Das Buch der Offenbarung
Kapitel 8
Das siebente Siegel ist verschieden von den sechs vorhergehenden Siegeln; auch sehen wir nicht, dass irgend ein Gericht die Folge des Öffnens des Siegels ist. Bei den ersten sechs Siegeln handelt es sich um einleitende Gerichte, welche zweifellos den Beginn der Leiden darstellen, während das siebente Siegel die Zeit der Trübsal einleitet, wie sie vor Anbeginn der Welt nicht gewesen ist. Mit dem Öffnen des siebenten Siegels entsteht eine Pause, ein Schweigen bei einer halben Stunde. Es ist, als ob Gott zögerte, jene schrecklichen Stürme loszulassen, welche kommen müssen.
Unter dem siebenten Siegel werden die Posaunen-Gerichte geoffenbart. Gott ist im Begriff, in einer direkten Weise einzuschreiten und Sich selbst durch die Posaunen anzukündigen. Posaunen wurden in Israel bei Anlässen gebraucht, die das ganze Volk betrafen, sei es, um das Volk zu sammeln, oder in Kriegszeiten Lärm zu blasen. Hier werden sie gebraucht, um die öffentliche Ankündigung von Gericht darzustellen. Die Siegel waren, in der Hauptsache, allgemein in ihrer Anwendung. Die Posaunen sind strenger und hauptsächlich auf den dritten Teil der Erde beschränkt, das ist jener Teil, auf welchen die Römer Einfluss hatten. Die Posaunen sind laute und feierliche Rufe Gottes, durch welche die Menschen aufgefordert werden, auf die scharfen Warnungen Seiner Gerichte zu hören. Der Ruf der Posaunen ist die bestimmte Antwort auf das, was wir in den Versen 3-5 haben. Der Engel, welcher an dem Altar mit dem goldenen Räucherfass steht, ist sicherlich kein anderer als der Herr Jesus, nicht öffentlich kundgemacht wie in Kapitel 19, aber in der Gestalt eines Engels als der große Mittler zwischen Gott und Menschen gesehen. Es kann sich nicht um einen geschaffenen Engel handeln, denn es wird von keinem Engel als Priester gesprochen, noch hat ein Engel etwas mit den Gebeten von Heiligen zu tun, sondern nur der Herr selbst. Die Gebete der Heiligen steigen von der Erde auf und werden auf dem goldenen Altar Blut vermischt, welches anzeigt, dass sich die heilige Hand Gottes im Gericht kundtut. Blut redet von Tod, bewirkt durch die Hand Gottes im Gericht, „der dritte Teil der Erde“ bezeichnet das Gebiet, das von dem Gericht betroffen wird.
Aus Offb. 12, 4 mag geschlossen werden, dass der dritte Teil der Erde Bezug hat auf das weltliche Römische Reich. Das Gericht, das hier beschrieben wird, richtet sich gegen dieses Reich, den Hauptsitz der Regierung des Drachen, der dritte Teil der Erde wird verzehrt werden. Das grüne Gras dürfte allgemeines Gedeihen bezeichnen, ist hier aber ausersehen für allgemeine Vernichtung. In Kapitel 7, 3 sahen wir, dass das Gericht von den Bäumen zurückgehalten wurde, bis die Knechte Gottes versiegelt waren, aber jetzt sollen sie nicht mehr geschont werden. Als weitere Antwort auf die Gebete der Heiligen sehen wir ein weiteres Eingreifen Gottes zu ihren Gunsten, wenn der zweite Engel posaunt. Ein großer, mit Feuer brennender Berg wird ins Meer geworfen, und der dritte Teil des Meeres wird zu Blut. Der brennende Berg stellt eine große Macht dar, die von dem Gericht Gottes getroffen, aber auch dazu bestimmt wird, eine Gelegenheit zum Gericht für andere zu werden. Einen Hinweis auf diese Bedeutung haben wir in Jeremia 51, 25: „Siehe, ich will an dich, spricht Jehova, du Berg des Verderbens, der die ganze Erde verderbt; und ich will meine Hand wider dich ausstrecken und dich von dem Felsen herabwälzen und dich zu einem verbrannten Berge machen“. Jeremia spricht hier deutlich von Babylon, das alles zerschmettert, aber selbst zerschmettert werden soll. Hier in der Offenbarung hat die Stelle wahrscheinlich Bezug auf das Römische Reich. Jede Nation, die nahe Beziehungen zu dieser abgefallenen Macht hat, muss unter dem schrecklichen Gericht Gottes leiden. Diese große satanische Macht kommt unter das Gericht Gottes, doch wird sie auch selbst von Gott gebraucht, Leiden über andere zu bringen. Hier trifft das Gericht nicht das, was prophetisch die Erde genannt wird, sondern was die Weissagung als das Meer bezeichnet, die Massen der Völker, die sich in einem ungeordneten Zustand befinden. Sterben bedeutet hier, wie manche annehmen, den moralischen Tod, ein abgetrennt sein von jedem Bekenntnis und jeder Verbindung mit Gott. Der Hinweis auf den dritten Teil der Schiffe bezeichnet offenbar den Ruin dieses Mittels von Handel und Wohlfahrt.
„Und der dritte Engel posaunte; und es fiel vom Himmel ein großer Stern, brennend wie eine Fackel, und er fiel auf den dritten Teil der Ströme und auf die Wasserquellen. Und der Name des Sternes heißt Wermut; und der dritte Teil der Wasser wurde zu Wermut, und viele der Menschen starben von den Wassern, weil sie bitter gemacht waren“ (Verse 10. 11). In dem brennenden Berge hatten wir zweifellos ein Bild der römischen Macht vor uns, die da sucht, alles zu zerstören, was sich ihrer Autorität nicht unterwirft, aber in Vers 10 ist wahrscheinlich das zweite Tier dargestellt, der falsche Prophet, der König der Juden, der als ein Jude die Aufgabe gehabt hätte, für die Wahrheit des einen wahren Gottes einzutreten, der aber sucht, seine eigenen Ansprüche an die Erde geltend zu machen. Die brennende Fackel ist das Bild eines Abgefallenen. Die Fackel ist ein bekanntes Bild des Bekenntnisses. Hier haben wir eine Person von hohem Rang, die aber selbst einer höheren Person oder Macht unterworfen ist. Ihr Fall, der hier ein sittlicher ist, führt sittliche Unordnung herbei. Wermut spricht von Gift und verderblichem Abfall und der Verunreinigung von jeder Quelle des Segens auf der Erde. Das Gericht Gottes trifft den abgefallenen Teil des Volkes. Was das zweite Tier besonders kennzeichnet, ist die Macht des Truges. Diese Person ist hauptsächlich ein Betrüger, und das besondere Gebiet ihrer Täuschung ist das Land Palästina.
Bei den Wassern handelt es sich hier nicht um das Meer, wie bei der zweiten Posaune, sondern um die Ströme und Wasserquellen. Hier haben wir nicht nur ein Verderben der Grundsätze des Volkes, sondern eine Verderbnis aller Quellen ihres Lebens. Das Einsaugen der Anbetung des Antichristen ist es, das diese verhängnisvolle Auswirkung für das Volk hat. Mit dem Ertönen der vierten Posaune wird der dritte Teil der Sonne geschlagen und der dritte Teil des Mondes und der Sterne, so dass der dritte Teil derselben verfinstert wird und der Tag nicht scheint seinen dritten Teil und gleicherweise die Nacht (Vers 12). Hier haben wir ein Wehe, welches sich gegen das richtet, was allgemein ist, aber noch ist es auf den dritten Teil beschränkt. Fünfmal wird von dem dritten Teil der Erde gesprochen. Es zeigt die Beschränkung auf das Gebiet an, welches von Rom beherrscht ist. Die Sonne zeigt das an, was beherrschend ist und bezeichnet hier wahrscheinlich das Haupt des Römischen Reiches; der Mond stellt eine untergeordnete Macht dar, hier wahrscheinlich in Beziehung zu dem zweiten Tiere in seiner Verbindung mit Israel als ihrem anerkannten König. Die Sterne reden von niedrigeren Mächten. Hier finden wir, dass alle Herrschergewalten der römischen Erde zerschmettert werden; kein Teil bleibt verschont. Auch der Tag und die Nacht werden betroffen. Finsternis und Verwirrung kennzeichnen den öffentlichen Gang der Dinge und greifen auch Platz im Innern eines jeden Hauses, wo Ruhe gefunden werden sollte. Aller Schein von Macht in dem ganzen Reiche stürzt zusammen. Das ganze Bild wird zu einem schrecklichen Alpdrücken.
„Und ich sah: und ich hörte einen Adler fliegen inmitten des Himmels und mit lauter Stimme sagen: Wehe, wehe, wehe denen, die auf der Erde wohnen, wegen der übrigen Stimmen der Posaune der drei Engel, die posaunen werden“ (Vers 13). Die Gegenwart des Adlers ist sehr bezeichnend. Er ist von verhängnisvoller Vorbedeutung in bezug auf das kommende Gericht, welches im Begriff war, über die zu kommen, welche auf der Erde wohnen oder sie besitzen. Das ist eine deutlich bezeichnete Klasse von Menschen, die gesucht haben, Gott in jeder nur möglichen Weise auszuschließen und die Erde für sich selbst zu beanspruchen. Wenn schon die vier ersten Posaunen streng waren in den Gerichten, die sie ankündigten, die drei letzten sind sogar noch strenger, und zwar so sehr, dass Gott in bezug auf sie die feierlichen Worte ankündigt: „Wehe, wehe, wehe.“