Er lehrte sie vieles in Gleichnissen (Band 1)

Der Hausherr

Er lehrte sie vieles in Gleichnissen (Band 1)

Mit dem Gleichnis vom »Hausherm» gelangen wir nun zum letzten der Gleichnisse in Matthäus 13, dem achten. Wie so oft im Neuen Testament weist das Achte in einer Reihe auf etwas Neues, oft auf die Auferstehung selbst hin. Hier wird uns mit dem achten Gleichnis eine neue Art von „Schriftgelehrten“ auf dem Boden der Auferstehung gezeigt.

„Habt ihr dies alles verstanden? Sie saßen zu ihm: Ja. Er aber sprach zu ihnen: Darum ist jeder Schriftgelehrte, der im Reich der Himmel unterrichtet ist, gleich einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorbringt“ (Verse 51.52).

Durch die zwischengeschaltete Frage des Herrn an Seine Jünger „Habt ihr dies alles verstanden?“ erhält dieses Gleichnis im Blick auf die vorangegangenen Gleichnisse des Kapitels eine besondere Stellung: Es ist von ihnen getrennt und steht in gewisser Weise über ihnen, denn es faßt sie alle zusammen. „Habt ihr dies alles verstanden?“ Darin liegt seine Bedeutung, daß es alle anderen Gleichnisse einschließt. Wir lassen einmal den einigermaßen kühnen Anspruch der Jünger, „dies alles“ verstanden zu haben, beiseite. In Seiner Gnade läßt der Herr ihr „Ja“ stehen, wie wenig sie tatsächlich auch in jenem Augenblick verstanden haben mögen, und vergleicht dann jeden Schriftgelehrten, der im Reich der Himmel unterrichtet ist, mit einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorbringt.

Schriftgelehrte heute

Dieses Gleichnis vom »Hausherrn« ist zum einen kein Gleichnis vom Reich der Himmel, und zum anderen ist es ein persönliches Gleichnis: „jeder Schriftgelehrte“. Beides hat es mit dem ersten Gleichnis gemeinsam. Aber während dort Christus als der »Sä-mann« auf dem »Acker« gesehen wird, haben wir hier ein Bild von den Seinen als treue Verwalter im »Haus«, aber betrachtet in ihrer persönlichen Verantwortlichkeit und Tätigkeit.

Solche, die Seine Gleichnisse verstanden hatten, bezeichnet der Herr Jesus als Schriftgelehrte, die im Reich der Himmel unterrichtet oder die, wie man auch übersetzen kann, zu Jüngern des Reiches der Himmel gemacht worden sind. In diesem Sinn kommt das griechische Wort übrigens in Matthäus 28 vor: »Jünger machen« (Vers 19). Dabei denkt Er bei »Schriftgelehr-ter« sicher nicht an die Schriftgelehrten Seiner Tage oder überhaupt an einen geistlichen, religiösen Stand. Ganz im Gegenteil beschreibt Er damit solche, die von Gott gelehrt waren (Joh 6,45), jene „Einsichtigen“ von Daniel 12, die die Geheimnisse Gottes „verstehen“ würden (Verse 3.10). So setzt Er damit die Schriftgelehrten jener Tage beiseite und führt eine neue Art von Schriftgelehrten ein, die nicht auf jüdischem Boden, sondern auf dem Boden der Auferstehung stehen.

Es ist in dieser Beziehung interessant zu sehen, wie viele Ausdrücke aus dem Judentum in das Christentum hinübergenommen worden sind. Denken wir nur an Begriffe wie »Versammlung«, »Priestertum«, »Älteste« und viele andere mehr. Hier sind es »Schriftgelehrte«. Aber nicht nur, daß diese Ausdrücke im Christentum eine andere, weit tiefere Bedeutung haben. Es scheint auch, als wollte der Herr mit ihrer Wiederverwendung in der neuen Epoche andeuten, daß das, was bei Seinem irdischen Volk versagte, bei Seinem himmlischen Volk seine Erfüllung finden würde. So kann es nur unsere Bitte zu Ihm sein, daß Er uns helfen möge, die Stellung, in die Seine Gnade uns gebracht hat, in praktischer Treue auch auszufüllen.

Das, was nun die »Schriftgelehrten« unserer Tage kennzeichnet, ist als erstes, daß sie in die Geheimnisse des Reiches der Himmel eingeführt sind und somit einen reichen Schatz an Erkenntnis über die Wahrheit Gottes erlangt haben. Wenn wir noch einmal an das Gleichnis vom »Schatz im Acker« zurückdenken, so wird ein gesegneter Gegensatz deutlich. Dort war die Summe der Erlösten der Schatz des Herrn Jesus. Hier aber geht es um den Schatz Seiner Wahrheit in den Seinen. Er hat sie ihnen anvertraut, hat sie in ihnen niedergelegt, und sie haben sie in ihr Herz gefaßt und dürfen sich dieses Schatzes erfreuen.

Wir haben einen ähnlichen Gedanken in 2. Korinther 4, Verse 1–7. Dort wird von dem Schatz der Erkenntnis Gottes im Angesicht Christi gesprochen.

Verwalter

Doch der Vergleich mit einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorbringt, macht ein Zweites deutlich: Der Herr möchte, daß die, die etwas von Ihm besitzen, es auch für andere benutzen. Er hat uns die Wahrheit nicht nur zu unserem eigenen Nutzen und Segen gegeben, sondern wir sind mit einer Verwaltung betraut, damit auch andere etwas von diesem Schatz erfahren. Das »Darum«, mit dem Er das kleine Gleichnis einleitet, schließt offensichtlich diese Verantwortlichkeit ein.

Nun ist die göttliche Wahrheit stets ein einheitliches Ganzes. Dennoch hat sie verschiedene Teile oder Seiten, so daß wir durchaus von dieser oder jener besonderen „Wahrheit“ reden können. So spricht der Herr hier von Neuem und Altem. Es gibt Wahrheiten oder Mitteilungen Gottes, die neu, und solche, die alt sind.

Daß Christus einmal auf dieser Erde Sein Reich in Macht und Gerechtigkeit errichten würde, war zum Beispiel etwas von dem Alten, war eine wohlbekannte Wahrheit, die im Alten Testament offenbart war. Selbst daß der Christus leiden und sterben sollte, hatten die Propheten des Alten Bundes vorhergesagt, und es war insofern nicht neu (i.Pet i,ii). Aber daß das Reich der Himmel während der Zeit Seiner Verwerfung in dieser geheimnisvollen Form bestehen und die Versammlung enthalten würde, das war etwas absolut Neues. Der Herr hatte es ihnen jetzt in Form dieser Gleichnisse gesagt, und sie sollten nun wie ein Hausherr sein, der seinen Gästen von seinen Gütern vorsetzt.

Es ist ein wunderbares Vorrecht, die Wege Gottes zu kennen, die Er im Alten Testament gegangen ist und die Er im Neuen Testament geht. Das eine wie das andere gehört zu dem Schatz, der uns anvertraut ist. Aber die götdiche Wahrheit muß uns selbst erst einmal kostbar werden, ehe wir sie anderen vorstellen können. Und so wie die Braut im Hohenlied allerlei edle Früchte, neue und alte, ihrem Geliebten aufbewahrt hatte (Hld 7,13), so möge der Herr uns helfen, aus dem uns anvertrauten Schatz Neues und Altes hervorzubringen, wie es die Zeit und Gelegenheit gerade erfordert – zur Verherrlichung des Herrn und zum Segen anderer.

Dabei sollten sich die Diener des Herrn – um einmal die Belehrung praktisch anzuwenden – nicht scheuen, neben Neuem auch Altes, Bekanntes vor die Zuhörer zu bringen. Nicht immer sind es die höchsten Wahrheiten des Neuen Testaments, die die Heiligen gerade nötig haben. Oft wird der Heilige Geist den Diener dahin leiten, auf einfache Grundsätze hinzuweisen, die schon im Alten Testament bekannt waren. Bedenken wir zudem: Es liegt ein großer Wert in der Erinnerung an bereits Bekanntes. Das sollten auch die Zuhörer beherzigen und sich darin bescheiden. Ich rede nicht einem seichten, kraftlosen Dienst das Wort. Ganz im Gegenteil! Aber müssen wir nicht alle bekennen, daß wir viele Wahrheiten des Wortes Gottes schon lange und gut kennen, ohne daß sie noch irgendeinen Einfluß auf uns ausüben? Dem Apostel Petrus war es jedenfalls angelegen, die Empfänger seines zweiten Briefes „immer an diese Dinge zu erinnern“, obwohl sie sie kannten und in der gegenwärtigen Wahrheit befestigt waren (Kap. 1,12).

Parallelen

Wie der achte Ton einer Tonleiter wieder der erste ist, nur um eine Oktave versetzt, so ist auch das achte Gleichnis die Ergänzung des ersten und steht in vollem Einklang mit ihm. Auf einige Parallelen zwischen ihnen wurde bereits hingewiesen. In beiden Gleichnissen (»Sämann«, »Hausherr«) geht es darum, wie der einzelne das Wort Gottes aufnimmt. Das erste zeigt uns, wie es in das Herz aufgenommen wird und Frucht bringt. Im zweiten wird das Herz nicht einem Ackerboden, sondern einem Ort verglichen, wo der Schatz ruht, und aus diesem Schatz bringt der Hausherr etwas zum Nutzen anderer hervor. Während das Hervorbringen von Frucht die zu Gott gerichtete Seite darstellt, ist das Hervorbringen aus dem Schatz die zu Menschen gerichtete Seite. Im Gleichnis vom »Sämann« besteht das Fruchtbringen darin, daß das Wort aufgenommen, verstanden und bewahrt wird. Das Gleichnis vom »Hausherrn« zeigt uns, daß der beste Weg zum Bewahren der ist, daß man es anderen weitergibt.

Während der Sämann seinen Schatz auf den Acker der Welt streut, ist der Hausherr darum bemüht, aus seinem Schatz dem „Haushalt“, dem „Gesinde“, Speise zu geben. Das eine könnte man hauptsächlich mit der Gabe des Evangelisten verbinden, das andere mit der Gabe des Hirten und des Lehrers. In diesem Punkt besteht auch eine Parallele zum Gleichnis vom »Netz und den Fischern. Auch dort fanden wir das Fangen von Fischen und dann das Sammeln der guten in Gefäße.

Obwohl das erste und das letzte Gleichnis, wie wir gesehen haben, nicht Gleichnisse vom Reich der Himmel sind, stehen sie doch beide in enger Verbindung dazu. Das Gleichnis vom »Sämann« ist der Schlüssel zum Verständnis der Geheimnisse des Reiches der Himmel. Das vom »Hausherrn« aber zeigt uns, welchen Gebrauch man von ihnen machen soll, wenn man sie verstanden hat. So schließt sich mit dem letzten Gleichnis der Kreis, der mit dem ersten sich öffnete.

Ausblick

Wie wunderbar und göttlich vollkommen sind doch die Worte unseres Herrn! In acht schlichten, aber tiefgründigen Gleichnissen enthüllt Er vor uns den Ratschluß des Herzens Gottes. Mit der Erkenntnis über die Geheimnisse des Reiches der Himmel gewappnet, können wir ruhig und gelassen die verschiedenen Entwicklungen überblicken, die sich auf dem großen Erntefeld abspielen. Es ist wahr, daß der Teufel stets auf dem Plan ist, um alles zu verderben, was Gott hervorgebracht hat. Insofern ist diese Welt, ist auch dieses Kapitel ein einziges großes „Schlachtfeld“. Überall wird der Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen der Macht Gottes und der Macht Satans sichtbar.

Doch wird die erste große Weissagung auf den Herrn Jesus in der Heiligen Schrift ihre weitere Erfüllung finden, wie sie sich in wesentlichen Teilen bereits erfüllt hat: „Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du, du wirst ihm die Ferse zermalmen“ (i.Mo 3,15).

Haben wir in diesen Gleichnissen nicht immer wieder diese Feindschaft zwischen dem Widersacher und dem »Samen des Weibes« gesehen? Direkt sprach der Herr davon im ersten und zweiten Gleichnis (»Sämann«, »Unkraut im Acker«), im zweiten bezeichnete Er ihn auch als „seinen Feind“. Aber der Einfluß dieser Feindschaft war auch in anderen Gleichnissen erkennbar, wenn wir nur an das »Senfkorn« und den »Sauerteig« denken. Wer war denn der Anstifter dieser unheilvollen Entwicklungen, wenn nicht Satan? Und daß der »Mensch« den Acker aus fremder Hand zurückkaufen mußte, um den »Schatz« zu gewinnen, geht auf denselben Urheber zurück.

Doch wie widersprüchlich sich auch vieles heute darstellen, wie sehr die Bosheit des Menschen auch zunehmen mag – trotz aller Feindschaft Satans wird Gott den Vorsatz Seines Herzens zur Erfüllung bringen zur Verherrlichung Seines Sohnes. Wenn es auch zuweilen so scheint, als sei Satan erfolgreicher als der Herr – der endgültige Sieg wird auf der Seite Dessen sein, der stärker ist als er. Und so wird es eine überaus reiche »Ernte« geben. Ewig wird Er sich an dem wertvollen »Schatz« und der kostbaren »Perle« erfreuen und sich sättigen an der Frucht der Mühsal Seiner Seele. Sie werden die Widerspiegelung Seiner eigenen Herrlichkeit sein bis in die entfernteste Ewigkeit.

Verherrlicht sei der Name unseres Gottes und Vaters, der solch einen Plan ersonnen hat! Und hoch erhoben und gepriesen sei der Name Seines Sohnes, unseres Herrn, der unter unsäglichen Leiden die Grundlage für die Erfüllung des Vorsatzes Gottes gelegt hat!

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