Das Bild gesunder Worte
„Halte fest das Bild gesunder Worte.“ (2. Tim 1,13)
Kapitel 1: Glaube und Werke
Viele Menschen denken, dass Glaube und Werke im Christentum nicht vereinbar sind – aber das ist nicht richtig. Es ist wohl wahr, dass wir nicht durch menschliche Leistung oder gute Werke errettet werden, sondern nur durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus. Dennoch spricht die Bibel über eine Art gute Werke, die in völliger Harmonie mit dem Glauben stehen, ja sogar eng mit ihm verbunden sind. Sie spricht auch über schlechte Werke.
In Kolosser 1,21 finden wir „böse Werke“ – die schrecklichen Folgen der gefallenen, verdorbenen und sündigen Natur der Nachkommen Adams. Solche Werke sind die schlechten Früchte eines schlechten Baumes.
In Hebräer 9,14 lesen wir von „toten Werken“. Das ist beispielweise die Erfüllung religiöser Pflichten und Gebote in der Hoffnung, dadurch Segen und ewiges Leben zu erhalten. Es sind menschliche „Gerechtigkeiten“, die in Gottes Augen wie „ein unflätiges Kleid“ sind (Jes 64,5). Solche Werke sind Erzeugnisse des gleichen schlechten Baumes, der bis aufs Äußerste kultiviert wurde – aber die Frucht ist dennoch schlecht, weil keine Fähigkeit der Welt Weintrauben an einem Dornbusch wachsen lassen kann oder Feigen an Disteln.
In Titus 2,7–9 wird von „guten Werken“ gesprochen, zu denen wir als Christen aufgefordert werden. Diese Werke sind die Frucht des neuen, ewigen Lebens und der göttlichen Natur, die ein Christ bekommen hat (2. Pet 1,4) und die ihre Lebenskraft im Glauben und ihre Stärke in dem Heiligen Geist findet. Solche Werke sind gute Früchte, die an einem guten Baum wachsen.
In Römer 3–5 sehen wir, dass die Rechtfertigung vor Gott nur auf der Grundlage des Glaubens geschehen kann. „Denn wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke“ (Röm 3,28).
Auf der anderen Seite sagt uns Jakobus 2 ebenso deutlich, dass Rechtfertigung – in der öffentlichen Wahrnehmung vor den Menschen in der Welt – nicht hauptsächlich oder ausschließlich durch Glauben erfolgt, sondern durch Werke. „Ihr seht also, dass ein Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein“ (Jak 2,24).
Wenn du die Kapitel aus dem Römer- und dem Jakobusbrief sorgfältig liest, wirst du die Harmonie sehen, die zwischen „Glauben“ und „Werken“ besteht. Beide Texte stellen Abraham als das große alttestamentliche Vorbild vor, das die vorgestellte Wahrheit unterstützt. Gott berief Abraham, um „Vater all derer zu werden, die glauben“. Hiervon spricht Paulus in Römer 4,11. Der Glaube war eine lebendige Realität in Abrahams Leben mit Gott. Er glaubte Gott, dass er und Sarah einen Sohn bekommen würden, als das, menschlich gesehen, unmöglich war – und Gott rechnete ihm diesen Glauben zur Gerechtigkeit (1. Mo15,4–6).
Jahre später sehen wir ein großes Werk des Glaubens, als Abraham in schlichtem Gehorsam gegenüber Gott zum Berg Morija ging, um Isaak, den verheißenen Sohn, der zu einer großen Nation werden sollte, zu opfern (1. Mo 22,1–19). Er glaubte, Gott könne und würde den Toten wieder auferwecken. Diese öffentliche Tat bewies vor den Menschen seinen Glauben an Gott. Es war der äußere Beweis seines inneren Glaubens. Hierauf bezieht sich Jakobus.
So wie die Geschichte über die beiden Männer: Einer befand sich in einer hohlen Kugel und bestand darauf, die Kugel sei konkav, während der zweite, der außen stand, behauptete, sie sei konvex. – So zeigt uns Paulus im Römerbrief die innere Perspektive und sagt „durch Glauben“, während Jakobus die Dinge von außen betrachtet und sagt „durch Werke“. Dennoch widersprechen Paulus und Jakobus sich in ihren Behauptungen nicht.
Vielleicht fragst du dich, was Glaube eigentlich ist. Eine gute Definition ist: „Glauben, was Gott sagt, weil Gott es sagt.“ Der Glaube ist wie ein Fenster, das den Sonnenschein hineinlässt. Die Strahlen der Sonne bescheinen die Außenwand eines Hauses, können aber ein dunkles Zimmer nur dann erleuchten, wenn dieses ein Fenster besitzt. Göttliches Licht strömt dann in unsere Herzen hinein, wenn wir „Gott glauben“, wie Abraham es tat. Jedoch geht wahrer Glaube noch weiter. Es bedeutet nicht nur, das Licht zu haben, sondern völlig in dem Einen zu ruhen, den das Licht uns offenbart hat – Jesus.
Ein Missionar hatte einmal Schwierigkeiten, beim Übersetzen der Bibel einen passenden Ausdruck für „vertrauen“ oder „glauben“ zu finden. Eines Tages rief er einen einheimischen Christen, setzte sich auf einen Stuhl und fragte ihn, was er tue. Der Mann antwortete in seiner Muttersprache, dass er „ruhe“. Das war nicht der Ausdruck, den der Missionar suchte, sodass er nun beide Füße vom Boden hob, somit nur noch auf dem Stuhl saß, und erneut fragte, was er denn nun tue. Der Christ antwortete: „Nun ruhst du völlig; du vertraust“, und gebrauchte dabei ein Wort, das dem Missionar neu war. Das war genau der Begriff, den er wollte! Folglich ist der Glaube ein völliges Ruhen in Christus - kein Stehen auf den eigenen Füßen mehr.
Lasst uns Römer 4,5 noch genauer ansehen, wo gesagt wird, dass der Glaube des Gläubigen ihm zur Gerechtigkeit gerechnet wird. Was bedeutet das? Den Vers dürfen wir nicht „kaufmännisch“ verstehen, als ob wir Gott soundsoviel Glauben bringen müssten und im Gegenzug eine entsprechende Menge Gerechtigkeit empfingen.
Wir dürfen ihn auch nicht „chemisch“ verstehen, als ob unser Glaube in Gerechtigkeit umgewandelt würde wie bei dem sagenumwobenen „Stein des Weisen“, der alles, was ihn berührte, in Gold verwandelte!
Nein! Abraham ist das große Vorbild von dem, was hier gemeint ist. Er – und wir – werden von Gott im Hinblick auf den Glauben als gerecht gesehen. Der Glaube beansprucht alle rechtfertigenden Vorzüge des Blutes Christi. Das ist die Grundlage unserer Gerechtigkeit. Als Ergebnis werden wir so betrachtet, als ob wir nie gesündigt hätten: Wir werden als gerecht erklärt. Das ist die wahre Bedeutung von Rechtfertigung. In Wirklichkeit ist der Glaube an den Herrn Jesus Christus die erste „richtige“ (oder gerechte) Tat, die eine Person tun kann.
Philipper 2,12 fordert uns auf, „unser eigenes Heil zu bewirken“, und scheint so im Widerspruch zu dem zu stehen, was wir gerade eben gesagt haben und was Epheser 2,8.9 behauptet: dass wir nämlich durch die Gnade errettet sind „mittels des Glaubens ..., nicht aus Werken, damit niemand sich rühme“. Jedoch ist das Thema von Philipper 1 und 2 das praktische Leben des Gläubigen. Alle Verse sollten ausgelegt werden in Verbindung mit dem Zusammenhang, in dem sie stehen. Die Gläubigen aus Philippi standen vor vielen Schwierigkeiten, aber der Herr Jesus war ihr großes Vorbild. Im Bewusstsein ihrer Schwachheit sollten sie ihr eigenes Heil bewirken von den verschiedenen Formen des Bösen, die sie bedrohten. Gott würde helfen: durch den Heiligen Geist, der in uns wirkt, während wir nach außen handeln.
Wir müssen vorsichtig sein und dürfen nicht unterschiedslos „nur Glauben“ predigen. Paulus verkündigte fortwährend „die Buße zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus“ (Apg 20,21). Als er mit dem besorgten Kerkermeister von Philippi sprach, in dessen Seele sich bereits ein Werk der Buße entwickelte, sagte Paulus lediglich: „Glaube an den Herrn Jesus Christus“ (Apg 16,31). Dort war „nur Glaube“ ganz angebracht. Schon weniger als eine Stunde nach seiner Bekehrung tat der Kerkermeister sein erstes gutes Werk (V. 33), das eine Frucht und der Beweis seines Glaubens war.
In Apostelgeschichte 26,20 sagt Paulus dann, dass er den Menschen verkündete, „Buße zu tun, sich zu Gott zu bekehren und der Buße würdige Werke zu vollbringen“. Das ist sehr wichtig. Wenn eine Person bekennt errettet zu sein, können wir mit Recht erwarten, dass eine Änderung in ihrem täglichen Leben erkennbar wird, bevor wir das Bekenntnis voll und ganz anerkennen. Aber noch einmal, gute Werke sind ein Ergebnis der Veränderung, welche die Gnade im Herzen bewirkt hat.
Jakobus 2,17–20 spricht von „totem Glauben“, der nichts anderes als menschlicher Glaube oder „Kopf-Glaube“ ist, aber nicht ein lebendiger Glaube, der seine Quelle in Gott hat. Selbst die Dämonen haben so einen Glauben (V. 19). Nach außen hin mag er wie echter Glaube erscheinen, aber er hat keine guten Werke. Es ist lediglich eine Imitation – ein toter und nutzloser Baum. Er bringt keine Frucht.
Ein Beispiel wird uns in Johannes 2,23–25 und 6,66–71 gegeben. Die Menschen glaubten an die Wunderwerke, die durch Jesus vollbracht wurden – also ein Kopf-Glaube –, nicht aber an Ihn, und so wandten sie sich von Ihm ab. Auf der anderen Seite hatte Petrus einen lebendigen Glauben. Judas Iskariot ist ein Beispiel für einen Menschen mit der höchsten Form eines Bekenntnisses, aber völlig ohne Glauben.
Wenn bekennende Christen wenige oder keine Werke tun, dann weiß Gott allein, was der wahre Zustand ihrer Seelen ist (2. Tim 2,19). Gute Werke sind wie die Zeiger auf dem Zifferblatt einer Uhr. Sie zeigen das Ergebnis einer inneren Aktivität an.
Der Glaube ist die Kraft der Aktivität. Vielleicht sind solche Menschen bloße Bekenner – wie eine Kinder-Armbanduhr, deren Zeiger lediglich auf das Zifferblatt gemalt sind, die aber gar kein Uhrwerk besitzt. Oder vielleicht ist innen etwas schief gelaufen: Ein echter Christ ist in einen niedrigen und weltlichen Zustand abgerutscht und ist folglich „blind, kurzsichtig und hat die Reinigung von seinen früheren Sünden vergessen“ (2. Pet 1,9). Dennoch bleibt wahr: „Denn an der Frucht wird der Baum erkannt“ (Mt 12,33).
Da der Christ die Bibel ist, die von der Welt gelesen wird, können wir gut verstehen, warum die Schrift die guten Werke so betont (Eph 2,10; 1. Pet 2,9–12; Titus 2).
Wir müssen jedoch begreifen, dass die Werke eines Gläubigen auf der Erde keinen Einfluss auf seinen Platz im Himmel haben. Unser Platz im Himmel gründet sich allein auf das Werk Christi. Der Vater „hat uns fähig gemacht zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht“ (Kol 1,12). Alles ist aus Gnade. Jeder wahre Christ hat Anspruch auf einen gleich guten Platz im Himmel.
Auf der anderen Seite beeinflussen unsere Werke durchaus unsere persönliche Stellung im 1000-jährigen Reich des Herrn Jesus Christus – so wie es in dem Gleichnis von den Talenten (Mt 25,14–30) und den Pfunden (Lk 19,11–27) gezeigt wird. Auch 2. Pet 1,5–11 fordert uns auf, in jeder geistlichen Gnade und allen Werken überzuströmen, „denn so wird uns reichlich dargereicht werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“. Es gibt im 1000-jährigen Reich Unterschiede in der Stellung.