wir auf der Grundlage des Werkes Christi volle Gewissheit haben – ohne jeglichen Zweifel oder Angst. Dann lässt ein wahrhaftiges Herz Aufrichtigkeit und Transparenz der Seele erkennen – das Ergebnis eines zarten Gewissens und eines ausgeübten Selbstgerichtes. [Dann können wir Freimütigkeit – nicht Angst – zum Eintritt haben, Hrsg.].
Wenn es um Dienst geht, lies Apostelgeschichte 20,17–35. Hier schaut Paulus, einer der größten Diener Christi, auf seine Laufbahn zurück. Unser Dienst mag im Vergleich zu dem Dienst von Paulus unbedeutend sein, dennoch sollten die Aspekte, die ihn kennzeichneten, auch uns charakterisieren. Dies sind einige von ihnen: „alle Demut“, „viele Tränen“ (der Ausdruck vieler Übungen), „ich habe nichts zurückgehalten“ (Standhaftigkeit), „Ich habe niemandes Silber oder Gold oder Kleidung begehrt“ (eine größtmögliche Gerechtigkeit vor der Welt) und „ich habe euch in allem gezeigt“ (er lebte, was er predigte). Dies sind in der Tat wichtige Anforderungen!
Sowohl junge als auch jungbekehrte Gläubige stellen sich oft die Frage, wie sie dem Herrn dienen können. Ich möchte sie ermuntern, dem Herrn zu dienen, indem sie einfach die Dinge tun, die (nach Gottes Anordnung ihres Lebens) als nächstes dran sind. „Tu das Nächstliegende!“ ist ein sehr guter Leitfaden für jeden von uns, auch wenn es genau die Sache ist, die wir nicht tun wollen!
Ein einfaches Dienstmädchen in Virginia verdiente vor Jahren nur vier Dollar im Monat. Davon wanderte ein Dollar in ihre Gemeinde und ein Dollar in die Auslandsmission. Sie war in beide Richtungen der größte lokale Spender. Die anderen beiden Dollars gingen an ihren armen Vater. Für ihre Kleidung sorgte sie, indem sie nachts Näharbeiten erledigte. Ein ernsthafter Prediger besuchte einmal dieses Haus, und sie stellte ihm ihr eigenes Zimmer zur Verfügung. Er öffnete ihre Bibel, die auf dem Tisch lag, und sah, dass diese auf jeder Seite markiert war. Doch was ihn am meisten traf, war ihre Anmerkung zu dem Vers:„Geht hin in die ganze Welt“ (Mk 16,15). Ihre Anmerkung lautete: „Oh, wenn ich nur könnte!“
Am nächsten Tag sprach er mit ihr darüber, worauf sie zu weinen begann. Schließlich erzählte sie ihre Geschichte: Sie wurde im Alter von 14 Jahren errettet, und als sie nach Hause kam, lag dort eine Zeitschrift: „Chinas Ruf nach dem Evangelium“. Niemand wusste, woher diese Zeitschrift kam. Diese Zeitschrift prägte alle ihre Gedanken. Zehn Jahre hatte sie gebetet, dass der Herr sie doch nach China senden möge, aber Er hatte es nicht getan.
Später, so erzählte sie, hatte sich etwas verändert. Erst zwei Wochen vorher hatte sie den Schluss gezogen, dass sie einen Fehler begangen habe und der Plan des Herrn für sie war, dass sie einfach ein Missionar für Ihn in der Küche sein sollte. Seitdem lautete ihr Gebet: „Mach mich bereit, für Dich ein Missionar in der Küche zu sein“, und der Herr hatte dieses Gebet erhört.
Zehn Jahre hatte sie nach dieser großen Sache gestrebt, wobei sie keinesfalls die kleinen Dinge vernachlässigt hatte, wie ihre Gaben zeigten. Doch erst seit kurzem war sie bereit, auch die ganz kleine Aufgabe zu akzeptieren, nämlich einfach als Licht für den Herrn an diesem engen Ort in ihrer Tätigkeit als Küchenmädchen zu scheinen. Doch dann sandte der Herr sie aus zu einem lebenslangen gesegneten Dienst in China, denn der Prediger war überzeugt, dass Gott ihn gerade deshalb hergeschickt hatte, um ihr zu helfen, nach China zu kommen – und so ging sie!
Möge doch so ein Dienst sich überall sehr mehren! „Wer im Geringen treu ist, ist auch in vielem treu“ (Lk 16,10).