Das Bild gesunder Worte
„Halte fest das Bild gesunder Worte.“ (2. Tim 1,13)

Kapitel 2: Friede und Befreiung

Römer 5,1 sagt: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“, während Paulus in Römer 7,24.25 sagt: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten [oder befreien] von diesem Leib des Todes? – Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!“

Beides – Frieden mit Gott und Befreiung sowohl von der Sünde als auch von dem Fleisch (der alten Natur), die in uns sind – sind großartige Segnungen, die das Evangelium uns allen bringt. Doch unterscheiden sich beide klar voneinander. Es ist wichtig, den Unterschied zu verstehen, aber auch zu begreifen, wie wir uns beide zu eigen machen. Natürlich ist das Kreuz Christi die wunderbare Grundlage für beide.

Die Ergebnisse der Sünde werden sowohl innerlich als auch äußerlich sichtbar. Äußerlich so, dass die Sünde das einst glückliche Band der Verbundenheit zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer zerrissen hat. Satan benutzte die Sünde, um die Kommunikation zwischen dem Menschen und Gott im Garten Eden zu durchtrennen. Sünde verursachte also aufseiten des Menschen Distanz, Entfremdung und Feindschaft gegenüber Gott.

Innerlich ist der Schaden genauso vollständig. In den Gedanken und im Herzen jedes Sünders herrscht Chaos. Anstatt freudig und frei zu sein und in einsichtsvoller Unterordnung im Sonnenlicht göttlicher Gunst zu leben, ist der Mensch versklavt. Die Sünde ist sein Herr. Sein eigener Geist wird nicht länger durch seinen Verstand und Körper gesteuert, sondern ist schutzlos vielen bösen Leidenschaften und Lüsten ausgeliefert.

Römer 1–3 zeigt uns den schrecklichen Zustand, in den die Sünde den Menschen gestürzt hat, was seine Beziehung zu Gott betrifft. Doch dann legt Gott das göttliche Heilmittel offen: den Tod und die Auferstehung Christi. Für den Glauben ist das Ergebnis dieses Heilmittels Frieden mit Gott.

Lies Römer 7. Schau das innere Durcheinander und Chaos an, die Verwirrung durch einander entgegengesetzte Begierden, Emotionen und Kämpfe – das Ergebnis der Sünde. Doch dank des Kreuzes Christi und der Kraft des Heiligen Geistes können wir diesem Chaos entkommen (Röm 8,1–4). Wir können „gerettet werden von diesem Leib des Todes“.

Wir haben dann Frieden mit Gott. Dieser Friede ist das Ergebnis davon, dass unsere Beziehungen zu Gott auf einer gerechten und völlig zufriedenstellenden Grundlage basieren, und zwar durch das Werk Christi am Kreuz.

Auf der anderen Seite werden wir befreit „von diesem Leib des Todes“, also von der verdorbenen alten Natur, die wir alle als Ergebnis der Sünde in uns haben.

Beides, sowohl Frieden als auch Befreiung, ist „durch Jesus Christus, unseren Herrn“. Sein Kreuz ist die vollständige Antwort auf unsere ganze Schuld. Somit sind wir alle, die glauben, durch Gott gerechtfertigt (Röm 3,25.26). Das Kreuz verurteilt auch alles, was wir in uns selbst sind als Kinder Adams, die sich selbst ruiniert haben (Röm 6,6; 8,3). Befreiung erfahren wir durch die Kraft des auferstandenen Christus.

Obwohl dem Frieden immer Angst vorausgeht, weil man die eigene gefährliche Position vor Gott erkennt, erlangt man den Frieden dennoch allein durch den Glauben (Röm 5,1). Plötzlich wurden unsere Augen geöffnet, um im Glauben auf den einst gekreuzigten und jetzt auferstandenen Heiland zu blicken. Wir sahen jede Frage beantwortet, jedes Hindernis beseitigt und jede Wolke zwischen uns und Gott beiseite geweht. Das Ergebnis war Friede!

Befreiung erfahren wir zwar durch den Glauben, aber sie ist doch stark mit Erfahrung verbunden. Beschwerlichen Schrittes sind wird durch den Schlamm aus Römer 7 gegangen, um am Ende des Kapitels festen Grund zu erreichen. Wir lernen die nützliche, aber zugleich schmerzliche Lektion, dass in unserem Fleisch (der alten Natur) nichts Gutes wohnt (V. 18), und dass wir keine Kraft selbst für die edelsten, ja sogar aus der neuen Natur kommenden Wünsche haben (V. 23). Die neue Natur wird hier „das Gesetz des Sinnes“ und „der innere Mensch“ genannt. Erst wenn diese Lektionen gelernt sind, schaut eine Person, die der Sünde und des eigenen Ichs überdrüssig ist, nach einem von außen kommenden Befreier und findet diesen in dem Herrn Jesus Christus.

Solch eine Befreiung wird in beidem gefunden: Im Verständnis über die Bedeutung des Kreuzes Christi als die völlige Verurteilung der Sünde im Fleisch, und in der Kraft des Heiligen Geistes, der uns Christus zu einer lebenden, strahlenden Realität macht. Durch diesen wärmenden Einfluss kommt Ordnung aus dem Chaos und Sieg über die Sünde hervor.

Es ist durchaus möglich, dass jemandes Sünden vergeben worden sind, er aber dennoch keinen Frieden hat. Vergebung hängt allein von einem schlichten Glauben an Christus ab. „Jeder, der an ihn glaubt, empfängt Vergebung der Sünden“ (Apg 10,43). Friede jedoch hängt ab von dem Glauben an das Evangelium Gottes, das uns einen Heiland vorstellt, „der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,25). Es ist also möglich, dass jemand schlicht an Christus glaubt und Ihm als armer Sünder völlig vertraut, ohne dass er mit gleicher Schlichtheit der Botschaft des Evangeliums glaubt, die uns nicht nur Ihn selbst, sondern auch sein Werk und dessen Ergebnisse vorstellt.

Zu viele Menschen achten zu sehr auf ihre Gefühle und nicht genug auf das unveränderliche Evangelium. Deshalb haben sie keinen Frieden, obwohl sie völlig auf Christus vertrauen. Doch ist dieser Zustand nicht das, was Gott beabsichtigt oder die Schrift für uns vorgesehen hat. Vielmehr ist das eine Folge von fehlerhafter Belehrung oder Unglauben unsererseits.

In Römer 1–5 geht es um Frieden, während sich Römer 6–8 mit Befreiung beschäftigt, sodass die Schrift nicht darauf hindeutet, dass Frieden und Befreiung gemeinsam empfangen werden müssen. Bei den meisten Christen scheint die Frage der Sünden und wie man Gott begegnen kann ihre Sicht ganz auszufüllen, bis sie Frieden haben. Dann erst thematisiert der Heilige Geist sowohl die Sünde als auch das Fleisch und den Sieg über beides. Jedoch bezeugen einige Gläubige, dass sie Frieden und Befreiung im Grunde gleichzeitig empfangen haben. Die Schrift stellt da keine feste Regel auf.

Kann sich eine Person in dem erbärmlichen Zustand von Römer 7 befinden und dennoch Frieden mit Gott haben? Sieh auf das, was uns das Kapitel nicht sagt. Von Vers 7 bis 24 ist keine Rede von dem Erlösungswerk Christi oder von dem Heiligen Geist. Folglich betreffen diese schmerzlichen Übungen offensichtlich einen Menschen, der zwar von neuem geboren ist und eine neue Natur besitzt, aber in seinem Gewissen immer noch unter dem Gesetz Moses steht. In diesem Worst-Case-Beispiel (denn die Schrift gebraucht oft Worst-Case-Beispiele) ist wirklich gar nichts in Ordnung: Diese Person hat offensichtlich keinen Frieden mit Gott. Dennoch – auch Gläubige, die wahren Frieden mit Gott haben, können durchaus in der Hoffnungslosigkeit von Versagen und Weltlichkeit leben und dabei unglücklich sein.

Wenn ein Gläubiger eine solche Erfahrung niemals macht, ist irgendetwas nicht in Ordnung mit ihm. Römer 7 zu „erreichen“, ist ein Zeichen für geistlichen Fortschritt, weil das auf ein sensibles Gewissen und den echten Wunsch nach einem Leben in Heiligkeit hindeutet. Diese schmerzlichen Lektionen, einmal gelernt, sind von großem Nutzen. Genau wie jemand Seelennot erleben muss, um Frieden zu finden, so muss man auch die Erfahrung von Römer 7 durchleben, um Befreiung von der Sünde zu empfangen. Das wiederum führt zu einem gesunden und hingebungsvollen Christenleben.1

So eine Befreiung empfangen wir, indem wir einfach von uns selbst wegsehen auf Christus hin. Beachte alle die „Ich“ und „Mir“ in Römer 7,7–24, und dann den plötzlichen Wechsel in Vers 24. Gequält und hoffnungslos hört Paulus auf, auf sich selbst zu sehen, und sucht nach einem externen Befreier: Wer wird mich retten?“.

Wir bekommen diese Befreiung jedoch nicht in einem bestimmten Moment ein für alle Mal. Friede ist das Ergebnis, wenn wir das Zeugnis Gottes über das vollbrachte Werk Christi angenommen haben, und kommt oft wie ein Blitz, wohingegen die Befreiung von beidem abhängt, dem Werk für uns und dem Wirken des Heiligen Geistes in uns. Das Wirken des Heiligen Geistes entwickelt sich allmählich, Er kann aber ausgelöscht oder betrübt werden. Es kommt der Moment, wo wir ausrufen: „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten?“, und wir beginnen zu verstehen, was es bedeutet, „in Christus Jesus zu sein“ (Röm 8,1). Dann schmecken wir zum ersten Mal die süße Freiheit, die daraus resultiert, dass wir unter die Führung „des Geistes des Lebens in Christus Jesus“ gekommen sind (Röm 8,2). Das ist der Moment, wo die Befreiung beginnt; aber sie muss aufrechterhalten werden und tatsächlich zunehmen.

Deswegen kämpfe nicht gegen die Kraft der Sünde, die in dir wohnt. Blicke weg auf den großen Befreier. Verliere dich in den warmen Strahlen seiner Liebe und Herrlichkeit: Das ist wahre Befreiung. Die folgende Allegorie illustriert dies:

Die Wassertropfen im Ozean schauten zu den Wolken hinauf und sehnten sich danach, die kalte, ruhelose Tiefe zu verlassen und mit den Wolken am Himmel zu schweben. So entschlossen sie sich, es zu versuchen. Sie baten den Wind, ihnen zu helfen. Der Wind verursachte hohe Wellen, die an den Felsen zerschellten, bis die Tropfen, nun in feines Sprühwasser zerkleinert, meinten, sie würden hinaufgetragen zu den Wolken. Aber nein, sie fielen zurück auf die kalten, dunklen Wellen. Schließlich seufzten sie: „Das klappt nie!“ – und so hörte der Wind auf. Dann schien die Sonne hell auf das ruhige Meer. Und noch bevor sie wussten, wie ihnen geschah, wurden die Tropfen durch die gewaltige Kraft der Sonne, ganz ohne eigene Anstrengung, hoch gehoben und fanden sich bald am Himmel wieder, wo sie in der Wärme der Sonne schwebten.

Das ist Befreiung. Halte dich auf in dem warmen Sonnenschein der Liebe Christi und du wirst bald sagen: „Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 7,25)!

Fußnoten

  • 1 Anmerkung: Manche von uns, die bereits im Kindesalter errettet und in den Dingen des Herrn erzogen worden sind, haben vielleicht nicht das gleiche Sündenbewusstsein wie solche, die sich erst später in ihrem Leben bekehrt haben. Dann könnten die Erfahrungen von Römer 7 weniger intensiv erlebt werden.
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