Betrachtung über das zweite Buch Mose (Synopsis)
Kapitel 32-33
Schließlich gab Gott dem Mose die zwei Tafeln des Gesetzes.
Während Gott also die kostbaren Dinge, die mit Seinen Beziehungen zu Seinem Volke zusammenhingen, vorbereitete 1, dachte das Volk nur daran, was es in dem menschlichen Werkzeug ihrer Errettung sah, und es verließ Jehova vollständig. Dies ist die traurige und frühe, aber sichere Frucht dessen, daß sie es unternahmen, dem Gesetz als einer Bedingung zu gehorchen, um die Verheißungen zu genießen. Aaron fällt mit ihnen.
Da der Zustand des Volkes ein solcher war, gebietet Gott dem Mose herabzusteigen, und jetzt beginnt es, daß alles auf einen anderen Boden gestellt wird. In Seinen Ratschlüssen der Gnade hat Gott das Volk nicht nur in ihrer Bedrängnis gesehen, sondern auch in ihren Wegen. Sie waren ein hartnäckiges Volk. Er sagte Mose, er solle Ihn allein lassen, und daß Er sie vernichten und aus Mose eine große Nation machen würde. Mose nimmt den Platz des Mittlers ein, und treu seiner Liebe zum Volke als dem Volke Gottes und der Herrlichkeit Gottes in ihnen, und mit einer Selbstverleugnung, die nur um diese Herrlichkeit besorgt war, indem er jeden Gedanken an sich selbst opfert, tritt er fürbittend vor Gott in jener prachtvollen Fürsprache ein, die sich auf das, was diese Herrlichkeit erfordert, und auf die unbedingten Verheißungen an die Väter besteht 2. Und es gereute Jehova. Der Charakter Moses leuchtet hier in seiner ganzen Schönheit, und er ist bemerkenswert unter denen, die es dem Heiligen Geiste zu beschreiben wohlgefallen hat, und zwar nach der kostbaren Gnade Gottes, die gern die Heldentaten Seines Volkes beschreibt, und auch die von ihnen getragenen Früchte, obwohl Er deren Quelle ist.
Mit dem Bunde des Gesetzes war aber alles vorbei: das erste und grundlegende Band - keine anderen Götter zu haben - war seitens des Volkes gebrochen worden. Die Tafeln des Bundes kamen auf der einfachen Grundlage des Gesetzes niemals mehr in das Lager. Das Volk hatte einen vollständigen Bruch zwischen sich und Gott gemacht. Mose, der Gott nicht gefragt hatte, was mit dem Gesetz getan werden sollte, steigt herab. Sein geübtes Ohr, das schnell unterscheidet, wie die Dinge bei dem Volke stehen, hört ihre leichtfertige und gottlose Freude. Bald nachdem sieht er das goldene Kalb, das sogar vor der Wohnung Gottes in das Lager kam, und er zerbrach die Tafeln unten am Berge; und während er droben für das Volk vor Gott wegen Seiner Herrlichkeit eifert, eifert er unten auf der Erde für Gott vor dem Volke wegen dieser selben Herrlichkeit. Denn der Glaube tut mehr als einzusehen, daß Gott herrlich ist (jede vernünftige Person würde das zugeben); er verbindet die Herrlichkeit Gottes und das Volk und rechnet deshalb auf Gott, daß Er sie bei jeglichem Zustand der Dinge segnen wird, da es im Interesse Seiner Herrlichkeit ist, und er besteht auf Heiligkeit in ihnen, koste es, was es mag, und zwar in Gleichförmigkeit mit dieser Herrlichkeit, auf daß sie in denen, die mit ihr einsgemacht sind, nicht gelästert werde.
Auf den Ruf des Mose antwortend, sagt Levi zu seinen Brüdern, den Kindern seiner Mutter: „Ich habe euch nicht gekannt“, und er weiht sich Jehova. Nun war Mose voller Eifer, allerdings nicht nach Erkenntnis, der aber von Gott zu unserer Unterweisung zugelassen wurde, und er schlägt dem Volke vor, daß er hinaufsteigen wird, um „vielleicht“ Sühnung zu tun für diese Sünde. Er bittet Gott, eher ihn aus Seinem Buche auszulöschen, als daß dem Volke nicht vergeben werde. Gott sagt es ihm ab; während Er sie aber, dank seines Dazwischentretens, verschont und sie Seiner Regierung in Geduld und Langmut unterstellt, macht Er einen jeden von ihnen vor Ihm Selbst verantwortlich - d. h. unter dem Gesetz, indem Er bekanntgibt, daß Er die Seele, die gesündigt hat, aus Seinem Buche auslöschen würde.
Somit war die Fürsprache Moses zur Vergebung verfügbar, und zwar in bezug auf Regierung, und um sie einer Regierung zu unterstellen, deren Grundsätze wir späterhin sehen werden, sie war aber nutzlos bezüglich irgendeiner Sühnung, die sie vor der endgültigen Wirkung ihrer Sünde (nämlich vor ihrer Auswirkung auf ihre ewigen Beziehungen mit Gott) schützen und sie vor dem Gericht des Gesetzes befreien könnte 3. Gott verschont sie und befiehlt Mose, das Volk an den Ort zu führen, von dem Er geredet hatte, und sagt, Sein Engel würde vor ihnen hergehen.
Welch einen Gegensatz bemerken wir hier in dem Vorbeigehen zu dem Werke unseres teuren Heilands! Er steigt von droben hernieder - von Seinem Wohnsitz in der Herrlichkeit des Vaters -, um Seinen Willen zu tun, und Er tat ihn vollkommen. Anstatt die Tafeln zu vernichten, die Zeichen des Bundes, dessen Anforderungen der Mensch zu erfüllen nicht imstande war, trägt Er Selbst die Strafe für diese Übertretung wie auch ihren Fluch; nachdem Er aber die Sühnung vollbracht hat, und bevor Er in die Höhe zurückfährt - anstatt mit einem freudlosen „vielleicht“ in Seinem Munde aufzufahren, das die Heiligkeit Gottes sofort zunichte macht -, fährt Er auf mit dem Zeichen der vollbrachten Sühnung und der Bestätigung des neuen Bundes, mit Seinem kostbaren Blute, dessen Wert keinen Zweifel zuließ in den Augen Gottes, vor dessen Angesicht Er es darstellte. Aber ach! Die Kirche hat nur allzu treu das Verhalten Israels während der Abwesenheit des wahren Mose widergespiegelt und hat das, was sie eigenhändig gestaltet hat, der Vorsehung zugeschrieben, weil sie etwas sehen wollte.
Wir haben jetzt ein wenig das zu betrachten, was sich unter dem Volke abspielte, und auf seiten Moses, des treuen und eifrigen Zeugen als eines Knechtes Gottes in Seinem Hause, denn wir werden eine neue Fürsprache finden, die sich in Frieden und in Heiligkeit vollzieht, wenn man es so sagen darf, wobei durch den Glauben jene Beziehungen gewogen werden, wo die Barmherzigkeit und die Gerechtigkeit Gottes in ihrer Anwendung auf Seine Regierung zusammentreffen. Es ist nicht die Empörung des heiligen Zorns, der beim Anblick des Übels seinen Platz wohl hatte, während er nicht wußte, was er tun sollte - denn wie soll man das Gesetz Gottes neben das goldene Kalb stellen? Jehova sagt, daß Er einen Engel senden wird, und daß Er nicht inmitten des Volkes hinaufziehen wird, denn es ist hartnäckig, daß Er sie nicht auf dem Wege vernichte. Ich will aber kurz die Tatsachen in Verbindung mit dieser neuen Fürsprache, welche von ergreifendem Interesse ist, erwähnen.
Zuerst hatte Gott gesagt, daß Er in einem Augenblick in ihre Mitte kommen würde, um sie zu vernichten. Dieses augenblickliche Vertilgen des Volkes hatte die Fürsprache Moses abgewandt, und Jehova ruft nun Israel auf, ihren Schmuck abzulegen, damit Er wisse, was ihnen zu tun sei. Heilige Gnade Gottes! Der, wenn Er die Unverschämtheit der Sünde vor Seinen Augen sieht, zuschlagen muß, will aber, daß das Volk diese Dinge abreiße, auf daß Er (menschlich gesprochen) Zeit haben möchte, um zu überlegen, was Er mit der Sünde eines Volkes tun soll, das jetzt dafür, daß es Ihn verließ, gedemütigt ward.
Doch verläßt Gott nicht das Volk. Auf eine heilige Weise und durch das gerechte Urteil des Gewissens erfaßt Mose den Sinn Gottes durch den Geist, und bevor das Zelt der Zusammenkunft aufgeschlagen wurde, verläßt er völlig das Lager und schafft einen Platz für Gott außerhalb des Lagers, weit weg vom Lager, das einen falschen Gott an Seinen Platz gesetzt und ihre Herrlichkeit in das Gleichnis eines Bildes, eines Ochsen, der da Gras frißt, verwandelt hatte. Er nennt ihn das Zelt der Zusammenkunft - der Ort, wo Gott mit denen, die Ihn suchten, zusammenkam. Diese Benennung an sich ist wichtig, weil es nicht mehr darum geht, daß Gott einfach inmitten einer anerkannten Versammlung weilt, was einer der von uns schon bemerkten Charakterzüge in Verbindung mit der Wohnung war 4. Indem Mose außerhalb des Lagers ist, erklärt nun Gott, daß Er nicht in ihrer Mitte hinaufziehen wird, auf daß Er sie nicht auf dem Wege vernichte, wie Er angedroht hatte. Mose beginnt seine Fürbitte, indem er eine persönliche Stellung bezogen hatte, jetzt die einzige in Treue zu Gott; seine Verbindung mit dem Volke ist dadurch verstärkt, daß er näher bei Gott ist - abgesonderter zu Ihm. Dies ist die Wirkung treuer Absonderung, wenn sie zur Herrlichkeit Gottes dient, und in ihr wird man Gott nähergebracht.
Es muß hier bemerkt werden, daß Gott das Volk bei ihrem Wort genommen hatte. Sie hatten gesagt, indem sie ihrem Glauben nach handelten, oder eher nach ihrem Mangel an Glauben: „Dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Lande Ägypten heraufgeführt hat“. Gott sagt: „Dein Volk, das du aus dem Lande Ägypten heraufgeführt hast, hat sich verderbt“. Deshalb sagt Gott „du“, indem Er Sich an den Mittler wendet. Mose sagt zu Gott: „Dein Volk“. Diese eifrige Macht des Glaubens, obwohl sie vom Bösen absondert, löst Gott nicht von Seinem gesegneten Anspruch (Kap. 32, 1. 7. 12-34). Späterhin jedoch, als das Volk seinen Schmuck abgelegt hatte und Mose in der Stellung des Mittlers stand, sagt Gott (Kap 33, 1). „Du und das Volk, das du aus dem Lande Ägypten heraufgeführt hast“ 5. Jetzt hängt alles von dem Mittler ab.
Da Mose seine Stellung außerhalb des Lagers genommen hatte, offenbart Sich ihm Gott, wie Er es niemals zuvor getan hatte. Das Volk sieht Gott beim Eingang des von Mose aufgeschlagenen Zeltes stehen, und sie beteten an, ein jeder am Eingang seines Zeltes. Und Jehova redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet. Wir werden sehen, daß Gott Sich auf diese Mitteilungen bezieht, wenn Er von der Herrlichkeit Moses spricht (4. Mo 1-2, 8), und nicht auf die von dem Berge Sinai. Mose geht als Mittler auf dem Wege des Zeugnisses zum Lager zurück; Josua aber, das geistliche Oberhaupt des Volkes (Christus im Geiste), weicht nicht aus dem Inneren des Zeltes 6. Mose erkennt nun, was Gott ihm gesagt hatte, daß er das Volk heraufführen muß; er steht da als der Mittler, von dem alles abhängt. Er wagt aber nicht, daran zu denken, allein hinaufzuziehen, ohne zu wissen, wer mit ihm sein wird. Gott hat ihn in Gnaden völlig anerkannt, und er begehrt zu wissen, wer vor ihm hergehen wird. Da er Gnade gefunden hat (denn Gott hatte es ihm so gesagt), fragt er, auf daß er Seinen Weg, den Weg Gottes, erkennen möge; nicht nur, um einen Weg für sich (für Mose), um nach Kanaan zu gelangen, zu finden, sondern „deinen Weg“; so wird er Gott erkennen, und auf Seinem Wege und in seinem Verhalten wird er Gnade finden in Seinen Augen. Gott antwortet, daß Sein Angesicht mit ihm gehen werde, und daß Er ihm Ruhe geben wird. Beides benötigt Mose, um die Wüste zu durchqueren. Dann fügt Mose das Volk ein und sagt: „Führe uns nicht hinauf von hinnen“ und „ ... daß ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, ich und dein Volk“. Auch dies wird von Jehova gewährt, und nun begehrt er für sich, die Herrlichkeit Jehovas zu sehen, dieses Angesicht aber, welches gehen und Mose und das Volk führen soll, kann Gott dem Mose nicht zeigen. Er wird ihn verbergen, während Er vorübergeht, und Mose soll Ihn von hinten sehen. In Unabhängigkeit von Ihm können wir Gott auf Seinem Wege nicht begegnen. Nachdem Er vorübergezogen ist, sieht man die ganze Schönheit Seiner Wege. Wer hätte zuvorkommen und so etwas wie das Kreuz vorsehen können? Nachdem Gott dies aber von Sich aus getan hat, überwältigt die ganze Vollkommenheit Gottes darin das Herz.
Fußnoten
- 1 Die Wohnung hatte einen doppelten Charakter. Sie war eine Entfaltung himmlischer Dinge und eine Vorkehrung dafür, daß ein sündiges Volk dort Gott wieder nahegebracht werden sollte. Es ist interessant, die Wohnung von einer anderen Seite aus zu betrachten, denn als ein Muster der himmlischen Dinge ist sie höchst interessant. Erstens kennzeichnet sie die Himmel selbst, denn Christus ist nicht in das Zelt eingegangen, sondern in den Himmel selbst. In einem gewissen Sinne ist sogar das Weltall das Haus Gottes, aber darüber hinaus wird die Einheit der Kirche als eine himmlische Basis hierdurch dargestellt; wir sind Sein Haus, die Wohnung Gottes im Geiste. Diese zwei Bedeutungen sind am Anfang von Hebräer 3 eng miteinander verbunden - Christus, Gott, hat alle Dinge errichtet, und wir sind Sein Haus. Er erfüllt alles in allem, doch wohnt Er in der Kirche; es ist ein konzentrischer Kreis, obwohl von einer ganz anderen Wesensart. Vergleiche das Gebet in Epheser 1, das auch diese zwei Dinge unter der Hauptesstellung Christi verbindet, und noch deutlicher in Epheser 3; in Epheser 1 geht es um die Hauptesstellung, nicht um das Wohnen, obwohl die Beziehung dieselbe ist. Vergleiche Epheser 4,4-6, obwohl es da in der Form von: Geist, Herr und Gott steht, d. h. nicht einfach innewohnen. Was dem am vollsten entspricht, ist das Gebet in Epheser 3, wo die „Höhe“ usw. - man beachte dies - nicht das Maß der Liebe ist, sondern des ganzen Schauplatzes der Herrlichkeit Gottes, indem wir im Mittelpunkt stehen, um auf alles das hinauszuschauen, weil Christus, der der Mittelpunkt ist, in uns wohnt. Von einem anderen Gesichtspunkte aus sind die Person und die Fülle des Christus Selbst da; denn Gott war in Ihm, und deshalb bezieht der Apostel das Zerreißen des Vorhangs auf das Fleisch Christi oder, wenn ihr wollt, den Vorhang selbst: „Durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch.“ Es ist augenscheinlich, daß die Behausung Gottes der zentrale Gedanke dieser Dinge ist, genauso wie ein Mensch in seinem Hause, in seinem Besitz usw. wohnt.
- 2 Dies ist ein weltweiter Grundsatz, wo es um die volle Wiederherstellung Israels geht. Salomo, Nehemia und Daniel greifen nur auf Mose zurück, eine wichtige Bemerkung betreffs der Erfüllung der Wege Gottes mit Israel.
- 3 Deshalb ist es, daß, obwohl der Charakter der Kundgebung so reich an Güte war, der Apostel sie den Dienst des Todes und der Verdammnis nennt (2. Kor 3). Denn wenn das Volk immer noch unter dem Gesetz war - je größer die Güte Gottes, desto größer ihre Schuld.
- 4 Eifernd um die Herrlichkeit Gottes, blickt er im Glauben auf das Zelt voraus, das nach den Gedanken und Geboten Gottes errichtet werden sollte, das Er beim Umgang mit Jehova gesehen hatte. Das war auch wirklich die Hauptsache; es befand sich aber außerhalb des Lagers, was eine Art Unordnung in den Augen der Menschen war, und es war ohne den Schmuck und die Formen, die Gott für das Zelt befohlen hatte, und es gab kein ausdrückliches Wort von Gott, daß dies getan werden sollte, nichtsdestoweniger war die Gegenwart Gottes da, und die Hauptsache für den Glauben war da, d. h. ein Zelt, wo Gott geschaut wurde und wo man Ihn suchen konnte, und zwar sogar auf eine Weise, in der der Glaube augenscheinlicher war, als wenn das Zelt regelrecht errichtet war. Dann kam die Wolkensäule als ein gesegnetes Zeugnis für den Glauben Moses hernieder.
- 5 Mose stellt hier wirklich Christum dar, nicht Christum außerhalb des Lagers.
- 6 Dies ist der Platz, den wir im Geiste haben, es ist aber manchmal schwer, die zwei miteinander zu verbinden.