Prophetische Übersicht über die Psalmen

Psalm 1-8

Die ersten acht Psalmen bilden eine Einleitung in die gesamten Psalmen.1 Sie führen die Hauptelemente der israelischen (und vor allem der jüdischen) Geschichte in den letzten Tagen ein; von der ersten Absonderung des Überrestes von der jüdischen Masse, die sich wieder im Land versammelt hat, bis hin zu der kommenden Herrschaft Christi als Sohn des Menschen.

Psalm 1

Kurz nachdem die Juden (die zwei Stämme: Juda und Benjamin) in das Land Israel zurückgekehrt sind, wird sich aus der abtrünnigen Masse ein gottesfürchtiger Überrest herauskristallisieren, der Glaube an den HERRN hat. Dieser wird Gott fürchten und zittern vor seinem Wort (Jes 66,2). Diese Juden werden von der Masse (der großen Versammlung) moralisch abgesondert sein, obwohl sie äußerlich mitten unter ihnen leben. Sie werden ihre Wonne am Gesetz Gottes haben (Ps 1,1–3). Ihre abtrünnigen Brüder („die Gottlosen“ in der Elberfelder Übersetzung) gleichen ihnen nicht. Sie nehmen keine Rücksicht auf die Belange Gottes. Ihre Gründe zur Rückkehr ins Land waren lediglich kommerzieller, politischer und kultureller Natur. Sie vollbringen die Handlungen der Anbetung, doch ihre Herzen sind weit von Gott entfernt (Jes 66,3.4). Der Überrest erkennt daher, dass die Gottlosen durch reinigendes Gericht aus dem Land beseitigt werden müssen bevor das Reich aufgerichtet2 werden kann (Ps 1,4–6).

Psalm 23

In Psalm 1 finden wir den moralischen Charakter des gottesfürchtigen jüdischen Überrestes. In Psalm 2 finden wir ihre Hoffnung, das Kommen ihres lang erwarteten Messias zur Aufrichtung des Reiches gemäß den Verheißungen Gottes. Der Psalm beginnt mit den Staatenbünden der Menschen, geknüpft zur Ablehnung Christi (des „Gesalbten“). Wenn es möglich wäre, würden diese Ihn in Rebellion und Hass daran hindern, die Herrschaft über die Staaten der Welt zu übernehmen (Ps 2,1–3). Von diesen Szenen des Abfalls, der Rebellion und der Gesetzlosigkeit wird unser Blick aufwärts gerichtet zu der erhabenen Stellung des verworfenen Christus, der zur Rechten Gottes sitzt. In Ausharren sitzt Er jetzt, aber Er wird nicht für immer schweigen. Er wird aufstehen und seine Feinde zum Schemel seiner Füße machen. Er wird Gericht über sie üben am Tag der Rache, wonach Er seinen rechtmäßigen Platz in Zion (Jerusalem) als König der Könige einnehmen wird (Ps 2,4–6). Der Messias (Christus) spricht anschließend. Er verkündigt Gottes Ratschlüsse, die besagen, dass Er als der Sohn Gottes die Königreiche dieser Erde ererben soll. Es wird die Zeit kommen, in der Christus von seinem Vater fordern wird und Er wird Ihm „zum Erbteil geben die Nationen und zum Besitztum die Enden der Erde“. Er wird über sie herrschen mit einem eisernen Zepter (Ps 2,7–9). Die Schlussverse sind Mahnung und Warnung an alle, sich dem kommenden König zu unterwerfen, um mit Ihm gesegnet zu werden im Reich (Ps 2,10–12).

Psalm 3

Die nächsten fünf Psalmen (Ps 3–7) beschreiben die Sorgen und Prüfungen, die der Überrest durchlaufen muss, bevor der Herr erscheint; bevor Er sie befreit und in das Reich einführt, wie im vorherigen Psalm vorausgesagt. Diese Psalmen erstrecken sich vom Morgen, über die Nacht, zum Morgen eines neuen Tages im Leben des Überrestes.4 Psalm 3 ist ein Morgengebet („ich erwachte“ Ps 3,6), Psalm 4 ist ein Abendgebet („In Frieden werde ich sowohl mich niederlegen als auch schlafen“ Ps 4,9), Psalm 5 besteht aus Überlegungen während der Nacht (Ps 5,4), in Psalm 6 ist es Mitternacht („jede Nacht“ Ps 6,75) und in Psalm 7 erreicht der Überrest schließlich die Dämmerung („Steh auf“, „Wache auf“ Ps 7,7), zu welcher der Herr zu ihrer Befreiung kommen wird, ihre Feinde richtend. Psalm 8 zeigt den wiedergekommenen Christus, der seinen rechtmäßigen Platz eingenommen hat, um als Sohn des Menschen über die ganze Schöpfung zu herrschen (das 1000-jährige Reich). An der Überschrift zu Psalm 3 können wir erkennen, dass dieser Psalm auf jene Zeit Anwendung findet, in welcher der gottesfürchtige Überrest wegen seines Glaubens an Gott Verfolgung von Seiten seiner ungläubigen Brüder erleiden wird. Absalom und die Nation Israels, die sich ihm anschloss, sind Vorbilder des Antichristen und der Masse der abtrünnigen Juden in der Drangsalszeit. David und die Leute mit ihm sind Vorbilder von Christus, der sich im Geist mit dem gottesfürchtigen und treuen Überrest identifiziert. Siehe 2. Samuel 15–18. Zunächst werden die Aussichten für den Überrest günstig erscheinen. Obwohl sich seine abtrünnigen Brüder über seinen Glauben lustig machen, indem sie sagen „Bei Gott ist keine Rettung für ihn“ (Ps 3,3), ist der Überrest zuversichtlich, dass der Herr Ordnung herstellen wird (Ps 3,1–4).6 Der Überrest ist nach wie vor in Freiheit in Zion („sein heiliger Berg“ Ps 3,5). Dies ist charakteristisch für das erste Buch der Psalmen, in dem der Überrest unter der großen Versammlung ist und mit ihnen in das Haus Gottes geht. Sie schreien zu dem Herrn, weil es ihnen ein Rätsel ist, dass die Gottlosigkeit weiterhin bestehen darf, doch sie vertrauen, dass dies nicht für immer so bleiben werde. Ihr einfacher Glaube und ihre Zuversicht geben ihnen Frieden. Sie können in dem Herrn ruhen und haben daher keine Angst vor der abtrünnigen jüdischen Mehrheit, die sie umgibt (Ps 3,5–7). Im Glauben ruft der Überrest zu dem Herrn, zu erscheinen und ihn zu befreien. Sie schauen zurück und erinnern sich, dass Gott die Feinde seines Volkes in der Vergangenheit unterworfen hat und glauben, dass Er es für sie erneut tun wird, da die Rettung von dem Herrn ist (Ps 3,8.9).

Psalm 4

In diesem Abendpsalm (Ps 4,9) sind die Zeiten für die Juden des Überrestes dunkler geworden. Dennoch sind sie weiterhin voll Zuversicht, dass alles trotz der Verfolgungen ein gutes Ende nehmen wird. Sie erkennen, dass der Druck, dem sie ausgesetzt sind, von Gott kommt und zu ihrem Wohl und Wachstum dient (Ps 4,2: „in Bedrängnis hast du mir Raum gemacht“). Dies bringt sie dazu, vor ihren gottlosen Brüdern Zeugnis abzulegen. Sie ermahnen sie (die ungläubigen Juden) aufzuhören, Eitles zu lieben und Lüge zu suchen (Ps 4,3) und stattdessen mit ihren Herzen zu dem Herrn zu rufen. Sie bitten sie eindringlich von ihren bösen Wegen umzukehren und Opfer der Gerechtigkeit darzubringen und dem Herrn zu vertrauen (Ps 4,1–4). Zuerst hat der Überrest große Hoffnung, dass seine Brüder wahrhaft zu Gott umkehren, doch wenn die abtrünnigen Juden seine Predigt höhnend verwerfen, bemerkt er allmählich (wie die folgenden Psalmen verdeutlichen), dass dieses Volk sich Gott gegenüber unheilbar verhärtet hat. Bis hierhin bleibt der Glaube des Überrestes unerschütterlich. Seine feste Zuversicht in Gott gibt ihm die Kraft, weiterhin friedlich in der Mitte aller Bedrängnisse zu ruhen (Ps 4,7–9).

Psalm 5

Dies ist ein Nachtpsalm (Ps 5,4). Die Umstände für den Überrest sind noch dunkler geworden. Der „Mann des Blutes und des Truges“ (der Antichrist), der falsche Messias der Juden ist im Land aufgestanden (Ps 5,7). Auch unter der zunehmenden Bedrängnis des Bösen bleibt der Überrest im Gebet. Sie versetzen sich bereits an den Morgen, an dem sie befreit und ihre Nöte beendet sein werden. Sie wissen, dass sich das Böse nicht bei Gott aufhalten kann und sind überzeugt, dass es besiegt werden wird. Obwohl die feindliche Macht der abtrünnigen Juden unter dem Antichristen zu einer festen Größe geworden zu sein scheint, ist sich der Überrest sicher, dass sie gebrochen werden wird (Ps 5,2–8). Der Psalm endet mit zwei Bitten; die erste um Leitung in diesen gottlosen Tagen (Ps 5,9.10), die zweite7 um Verderben für die abtrünnigen Juden, die dem Antichristen folgen (Ps 5,11–13).

Psalm 6

Die Überschrift dieses Psalms deutet die tiefe Seelenübung des Überrestes an. Eine „Scheminit“ ist eine Tonlage im Bassbereich eines Musikinstruments. Es drückt die tiefgehenden Gefühle in den Herzen der Juden des Überrestes aus. Die Umstände sind für sie nun sehr dunkel geworden (Ps 6,7). Daher sind ihre Gebete noch intensiver. Zusätzlich zu ihren bisherigen Sorgen kommt in ihnen der Gedanke auf, dass Gott sie in seinem Zorn züchtigt. Sie werden nicht nur von ihren Brüdern verfolgt; jetzt in diesem Psalm fühlen sie sich auch unter göttlichem Zorn. Verwirrt, dass der Herr nicht für sie gekommen ist, rufen sie „und du, HERR, bis wann?“ (Ps 6,2–4). Unter dem Eindruck, dass sich seine Seele dem Tod annähert, ruft der Überrest den Herrn weiterhin auf, zurückzukehren und ihn zu befreien (Ps 6,5–8). In der Überzeugung, dass der Herr seine Gebete gehört hat, wartet er weiter auf seine Befreiung (Ps 6,9–11).

Psalm 7

Die Juden des Überrestes flehen weiterhin zu dem Herrn, Er möge sie erretten (Ps 7,2.3). Sie sind bestürzt, dass Er die Verfolgung über einen so lange Zeitraum zulässt. Sie geben zu, dass all dies gerechtfertigt wäre, wenn Unrecht in ihren Händen wäre; aber da sie die ganze Zeit in Lauterkeit lebten, behaupten sie, dies nicht zu verdienen (Ps 7,4–6). Dies führt sie ein weiteres Mal dazu, den Herrn im Gebet anzurufen, damit Er in seinem Zorn erscheine und ihre Feinde richte, damit sie selbst am Ende als rehabilitiert dastehen könnten. Die Juden des Überrestes warten in Glaubenszuversicht darauf, dass der Herr die Nationen der Erde richtet, sodass die Bosheit niedergeschlagen und Gerechtigkeit aufgerichtet werden kann (Ps 7,7–10). Zuletzt erscheint – als Antwort auf ihr Rufen – der Herr;8 zunächst zur Errettung des Überrestes (Ps 7,11.12a), aber dann auch um dessen Feinde zu richten (Ps 7,12b-14). Er wird beschrieben als ein Krieger, der die Klinge seines Schwertes schärft und seinen Bogen spannt, um Pfeile auf seine Feinde abzuschießen. In besonderer Weise wird sein Gericht über den Antichristen, den Menschen der Sünde (2. Thes 2,3), hervorgehoben (Ps 7,15–17). Der Psalm endet mit einem Lobpreis des Herrn durch den Überrest. Darin wird sein Titel „der Höchste“ gebraucht. Dies lässt erkennen, dass alle Feinde vernichtet worden sind und das 1000-jährige Reich angebrochen ist (Ps 7,18).

Psalm 8

Der zurückgekehrte Herr nimmt die Position universaler Herrschaft über alle Werke der Schöpfung ein. Als Sohn des Menschen sind alle Dinge seinen Füßen unterworfen. Der Titel zeigt uns, wie Er seine Herrschaftsrechte geltend machen wird. Dort wird auf die Gittit (bedeutet „Weinpresse“) verwiesen, was auf Gericht hindeutet (Off 14,17–20). Er wird zuerst die Nationen der Erde im Gericht vernichten, wie im vorherigen Psalm beschrieben, und dann wird Er den Mittelpunkt aller irdischen Verherrlichung bilden. Der Psalm beginnt mit Lobpreis. Der ganzen Erde wird verkündet, wie herrlich sein Name ist (Ps 8,2.3). Der zweite Teil des Psalms zeigt, dass, während der erste Mensch seine Herrschaft durch die Sünde verloren hatte, der zweite Mensch und letzte Adam sie in Auferstehung zurückgebracht hat. Er, der einst verworfen wurde, ist jetzt mit Herrlichkeit gekrönt (Heb 2,6–9). Alles in der Schöpfung (das Erbe) ist Ihm unterworfen (Ps 8,3–9). Vergleiche mit 1. Korinther 15,24–28.

Fußnoten

  • 1 Siehe J. N. Darby: „Synopsis of the Books of the Bible“; F. W. Grant: „Numerical Bible“ (Psalms), S. 12; A. C. Gaebelein: „The Book of the Psalms“, S. 17; W. Kelly: „Brief Hints on the Psalms“, S. 6.
  • 2 Es ist an dieser Stelle zweifelhaft, ob der gottesfürchtige Überrest verstehen wird, wie Gott den Assyrer (die erste Attacke des Assyrers: der König des Nordens und seine arabische Konföderation) benutzen wird, um die Gottlosen aus dem Land zu entfernen. Sie werden jedenfalls verstehen, dass Gerechtigkeit und Gottlosigkeit im Reich nicht nebeneinander existieren können, und daher alle Ungerechtigkeit beseitigt werden muss.
  • 3 Dieser Psalm ist der erste der sogenannten „Messianischen Psalmen“. Es handelt sich dabei um Psalmen, die im Neuen Testament direkt auf Christus, den Messias, bezogen werden. Es sind diese: Psalm 2: Seine Fleischwerdung (Heb 1,5), Psalm 8: der letzte Adam (Heb 2,6-8), Psalm 16: Seine Auferweckung (Apg 2,25-28; 13,35), Psalm 18: Sein Vorsatz die Nationen zu segnen (Röm 15,8.9), Psalm 22: Seine Kreuzigung (Mt 27,46; Joh 19,24.36), Psalm 24: Seine Herrlichkeit im 1000-jährigen Reich (1. Kor 10,26), Psalm 40: Seine Unterordnung unter den Willen Gottes (Heb 10,5-9), Psalm 41: Der Verrat an Ihm (Joh 13,8), Psalm 45: Der König (Heb 1,8.9), Psalm 68: Seine Himmelfahrt (Eph 4,8), Psalm 69: Seine Verwerfung (Joh 2,17; 15,25; 19,28), Psalm 91: Seine Versuchung (Lk 4,10.11), Psalm 97: Sein zweites Kommen (Heb 1,6), Psalm 102: Sein unveränderliches Wesen (Heb 1,10-12), Psalm 110: Seine Priesterschaft (Apg 2,34; Heb 1,13; 5,6; 7,17), Psalm 118: Der Eckstein (Mt 21,42).
  • 4 Vgl.: J. G. Bellett: „Short Meditations on the Psalms“, S. 13–15.
  • 5 Darby übersetzt „all the night“ (die ganze Nacht). (Anm. d. Übers.)
  • 6 Hier wird zum ersten Mal der Ausdruck „Sela“ in den Psalmen gebraucht. Er kommt insgesamt 71-mal vor. Er bedeutet „innehalten und überdenken“. Er könnte ursprünglich ein instrumentales Zwischenspiel gekennzeichnet haben, aber wir können es als einen Hinweis auffassen, an dieser Stelle mit dem Lesen aufzuhören und über das, was wir gelesen haben, nachzusinnen bevor wir fortfahren.
  • 7 Dies ist der erste der sogenannten „Verwünschungspsalmen“. Dabei handelt es sich um Psalmen, in denen für die Zerstörung der Feinde gebetet wird. Es sind diese: Psalm 5,11; 7,7-11; 10,15; 28,4.5; 35,1-8; 55,10.16; 58,7-10; 59,12-14; 69,23-29; 79,6.7.12; 82,8; 83,10-19; 94,1.2; 109,6-20; 137,7-9; 140,9-12; 141,5.10; 143,11.12; 144,5-8.
  • 8 Ab dem 11. Vers ist dieser Psalm hauptsächlich im Präsens (Gegenwart) geschrieben, woran sich erkennen lässt, dass der Herr bereits gekommen ist. Vers 12 könnte auch „Gott ist ein Richter der Sache des Gerechten“ übersetzt werden.
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