Betrachtung über das erste Buch der Könige (Synopsis)
Kapitel 18-19
Kapitel 18
Nachher segnet Gott Israel wieder, als sie durch eine auffallende Kundmachung Seiner Macht, durch die die Priester Baals bestürzt wurden, dazu zurückgeführt wurden, Seinen Namen wieder zu bekennen. Diese werden alle durch das Volk erschlagen, das nun von der Torheit des Götzendienstes überzeugt ist und zum Werkzeug des Gerichts Gottes gemacht wird. Von der Seite des allgemeinen Ausdrucks der Gedanken Gottes betrachtet, ist hier die Sendung Elias zu Ende, obwohl sein Dienst noch einige Zeit andauerte.
Kapitel 19
Bis jetzt hatte der Prophet vor Jehova gestanden (Kap.1.Kön 17, 1; 18, 15 ) und hatte in Seinem Namen geredet; jetzt erschrickt er aber vor den Drohungen der lsebel und flieht vor den Gefahren des Ortes, wohin sein Zeugnis ihn geführt hatte. Genauso wie wir Mose zu Meriba gesehen haben, so erhebt sich der Glaube 1 Eilas nicht zu der Höhe der Gnade und der Geduld Jehovas, welcher voller Güte und Barmherzigkeit zu Seinem Volke ist. Es ist dieses Versagen, das dem Zeugnis des Elia ein Ende setzte, so wie es Mose aus Kanaan ausschloß, denn wer kann Jehova an Güte gleichkommen? Elia schaut nicht zu Gott auf; er denkt an sich und flieht; aber Gott hat Sein Auge auf ihn gerichtet. Derjenige, der inmitten des Bösen nicht die Kraft Gottes besaß, hat außer der Wüste keine Zuflucht. Da war ein Gott treu ergebenes Herz, aber der Glaube war dem nicht gewachsen, der feindlichen Macht Satans am Orte des Zeugnisses bis ans Ende entgegenzutreten. Er muß entweder ein Zeuge für Gott unter Seinem widerspenstigen Volke sein, oder sich ganz von ihnen absondern.
Das Herz Elias und die Hand Gottes führten den Propheten in die Wüste, wo er, vielleicht überwältigt, doch kostbar in den Augen Jehovas, mit Gott allein sein wird. Der vierzig Tage dauernde Weg des Elia in die Wüste ähnelt nur äußerlich den vierzig Tagen, die Mose an demselben Horeb mit Gott verbrachte, zu dem der Prophet hinging, oder denen, die Jesus zum Kampf mit dem Feinde Gottes und des Menschen in der Wüste weilte. In den beiden letzteren Fällen wurde das Natürliche beiseite gesetzt. Weder aß und trank Mose noch tat es der Herr. Was Elia anbetrifft, so hält die Güte Gottes die Schwachheit der schwergeprüften Natur aufrecht und macht offenkundig, daß Er mit aller Zärtlichkeit und Fürsorge auf sie Rücksicht nimmt, und sie verleiht die für solch eine Reise erforderliche Kraft. Dieses hätte ihn rühren und ihn empfinden lassen müssen, daß er inmitten des Volkes hätte sein sollen, seitdem er es mit solch einem Gott zu tun hatte. Sein Herz war fern von einem solchen Zustande. Wenn wir an uns denken, so ist es unmöglich, anderen zu bezeugen, was Gott ist! Unsere armen Herzen sind von einer solchen Stellung zu weit entfernt.
Elia setzt seinen Weg fort, bis er den Horeb erreicht. Aber vor Gott treten, um von sich selbst Gutes und von Israel Übles zu reden, ist etwas ganz anderes, als durch die Kraft der Gegenwart des Herrn sich selbst zu vergessen und Ihn in Seiner Macht vor die Augen des Volkes zu stellen, die trotz all ihres Bösen geduldig in Barmherzigkeit ist 2. Manchmal treten Menschen vor Gott, weil sie an dem Orte, wo sie hätten für Ihn stehen und zeugen sollen, Ihn vergessen hatten. Und so fragt Gott Elias: „Was tust du hier, Elia?“ Eine schreckliche Frage! wie die Fragen, die Adam und Kain gestellt wurden und auch jetzt der Welt in bezug auf Jesum gestellt werden. Die Antwort verrät nur (wie es immer der Fall ist) die traurige und verhängnisvolle Lage eines Menschen, der Gott vergessen hat. Die Stimme war nicht die des Donners, sondern eine solche, die Elia fühlen ließ, daß es die Stimme war, die er vergessen hatte. Wind, Feuer, Erdbeben, diese Herolde der Macht Gottes dem Menschen gegenüber hätten dem zornigen Herzen Elias als Werkzeuge der göttlichen Kraft wider Israel gerade gepaßt; aber diese Erweisungen Seiner Macht waren nicht Gott Selbst. Der Ton eines leisen Säuselns offenbart Elia Seine Gegenwart. Das, was seinen Willen befriedigt hätte und anderen gegenüber vielleicht gerecht gewesen wäre, weckte nicht sein eigenes Gewissen auf. Aber der Ton eines leisen Säuselns, durch den Gott Sich offenbarte, durchdringt das Herz Elias, und er verbirgt sein Antlitz vor der Anwesenheit Jehovas. Nichtsdestoweniger ist der Stolz seines verbitterten Herzens noch nicht gedämpft. Er wiederholt seine Klagen, so umfassend, wie sie zu einer Zeit waren, wo er selbst gerade alle Propheten Baals vernichtet hatte, und er bewies, daß sein Glaube nicht imstande gewesen war, durch das Licht seines Zeugnisses all das Gute zu finden, das Gott in Israel sah.
Obwohl die Antwort Gottes gerecht ist, ist sie betrübend für das Herz. Rache soll vollzogen werden, und Elia wird aufgetragen, ihre Werkzeuge zu bereiten - eine traurige Sendung für den Propheten, wenn er das Volk liebte. Was Elia betrifft, so sollte Elisa sein Nachfolger in seinem Prophetenamt sein. Wenn aber die verdiente Rache zu seiner Zeit vollzogen werden mußte und wenn der betrübte Prophet sie ankündigen sollte: so hat Gott immer noch siebentausend Seelen, die das Knie vor Baal nicht gebeugt hatten, obwohl Elia nicht imstande gewesen war, sie zu entdecken. Oh! Wann wird sich das Herz des Menschen, wenn auch nur in Gedanken, auf die Höhe der Gnade und Geduld Gottes erheben? Wenn Elia sich mehr auf Gott gestützt hätte, so hätte er einige von diesen Siebentausend gekannt. Er hätte jedenfalls Den gekannt, der sie kannte und der sein Zeugnis erweckt hatte, um sie zu stärken und zu trösten.
Die Zeit war aber noch nicht reif für die Erfüllung der Vorsätze Gottes, und Gott wird die Geduld Seiner Gnade Seinem Volke gegenüber nicht aufgeben, um die Ungeduld des Propheten zu befriedigen. Elisa wird gesalbt; da aber Ahab sich gedemütigt hatte, als Gott ihn wegen seiner Ungerechtigkeit mit Gericht bedrohte, werden die Gerichte während des Lebens Ahabs und seines Sohnes zurückgehalten. Dies macht noch einen Wesenszug der Regierung Gottes offenkundig, nämlich, daß das Gericht über den Übeltäter nicht nur in den Ratschlüssen Gottes ausgesprochen sein mag, ja es kann schon in Seinem Handeln mit ihm wahrgenommen werden und selbst bereit sein, vollzogen zu werden, längst bevor es ausgegossen wird. Der Prophet oder der geistliche Mann wird wissen oder in seinem Geiste verstehen, daß es so ist, und er wird auf den Augenblick warten müssen, der jener vollkommenen Langmut paßt, die selbst auf unsere langsamen Herzen wartet, und auf das Erfüllen der Ungerechtigkeit der Übeltäter, oder wenigstens auf ihre Weigerung, Buße zu tun.
Fußnoten
- 1 Hier sehen wir, wie weit die Energie des äußeren Glaubenslebens fortbestehen mag, während das innere Leben schwach wächst. In dem Augenblick des auffallendsten Zeugnisses der Anwesenheit Gottes inmitten des widerspenstigen Volkes, und als Elia gerade alle Propheten Baals unter ihnen durch das Volk eigenhändig erschlagen ließ, da geschah es, daß sein Glaube vor der bloßen Drohung lsebels völlig versagt. Sein Leben wurde innerlich nicht durch diesen Glauben seinem äußeren Zeugnis gemäß aufrechterhalten. Sein Zeugnis regt den Feind in einer Weise auf, wozu sein persönlicher Glaube nicht zubereitet war. Das ist eine ernste Belehrung. Der Ton eines leisen Säuselns (der, obwohl er es nicht wußte, immer noch unter dem Volke zu hören war) hatte vielleicht sein eigenes Herz nicht genügend beeinflußt, da wo das Feuer und die Offenbarungen einen zu großen Platz eingenommen hatten. Mithin kannte er, selbst nicht die Gnade, die immer noch dem Volke gegenüber ausgeübt wurde; er konnte sie nicht um der siebentausend Treuen willen so lieben, wie Gott sie liebte, noch so hoffen, wie die Liebe hofft. Wehe! Was sind wir, selbst wenn wir Gott so nahe sind! Für eine so gesegnete Person enthielt seine Klage, als er zu Gott kam, eine traurige Menge Selbstsucht. Ich habe sehr geeifert, sagt er, sie aber haben Deine Altäre niedergerissen und Deine Propheten getötet; dies sagt er, als er gerade die Altäre Baals niedergerissen und alle seine Propheten getötet hatte - und dann sagt er - ich allein bin übriggeblieben. Es ist ein demütigendes Zeugnis.
- 2 Auch das unterscheidet sich von Mose, der, als er mit Gott war, für das Volk eintrat und sich selbst beiseite setzte.