Betrachtung über Kolosser (Synopsis)
Kapitel 3
Was bisher vorgestellt worden ist, war also die Stellung des Christen, jedoch mehr in ihrer Anwendung auf die Gefahren des Christen als auf seine himmlischen Vorrechte. So hat die Gnade für alles gesorgt, was wir bedürfen, indem sie den Glauben der einen benutzte, um uns alle Vorrechte vorzustellen, und die Fehler der anderen dazu ausschlagen ließ, uns unschätzbare Warnungen und Unterweisungen zu geben. Nunmehr beginnen die unmittelbaren Ermahnungen, die sich auf die bis dahin entwickelte Wahrheit gründen und dem Zustand angepasst sind, in dem die Kolosser sich befanden, das heißt, betrachtet als mit Christus auferweckt, aber nicht als mit Ihm sitzend in den himmlischen Örtern.
Auferweckt mit Christus, sollten sie ihre Zuneigungen auf Dinge richten, die droben sind, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sie sollten sinnen auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist. Beides konnte nicht zusammengehen. Zu gleicher Zeit nach oben und nach unten blicken, seine Beweggründe im Himmel und auf der Erde haben, ist unmöglich. Wohl können wir durch irdische Dinge versucht werden und ihnen zu widerstehen haben, aber das heißt nicht, sie zum Gegenstand haben. Die Ursache davon liegt in unserer Stellung: wir sind gestorben, und unser Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Es heißt nicht: „wir müssen sterben“. Der Mensch kann das nicht durch seinen Willen tun: wir können unseren Willen nicht durch unseren Willen verleugnen. Der Wille des Fleisches möchte das auch nie tun; wenn er wirksam ist, so verzichtet und entsagt er nicht. Doch wir sind gestorben: das ist die kostbare und tröstliche Wahrheit für den Christen, kraft des Todes Christi für ihn. Er hat das Leben Christi empfangen, und alles, was Christus in diesem Leben für ihn getan hat, gehört ihm. So ist er gestorben, weil Christus für ihn starb. Das Leben, mit dem die Macht der Versuchung, die Schuld, die Angriffe der Sünde in Verbindung stehen, ist für den Glauben nicht mehr vorhanden. Durch den Tod hat alles, was mit diesem Leben verbunden war, sein Ende gefunden. Das, was mit dem Leben des alten Menschen zusammenhing, war Sünde, Verdammnis, Furcht, Schwachheit, Ohnmacht gegen die Angriffe des Feindes – aber das alles ist vorüber. Wir haben ein Leben, aber es ist in Christus; es ist mit Ihm in Gott verborgen. Wir sind noch nicht in der Herrlichkeit desselben offenbart, wie wir es einmal sein werden vor den Augen aller geschaffenen Wesen im Himmel und auf Erden. Unser Leben ist verborgen, aber sicher in seiner ewigen Quelle. Es teilt das Los Christi, in dem wir es besitzen: Er ist verborgen in Gott; so auch unser Leben. Wenn Christus erscheinen wird, so werden auch wir mit Ihm erscheinen.
Man wird bemerken, dass der Apostel hier nicht von unserer Vereinigung mit Christus redet, sondern von unserem Leben, von der Tatsache, dass wir gestorben sind und dass unser Leben mit Ihm in Gott verborgen ist. Er spricht in Bezug auf unsere Stellung nicht von der Kirche; er spricht ohne Zweifel von Christus, als dem Haupt der Kirche, in seiner persönlichen Herrlichkeit, aber er spricht nicht davon in Bezug auf uns. Von uns spricht er als von einzelnen Personen. Jeder einzelne hat sein eigenes Leben sicherlich in Christus, aber er besitzt es als das seinige; es ist hier nicht von der Vereinigung mit anderen Christen die Rede. Wir haben dieses Leben in Christus; aber es wird hier nicht unsere Vereinigung als ein Leib mit Ihm betrachtet, sondern der persönliche Charakter des Christen, für den Christus, das Haupt, alles ist.
Es ist auch höchst wichtig, in Verbindung mit dieser Wahrheit zu beachten, dass in diesem Brief nichts gesagt ist von dem Heiligen Geist. Der Apostel spricht in praktischer Beziehung von der Liebe der Kolosser „im Geist“; aber in der Unterweisung des Briefes nennt er den Heiligen Geist niemals. Sogar wenn er sagt: „wo nicht ist Grieche und Jude usw.“, so bedeutet dies, dass in dem neuen Menschen diese Unterschiede nicht mehr bestehen, nicht, weil wir eins sind in Christus. Jeder einzelne sollte dem Haupt anhangen; er war nicht mehr am Leben in dieser Welt; er war gestorben, und sein Leben war mit Christus in Gott verborgen. Aber dies war für ihn persönlich; er sollte das wissen und festhalten als eine Wahrheit, die notwendig war, um vor den Listen des Feindes bewahrt zu werden. Mit einem Wort, was hier vorgestellt wird, ist das Leben in Christus. Anderswo finden wir manche Dinge, die der Apostel hier erwähnt, als Früchte des Geistes bezeichnet, durch welche die Gemeinschaft und Einheit aufrecht gehalten werden; hier aber haben diese Früchte einfach in der Natur des Lebens ihre Quelle. Es ist deshalb ganz natürlich, dass der Umfang und die Vereinigung aller geistlichen Verhältnisse in Einem, in Christus, wie wir sie in den göttlichen Unterweisungen da finden, wo der Heilige Geist eingeführt ist, hier fehlen.
In dem Brief an die Epheser findet sich diese Wirkung des Heiligen Geistes überall, und sie kennzeichnet alles das, was dort in Gemeinschaft mit dem Haupt, Christus, dargestellt wird, mit dem wir durch den Geist in einem Leib vereinigt sind. So sind wir im Epheserbrief persönlich „versiegelt mit dem Geist der Verheißung, dem Unterpfand unseres Erbes“; wir alle haben „den Zugang durch einen Geist zu dem Vater“, wir werden auch „mitaufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist“; die Vereinigung der Heiden und der Juden zu einem Leib ist jetzt „offenbart worden im Geist“; die Heiligen werden „durch den Geist an dem inneren Menschen gestärkt“; da ist „ein Leib und ein Geist“; wir sollen „den Geist nicht betrüben“; wir sollen „mit dem Geist erfüllt sein“; das Wort selbst ist das „Schwert des Geistes“. Die Vereinigung des Leibes mit Christus, unser Auferwecktsein mit Ihm, unser Sitzen in den himmlischen Örtern in Ihm – mit einem Wort alles, was aus dieser Vereinigung hervor fließt, wird im Epheserbrief völlig entwickelt. Doch zugleich finden wir überall den Heiligen Geist, der uns mit Ihm vereinigt und uns alle zusammen als einen Leib vereinigt, der hienieden die Gegenwart Gottes in der Versammlung kennzeichnet, der in uns wirkt, unsere Zukunft sicherstellt und für die Gegenwart unsere Kraft wird; ich wiederhole: wir finden Ihn überall, um die Wahrheit zu vollenden und ihr für uns hienieden ihre gegenwärtige Kraft zu geben.
Manche der Ermahnungen im Epheserbrief sind beinahe dieselben wie im Kolosserbrief; aber in dem ersteren stehen sie in Verbindung mit dem Geist, in dem letzteren mit der Wirkung des Wortes und der Gnade im Herzen. Das gibt der Lehre des Epheserbriefes, soweit sie sich auf unsere Stellung hienieden bezieht, eine unendliche Tragweite und einen innigen Zusammenhang, weil Gott selbst eingeführt wird, und zwar als durch den Geist in uns wohnend und uns erfüllend, sei es als einzelne Gläubige oder in der Einheit des Leibes. Dies zeigt uns die Ratschlüsse Gottes in ihrer vollen Ausdehnung. Doch der Besitz des Lebens ist in seiner Art ebenso wichtig wie die Gegenwart und das Wohnen des Heiligen Geistes in uns. Der Besitz des Lebens macht die Segnung zur unsrigen, nicht nur zu einer Wirkung in uns, und wie wir gesehen haben, wird der Charakter des göttlichen Lebens hier im Kolosserbrief weit mehr entfaltet; im Epheserbrief wird es mehr im Gegensatz zu unserem früheren Zustand dargestellt.
In dem Brief an die Römer (Röm 8) wird diese Wirkung und Gegenwart des Heiligen Geistes in bemerkenswerter Weise vorgestellt hinsichtlich des einzelnen Gläubigen. Der Geist kennzeichnet uns dort in lebendiger Weise im Blick auf den Grundsatz unserer Auferstehung; Er ist das Zeugnis in uns, dass wir Kinder sind, indem Er uns mit Freude und mit der Hoffnung der Herrlichkeit als Erben erfüllt; Er nimmt sich unserer Schwachheit an, und Er ist die Quelle unserer Bitten und Seufzer. Im Römerbrief steht die Wirksamkeit des Geistes in Verbindung mit unseren persönlichen Beziehungen zu Gott; in dem Brief an die Epheser ist Er die Gegenwart Gottes In uns, in Verbindung mit unserer Vereinigung mit Christus als einem Leib.
Es ist noch etwas anderes hier zu beachten, das auf die Absicht des Heiligen Geistes in diesen Briefen Licht wirft. Im Epheserbrief bilden die Ratschlüsse Gottes den Ausgangspunkt. Der Mensch wird betrachtet, wie er ist, ohne eine Regung des Lebens in Beziehung zu Gott; er ist tot in Vergehungen und Sünden, von Natur ein Kind des Zornes. Gott ist reich an Barmherzigkeit, Er erweckt ihn auf mit Christus, der in Gnade in den Tod hinabstieg, und versetzt ihn nach seinen Ratschlüssen in dieselbe Stellung, in der Christus ist. Wir sind sein Werk, neu geschaffen in Christus Jesus. Es hat Gott gefallen, uns in seine Gegenwart zu bringen, gemäß seinen eigenen Ratschlüssen und seiner Natur. Es wird im Epheserbrief nicht gesagt, dass wir mit Christus gestorben sind. Der Mensch wird nicht betrachtet als im Fleisch lebend, so dass er auf die eine oder andere Weise sterben müsste. Es war nicht nötig, diesen Teil der Wahrheit zu entwickeln. Die Epheser sollten einerseits den völligen Abstand zwischen Gott und dem Menschen, nach seinen Ratschlüssen, und andererseits den sündigen Zustand des Menschen von Natur verstehen. In dem an sie gerichteten Brief ist alles das Werk Gottes selbst, entsprechend dem ursprünglichen Vorsatz seines eigenen Herzens, Seiner Natur und seines Willens 1. Der Mensch ist schon tot, und selbst Christus wird hinsichtlich des Platzes, den Er einnimmt, nicht eher eingeführt, als bis Er als tot und sodann als auferstanden und in den Himmel erhöht betrachtet wird.
Da die Kolosser in Gefahr waren, sich den Satzungen zu unterwerfen, kamen sie in die Lage, den Menschen als lebend in der Welt zu betrachten. Der Apostel aber bringt sie zu dem Gefühl, dass sie mit Christus gestorben waren. Er war genötigt, ihnen in Gnade dahin zu folgen, wo sie waren, weil eben ihre Gefahr darin bestand, den Menschen als lebend auf der Erde zu betrachten; jedoch tut er dies, um zu zeigen, dass der Christ schon mit Christus gestorben ist, und dass er auf Erden lebt als mit Ihm auferweckt. Im Epheserbrief wird von dem Menschen nicht gesagt, dass er mit Christus sterbe. Er ist tot in seinen Sünden, wenn Gott anfängt, Sich mit ihm zu beschäftigen. Kein Mensch ist für Gott lebendig. Der Christ ist lebendig gemacht im Verein mit Christus, indem Christus selbst zunächst als tot betrachtet wird.
Dieser Charakter des Kolosserbriefes, das Verweilen bei dem Leben oder dem neuen Menschen, hat indes für uns alle seinen ganzen Wert, und einen großen Wert, weil das Leben, die neue Natur, und die darin wirkende Gnade im Epheserbrief viel weniger hervortreten. Dort ist der Gegenstand die Kraft Gottes, die in Christus Menschen neu schafft und sie mit Ihm vereinigt, die den Gläubigen und die Versammlung hier erfüllt mit der Natur und dem Charakter des neuen Menschen und dadurch mit der Natur Christi, ja, mit der Natur Gottes selbst 2. Nach dem Epheserbrief könnte man denken, dass nur der Heilige Geist wirke in der Fülle seiner Macht und den einzelnen wie die Versammlung erfülle. Aber in dem Brief an die Kolosser finden wir, dass es eine neue Natur gibt, eine innerliche Umwandlung, natürlich nicht des Fleisches, sondern des Menschen. Denn wir werden darin betrachtet nicht allein als lebendig gemacht durch den Sohn, sondern als tot und dann auferweckt mit Christus, dem Menschen, der gestorben ist; wir sind aus der alten Stellung eines Kindes Adams herausgetreten, haben sie abgelegt und sind in eine neue Stellung als mit Christus Auferstandene eingetreten, haben den neuen Menschen angezogen. Das ist zu gleicher Zeit eine Stellung und ein Zustand vor Gott, eine Quelle von Empfindungen, Gefühlen, Wünschen, Gedanken und sittlichen Fähigkeiten, die mit der wahren Natur Gottes in Verbindung stehen, indem Gott sie in dem Herzen hervorgebracht hat. Wir werden erneuert zur Erkenntnis nach dem Bild Dessen, der uns geschaffen hat. Aber diese Quelle ist ein Leben, welches bedarf, dass der Heilige Geist ihm die Dinge offenbare, die ihm entsprechen und die jene Empfindungen und Gefühle wachrufen – Dinge, welche diese Gefühle befriedigen und zum Wachstum derselben dienen. Dieses Leben bedarf der Wirksamkeit des Geistes Gottes, um gekräftigt zu werden; aber es ist ein wirkliches Leben, eine Natur, die Gefühle und Empfindungen hat, die gerade an das Vorhandensein dieser Natur geknüpft sind 3 – eine Natur, die sich, erleuchtet durch den Heiligen Geist, ihres Daseins bewusst ist, und in der wir Kinder Gottes sind, aus Gott geboren.
Auch ist es nicht unwichtig, dass wir, im Blick auf das Leben des Fleisches, daran denken lernen, dass wir tot sind, obschon das nur die negative Seite der Wahrheit ist; ferner dass Gott nichts anerkennt, was zu dem alten Menschen gehört, und dass Er Gefallen hat an einer neuen Natur, die wir zwar durch die Gnade besitzen, die aber von Gott selbst herstammt und der Abglanz seiner eigenen Natur ist.
Wir sind also gestorben, und unser Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott. Wir haben Glieder auf der Erde – kein anerkanntes Leben; und wir haben alle diese Glieder des alten Menschen zu töten 4. Der Christ hat sie praktisch zu verleugnen als dem alten Menschen angehörend, während sein Leben dort ist, wo Christus ist. Diese Dinge bringen den Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams. Die Gläubigen wandelten einst in ihnen, als sie ihr Leben darin hatten; das ist jetzt aber nicht mehr der Fall, und sie verleugnen nicht nur grobe Sünden, die Frucht wirklicher Lüste (Kol 3,5+6), sondern auch alle Wirkungen eines ungebrochenen Willens und eines nicht unterwürfigen Herzens, jedes Anzeichen von der Wirksamkeit des Willens einer Natur, die Gott nicht kennt und nicht durch seine Furcht beherrscht wird: Zorn, Bosheit, Lüge – Dinge, die aus Selbstsucht oder aus Menschenfurcht hervorgehen 5.
Die Wahrheit herrscht in dem Herzen, das den alten Menschen ausgezogen hat, der Einfalt des neuen Menschen gemäß, der auch erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild Dessen, der ihn erschaffen hat (V. 9+10). Der neue Mensch wandelt im Licht. Nicht allein ist ein Gewissen vorhanden, welches das Gute und Böse beurteilt nach dem, was der Mensch sein sollte, nach seiner Natur als ein verantwortliches Wesen; sondern ein neuer Mensch ist da, der den ganzen alten Menschen richtet, Gutes und Böses beurteilt nach der Erkenntnis Gottes. Das ist das Ausziehen.
Vor dem Christentum, der völligen Offenbarung Gottes, gab es wohl neugeborene Seelen; aber ihre Richtschnur, wenn überhaupt eine bestimmte Richtschnur gegeben war, war die Verantwortlichkeit des Menschen (was irgend Frömmigkeit und Gnade ihnen eingeben mochten) und das Gesetz, der vollkommene Maßstab dessen, was der Mensch als ein Gott verantwortliches Wesen sein sollte. Damals konnten die Heiligen zwischen einem neuen und alten Menschen nicht unterscheiden, obschon sie notwendigerweise das völlige Bewusstsein von dem alten Menschen und in mancherlei Hinsicht gewisse Empfindungen des neuen hatten. So hatte zum Beispiel das Gefühl darüber, wie böse die Lüge ist, durchaus nicht denselben Platz wie heute bei dem Christen. Jetzt wird der neue Mensch erneuert zur Erkenntnis nach dem Bild Dessen, der ihn erschaffen hat 6. Gott selbst in seiner Natur ist der Maßstab des Guten und Bösen, weil der neue Mensch die Erkenntnis von dem hat, was diese Natur ist: er ist zum Teilhaber derselben gemacht, und er besitzt das Licht Gottes. Ein mit Verständnis verbundenes Teilhaben an der Natur Gottes, durch Gnade, ist das wunderbare und köstliche Vorrecht des Christen. Gott wirkt in dieser Natur; aber dadurch, dass Er sie mitgeteilt hat, hat Er den Menschen in diese Stellung versetzt. Christus ist das vollkommene Muster jenes „Bildes“, das Urbild des neuen Menschen.
Die anderen Unterschiede sind verschwunden; es bleiben bloß der alte Mensch, den wir nur für tot rechnen, und der neue Mensch. Für den letzteren ist Christus alles, so dass die Gläubigen außer Ihm niemand sehen und anerkennen, und Er ist in allen Gläubigen. Deshalb ziehen sie als solche, die Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte sind (da Christus ihr Leben ist), den Charakter Christi an: herzliches Erbarmen, Güte, Niedriggesinntheit, Milde, Langmut, einander ertragend und einander vergebend, wenn einer Klage hat wider den anderen, wie auch der Christus ihnen vergeben hat 7. Endlich ziehen sie die Liebe an, das Band der Vollkommenheit, das, was all den aufgezählten Eigenschaften, die in Christus ihren vollkommenen Ausdruck gefunden haben, einen göttlichen Charakter gibt und was der Verwechslung einer liebenswürdigen Natur mit der göttlichen Gnade eine göttliche Schranke entgegensetzt; denn göttliche Liebe ist heilig. Man beachte hier auch, dass das Anziehen dieser Eigenschaften geschieht in dem Bewusstsein unseres gesegneten Platzes vor Gott, der sich in den Worten „Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte“ ausgedrückt findet. Wir tun es als solche. Anders könnten wir es überhaupt nicht tun. In dem Gefühl dieser wunderbaren Gunst entfaltet sich die Gnade in unseren Herzen. So heißt es auch im Epheserbrief: „als geliebte Kinder“.
Verschiedene dieser Eigenschaften mögen sich wohl ähnlich in der menschlichen Natur wieder finden; aber die Kraft, die unterscheidenden Züge, das Band göttlicher Liebe, die in dem Bewusstsein der Gemeinschaft mit Gott wirkt, fehlen in jener Natur gänzlich; und dies verleiht der Ausübung dieser Eigenschaften einen Charakter, eine Vollständigkeit, eine Richtigkeit der Anwendung, eine Vollkommenheit, eine Eigentümlichkeit und eine Kraft, die nur die Liebe geben kann. Denn Gott selbst ist tatsächlich da und wirkt in seiner Natur, die Er uns mitgeteilt hat; denn „wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm“. Im Blick auf den Zustand der Seele gibt es eine Krone für einen solchen Wandel; sie ist der Schmuck derer, die beständig diesen Pfad verfolgen: der Friede des Christus herrscht in dem Herzen, jener süße und unaussprechliche Friede, den nichts stören konnte, obschon sein Geist durch alle Umstände hindurchging, die geeignet waren, Ihn zu erproben; denn Er wandelte stets mit Gott. Auch uns hat Gott dazu berufen; Er ist der Gott des Friedens.
Hier führt der Apostel die Einheit des Leibes ein, nicht hinsichtlich der Vorrechte desselben in Christus, sondern der Tatsache, dass die Christen berufen sind, miteinander verbunden zu sein in der Einheit, deren Siegel und Band der Friede ist. Wenn es so steht, wird Danksagung vorhanden sein; denn die Seele ist sich der Liebe und der Wirksamkeit Gottes bewusst, so dass für sie alles aus dieser Liebe hervor fließt.
Doch außer dem Frieden und der Danksagung, die Gott dargebracht wird, bringt die Erkenntnis dessen, was offenbart ist und worin das Leben des Christen seine Nahrung und Freude findet, eine Entfaltung dieses Lebens hervor. Die Seele genießt auch davon in der Tätigkeit des Lebens und der Liebe gegen andere. Der Genuss Gottes und dessen, was man in seiner Gegenwart findet, führt zu dieser Tätigkeit der Seele. Wenn diese Tätigkeit wahr ist, so ist sie die glückliche Freiheit einer in sich selbst gesunden Natur, die Tätigkeit der Liebe, die dieser Natur eigen ist und ihre Kraft schöpft aus der Gemeinschaft mit Gott; sie steht in Übereinstimmung mit seiner Natur. „Das Wort des Christus“ entfaltet alles, was der Seele offenbart ist als das, worin sie lebt und sich bewegt, und ist so die Richtschnur, die wirkende und leitende Kraft, weil es der Ausdruck jener Natur und die Offenbarung all ihrer Wege und ihrer in Liebe wirkenden Energie in Ihm ist.
Der Apostel ermahnt deshalb die Kolosser, dass das Wort des Christus reichlich in ihnen wohnen möge. So entwickelt sich der neue Mensch der Vollkommenheit Gottes gemäß, und das ist die Weisheit Gottes, ihn zu bilden und zu leiten. Paulus wünscht, dass die Christen das völlig verwirklichen möchten. Es geschieht durch Gemeinschaft mit dem Herrn, indem man mit Ihm im Verkehr bleibt. Das Wort ist das, worin die Weisheit gefunden wird; auch können die Heiligen dieser Entwicklung gemäß sich gegenseitig lehren und ermahnen. Aber in diesem Fall ist das, was wir lernen und was in uns entfaltet wird, nicht nur Weisheit, sondern es sind auch Gefühle in Verbindung mit Ihm, in dem wir diese Weisheit gefunden haben, so dass diese Äußerungen des Lebens Christi, als wahre Weisheit in der Welt, ihren Ausdruck in unseren Herzen finden in Lob und Danksagung, indem wir seine Herrlichkeit besingen. Alle die innerlichen Gefühle, in denen das geistliche Leben sich entfaltet, kommen zum Ausdruck entsprechend dem, was wir gelernt haben: sie fließen aus dem Geist Christi hervor und sind der Ausdruck der Verbindung der Seele mit Ihm, der Ausdruck der Gefühle, die diese Verbindung im Herzen hervorbringt. Es ist die Person Christi selbst, die (in dem Bewusstsein seiner Gegenwart, als der Gegenstand unserer Gedanken, und in den sittlichen Früchten, die daraus erwachsen) den Verkehr und die Gemeinschaft der mit seinem Lob beschäftigten Seele unterhält.
Und dieses Bewusstsein der Verbindung mit Christus in dem Leben, das von Ihm in uns ist, findet Anwendung auf alles. Nichts wird ohne Ihn getan. Wenn Er das Leben ist, so hat alles, was dieses Leben in uns tut, Ihn zum Ziel und Gegenstand, soweit das Herz daran teilhat. Er ist gegenwärtig als der leitende Beweggrund, als das, was unseren Handlungen ihren Stempel aufdrückt und womit das Herz bei ihrer Ausführung beschäftigt ist. Alles wird mit Ihm in Verbindung gebracht: wir essen nicht ohne Ihn; wie könnten wir, wenn Er unser wirkliches Leben ist? – wir trinken nicht ohne Ihn; was wir reden, was wir tun, wird geredet und getan im Namen des Herrn Jesus. Das Gefühl seiner Gegenwart ist vorhanden, das Bewusstsein, dass alles sich auf Ihn bezieht, dass wir nichts tun können (es sei denn fleischlich) ohne Ihn, weil das Leben, das wir von Ihm haben, mit und in Ihm tätig ist, sich nicht von Ihm trennt und Ihn zum Zweck hat in allen Dingen, gleichwie das Wasser zu der Höhe wieder emporsteigt, von der es herabgekommen ist. Das ist es, was das Leben des Christen kennzeichnet. Und was für ein Leben! Durch Ihn, indem wir in dem Bewusstsein der göttlichen Liebe bleiben, danksagen wir unserem Gott und Vater.
Lasst uns hier beachten, dass das christliche Leben nicht nur gekennzeichnet wird durch gewisse subjektive Eigenschaften, die in Christus ihre Quelle haben, sondern dadurch, dass Christus selbst der Zweck und Gegenstand des Herzens und der Gedanken ist in allem, was wir tun, in jeder Beziehung. Christus regiert persönlich in dem Herzen und ist dem Herzen gegenwärtig in allen Dingen.
Dem unerfahrenen Blick des Menschen erscheint oft etwas, das aus der Natur stammt, als eine Wirkung der Gnade. Aber das klare Bewusstsein von Christus, als dem Gegenstand des Herzens, das Bewusstsein seiner Gegenwart und die Gewissheit seines Beifalls, wenn wir an Ihn denken, kann mit nichts verwechselt werden. Es gibt in der Tat nichts, was diesem gleichkäme, nichts, was irgendwie an dessen Stelle treten könnte. Wenn Er sich unserem Herzen offenbart, wenn das Herz mit Ihm wandelt, mit Ihm in allen Dingen verkehrt und nur das Licht seines Angesichts, das Siegel seiner Genehmigung in allen Dingen sucht, dann ist Er gekannt, gut gekannt. Es gibt niemand, der sich der Seele so mitteilt wie Er, wenn sie anders wandelt in den Pfaden seines Willens, wie derselbe in dem Wort ausgedrückt ist.
Nachdem der Apostel diese großen und wichtigen Grundsätze des neuen Lebens vorgestellt hat, geht er auf die verschiedenen Lebensverhältnisse ein, warnt vor den Gefahren, die sich in diesen Verhältnissen finden könnten, und zeigt, was der christliche Charakter eines jeden derselben ist. Bei der Frau ist es die Unterordnung. Liebe ist für sie natürlich: „Nach deinem Mann wird dein Verlangen sein.“ Dem Mann geziemt Liebe und Freundlichkeit; sein Herz kann leicht kalt und hart sein. Die Kinder sollen gehorsam sein; die Väter gelinde, damit sie sich die Herzen der Kinder nicht entfremden und damit diese nicht dahin getrieben werden, in der Welt das Glück zu suchen, das sie in dem Heiligtum des häuslichen Kreises finden sollten, den Gott als einen Schutz für die in Schwachheit Aufwachsenden gebildet hat. Das kostbare Heim (wenn Christus dort anerkannt wird), das so liebliche Gefühle weckt, in denen das Herz geübt wird in den Banden, die Gott selbst geknüpft hat, und zwar in Verbindung mit dem Herrn, und das durch die Pflege des Gemüts vor Leidenschaften und Eigenwillen bewahrt, übt da, wo seine Kraft sich richtig entwickelt, eine Macht aus, die, trotz der herrschenden Sünde und Verwirrung, das Gewissen aufweckt und das Herz anzieht und zugleich dem Bösen und der unmittelbaren Macht Satans entrückt. Denn die Familie ist Gottes Anordnung.
Ich weiß wohl, dass eine andere Macht nötig ist, um das Herz von der Sünde zu befreien und es vor ihr zu bewahren. Die Natur, selbst so, wie Gott sie erschaffen hat, gibt nicht das ewige Leben, stellt die Unschuld nicht wieder her und reinigt nicht das Gewissen. Wir können uns durch die Kraft des Geistes auch außerhalb dieser Familienverhältnisse Gott weihen, ihnen sogar entsagen, wenn, wie Christus uns in den Evangelien lehrt, Gott uns durch stärkere Verpflichtungen rufen sollte. Die Rechte Christi über den durch die Sünde verlorenen Menschen sind unumschränkt, bedingungslos und vollständig. Er hat ihn erkauft, und der Erkaufte gehört nicht mehr sich selbst, sondern ist das Eigentum Dessen, der Sich selbst für ihn dahingegeben hat. In den natürlichen Familienverhältnissen hat die Sünde alles verfälscht und den Willen verdorben, Leidenschaften geben sich in ihnen kund; aber die Verhältnisse selbst sind von Gott. Wehe dem, der sie als solche verachtet! Wenn die Gnade gewirkt hat und das neue Leben vorhanden ist, so wird anerkannt, was Gott gebildet hat; da weiß man wohl, dass nichts Gutes im Menschen ist, dass die Sünde alles verdorben hat, aber auch, dass das, was die Sünde verdorben hat, nicht selbst Sünde ist. Und wenn man sich dann in solchen Verhältnissen befindet, so wird die Kraft derselben wiederhergestellt durch die Verleugnung des eigenen Willens, das Gestorbensein bezüglich der Sünde, die Einführung Christi in diese Verhältnisse und durch die Wirksamkeit des Lebens, das aus Ihm ist. Wenn dadurch auch nicht diesen Verhältnissen der Charakter der Unschuld (der für immer verloren ist) zurückgegeben werden kann, können dieselben doch zu Wirkungsstätten der Gnade gemacht werden, in denen Milde, Zärtlichkeit, gegenseitige Hilfeleistung und Selbstverleugnung inmitten der durch die Sünde eingeführten Schwierigkeiten und Leiden herrschen und ihnen einen Reiz und eine Tiefe verleihen (wie Christus dies in jedem Verhältnis tat), die selbst die Unschuld nicht hätte hervorbringen können. Die Gnade, die in dem Leben Christi in uns wirkt, entfaltet sich in jenen Verhältnissen.
Das Fehlen aller natürlichen Gefühle ist ein Zeichen hoffnungslosen Abfalls und der Entfremdung von Gott, der vollendeten Selbstsucht der letzten Tage.
Ich zeichne kein falsches Bild von diesen Verhältnissen, rede auch nicht in poetischer Weise darüber, als wenn die Lichtseite alles wäre; ich sage nur, dass Gott diese Verhältnisse gebildet hat, und dass, wer irgend Gott fürchtet, sie hoch achten wird. Dazu ist Gnade nötig. Wenn die Gnade nicht wirkt, so geben sie, gerade durch ihre Innigkeit, Veranlassung, dass die peinlichsten Dinge sich in ihnen offenbaren. Der Apostel warnt uns hier vor dieser Gefahr. Wenn der Herr das Band ist zwischen uns und unseren Angehörigen, wenn unsere noch innigere Verbindung mit Ihm die Kraft unserer natürlichen Verhältnisse bildet, dann herrscht hier wie überall die Gnade; dann geben sie uns nur Gelegenheit zu lieblicher Entfaltung des Lebens Christi in ihnen.
Es ist bemerkenswert, wie der Apostel immer wieder Christus in diese Verhältnisse einführt, besonders im Hinblick auf solche, die einen Platz der Unterordnung darin einzunehmen haben, auf Frauen und Kinder, um durch einen so erhabenen Beweggrund den ihrer Stellung geziemenden Gehorsam zu heiligen. Noch mehr tut er das hin sichtlich derer, die nicht durch natürliche Bande miteinander verbunden waren, sondern durch ein Band, das in einer sündigen Welt, ja, in der Sünde selbst, seinen Ursprung hatte: hinsichtlich der Sklaven und ihrer Herren. Die Gnade beschäftigt sich nicht damit, den Zustand der Welt und der menschlichen Gesellschaft zu verändern, sondern Seelen zum Himmel zu führen, indem sie dieselben erneuert nach dem Bild Gottes. Ohne Zweifel hat die Gnade den gesellschaftlichen Zustand der Menschen bedeutend verbessert; denn indem sie das Gewissen in die unmittelbare Gegenwart des allein wahren Gottes bringt, dessen Vollkommenheit sie offenbart hat, um durch ihre Autorität die der natürlichen Beziehungen in der menschlichen Familie aufrichtet, wirkt die Gnade auf das Gewissen, selbst bei solchen, deren Herz noch nicht umgewandelt ist; sie hat ihnen in sittlicher Beziehung eine Richtschnur gegeben. Indes behandelt das Christentum, seiner eigenen Lehre nach, die Welt als von Gott entfremdet, als im Bösen liegend, und den Menschen als ein Kind des Zornes und als verloren.
Christus, der Sohn Gottes (der, wenn Er in dieser Welt Aufnahme gefunden hätte, alle Dinge hätte zu Recht bringen können, und der später durch sein Reich Gerechtigkeit und Frieden aufrichten wird), wurde von der Welt verworfen, und so ist die Freundschaft der Welt Feindschaft wider Gott. Der Zustand des Menschen wird im Evangelium in weit tieferer Weise behandelt als bloß seiner gesellschaftlichen Stellung nach; er wird betrachtet hinsichtlich des Verhältnisses der Seele zu Gott und folglich im Blick auf das Ewige. Gott teilt uns ein neues Leben mit, auf das wir die neuen, durch die Erlösung für uns erworbenen Beziehungen zu Ihm genießen mögen. Wie nun Christus während seines Lebens auf der Erde der Ausdruck der Liebe und der allgewaltigen Güte Gottes inmitten einer gefallenen Schöpfung war, so wird Er jetzt, nachdem die Welt Ihn verworfen und dadurch sich selbst verurteilt hat, für ein Herz, das Leben empfangen hat und in dem Er durch seine Gnade wohnt, eine Quelle von Glück in Gemeinschaft mit der Liebe Gottes, die das Herz aufrichtet und über die Umstände erhebt, welcher Art diese auch sein mögen. Der Sklave, der Christus besitzt, ist seinem Herzen nach frei; Er ist ein Freigelassener Gottes selbst. Der Herr des Sklaven weiß, dass er auch einen Herrn hat, und das Verhältnis, in dem er sich selbst befindet, bewirkt in seinem Herzen auch seinem Sklaven gegenüber eine gnädige und liebevolle Gesinnung bei der Ausübung seiner Autorität.
Doch, wie gesagt, dem armen Sklaven wird Christus in besonderer Weise als eine Hilfsquelle vorgestellt. Er kann seinem Herrn, mag derselbe gut oder schlecht sein, mit Treue, Sanftmut und Ergebenheit dienen; denn dadurch dient er dem Herrn selbst und ist sich dessen auch bewusst. Er wird seinen Lohn da finden, wo von dem, was zur Verherrlichung Christi getan worden ist, nichts vergessen wird, und wo Herren und Sklaven alle sich Dem gegenüber befinden, bei dem kein Ansehen der Person ist.
Zwei Grundsätze wirken in dem Herzen des christlichen Sklaven: Erstens ist in seinem ganzen Verhalten sein Gewissen vor Gott; die Furcht Gottes und nicht das Auge seines Herrn leitet ihn. Zweitens hat er das Bewusstsein von seiner Verbindung mit Christus, von der Gegenwart Christi, wodurch er aufrecht gehalten und über alles erhoben wird. Das Geheimnis, das nichts ihm rauben kann und Kraft über alles hat, weil es zu gleicher Zeit in ihm und droben im Himmel sich befindet, ist: Christus in ihm, die Hoffnung der Herrlichkeit. O wie wunderbar erhebt die Erkenntnis Christi alles, was von ihr durchdrungen ist, und mit was für tröstender Kraft lässt sie sich herab zu allem, was verlassen und niedergedrückt ist, zu allem, was seufzt und niedrig ist in dieser Welt der Sünde!
Während der Apostel so das Gewissen dieser armen Sklaven in der Gegenwart Gottes erhält, führt er dreimal in zwei Versen den Herrn, den Herrn Christus, in ihre Verhältnisse ein, damit Er ihre Herzen erfülle, und damit sie fühlen möchten, wer es war, dem sie ihre Dienste leisteten. So ist das Christentum!
Fußnoten
- 1 Daher wird im Epheserbrief nichts von Rechtfertigung gesagt; er handelt von einer neuen Schöpfung.
- 2 Dieser Unterschied ist von tiefem Interesse und zeigt den Charakter des Epheserbriefes in bemerkenswerter Weise. In diesem Brief wird alles beeinflusst durch den hohen Standpunkt, den der Heilige Geist einnimmt; alles wird dargestellt als der Ausfluss der eigenen und ewigen Ratschlüsse Gottes und seiner Wirksamkeit, um diese Ratschlüsse zur Ausführung zu bringen - als die bestimmten Vorsätze seines Herzens. Er wünschte etwas zu haben, an welchem Er die unendlichen Reichtümer seiner Gnade zeigen konnte - Er schuf es. Er hat dazu die Toten und Verlorenen genommen; aber sie sind nur die Gegenstände seiner Wirksamkeit, geeignet zur Offenbarung dieser Wirksamkeit wegen ihres Zustandes. Er wirkt nicht auf die Natur des Menschen, die der Seinigen entgegengesetzt ist, um diesen Gegensatz zu beseitigen, sondern Er macht aus dem Tod lebendig, Er schafft. Im Kolosserbrief dagegen ist die Rede von dem Tod des alten Menschen, den in Betracht zu ziehen der Apostel genötigt war. Gott sei gepriesen wir sind berechtigt, den alten Menschen als schon gestorben zu betrachten, weil Christus für uns gestorben ist. Ich möchte hier zu dem, was ich über den Heiligen Geist gesagt habe, noch hinzufügen, dass, wenn der Apostel im Kolosserbrief von der Kraft der Hoffnung in uns spricht, er das Unterpfand des Geistes nicht erwähnt. Es ist immer Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit. Überall ist es Christus, und zwar Christus als Leben.
- 3 Mit diesem Unterschied zwischen der Wirksamkeit des Geistes und dem Vorhandensein des neuen Lebens steht die Freiheit einer Seele in Verbindung. Wenn wir aus Gott geboren sind, so haben wir notwendigerweise Sinn für Heiligkeit; die Liebe ist wirksam in uns; wir haben Gefallen an der Gerechtigkeit Gottes. Aber gerade diese Gefühle bewirken auch, obschon mein Herz die Liebe, die in Gott ist, schätzt, und diese Liebe mich anzieht und mir ein gewisses Maß von Vertrauen einflößt, dass mein Gewissen mich verurteilt; ich fühle, dass ich nicht das bin, was ich liebe. Ich stehe unter dem Gesetz und bin ungewiss über mein Verhältnis zu Gott. Habe ich aber den Wert des Blutes Christi kennen gelernt und weiß, dass Christus meine Gerechtigkeit ist, so gibt mir der in mir wohnende und wirkende Heilige Geist das Gefühl meiner Verbindung mit Gott. Ich habe das Bewusstsein davon in meiner Seele, und der Heilige Geist gibt Zeugnis davon. Da ist dann Freiheit.
- 4 Das ist sehr verschieden von dem der Sünde Gestorbensein in Röm 6. Während dieses in dem Sterbenden Böses voraussetzt (außer natürlich bei Christus, der für diejenigen starb, die das Böse hatten), ist das Töten eine Handlung der Kraft in dem, was gut ist - in dem neuen Menschen.
- 5 Der ganze Charakter des Bösen im Menschen zeigt sich in diesen drei Formen gewöhnlich in Gewalttat und sittlichem Verderben, wobei letzteres die zwiefache Form von Lust und Lüge annimmt. So war die Erde vor der Flut „verderbt vor Gott und voll Gewalttat“ (1. Mo 6,11). Lüge ist Satans Form des Verderbens, aber auch Gewalttat kennzeichnet ihn (Joh 8,44). Der Mensch fügt, weil das Fleisch in ihm ist, die Lust hinzu.
- 6 Man beachte den Unterschied in der entsprechenden Stelle im Epheserbrief (Eph 4,23+24). Dort ist der Christ „nach Gott geschaffen in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Hier handelt es sich um die neuen Begriffe des göttlichen Lebens, das Gott kennt - um unseren Zustand, nicht um Gottes schöpferische Tätigkeit. Nicht als ob dies dem Gesichtspunkt des Epheserbriefes widerspräche; Im Gegenteil das hier mit „erneuert“ übersetzte Wort ist ein anderes als im Epheserbrief; es bezeichnet etwas ganz Neues, etwas, was vorher nicht da war. Im Epheserbrief hat das Wort „erneuern“ den Sinn von frisch und neu erhalten.
- 7 Man beachte hier, wie Geduld, Gütigkeit und Langmut den Christen kennzeichnen. Es ist beachtenswert, dass das überall der Fall ist; und es muss so sein in einer Welt wie dieser. Es war so in Christus; und so tragen auch in 1. Kor 13 die einzelnen Züge der Liebe alle diesen Charakter. Nicht als wenn damit gesagt wäre, was Liebe ist, aber es ist charakteristisch für sie. Wo diese Züge fehlen, da fehlt die Liebe.