Betrachtung über das zweite Buch Samuel (Synopsis)
Kapitel 11-12
Darauf folgt die Geschichte von David und dem Weibe Urijas. David handelt nicht mehr im Glauben im Dienste Gottes. Als die Zeit kommt, wo die Könige zum Streit ausziehen, bleibt er bequem zu Hause und sendet an seiner Statt andere hin, um die Kämpfe Jehovas auszutragen. In seiner Trägheit und Bequemlichkeit fällt er leicht in Sünde, wie es der Fall war, als er unter den Philistern Ruhe suchte. Er stand nicht mehr durch den Glauben.
Je näher David Gott war, desto wirkungsloser waren seine Anstrengungen, seine Sünde zu verbergen. Während er für die Zeit der Zucht sich selbst überlassen war, fügt er noch eine Übertretung zur ersten hinzu; er vollendet sie und genießt ihre Frucht, da die Beseitigung jedes Hindernisses seinem Handeln einen Anschein von Rechtmäßigkeit verleiht. Welch eine traurige Geschichte! Wie unwürdig! Er vergißt seine Stellung als König, als ein König von Gott. War das ein Regieren in Gerechtigkeit, seine königliche Macht so zu mißbrauchen, um Urija zu übervorteilen? Er macht sich zum Sklaven des elenden Joab dadurch, daß er ihn zum Mitschuldigen an seinem Verbrechen macht. Wie erniedrigend! Wieviel glücklicher war er, als er, wie ein Rebhuhn auf den Bergen gejagt, doch einen lebendigen Glauben und ein gutes Gewissen besaß! Wer kann aber das Auge Gottes meiden? Gott, der ihn kennt und liebt, unterläßt es also nicht, seine Sünde heimzusuchen.
Dies war eine sehr große Sünde: David vollbrachte sie heimlich; Gott straft ihn aber vor den Augen ganz Israels. Wenn David es nicht verstand, Gott zu verherrlichen, noch - während er in Seinem Namen regierte - ein wahres Zeugnis über das Wesen des Reiches Gottes aufrechtzuerhalten, wenn er im Gegenteil sein Wesen verfälscht hatte, so wußte Gott Selbst vor den Augen aller Menschen seine Wesenszüge wieder aufzuzeichnen, und zwar durch die Züchtigung, die Er dem Manne zuteil werden lassen würde, der Ihn so verunehrt hatte, der das einzige Zeugnis über Seine Regierung, die Gott vor den Augen der Menschen aufgerichtet hatte, hinwegtat.
Diese Geschichte zeigt uns, wie weit die Sünde das Herz mit Blindheit schlagen kann, selbst während das moralische Urteilsvermögen gesund bleibt; sie zeigt aber auch die Macht des treuen Wortes Gottes. Gleichzeitig erweist Gott die Unumschränktheit Seiner Gnade; denn obwohl Er David durch den Tod des Kindes züchtigte, so ist es ein anderer Sohn der Bathseba, der der Auserwählte Gottes war, der König und Haupt der königlichen Familie wurde, der Mann des Friedens und des Segens, der Geliebte Jehovas. David unterwirft sich der Hand Gottes, in der Tiefe seiner Zuneigungen beugt sich sein Herz vor ihr. Obwohl er schuldiger ist als seine Knechte, versteht er es besser als sie. Er handelt geziemend, geistlicher Einsicht gemäß. Es waren Vertrauen zu Gott und innige Beziehungen zu Ihm; deshalb kann David den zartesten Teil seines Herzens Gott erschließen, den Teil, an dem Gott ihn verwundet hatte, doch wo der Wille Gottes offenbar ist, unterwirft er sich völlig.
Hier sehen wir das augenscheinliche Werk des Geistes. Es ist derselbe Geist, der in Jesu in Gethsemane wirkte, obwohl sowohl der Anlaß als auch das Ausmaß des Leidens nicht nur anders waren, sondern eine viel größere Bedeutung hatten; das Herz ist aber Gott völlig erschlossen, und die Unterwerfung ist vollständig, sobald der Wille Gottes erkannt wird.
Die Sünde Davids ist äußerst groß gewesen; wir können aber in ihm das kostbare Werk des Geistes deutlich sehen. Bestürzt durch die einfältige Treue Urijas, kann er der Hand Gottes nicht entrinnen! David wird vergeben, weil er seine Sünde bekennt; was aber Seine Regierung betrifft, so zeigt Sich Gott als unbeugsam, und während er den König verschont - er hatte ja den Tod verdient - tut Er ihm kund, daß das Schwert von seinem Hause ewiglich nicht weichen wird. Wir haben einen ähnlichen Fall in der Untreue Jakobs gesehen. Die Strafe Davids entspricht auch seinen Sünden (vergleiche die Verse 10 und 12 mit der Geschichte Absaloms). Was die Liebe Davids anbetrifft, so lag die Züchtigung in dem Tode des Kindes, eine Züchtigung, die ihm sehr naheging; und die öffentliche Regierung Gottes wurde durch das erwiesen, was, nach Seinem Worte, vor ganz Israel und vor der Sonne getan wurde.
Es ist möglich, daß die Kinder Ammon ein strenges Gericht verdienten und daß diese Periode die Zeit ihres Gerichts war; sie waren die dreisten Feinde des Königs, den Gott erweckt hatte und der ihnen seine gütigen Gefühle bewiesen hatte. Was aber seinen persönlichen Zustand betrifft, weiß ich nicht, ob er so mit seinen Feinden verfahren hätte, wenn er auf dem schmalen Pfade des Glaubens gewandelt wäre. Im Vorbild erinnert dieses Gericht an das gerechte Gericht des Messias und an die schrecklichen Folgen davon, daß man Ihn, selbst in Seiner Herrlichkeit, verachtet und beschimpft hatte. Wir lernen auch daraus, daß, wenn ein Volk fürs Gericht reif ist, Gott es über sie verhängen wird, sogar wenn andere sich darum bemühen sollten, in Gnade zu handeln.