Betrachtung über das fünfte Buch Mose (Synopsis)
Kapitel 33-34
Wir haben auch die Segnungen dieses Mannes Gottes, die er vor seinem Tode über das Volk aussprach (Kap. 33). Die Segnungen Jakobs waren in bezug auf die Zukunft mehr historisch. Hier betreffen sie eher die Beziehungen mit Gott Seiner Regierung gemäß. Zwölf ist immer noch die Zahl der Stämme (Simeon wurde ausgelassen, um den zwei Stämmen der Nachkommenschaft Josephs Raum zu schaffen, dem Erstgeborenen in bezug auf das Erbteil an Rubens Statt). Hier geht alles nach dem Segen Gottes und nicht nach den Rechten der Natur. Nach diesem letzten Grundsatz wird Israel (den Ruben darstellt) abnehmen, aber es wird nicht sterben.
Jehova ist hier in Seiner Majestät, aus Seiner Rechten geht Gesetzesfeuer hervor; Er liebt aber Sein Volk, d. h. Seine Heiligen, die Ihn hier umringen, um von Seinen Worten zu empfangen. Durch die Vermittlung Moses empfängt das Volk ein Gesetz, das das Erbe der Versammlung Jakobs ist. Dieser Mose ist hier als König. Dieses sind also die Beziehungen, auf die sich diese Segnungen gründen.
Die Segnungen werden hier nicht geschichtlich als die der Kinder der Väter dargestellt, und infolgedessen im Zusammenhang mit Silo, dem Felsen Israels, noch als ein vollständiges Bild der Wege Gottes in Israel, wie im ersten Buch Mose, sondern der Gegenstand ist die Beziehung Jehovas mit dem Volke, wie es in den Besitz des Landes (wie im übrigen Teil des Buches) und unter die Regierung Gottes gestellt ist: Jehova segnete, doch segnete Er gemäß der Majestät vom Sinai und der Offenbarung Seiner Selbst im Dornbusch; diese Segnungen kamen durch Mose, den König, die sich somit auf die Nation bezogen und auf diesen Beziehungen mit Gott fußten.
So wird Levi gesegnet, weil er Jehova treu gewesen war; Joseph hat den Segen und das Wohlwollen Dessen, der im Dornbusch wohnte, und der abgesondert war unter seinen Brüdern; er fürchtete Gott und war das Gefäß Seiner Vorsätze. Dies entsprach der Stellung der zwei Stämme im Lande, da Simeon (der hier nicht erwähnt wird) sozusagen im Lande verloren war: sein Teil war dort, wo die Philister wohnten.
Wir müssen hier auch bemerken, daß die wichtigsten Segnungen auf dem ruhen, der um Gottes willen weder seinen Vater noch seine Mutter kannte, d. h. auf Levi; und auf Joseph, der, um der Herrlichkeit Gottes willen, von den Seinigen abgesondert war. Beide waren Sein. Levi hat den vorzüglicheren Platz; seine Absonderung, die tatsächlich stattfinden sollte, war eine Frucht der Treue. Joseph hat vielleicht einen gefühlvolleren Genuß: er war Gott in seiner ungewollten Absonderung treu. Beides wird in Christo vollständig verwirklicht.
Wenn der Segen Gottes dem Ruhen mit nur wenigen Männern Leben erhält, so wird Juda dem Jehova dargestellt, damit er erhört werde und auf daß die Hilfe Jehovas bei ihm sei. Der Ausdruck: „Bringe ihn zu seinem Volke“, verdient sorgfältige Beachtung in bezug auf die Beziehungen, die zwischen jenem Volke und Gott bestanden haben, und im Blick auf die Stellung Judas unter der Regierung Gottes in seiner Geschichte und auf seine gegenwärtige Zerstreuung, und auch auf das, was noch stattfinden muß, wo die Vereinigung des ganzen Volkes in seinem eigenen Bereich wieder hergestellt werden wird.
Levi nimmt den dritten Platz ein, während Simeon ausgelassen wird. Die Bitte des Propheten-Königs für ihn (Levi) ist das ewige Priestertum des Volkes Gottes (natürlich auf Erden). „Sein Frommer“ wird im Sinne der Frömmigkeit vor Gott gebraucht - Gnade im Herzen. Er bittet, daß Licht und Vollkommenheit (Urim und Thummim) in dem Verständnis der Beziehungen, die zwischen dem Volke und Gott zu allen Zeiten wirklich bestehen würden, und umgekehrt zwischen Gott und dem Volke, bei dem Manne der Gnade und Frömmigkeit vorhanden sein möchte, offiziell bei dem priesterlichen Stamme.
Die Begründung dieser Bitte ist aber in bezug auf die Regierung Gottes bemerkenswert. Gott versuchte das Volk zu Massa und haderte mit ihnen zu Meriba. Historisch wird das ganz und gar Israel zugeschrieben. Sie versuchten Gott zu Massa und haderten mit Ihm zu Meriba. Da aber, wo das Fleisch in Israel zum Ausdruck kam, da stellte Gott Seinen Priester auf die Probe, und bei den Wassern von Meriba, wo Mose Ihn nicht heiligte, stritt Er mit Mose 1. Schmerzliche Umstände - wenn man des Zustroms offenkundiger und spürbarer Segnungen inmitten des Volkes Gottes beraubt ist, ein Zustand, der dem widerspenstigen Fleisch und dem Murren wider Gott in der Wüste Raum gibt, so daß man Gott versucht, indem man fragt: „Ist Er unter uns?“ - sind Prüfungen, denen Gott Seine Priester unterzieht. Die Kirche in ihrer priesterlichen Stellung, und besonders diejenigen, denen das Wohl der Kirche am Herzen liegt, werden auch auf die Probe gestellt, um einzusehen, ob sie auf den Segen Gottes zu rechnen verstehen, wie die Dinge auch sein mögen.
Obwohl nun Levi in seinem Priestertum auf die Probe gestellt wurde, wurde er zu dem Zwecke auf die Probe gestellt, daß er es erreiche; Levi hatte auch keinen Augenblick gezögert, als er zwischen dem Menschen und Gott zu wählen hatte - ja sogar dem nächsten Verwandten nach dem Fleische. Das ist die einzige Grundlage des Priestertums. Man kann nur in dem Maße zugunsten eines anderen wahrhaftig vor Gott stehen, wie man selbst vor dem Menschen wahrhaftig für Gott gestanden hat. Denn für was für einen Gott würde man Mittler sein? Es wäre nicht der heilige Gott, der auf unser ganzes Sein ein Recht hat. In bezug auf Sünder könnte es nur das Mitgefühl des Fleisches sein, das sich mit Sünden verbindet.
Um sich für den Menschen in seiner Schwachheit verwenden zu können, muß man vor dem Angesicht Gottes Seiner Heiligkeit gemäß angenommen werden. Dies ist von Jesu absolut wahr, und in einem praktischen Sinne in bezug auf uns alle. Damit es so sei, muß aber ein Zeugnis vorhanden sein, wenn diese Frage erhoben wird, und dies muß uns vor den Menschen notwendigerweise etwas kosten. Man muß für Gott stehen, sich selbst nicht schonend, und Vater und Mutter hassen. Diese Anweisung ist wichtig. Es muß auch unterschieden werden zwischen der Prüfung unseres Priestertums und der Prüfung unserer selbst, bevor wir es antreten. Hier ist die Rede von der praktischen Prüfung, wo wir es schon sind, denn wir sind Priester durch Gnade, jedoch durch volle Herzensübung, die uns für Gott absondert.
Es scheint, daß die Stellung Benjamins in Beziehung zu Jehova in Seiner Gunst war; er wurde in Seiner Nähe bewahrt, wie es mit diesem Stamme der Fall war, der sich innerhalb der Grenzen Jerusalems befand.
Joseph hielt seine irdische Segnung nach dem Recht des Erstgeborenen; was das Erbteil betrifft, wird sein Land gesegnet, das doppelte Teil wird ihm zugewiesen.
Ich habe keine Bemerkungen über die anderen Segnungen zu machen außer, daß die Segnungen Sebulons und Issaschars noch in der Zukunft zu liegen scheinen, und daß die Segnungen Gads die schon bestehenden Beziehungen festigen.
Übrigens aber, wenn die Wege Gottes mit Seinem Volke mit ihrer Treue und mit der Offenbarung Seiner Selbst verbunden waren - wenn Gott Seine Wege ihrem Betragen anpaßte, um Seine Regierung und Sich Selbst kundzumachen -, so erhöhte Er Sich Selbst über alles, um zu segnen und zu bewahren. Er würde auf das Recht Seiner Herrlichkeit zurückgreifen, um ihnen eine unfehlbare Quelle des Segens und der Sicherheit zu sein; Er würde Seine Herrlichkeit zugunsten Israels kundtun, Er fuhr auf den Himmeln einher zu ihrer Hilfe. Dort, wo Seine Majestät war, da war die Hilfe des Volkes. Er würde sie auch aufrechterhalten und ihre Feinde vertilgen; dann würde Israel in Sicherheit abgesondert wohnen. Die Nation würde in einem fruchtbaren Lande wohnen, auf das der Himmel Segnungen wie Tau träufeln würde. Glückseliges Volk! Gegenstand der Errettung Gottes, der ihnen Schild und Schwert ist. Ihre Feinde würden ihnen unterworfen werden.
Welcherart also die Einzelheiten der Beziehungen des Volkes mit Gott in Seiner Regierung ihnen gegenüber auch sein mochten, Er würde sie als ein Volk Seiner unumschränkten Herrlichkeit und Majestät gemäß segnen.
Jetzt müssen wir ein wenig das Verbot betrachten, dem Mose unterstellt war, das Land der Verheißung nicht betreten zu dürfen. Mose, der Mann Gottes, mochte Segnungen über Israel, wie es sich im Lande befindet, aussprechen; er selbst aber gehörte als ein Knecht Gottes der Wüste an. Hier ist mehreres, was erwogen werden sollte. Was die Stellung Moses betrifft, so war es eine Stellung der Regierung eines Volkes, das den Grundsätzen Sinais unterstellt war, d. h. während sich das Volk unter der Regierung Gottes befand, so unterstand das Volk jener Regierung doch im Fleische (vgl. Röm 9, 5, wo dieser Gegenstand völlig erörtert wird).
Unter der Regierung Gottes kann nun der Mensch nach dem Fleische nicht in den Genuß der Verheißung kommen. Dies ist auch von einem Christen wahr. Mit Christo auferstanden, sitzt er mit in den himmlischen Örtern, er genießt die Verheißung vor dem Angesicht Gottes - wenigstens schauen seine Zuneigungen dorthin, sein Leben ist dort mit Christo verborgen 2. Aber als ein Mensch auf Erden ist der Christ der Regierung Gottes unterstellt, der ihm gegenüber der Entfaltung des geistlichen Lebens hienieden entsprechend handelt; Christus steht zwischen ihm und Gott und übt Priestertum und Fürsprache aus, die Gerechtigkeit nicht aufrichten (das ist ein für allemal getan worden), sondern die Beziehungen schwacher Menschen mit Gott im Lichte aufrechterhalten - zu der Gemeinschaft hin, zu der sie in Christo, der in ihr ist, berufen worden sind -, und zwar dadurch, daß sie Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zur rechtzeitigen Hilfe, auf daß sie nicht fallen, oder um sie wiederherzustellen, wenn sie es tun, und dies durch die Fürsprache mittels der Wirksamkeit des Geistes auf Erden.
Das Ziehen über den Jordan war ein Sinnbild unseres Todes und unserer Auferstehung mit Christo. Josua stellt Christum stets als das Haupt Seines Volkes nach der Kraft des Geistes dar. Die Wüste aber ist diese Welt. Mose lenkt und regiert dort das Volk gottgemäß, infolgedessen geht er nicht in Kanaan ein.
Der Unterschied (den wir beim Studieren des Buches Josua näher betrachten werden) zwischen dem Schilfmeer und dem Jordan ist der, daß das Schilfmeer ein Bild der Wirksamkeit der Erlösung durch den Tod und die Auferstehung Christi Selbst ist, wobei wir als in Ihm betrachtet werden. Der Jordan war dessen Anwendung auf die Seele, als mit Ihm gestorben, um die Verheißungen zu genießen. Auf den Durchgang durch das Rote Meer folgten Gesänge der Freude; auf den Durchzug durch den Jordan folgten Kampf und die Verwirklichung der Verheißungen.
Was Mose selbst anbetrifft, so ist uns der Fehler, der seinen Einzug in das Land ausschloß, wohlbekannt. Gereizt durch die Widerspenstigkeit Israels, ermüdet durch die Sorge für das Volk, erhöhte er sich selbst vor den Augen Israels, anstatt Gott zu erhöhen. Er gebrauchte die Gabe Gottes für diesen Zweck, er heiligte Jehova nicht in den Augen des Volkes, er gab Ihm nicht Seinen gebührenden Platz. Gott wird nicht müde, Seine Güte zu erweisen; und wenn Er zum Wohl Seines Volkes im Einklang mit Seiner Majestät so in Zucht wirkt, kann Er immer auf jene Wege direkter Segnung zurückgreifen, die Seiner unfehlbaren Gnade entfließen. Der Mensch - durch das Böse, das ihn reizt, müde geworden, versucht sich zu erhöhen, sich über das Böse zu erheben und sich vor ihm zu schützen, weil er nicht darüber erhaben ist. Er verherrlicht Gott nicht mehr, er erhöht sich selbst und wird erniedrigt.
Wenn Mose, anstatt nach dem Fleische zu handeln, dessen gedacht hätte, daß es nicht um ihn und seine Herrlichkeit ging (und wie oft hatte er es ihnen gesagt!), sondern um Gott, dann hätte er empfunden, daß das Volk die Herrlichkeit Gottes nicht berühren konnte; diese unfehlbare Herrlichkeit hätte ihn aufrechterhalten, wenn er nur auf jene Herrlichkeit geschaut hätte, die sich stets selbst erhält. Wenn wir also nur begehren, sie aufrechtzuerhalten, so dürfen wir in ihr ruhen.
Es mangelte ihm aber an Glauben, und es wurde ihm verboten, in das einzugehen, was nur die Vollkommenheit der Herrlichkeit den Menschen erschließen konnte; und tatsächlich, was konnte Israel sicher durch die Wüste und in das Land Kanaan leiten? Allein die reine Gnade. Mose war nicht fähig, die Höhe der alles erobernden Gnade zu erfassen. Wie wir gesehen haben, war es dieser Gnade gemäß, wie Gott zu Meriba handelte.
Nun konnte aber das Gesetz nicht in das Leben einführen; deshalb wurden das Fleisch, die Welt und das Gesetz, die in den Wegen Gottes stets im Verhältnis zueinander stehen, auf der Reise durch die Wüste gefunden, und Mose bleibt dort. Als ein Mann Gottes und ein Prophet konnte er von der Gnade reden, die die Segnung Israels sicherstellte (Kap. 33, 26-29). Als ein Knecht, der im ganzen Hause Gottes treu war, bleibt er diesseits des Jordan; in diesen ergreifenden Umständen ist das ein Beweis dafür, daß eine absolut neue Schöpfung notwendig ist, um die Verheißungen Gottes zu genießen, und zwar jener Gnade gemäß, die einen schließlich allein nur sicher, auch durch die Wüste, führen kann - es ist diese unfehlbare Gnade unseres Gottes.
Mose stirbt, und von Jehova begraben, wird er nicht zu einem Gegenstand fleischlicher Verehrung für ein Volk, das allezeit bereit ist, dieser Sünde zu verfallen, wenn sein Name ihnen dem Fleische nach Ehre gegeben hätte; das ist genau so wie da, als sie ihm fortwährend widerstanden, wenn seine gottgemäße Gegenwart die Dinge des Fleisches vereitelte. Er war ein Mann, den Gott ehrte, dem kaum jemand glich (natürlich außer Dem, der nicht Seinesgleichen hatte); nichtsdestoweniger war er Mensch, und der Mensch ist nur Nichtigkeit.
Fußnoten
- 1 Zweifellos war der Fall dieses Mannes Gottes die Auswirkung seines früheren Zustandes, denn er war ein Mensch. Wenn wir nicht gut wandeln, ist Prüfung Zucht, aber eine notwendige Zucht, die Segen ergibt. Deshalb, obwohl dies ein Segen ist, heißt es gleichzeitig: „Führe uns nicht in Versuchung!“
- 2 Das erstere ist die Lehre des Epheserbriefes, das zweite die des Kolosserbriefes. In dem ersten wird er, der tot in der Sünde war, auferweckt und in Christo in die himmlischen Örter gesetzt. Er ist eine neue Schöpfung. In der letzteren ist er der Sünde gestorben und mit Christo auferstanden, und er soll seine Zuneigungen himmlischen Dingen zuwenden. In diesem letzteren Briefe wird er auch als tot in Sünden und mit Christo lebendig gemacht, aber nicht als in den himmlischen Örtern sitzend, betrachtet.