Das Bild gesunder Worte
„Halte fest das Bild gesunder Worte.“ (2. Tim 1,13)
Kapitel 9: Auserwählung und Gnade
Von Beginn der Bibel-Geschichte an bilden zwei große Tatsachen die Grundlage für jedes Handeln Gottes mit dem Menschen. Die erste, dass Gott absolut souverän ist. Die zweite, dass der Mensch ein intelligentes Geschöpf mit moralischen Fähigkeiten und somit vor seinem Schöpfer verantwortlich ist.
Manche Menschen sehen einen Widerspruch zwischen der Souveränität Gottes, die sich zeigt in der Auserwählung einiger zum Segen, und dem freien Angebot der Gnade, das sich an alle Menschen richtet. Die Ultra-Calvinisten lösen diese Schwierigkeit, indem sie die Verantwortung des Menschen verwerfen, während die Arminianer das Problem durch die Verwerfung von Gottes Souveränität lösen. Jedoch sind beide „Lösungen“ schriftwidrig, da sie die oben genannten biblischen Tatsachen abstreiten. Das wirkliche Problem besteht darin, dass unsere kleinen Köpfe Schwierigkeiten damit haben, Gottes große Gedanken zu erfassen.
Die erste Tatsache sehen wir in
Eins der größten Zeugnisse von Gottes Souveränität kam von Nebukadnezar, dem großen heidnischen König, in dem menschliche Souveränität ihren höchsten Ausdruck fand. Er sagte: „... nach seinem Willen tut er [Gott] mit dem Heer des Himmels und mit den Bewohnern der Erde; und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?“ (
Gläubige werden angesprochen als auserwählt „in Ihm“ (Christus) „vor Grundlegung der Welt“ (
Sollten wir nun aus diesen Schriftstellen schließen, dass alle evangelistischen Bemühungen nutzlos wären? Dass zu predigen, außer zu denen, die von Gott auserwählt sind, eine Zeitverschwendung sei? Lasst uns schauen, was die Apostel taten. Petrus drängte in
Hätten die Apostel nicht eher sagen sollen: „Ihr könnt absolut nichts tun. Ihr seid geistlich tot und müsst daher einfach auf die Begnadigung Gottes warten. Wenn Er euch erwählt hat, dann werdet ihr errettet; wenn nicht, dann werdet ihr verloren gehen“? Oder etwa: „Der Mensch ist ein absolut frei Handelnder und fähig, in der richtigen Weise zu entscheiden, wenn es ihm nur ausreichend attraktiv vorgestellt wird. Gott kennt das Ende bereits von Anfang an, aber Er hat keinen bestimmten Willen in Bezug auf jemanden. Daher müssen wir alles tun, was wir können, um das Evangelium so anziehend wie möglich vorzustellen, damit Menschen gewonnen werden“? Jedoch sagten die Apostel weder das eine noch das andere. Tatsache ist, wenn wir zu einem der beiden vorher genannten Schriftabschnitte auf Kosten des anderen tendieren, wir uns den Worten des Herrn aus
Alle oben genannten Schwierigkeiten verschwinden, sobald wir den wahren Charakter des menschlichen Ruins und der göttlichen Gnade sehen. Indem er sündigte, hat der Mensch eine Schuldenlast aufgehäuft und sich so das Gericht zugezogen. Er empfing auch eine völlig böse und gefallene Natur und hat nun ein Herz (ein inneres Ich), das „arglistig ist, mehr als alles, und verdorben“ (
Des Weiteren wirkte die Sünde wie eine subtile Droge und hat die Vernunft, den Willen und das Urteilsvermögen des Menschen so sehr eingenommen und verdorben, dass „da keiner ist, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht“ (
Das Gleichnis vom „großen Gastmahl“ in
Nichtsdestotrotz ist der arme, gefallene, selbst-zerstörte Mensch immer noch ein verantwortliches Wesen. Seine Vernunft, sein Wille und sein Urteilsvermögen sind zwar verdorben, aber nicht zerstört. Daraus ergibt sich die Größe der Gnade Gottes. Was ist Gnade? Ist es etwa Gottes Güte, die den Auserwählten errettet? Nein, es ist Barmherzigkeit. In
Gnade sehen wir in dem letzten großen Auftrag des auferstandenen Christus an seine Jünger, dass „in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen, angefangen von Jerusalem“ (
In diesem Gleichnis finden wir Diener, nicht „den Diener“ wie in
In dem Wissen, dass es Gott gefällt, „durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten“ (
Nichts an dieser Wahrheit über die Auserwählung bringt den suchenden Sünder zum Stolpern [obwohl die Auserwählung eine Wahrheit ist, über die Gläubige sich freuen, und nicht etwas, was Ungläubigen gepredigt werden sollte, Hrsg.]. Gerade die Tatsache, dass er sucht, deutet darauf hin, dass er durch den Vater gezogen wird. Die Vorstellung, dass ein Sünder in der Zeit der Gnade verzweifelt nach dem Heiland suchen könnte und doch ungehört bleiben sollte (und somit ewig verloren wäre), weil er nicht erwählt sei, ist eine furchtbare Verdrehung der Wahrheit.
Die Worte des Herrn Jesus sind: „Sucht, und ihr werdet finden“ (
Wir sind „auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters“ (
[Beachte: Es wird uns an keiner Stelle mitgeteilt, was genau in der göttlichen Vorkenntnis unsere Auserwählung ausmacht. Jedoch basiert sie nicht auf der göttlichen Vorkenntnis unseres Glaubens oder Verdienstes, denn dies würde bedeuten, unsere Errettung sei auf unsere eigenen Werke und nicht auf die Gnade allein gegründet (
Es wird uns an keiner Stelle mitgeteilt, weshalb Gott nicht einfach alle auserwählt hat. Wäre unser kleiner Verstand überhaupt in der Lage, seine Gründe zu begreifen, wenn Er beschlossen hätte, uns seine unendlichen Wege mit uns zu erläutern? Wir können jedoch sicher sein, dass alle Wege Gottes in vollkommener Harmonie mit der Tatsache sind, dass Gott Liebe und dass Gott Licht ist (
Manche haben gefragt, wie der Mensch verantwortlich gemacht werden kann, wenn er so unfähig ist, richtig zu entscheiden. Als Beispiel nannten sie eine arme Frau, die zum 201. Mal wegen Trunkenheit und eines unordentlichen Wandels verhaftet wurde. Sie erklärten, die Frau sei so tief gesunken und dadurch unfähig, dem Alkohol zu widerstehen oder ein besseres Leben zu wählen, dass sie nicht länger verantwortlich gemacht werden könne. Dieser Denkansatz ist jedoch vergeblich. Keine gesunde Person würde glauben, dass jemand nur tief genug in die Kriminalität abrutschen müsse, um von Verantwortlichkeit und Strafe befreit zu werden. Durch die Sünde ist der Mensch selbst in unermessliches Verderben und Unfähigkeit versunken – dennoch bleibt seine Verantwortlichkeit bestehen.
Freie Gnade bedeutet, dass die Absicht des Evangeliums Gottes alle umfasst – und nicht, dass unsere Errettung einfach unsere Wahl durch unseren eigenen sogenannten freien Willen ist. Christus ist für alle gestorben (
Der Sünder soll Christus annehmen, nicht wählen. „Wählen“ ist ein aktiver Ausdruck, der eine gewisse Berechtigung zur Unterscheidung und persönlichen Wahl impliziert – eine Berechtigung, die der Sünder jedoch nicht besitzt. „Annehmen“ ist ein passives Wort, das andeutet, dass der Sünder einfach in Einklang mit Gottes Angebot kommt. „So viele ihn aber aufnahmen“ (
Deshalb ist es richtig, Sünder zur Buße und zum Glauben zu drängen. Unser Herr hat das in
Mancher Sünder mag sich damit entschuldigen, dass er behauptet, er könne nicht glauben, solange Gott ihm nicht die Kraft dafür gebe. Doch braucht es sowohl für Buße als auch für Glauben eher Schwachheit als Kraft. Buße zu tun bedeutet die Wahrheit über sich selbst anzuerkennen; zu glauben bedeutet seine arme, gebeutelte Seele auf Christus zu stützen. Gottes Befehl ist zugleich eine Befähigung für den Menschen, so wie es bei dem Mann mit der verdorrten Hand zu sehen ist. Die Kraft zum Ausstrecken war da, sobald Christus ihn dazu aufforderte. Wenn ein Sünder gerne glauben möchte, so wird ihm Gott die Fähigkeit schenken; denn wenn auch nur das kleinste Verlangen nach Christus im Herzen eines Sünders vorhanden ist, wird die Gnade es zum endgültigen Glauben und zur Errettung führen (siehe
Die oben genannten Bemerkungen könnten aber womöglich auch von jemandem kommen, der nur streiten möchte; in diesem Fall sollten wir einen solchen ignorieren. Wenn diese Person jedoch wirklich besorgt und verwirrt ist, so würde ich ihr dringlich empfehlen, sich in einfachem Vertrauen auf den Heiland zu stützen und den großen Wahrheiten zu glauben, die so einfach sind, dass, „wer auf dem Weg wandelt – selbst Einfältige werden nicht irregehen“ (
Ich würde ihm ebenfalls empfehlen, sich nicht mit Fragen bezüglich Gottes Souveränität zu beschäftigen, die er nicht verstehen kann. Lass es niemals zu, dass etwas, dass du nicht verstehst, dir das nimmt, was du verstanden hast! Vergiss niemals, dass Christus, der gesagt hat: „Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen“, unmittelbar hinzufügte: „... und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (