Das Bild gesunder Worte
„Halte fest das Bild gesunder Worte.“ (2. Tim 1,13)
Kapitel 4: Gesetz und Gnade
„Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“ „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (Joh 1,17; Röm 6,14).
In einer Hinsicht sind Gesetz und Gnade gleich, denn beide stellen uns einen hohen Standard vor. In allen übrigen Aspekten sind sie jedoch völlig gegensätzlich. Am Berg Sinai (2. Mo 19–20) nannte Gott klar und deutlich seine gerechten und heiligen Forderungen. Wenn die Menschen gehorchten, würden sie gesegnet werden; wenn sie jedoch nicht gehorchten, kämen sie unter den ernsten Fluch des Gesetzes (Gal 3,10). Israel brach das Gesetz und verdiente den Fluch, schon bevor überhaupt die steinernen Tafeln sie erreicht hatten (2. Mo 32). Wenn Gott damals nicht in Gnade mit Israel gehandelt hätte, wären sie sofort umgekommen.
Auf der anderen Seite bedeutet Gnade, dass Segen für alle verfügbar ist, weil Gottes gerechten und heiligen Forderungen in dem Tod und der Auferstehung Christi entsprochen worden ist. Vergebung der Sünden und die Gabe des Heiligen Geistes werden allen gewährt, die glauben.
Der Kern (das Wesen) des Gesetzes ist die Forderung, wohingegen der Kern der Gnade das Geben ist. Unter dem Gesetz steht Gott sozusagen vor uns und spricht: „Gib! Leiste mir Liebe und pflichtbewussten Gehorsam.“ Unter der Gnade steht und sagt Er: „Nimm! Empfange meine Liebe und rettende Kraft.“ Das Gesetz sagt: „Handle so und lebe“, während die Gnade sagt: „Lebe, und handle so.“
Wir Glaubenden sind heute nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Dies trat ein, „als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz, damit er die, die unter Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen“ (Gal 4,4.5). Das Wort loskaufen macht den Unterschied aus. Aber dies erforderte den Tod des Erlösers. Er musste durch sein Sterben am Holz für uns zu einem Fluch gemacht werden (Gal 3,13). Als Ergebnis davon kann der Gläubige sich als „dem Gesetz getötet“ (Röm 7,4) betrachten, weil er in dem Tod seines Stellvertreters, des Herrn Jesus, mitgestorben ist.
Das Gesetz ist nicht gestorben; vielmehr wurde seine Majestät noch nie so sehr gewahrt wie in dem Moment, als der Herr Jesus unter seinem Fluch gestorben ist! Jedoch sind damit zwei Dinge geschehen. Erstens: Weil dem Gesetz entsprochen und sein Fluch getragen wurde, hielt Gott seinen Zorn zurück und verkündete allen Menschen Gnade. Zweitens: Weil der Gläubige in der Person seines großen Stellvertreters dem Gesetz gestorben ist, ist er nun „eines anderen geworden“, „des aus den Toten Auferweckten“ (Röm 7,4). Der Gläubige wird nun durch eine andere Kraft gesteuert, den auferweckten Sohn Gottes.
Folglich ist nicht das Gesetz die Grundlage für die Rechtfertigung eines Sünders. Er wird gerechtfertigt durch Gnade, durch den Glauben an das Blut Christi (Röm 3–4). Auch ist nicht das Gesetz die Lebensregel des Gläubigen, sondern Christus! Wir sind mit Ihm verbunden, nicht mit dem Gesetz (Röm 7,4). Lies bitte aufmerksam Galater 3–4.
Die Gläubigen aus Galatien bekehrten sich durch das Evangelium der Gnade Gottes – aber sie wurden abgezogen durch judaisierende Unruhestifter, die „eifrig für das Gesetz“ waren und sowohl die Beschneidung als auch die Einhaltung des Gesetzes lehrten. Paulus sagte ihnen, dass das Gesetz lediglich eine vorübergehende Vereinbarung gewesen war (Gal 3,17), um Israels Sünden aufzuzeigen (Gal 3,19) und um als Erzieher oder Lehrer „auf Christus hin“ zu handeln (Gal 3,24). Doch als Christus kam, die Erlösung vollbrachte und den Heiligen Geist gab, verließ der Gläubige seine Stellung als minderjähriges Kind oder Diener und wurde ein Sohn in dem göttlichen Haushalt und wurde dadurch unter die Freiheit der Gnade gestellt (Gal 4,1–7).
Weil das Niveau der Gnade, zu der wir erhoben worden sind, so viel höher ist als das des Gesetzes, welches wir verlassen haben, bedeutet eine Rückkehr, auch nur in Gedanken, zu dem Gesetz nichts anderes als zu fallen. „Ihr seid aus der Gnade gefallen“ (Gal 5,4), sind die Worte von Paulus an solche, die das tun.
Das Gleichnis von dem verlorenen Sohn in Lukas 15,11–32 illustriert diesen Punkt. Der zurückkehrende Sohn sagte zu seinem Vater: „Mache mich wie einen deiner Tagelöhner“ (V. 19). Seine Gedanken erhoben sich nicht über das Gesetz. Jedoch wurde er aus reiner Gnade angenommen und empfing den Platz eines Sohnes innerhalb des Hauses. Angenommen, er hätte nun einige Tage später wie ein Diener begonnen zu arbeiten und den Vorschriften eines Dieners entsprochen, weil er die Zuneigung des Vaters und das Vorrecht seiner Stellung, die er so großzügig erhalten hatte, behalten wollte. Er wäre folglich aus der Gnade gefallen und hätte dem Vater tatsächlich Kummer bereitet, da diese Handlung des Sohnes in Wirklichkeit ein Misstrauensvotum gegen den Vater wäre. Es ist also notwendig für uns, dass unsere Herzen „durch Gnade befestigt werden“ (Heb 13,9).
Manche meinen, die Gnade wäre dazugekommen, um uns bei der Einhaltung des Gesetzes behilflich zu sein, so dass wir auf diesem Weg in den Himmel kämen – aber das ist ein völlig falsches Konzept. Die Einhaltung des Gesetzes hätte eine Person niemals dazu berechtigt, in den Himmel einzugehen, sondern lediglich dazu, nicht zu sterben. Als ein Gesetzgelehrter den Herrn fragte, was Er denn tun müsse, um ewiges Leben zu erben, wurde er auf das Gesetz verwiesen. Nachdem er eine richtige Zusammenfassung von dessen Forderungen gegeben hatte, antwortete Jesus ihm: „Du hast recht geantwortet; tu dies, und du wirst leben“ (Lk 10,25–28). Der Himmel wird nicht erwähnt, denn die einzige Belohnung für die Einhaltung des Gesetzes ist ein ewiges Leben auf der Erde.
Auch ist die Gnade nicht dazugekommen, um uns bei der Einhaltung des Gesetzes behilflich zu sein, sondern um uns Rettung von dessen Fluch zu verschaffen, indem, wie es in Galater 3 gesehen wird, ein anderer diesen für uns getragen hat. Lies auch Römer 3 und beachte, dass, als das Gesetz den Menschen verurteilt und seinen Mund verstopft hatte (V. 9–19), dann die Gnade durch Gerechtigkeit ohne Gesetz rechtfertigte (V. 20–24).
In 1. Timotheus 1 wird das Gesetz benutzt, um den Gottlosen zu verurteilen (V. 9.10), und anschließend stellt das Evangelium der Gnade Jesus Christus vor, der „in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten“ (V. 15) – nicht um Sündern zu helfen, das Gesetz einzuhalten, damit sie versuchen konnten, sich selbst zu retten!
Warum wurde das Gesetz gegeben? Römer 3,19 sagt uns, dass das Gesetz gegeben wurde, „damit jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei.“ Des Weiteren: „... das Gesetz aber kam daneben ein, damit die Übertretung überströmend würde.“ „Es wurde der Übertretung wegen hinzugefügt“ (Röm 5,20; Gal 3,19). Es hat seinen Zweck erfüllt und tut das noch immer. Es kann verurteilen und den hartnäckigsten, eingebildetsten religiösen Menschen zum Schweigen bringen, damit Gnade allein ihn erretten kann.
Der Herr Jesus, die personifizierte Gnade, hat den Fluch des gebrochenen Gesetzes getragen und alle die von diesem Fluch befreit, die an den Herrn Jesus glauben (Gal 3,13). Zudem hat die Gnade uns von unserer Stellung unter dem Gesetz befreit und alle unsere Beziehungen mit Gott auf eine neue Grundlage gestellt (Gal 4,4–6). Jedoch wurde das Gesetz an sich weder aufgehoben noch beseitigt. Seine Majestät wurde niemals deutlicher aufrechterhalten als dann, als der Herr Jesus als Stellvertreter unter seinem Fluch litt! Viele werden am Tag des Gerichts angstvoll vor seinen Beschuldigungen zurückweichen (Röm 2,12).
Das Gesetz ist nicht die Lebensregel des Gläubigen. Wenn ein Gläubiger das Gesetz auf diese Weise zu gebrauchen versucht, fällt er aus der Gnade, weil die Gnade uns sowohl unterweist als auch errettet (Tit 2,11–14). So ein Gläubiger senkt auch den göttlichen Maßstab ab, weil Christus, nicht das Gesetz, der Maßstab des Gläubigen ist. Zudem nimmt er die falsche Antriebskraft in Anspruch.
Angst mag eine Person dazu bewegen, das Gesetz zu halten zu versuchen und die Kraft der alten Natur zu regulieren. Jedoch ist der Heilige Geist die einzige Antriebsskraft, die wirklich das Fleisch kontrollieren und die Person in Übereinstimmung mit Christus bringen kann (Gal 5,16–18). Schließlich zerstört so jemand auch die Beziehungen, in denen er durch die Gnade steht. Obwohl er ein Sohn in der Freiheit des Herzens und Hauses seines Vaters ist, besteht er darauf, sich selbst den Regeln eines Knechtes zu unterstellen!
Manche Menschen fürchten die Lehre, dass ein Christ nicht mehr unter Gesetz ist, weil sie meinen, diese könne jemanden zu allem möglichen Bösen verleiten. Das wäre auch der Fall, wenn eine Person Christ würde und unter den Einfluss der Gnade käme, ohne von neuem geboren zu sein, ohne Buße und ohne die Gabe des Heiligen Geistes. Jedoch ist niemand ein Christ ohne diese Dinge. Deswegen ist es nicht notwendig, Christen zu einem heiligen Lebenswandel zu zwingen, indem man sie unter der Bedrohung des Gesetzes hält, so als ob sie lediglich die Natur eines Schweines hätten und mit Gewalt von dem Schlamm ferngehalten werden müssten.
Die Wahrheit ist, obwohl er immer noch die alte Natur hat, so hat der Gläubige doch auch die neue Natur, die nicht sündigen kann. Er besitzt den Heiligen Geist, der ihn leitet. Somit kann ein Gläubiger sicher unter die Gnade gestellt werden, denn es ist Gnade, die ihn überwältigt. Die Schrift sagt: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (Röm 6,14).
Nicht errettete Menschen mögen die Gnade als eine Ausrede für Böses benutzen, jedoch ist das kein Grund, die oben genannte Wahrheit zu bestreiten. Jede Wahrheit wurde durch böse Menschen missbraucht.
Titus 2,11–15 zeigt uns, wie Gnade den Gläubigen in einem Gott wohlgefälligen Wandel erhält. Im Christentum tut die Gnade beides, sie errettet und unterweist – und was für ein effektiver Lehrer ist sie! Sie füllt unsere Köpfe nicht mit kalten Regeln, sondern bringt unsere Herzen unter den überwältigenden Einfluss der Liebe Gottes. Wir lernen, was Gott gefällt, und weil wir den Heiligen Geist besitzen, fangen wir an, nüchtern, gerecht und gottselig zu leben.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen Kindern, die aus Angst vor Strafe in Ordnung gehalten werden, und Kindern, die in einem Haus leben, wo die Liebe regiert. In dem ersteren mag Ordnung herrschen, aber es wird in einem großen Knall enden, wenn die Kinder aufwachsen. In dem letzteren ist beides, Gehorsam und das freudige Eingehen auf die Wünsche der Eltern, das Ergebnis der Zuneigung der Eltern zu ihren Kindern. Gott regiert seine Kinder durch das Prinzip der Liebe und nicht durch das Prügel-Prinzip. Mögen wir unser Leben in diesem glücklichen Bewusstsein leben.