Der Tod - ein besiegter Feind

Das Kommen des Herrn und der Sieg

Der Tod - ein besiegter Feind

1. Korinther 15,50–58

IN DEM, WAS WIR BISHER betrachtet haben, haben wir die Antwort auf die Frage gefunden, „mit was für einem Leib“ Gott die Seinen in der Auferstehung bekleiden wird (vgl. i.Kor 15,35). Oder anders ausgedrückt: Wir haben gesehen, welchen Charakter die Auferstehung der Gläubigen tragen wird.

Aber über den Verlauf oder den Prozess der Auferstehung -„Wie werden die Toten auferweckt?“ – haben wir noch nichts Näheres gehört. Das ist nun der erhabene Gegenstand der restlichen Verse des Kapitels, der Verse 50–58.

Das Reich Gottes erben

Der 50. Vers baut auf dem bisher Gesagten auf und stellt eine Art Übergang zu dem neuen Thema dar, das nun vor uns kommen soll – dem der Verwandlung der Gläubigen. Er bekräftigt zuerst noch einmal, dass wir mit unserem heutigen Körper nicht in den Himmel gelangen können.

„Dies aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können, auch die Verwesung nicht die Unverweslichkeit erbt“ (Vers 50).

Mit einem nachdrücklichen „Dies aber sage ich“ redet der Apostel nun direkt die „Brüder“ an. Und das macht eindeutig klar: Um einen Anspruch auf das Reich Gottes – gleichgültig in welcher Form oder zu welcher Zeit – zu haben, müssen wir „Brüder“, müssen wir aus Gott geboren sein (Joh 1,12.13; 3,3–5). Um es zu „erben“, das heißt, um es auf der anderen Seite des Todes zu erlangen, müssen wir zudem verwandelt werden.

Fleisch und Blut

„Fleisch und Blut“ ist die Beschreibung der Schrift für das, was der Mensch hier auf der Erde ist. Das Menschsein heute ist durch „Fleisch und Blut“ gekennzeichnet. Das also ist es, was der Mensch dem Körper nach als Geschöpf ist: Fleisch und Blut. Dass dieser Ausdruck nicht mit Sünde verwechselt werden darf, sei anhand einiger Schriftstellen deutlich gemacht, wo er ebenfalls in dem angegebenen Sinn vorkommt.

Als Petrus das einzigartige Bekenntnis darüber ablegte, wer der Herr Jesus ist, antwortete der Herr ihm: „Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist“ (Mt 16,17). Von Paulus heißt es, dass er „nicht mit Fleisch und Blut zu Rate ging“, als er den Auftrag erhielt, den Sohn Gottes unter den Nationen zu verkündigen (Gal 1,16). Dass der Herr Jesus in unfassbarer Gnade wahrer Mensch wurde und an unserem Menschsein – nicht an der Sünde – teilnahm, drückt die Schrift so aus: „Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran teilgenommen“ (Heb 2,14). Auch ist der Kampf des Christen im Gegensatz zum Volk Israel zur Zeit des Alten Testaments „nicht gegen Fleisch und Blut (das heißt: gegen Menschen), sondern gegen die Fürstentümer,... gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern“ (Eph 6,12). Als jedoch der Herr aus den Toten auferstanden war und den Seinen erschien, besaß Er nicht mehr einen Körper aus Fleisch und Blut, sondern Er konnte sagen: „Seht meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin; betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Gebein (oder: Knochen), wie ihr seht, dass ich habe“ (Lk 24,39).

Doch kommen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück: Selbst der gläubige, errettete Mensch kann mit seinem Körper, wie er ihn heute hat, nicht das Reich Gottes erben, kann nicht an dem Reich Gottes jenseits des Todes teilhaben. Denn das bedeutet das „Reich Gottes“ hier ausschließlich: das Reich Gottes auf der anderen Seite des Todes. Es ist das Reich Gottes in Herrlichkeit. Das „irdene Gefäß“ (2. Kor 4,7), das wir heute tragen, ist dafür absolut ungeeignet.

Noch drastischer stellt der Nachsatz die Dinge dar: „Auch die Verwesung erbt nicht die Unverweslichkeit.“ Wir haben schon früher gesehen, dass „Verwesung“ besser mit „Vergänglichkeit, Verderben, Zerstörung“ wiederzugeben ist. Nun, Kinder Gottes sind, was ihren Körper angeht, Menschen, wie es auch die anderen Menschen sind; sie sind demselben Los, sind der Vergänglichkeit unterworfen, obwohl Christus in ihnen ist und sie „des Herrn sind“. Und sterben sie, wird die Vergänglichkeit, wird die Verderbnis auch in ihrem Fall für alle sichtbar. Dieser Zustand der Vergänglichkeit kann jedoch unmöglich in den Zustand der Unvergänglichkeit, wie er für den Himmel typisch ist, verpflanzt werden.

Nach all diesem drängt sich eine Notwendigkeit auf: Kinder Gottes müssen, um an der Herrlichkeit teilzuhaben, eine weiter gehende Verwandlung erfahren als die, die sie im Blick auf ihren inneren Menschen schon erlebt haben. Und auf diese Veränderung der Zustände kommt der Apostel nun zu sprechen. Durch eine besondere Offenbarung war ihm das Geheimnis darüber anvertraut worden.

Die Verwandlung der Gläubigen

„Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden [zwar] nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden“ (1. Kor 15,51).

Mit einem „Siehe!“ lenkt der Apostel die Aufmerksamkeit seiner Leser und auch die unsere auf das, was er jetzt zu sagen gedenkt. Es handelt sich dabei um Mitteilungen von außerordentlicher Tragweite für uns alle. Und sie betreffen dieselben Vorgänge, von denen der inspirierte Schreiber in seinem ersten Brief an die Thessalonicher spricht (Kap. 4,15–17) – Vorgänge, die mit der Entrückung der Gläubigen in unmittelbarer Verbindung stehen.

Beide Abschnitte, der in 1. Korinther 15 und der in 1. Thessalonicher 4, beziehen sich also auf dieselben Ereignisse, und sie ergänzen einander. Sie beweisen einmal mehr, dass die Heilige Schrift selten alles an einer Stelle sagt. Tatsächlich brauchen wir beide Abschnitte, um ein abgerundetes Bild über die einzelnen Schritte bei der Entrückung zu bekommen. Einige Einzelheiten werden nur in dem einen, andere wieder nur in dem anderen Abschnitt genannt. Wir werden uns hier vornehmlich mit dem beschäftigen, was uns unser Abschnitt in 1. Korinther 15 an Einzelheiten bietet.

Ein Geheimnis

Zunächst muss uns der Ausdruck „Geheimnis“ beschäftigen. Nicht selten wird darunter etwas verstanden, was „von Geheimnissen umwittert“ und nur schwer oder gar nicht zu verstehen ist, etwas Mystisches also. Aber das ist nicht die Bedeutung von „Ge-heimnis“ im Neuen Testament.

Ein „Geheimnis“ ist eine Wahrheit des Wortes Gottes, die im Alten Testament nicht bekannt gemacht worden ist und die dementsprechend nur durch Offenbarung vonseiten Gottes im Neuen Testament gekannt und durch Glauben auf unserer Seite erfasst werden kann. „Geheimnisse“ sind also neutestamentliche Wahrheiten, die im Alten Testament noch nicht offenbart waren. Deswegen kommt allein schon der Ausdruck „Geheimnis“ im Alten Testament verhältnismäßig selten vor, und wenn er uns doch einmal begegnet, trägt er eine andere Bedeutung: „vertraute Mitteilung, vertrauter Umgang“ (Ps 25,14; Spr 3,32; Amos 3,7).

Die Geheimnisse im Neuen Testament dagegen haben die göttlichen Gedanken und den Ratschluss Gottes zum Inhalt. Sie waren zwar von Anfang an im Herzen Gottes, waren aber in den Zeiten des Alten Testaments verborgen und unbekannt. Doch jetzt hat Gott sie Seinen heiligen Aposteln und Propheten (denen des Neuen Testaments) offenbart (Eph 3,5), die sie ihrerseits weitergegeben und erklärt haben, so dass wir sie heute auf den Blättern des Neuen Testaments finden können. Für uns Christen der Gnadenzeit sind es also nicht länger verborgene, sondern offenbarte Geheimnisse.

Hier ist natürlich nicht der Platz, um auf die zwölf Geheimnisse, die uns im Neuen Testament genannt werden, näher einzugehen. Dennoch seien sie wenigstens einmal kurz aufgeführt. Dabei ist zu bemerken, dass „Geheimnis“ auch im Blick auf böse Entwicklungen gebraucht wird:

  1. Das Geheimnis des Reiches der Himmel oder des Reiches Gottes (Mt 13,11; Mk 4,11; Lk 8,10)
  2. Das Geheimnis der Wiederherstellung Israels (Röm 11,25)
  3. Das Geheimnis der Verwaltung der Gläubigen bei der Auferstehung der Heiligen (1. Kor 15,51).
  4. Das Geheimnis, alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus (Eph 1,9.10).
  5. Das Geheimnis der Einheit von Gläubigen aus Juden und Nationen (Eph 3,4–6).
  6. Das Geheimnis der innigen Verbindung der Versammlung mit Christus (Eph 5,32).
  7. Das Geheimnis des Evangeliums (Eph 6,19).
  8. Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit (2. Thes 2,7).
  9. Das Geheimnis des Glaubens (1. Tim 3,9).
  10. Das Geheimnis der Gottseligkeit, das heißt wahrer Frömmigkeit (1. Tim 3,16).
  11. Das Geheimnis der sieben Sterne und der sieben goldenen Leuchter (Off 1,20).
  12. Das Geheimnis Babylons, der Hure (Off 17,5).

Die Auferstehung im Alten Testament

Wenn wir nun nach diesem Überblick über die Geheimnisse des Neuen Testaments auf das Geheimnis in 1. Korinther 15, Vers 51, zurückkommen, so müssen wir zunächst einmal feststellen, dass die Auferstehung selbst kein Geheimnis ist. Die Auferstehung von Gerechten und Ungerechten war eine bekannte, fundamentale Wahrheit im Alten Testament, wenn sie auch nur an verhältnismäßig wenigen Stellen bezeugt wird. Lenken wir für einige Augenblicke unsere Aufmerksamkeit auf solche Stellen. So kostbar und den Glauben stärkend sie nämlich an sich auch sind, so treten dadurch doch auch die Gegensätze zu dem, was im Neuen Testament offenbart ist, um so deutlicher hervor.

Dass die alttestamentlichen Gläubigen an eine Auferstehung glaubten, ist unbestreitbar. Das Beispiel Hiobs, eines der ältesten Patriarchen der Heiligen Schrift, belegt das aufs Deutlichste. Es hat uns bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit beschäftigt.

Auch die Patriarchen des ersten Buches Mose haben an die Auferstehung geglaubt. Abraham kaufte sich die Höhle des Feldes von Machpela vor Hebron, er war in Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes (Hebron bedeutet „Gemeinschaft“), und dort begrub er seine Frau Sara, dort begruben alle Patriarchen ihre Frauen, dort begruben die Söhne Jakobs ihren Vater (1. Mo 50,13). Als Joseph nach vielen Jahren des Weilens im fernen Land Ägypten sein Ende herannahen fühlte, sagte er zu seinen Brüdern: „Ich sterbe; und Gott wird sich euch gewiss zuwenden und euch aus diesem Land hinaufführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen hat. Und Joseph ließ die Söhne Israels schwören und sprach: Gott wird sich euch gewiss zuwenden; so führt meine Gebeine von hier hinauf!“ (1. Mo 50,24.25).

Jahrhunderte später gedachte Mose der Worte Josephs, und wir hören in 2. Mose 13, Vers 19: „Und Mose nahm die Gebeine Josephs mit sich; denn er hatte die Kinder Israel ausdrücklich schwören lassen und gesagt: Gott wird sich euch gewiss zuwenden; so führt denn meine Gebeine mit euch von hier hinauf!“ Erst unter Josua jedoch kamen die Gebeine Josephs in das Land Kanaan: „Und die Gebeine Josephs, die die Kinder Israel aus Ägypten heraufgebracht hatten, begruben sie in Sichern auf dem Stück Feld, das Jakob von den Söhnen Hemors, des Vaters Sichems, für hundert Kesita gekauft hatte“ (Jos 24,32). Doch, so mag jemand fragen, weshalb all diese Sorgfalt toter Gebeine wegen? Wir glauben, dass es hierauf nur eine Antwort gibt: Die Patriarchen sahen im Glauben ihre Auferstehung voraus, sie wollten im Land der Verheißung sein, wenn der Augenblick der Auferstehung käme (Heb 11,15.16a).

Daniel, der in frühester Jugend nach Babel gekommen war und dort weit reichende Offenbarungen über die zukünftigen Tage erhalten hatte, muss ein sehr hohes Alter erreicht haben; denn er überlebte mehrere Dynastien, er sah den Aufstieg und den Niedergang des babylonischen Weltreiches, und er erlebte noch die Machtübernahme durch Kores, den Perser. Als Daniel an das Ende seines Buches und seines Lebens gekommen war, redete Gott zu ihm von der Auferstehung: „Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu“ (Kap. 12,2). Wenn sich diese Worte auch in besonderer Weise auf die nationale Auferstehung des Volkes Israel beziehen, so lässt doch Gott seinen treuen Knecht nicht ohne Hoffnung auf seine persönliche Auferstehung aus dieser Welt scheiden: „Du aber geh hin bis zum Ende; und du wirst ruhen und wirst auferstehen zu deinem Los am Ende der Tage“ (Vers 13).

Dass die Hoffnung der Auferstehung keine spezifisch christliche Wahrheit ist, unterstreichen die Worte des Apostels Paulus vor Agrippa in Apostelgeschichte 26, ab Vers 6: „Und nun stehe ich vor Gericht wegen der Hoffnung auf die von Gott an unsere Väter ergangene Verheißung, zu der unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend, hinzugelangen hofft; wegen dieser Hoffnung, o König, werde ich von den Juden angeklagt.“ Und er fährt fort: „Da mir nun der Beistand von Gott zuteil wurde, stehe ich bis zu diesem Tag da und bezeuge sowohl vor Kleinen als Großen, indem ich nichts sage außer dem, was auch die Propheten und Mose geredet haben, dass es geschehen werde, nämlich, dass der Christus leiden sollte, dass er als Erster durch Toten-

Auferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen“ (Verse 22.23). Der Herr Jesus sollte als Erster durch die Toten-Auferstehung Licht verkündigen. Und das war die Verheißung, die an die Väter Israels ergangen war.

Im 13. Kapitel der Apostelgeschichte finden wir ein weiteres, köstliches Zitat aus Psalm 16, das ebenfalls von der Auferstehung des Herrn Jesus spricht: „Und wir verkündigen euch die gute Botschaft von der an die Väter ergangenen Verheißung, dass Gott diese uns, ihren Kindern, erfüllt hat, indem er Jesus erweckte, wie auch in dem zweiten Psalm geschrieben steht:,Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt/ Dass er ihn aber aus den Toten auferweckt hat, damit er nicht mehr zur Verwesung zurückkehre, hat er so ausgesprochen:,Ich werde euch die zuverlässigen Gnaden Davids geben/ Deshalb sagt er auch an einer anderen Stelle:,Du wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe/ Denn David freilich, als er zu seiner Zeit dem Willen Gottes gedient hatte, entschlief und wurde zu seinen Vätern beigesetzt und sah die Verwesung. Der aber, den Gott auferweckt hat, sah die Verwesung nicht. So sei es euch nun kund, Brüder, dass durch diesen euch Vergebung der Sünden verkündigt wird“ (Verse 32–38). Der Herr Jesus ist auferweckt worden. Das gehört, wie wir schon gesehen haben, zur Grundlage des Christentums.

Noch etwas ist für die Hoffnung der alttestamentlichen Gläubigen im Blick auf die Auferstehung kennzeichnend: Sie hatte nur ein neues Leben auf der Erde zum Inhalt. Doch ist das die Hoffnung des Christen, ist das der Inhalt des „Geheimnisses“? Wir werden sogleich sehen, dass dem nicht so ist.

Wenn nun im Alten Testament offen von der Auferstehung gesprochen wird, im Neuen Testament aber von einem Geheimnis die Rede ist, so straft das all jene Lehrer Lügen, die behaupten, es gebe nicht so etwas wie ein Kommen des Herrn für die Seinen; wenn die Toten auferweckt und die Lebenden verwandelt werden, handele es sich um das sichtbare Kommen Christi am Ende der großen Drangsal. Doch dem müssen wir entgegenhalten: Dieses sichtbare Kommen Christi ist Gegenstand der Offenbarung im ganzen Alten Testament. An manchen Stellen redet das prophetische Wort davon. Es war und ist kein Geheimnis. Aber das, wovon wir jetzt sprechen, ist eine neue Offenbarung, ist ein Geheimnis. Man kann und darf das Kommen des Herrn zur Entrückung der Heiligen nicht mit Seiner Erscheinung in Macht und Herrlichkeit gleichsetzen. Die Heilige Schrift unterscheidet diese beiden Aspekte der Ankunft des Herrn deutlich voneinander, besonders in den beiden Briefen an die Heiligen in Thessalonich.

Eine Aus-Auferstehung

Wir haben das Zeugnis der alttestamentlichen Schriften über die Auferstehung vernommen, haben gesehen, wie Paulus in der Apostelgeschichte davon spricht, indem er das Alte Testament zitiert. Doch der Apostel – und vor ihm der Herr Jesus selbst – benutzt einen Ausdruck, auf den wir ein wenig näher eingehen müssen: Die Auferstehung der Gerechten würde eine Aus-Auferstehung sein. Damit kommen wir dem eigentlichen Inhalt des Geheimnisses einen wesentlichen Schritt näher.

Als der Heiland zum ersten Mal zu Seinen Jüngern davon sprach, dass der Sohn des Menschen nach Seinem Leiden „aus den Toten auferstehen“ würde, da wussten sie damit nichts anzufangen und besprachen sich miteinander: „Was ist das, aus den Toten auferstehen?“ (Mk 9,9.10). Wir können das verstehen: Sie wussten zwar um die Auferstehung, die „Auferstehung am letzten Tage“ (vgl. Joh 11,24); jedoch diese Seite der Wahrheit kannten sie noch nicht. Was ist nun damit gemeint?

Aus-Auferstehung bedeutet, dass einige aus den Toten heraus auferstehen werden, während die vielen anderen Toten liegen bleiben. Das große Beispiel dafür ist die Auferstehung des Herrn Jesus selbst (Apg 13,34; 1. Kor 15,20). Aber auch in der Auferweckung des Lazarus sehen wir ein Vorbild davon (Joh 11,43.44). Bei der Auferstehung der Toten vor dem großen weißen Thron jedoch findet keine Auswahl statt; denn es handelt sich dann ausnahmslos um Menschen, die in ihren Sünden gestorben sind, um die Gottlosen. Sie müssen, ist der Zeitpunkt dafür gekommen, alle auferstehen, und kein Einziger bleibt übrig. „Danach aber das Gericht“ (Heb 9,27). Schrecklicher, ernster Gedanke! Aber er macht auch klar, dass es eine so genannte allgemeine Auferstehung, an der alle Gestorbenen rL\i\: gleichen Zeit teilhaben, nicht gibt.

Die erste Auferstehung wird eine „Aus-Auferstehung“ sein. Das zusammengesetzte Hauptwort „Aus-Auferstehung“ kommt in Philipper 3, Vers 11, vor. Um seinem geliebten Herrn möglichst ähnlich zu sein, hatte der Apostel Paulus das sehnliche Verlangen, auch selbst zu dieser Aus-Auferstehung aus den Toten hinzugelangen.

Zwei Gedanken verbinden sich mit der Aus-Auferstehung:

  • Sie ist ein Zeichen der Gunst Gottes in Bezug auf die, die sie erfahren.
  • Sie führt eine endgültige Trennung von Gut und Böse herbei.

Als der Herr Jesus durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt wurde, war dies das hervorragende Zeugnis davon, dass Gott das äußerste Wohlgefallen an Seinem Sohn hat. Der Sohn hatte Gott auf vollkommene Weise im Leben und Sterben verherrlicht. Wie konnte Gott nun anders oder besser Sein Wohlgefallen an der Person Seines Sohnes kundtun als dadurch, dass Er Ihn „aus den Toten wiederbrachte“ (Heb 13,20)? Er war durch die Hand von Gesetzlosen umgebracht worden. Wie konnte der Vater Seinen Sohn angemessener ehren als dadurch, dass Er Ihn durch Seine Herrlichkeit „aus den Toten auferweckte“ (Röm 6,4)? Und auch dann, wenn die Heiligen aus den Toten auferstehen werden, wird dies das Zeichen der besonderen Gunst Gottes ihnen gegenüber sein. Die übrigen Toten bleiben in ihrem Zustand des leiblichen Todes, aber die Seinen nimmt Er aus ihnen heraus, um sie – mit einem geeigneten Körper bekleidet – in die herrliche Auferstehungswelt Seines Sohnes zu versetzen. Wie beglückt uns diese Wahrheit!

Aber dieser Gedanke tröstet uns auch angesichts all der traurigen Vermischung von Wahrem und Unwahrem in der heutigen Zeit: Wenn Gott die Heiligen aus den Toten auferwecken wird, dann wird damit eine absolute, unwiderrufliche und vollständige Trennung der Gerechten von den Ungerechten vollzogen.

Er hatte die Vermischung göttlicher Grundsätze mit den Grundsätzen der Welt in der Christenheit lange ertragen, hatte lange zugesehen, wie sich unter die Söhne des Reiches die Söhne des Bösen gemischt hatten (Mt 13,36–43). Es war Seine Langmut, die Ihn warten ließ, wie wir wissen (2. Pet 3,15). Doch dann wird Er das trennen, was nicht zusammengehört. Bei der Ankunft des Herrn wird diese Absonderung der Heiligen von den Unheiligen ein für allemal vollzogen werden, und bei Seiner Offenbarwerdung wird sie dann für alle sichtbar sein.

Wir können den Ratschluss Gottes nur bewundern, können nur anbetend niederfallen vor Dem, der solche Gedanken in Bezug auf Seinen Sohn und die an Ihn Glaubenden in Seinem Herzen hatte.

Alle werden verwandelt werden

Doch bei allem, was wir bis jetzt gesehen haben, bleibt die Frage offen, was mit uns, den Lebenden, bei der Auferstehung geschieht. Können wir mit unserem irdischen Körper in die Herrlichkeit gehen? Dass dies nicht möglich ist, hat uns bereits der 50. Vers in unserem Kapitel deutlich gemacht. Aber im nun folgenden Vers erfahren wir die Antwort auf unsere Frage:

„Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden [zwar] nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden“ (1. Kor 15,51).

Offen liegt das Geheimnis vor uns: Wir werden nicht alle entschlafen, das heißt sterben! Das ist das Erste, was wir hier erfahren. Es wird gläubige Menschen geben, die, ohne den Tod zu sehen und ohne die Demütigung des Todes erlebt zu haben, mit dem Herrn Jesus in die Herrlichkeit gehen. Zweifellos ist es den Menschen gesetzt, einmal zu sterben (Heb 9,27). Aber wir Christen stehen mit dem zweiten Menschen vom Himmel in Verbindung (1. Kor 15,47–49), und wir müssen eben nicht alle sterben. So sehr ist der Tod besiegt, dass, wenn Christus nur bald genug kommt, keiner der Seinen mehr den Tod sehen wird. So völlig ist für uns die Macht des Todes gebrochen! Und immer deudicher wird es uns, was es bedeutet, dass Gott uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus. Wenn der Herr kommt, als Heiland unseres Leibes kommt (Phil 3,20), dann soll sich Sein Sieg nach den Gedanken Gottes auch auf lebende Gläubige erstrecken.

Das führt uns zum zweiten Gegenstand unseres Verses: Die lebenden Gläubigen werden eine Verwandlung erfahren. Zur Bestätigung des Gesagten wollen wir uns zunächst einmal die Struktur des Verses etwas näher ansehen. Der Zwischensatz ist parenthetisch (als Einschaltung) aufzufassen. Ich setze einmal, um den Gedankengang des 51. Verses etwas durchsichtiger zu machen, zwei runde Klammern. Sie umschließen einen gedanklichen Einschub: „Wir werden (zwar nicht alle entschlafen, wir werden aber) alle verwandelt werden.“ Der Hauptgedanke, das Wunderbare ist also: Wir werden alle verwandelt werden. Bedenken wir die Unermesslichkeit dieses Wunders: Lebende Menschen werden die Kraft Seiner Auferstehung darin erfahren, dass sie die Verwandlung ihres Körpers der Niedrigkeit zur Gleichförmigkeit mit Seinem Leib der Herrlichkeit (Phil 3,21) bei Bewusstsein erleben werden! In Philipper 3 wird diese Verwandlung mit „Umgestalten“ umschrieben, in 1. Korinther 15 mit „Anziehen von Unverweslichkeit“ (Vers 53).

Wenn der Apostel Paulus von „Wir alle“ spricht: „Wir werden alle verwandelt werden“, so denkt er offenbar an alle die Gläubigen, die bei der Ankunft des Herrn Jesus noch leben, und er macht sich mit ihnen eins, zählt sich zu ihnen. Er betrachtet – nicht nur an dieser Stelle – das Kommen des Herrn als etwas, was jeden Augenblick eintreten kann. Deswegen steht es als etwas Gegenwärtiges, als etwas innig Erwartetes vor seiner Seele. Er sehnte sich danach – und auch unsere Sehnsucht geht dahin –, nicht entkleidet, son-dem überkleidet zu werden, „damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben“ (2. Kor 5,4). Welch ein unbeschreiblicher Triumph der Gnade Gottes wird das sein!

Die letzte Posaune

Wird eine so vollständige und derart weit reichende Verwandlung von sterblichen Menschen längere Zeit in Anspruch nehmen? Wird ein lang andauernder, schmerzlicher Prozess vonnöten sein? O nein, im Gegenteil! Die Verwandlung wird augenblicklich geschehen,

„In einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune“ (1. Kor 15,52a).

Die Wiederholung der Ausdrücke „in einem Nu“ – „in einem Augenblick“ weist mit Nachdruck auf die Augenblicklichkeit des Geschehens hin. Der erste Ausdruck enthält unser Wort „Atom“ (gr. atomos); das heißt, der Vorgang wird in unteilbarer Zeit vonstatten gehen. Die Verwandlung wird keine irdischen Betrachter oder Zuschauer haben, denn allein schon die Zeit, in der sie geschieht, ist zu kurz, als dass natürliche Augen sie wahrnehmen könnten.

Aber dann fügt der Geist Gottes noch etwas hinzu: „... bei der letzten Posaune.“ Damit wird die Endgültigkeit des Vorgangs beschrieben. In 1. Thessalonicher 4 wird gesagt, dass der Herr Jesus mit der Posaune Gottes vom Himmel herniederkommen wird. Hier nun wird festgestellt, dass die Verwandlung bei der letzten Posaune vollzogen wird.

Diese Posaune Gottes – in der Heiligen Schrift ist die Posaune oft ein Symbol für das Wort Gottes (4. Mo 10) – ist sicher gleichbedeutend mit der letzten Posaune von 1. Korinther 15, nur dass die Blickrichtung eine andere ist. Die letzte Posaune können wir als machtvolles Zeichen des endgültigen Aufbruchs verstehen. Im römischen Heer hatte die letzte der drei Posaunen diese Bedeutung: Aufbruch des Lagers.

Beachten wir: Die letzte Posaune hat nichts mit der siebten Posaune von Offenbarung 11 zu tun. Manche Ausleger behaupten das zwar und verlegen damit die Entrückung in die Zeit der Endgerichte; aber das ist unhaltbar. Von anderen Erwägungen und Zusammenhängen einmal ganz abgesehen, macht schon ein Gedanke die ganze Haltlosigkeit solcher Argumentation deutlich: Der Apostel Paulus schrieb seinen ersten Brief an die Korinther mehr als dreißig Jahre, bevor Johannes auf Patmos die Offenbarung erhielt. Niemand von den Gläubigen in Korinth konnte also etwas über die „Siegel“, „Posaunen“ und „Zornesschalen“ der Offenbarung wissen. Der Apostel Paulus beabsichtigte jedoch, die Gläubigen in Korinth in einer grundlegenden Wahrheit zu belehren, ja, zu korrigieren. Wäre es nicht im höchsten Maße unseriös, nein, mehr noch – absurd, dass er sich dabei einiger Symbole eines Buches bediente, das erst dreißig Jahre später geschrieben wurde, als zudem die meisten von denen, an die er schrieb, längst diese Erde verlassen hatten? Mussten solche Symbole der Versammlung in Korinth nicht völlig unverständlich sein? Musste ihre Verwendung den Gläubigen nicht unlösbare Rätsel aufgeben? Wie sollten sie denn den Belehrungen und Warnungen des Apostels Gehör schenken, wenn sie seine Redeweise nicht verstanden? Auf der Grundlage obiger Argumentation könnte man ebenso gut behaupten, dass die Posaune von 1. Korinther 14, Vers 8, sich gleichfalls auf die Posaunen in der Offenbarung beziehe.

Auf der anderen Seite waren die Empfänger des ersten Korintherbriefes durchaus mit den Sitten und Gewohnheiten der Griechen und Römer vertraut, und mehr als einmal benutzt der Apostel Bilder, die diesen Kulturkreisen entstammten, um seine Belehrungen dadurch zu illustrieren. Denken wir nur an das Bild des Wettkampfes! So verstanden die Gläubigen in Korinth auch das Bild von der letzten Posaune sehr wohl: Es war das Zeichen des Aufbruchs, der nahe bevorstand. Wenn die Posaune Gottes ertönt, wird jener erste Teil des Wortes des Herrn in Erfüllung gehen, der sich auf die bezieht, „die das Gute getan haben“:

„Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts“ (Joh 5,28.29).

Welch eine unvorstellbare Macht birgt die Stimme des Sohnes Gottes in sich, welch eine Kraft wird sie entfalten! Niemand wird sich ihr entziehen können. Selbst die Toten werden sie hören und – ihr gehorchen. Und so wird in unserem Text hinzugefugt:

„Denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden“ (1. Kor 15,52b).

Dass es sich hier nur um solche Tote handelt, die in Christus entschlafen sind, haben wir schon früher bemerkt. Bemerkenswert ist auch die Reihenfolge, in der zwei Gruppen genannt werden: Zuerst wird von den Toten und ihrer Auferweckung gesprochen und danach von uns, den Lebenden und unserer Verwandlung. Es ist dieselbe Reihenfolge, die wir auch in 1. Thessalonicher 4 antreffen. Obwohl alles in unvorstellbar kurzer Zeit ablaufen wird, wird es dennoch, was die Ordnung der Abläufe angeht, ein „Zuerst“ und ein „Danach“ geben (Verse 16.17).

Es ist nach meinem Dafürhalten nicht korrekt, die Verwandlung auf Lebende und Tote anzuwenden. Vielmehr werden in beiden Stellen diese zwei Gruppen von Gläubigen genannt und voneinander unterschieden: Im Blick auf die Toten in Christus wird von Auferweckung gesprochen, im Blick auf die Lebenden von Verwandlung. Wenn die letzte Posaune in erster Linie auch mit der Auferweckung der Toten zu tun hat, so ist doch untrennbar damit auch die Verwandlung der lebenden Heiligen verknüpft. Und welch ein Gedanke, Geliebte: Wir werden danach nie mehr eine weitere Posaune nötig haben! Hat uns der Herr Jesus durch Seine Macht erst einmal zu Sich gerufen, werden wir für immer bei Ihm sein, bei Ihm bleiben.

Unverweslichkeit – Unsterblichkeit

Der 52. Vers sprach davon, dass die Toten auferweckt werden „unverweslich“. Diesen Gedanken greift der Schreiber im Folgenden auf und begründet ihn:

„Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen“ (1. Kor 15,53).

Zuerst mag in dieser Feststellung das „Muss“ unsere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Warum muss dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen? Nun, der Apostel spricht sicher nicht von einem „Muss“ im absoluten Sinn, als handele es sich um ein Naturgesetz, das überall Gültigkeit hat. Nein, es ist viel mehr ein „Muss“ der Gnade Gottes – eine Notwendigkeit, die Seiner Liebe für uns und Seiner Absicht mit uns entspringt. Wenn Er uns zu Sich in die Herrlichkeit bringen will, dann muss diese Veränderung eintreten. Ein ähnliches „Muss“ göttlicher Gnade bewegte den Herrn Jesus, als Er die Frau aus Samaria treffen wollte: „Er musste aber durch Samaria ziehen“ (Joh 4,4).

Und dann heißt es auch nicht: „Das Verwesliche muss Unverweslichkeit anziehen und das Sterbliche Unsterblichkeit anziehen.“ Das wäre eine abstrakte Aussage, die in ihrer Absolutheit nicht einmal wahr wäre. Deswegen spricht der Apostel von „diesem Verweslichen und diesem Sterblichen“ und meint damit konkret unseren jetzigen menschlichen Körper.

Der ist tatsächlich verweslich (vergänglich) und sterblich, wie wir bei unserer Beschäftigung mit den Versen 42 und 50 bereits gesehen haben. Er denkt dabei offensichtlich nicht an die zwei schon genannten Klassen von Gläubigen. Manche Ausleger sehen das zwar so. Sie verbinden „verweslich“ mit gestorbenen und „sterblich“ mit noch lebenden Gläubigen. Aber diese Schlussfolgerung ist weder zwingend noch zutreffend. Das griechische Wort für „verweslich“ hat nichts mit Verwesung zu tun, sondern es drückt den Gedanken der Vergänglichkeit, des Verderbens, der Verderbnis aus. Das also ist die Natur des menschlichen Körpers: Selbst, wenn er noch von Leben erfüllt ist, ist er sterblich und überhaupt der Vergänglichkeit unterworfen. Letzteres wird besonders durch den Tod als äußerstem Mittel offenkundig. Vergänglichkeit ist somit der umfassendere Ausdruck und schließt Sterblichkeit mit ein.

Doch kommen wir nun zu der positiven Seite! Aber selbst diese wird bezeichnenderweise mit negativen oder verneinenden Ausdrücken beschrieben! Dieses Vergängliche muss Nicht-Vergänglichkeit und dieses Sterbliche muss Nicht-Sterblichkeit anziehen. Der Himmel wird auch für uns und unseren Körper durch Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit gekennzeichnet sein. Gottes Wort deutet die Glückseligkeit des Himmels oft dadurch an, dass es das nennt, was es dort nicht mehr geben wird, weil wir das besser verstehen. So wird in Offenbarung 21 gesagt: „Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen“ (Vers 4). Und ein wenig später: „Und keinerlei Fluch wird mehr sein ... Und Nacht wird nicht mehr sein und kein Bedürfnis nach einer Lampe und dem Licht der Sonne“ (Kap. 22,3–5). Das, was wir hier durch leidvolle Erfahrung kennen, gar so gut kennen, wird es dort nicht mehr geben. Wie glücklich und wie dankbar macht uns das!

Noch eben ein Wort zu dem Ausdruck „anziehen“: „Dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit Anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen“ Das ist zweifellos eine bildhafte Beschreibung der Verwandlung, die wir erfahren werden, aber eine besonders trostreiche. Natürlich ist nicht gemeint, dass Vergänglichkeit und Sterblichkeit durch das neue Gewand der Unvergänglichkeit und Unsterblichkeit nur zugedeckt und verborgen werden, während sie selbst erhalten bleiben.

Derart unvereinbar sind vielmehr die Gegensätze, dass sie einander völlig ausschließen. Wenn wir daher das neue Gewand anziehen, so müssen wir notwendigerweise das alte vorher ausziehen. Das bedeutet: Vergänglichkeit und Sterblichkeit werden für immer vergangen sein. Und wenn uns Geschöpfe im Himmel und auf der Erde in unseren neuen Körpern erblicken werden, werden sie das Gewand der Herrlichkeit sehen – zur ewigen Verherrlichung Dessen, der es uns verliehen hat.

Der Tod – verschlungen in Sieg

„Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht:,Verschlungen ist der Tod in Sieg?,Wo ist, o Tod, dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein Stachel?‘“ (1. Kor 15,54–55)

Es ist schon etwas Erhabenes, wenn Paulus die Worte des vorhergehenden Verses noch einmal in voller Länge wiederholt und sie auf diese Weise tief in unser Herz senkt. In einer weit gespannten Wenn-dann-Konstruktion lenkt er unseren Blick zunächst noch einmal auf das gewaltige Geschehen selbst, das durch die Wiederholung der Worte weiter an Gewicht gewinnt.

Das „Wenn“ zu Anfang ist ein zeitliches, nicht ein bedingendes „Wenn“; es bedeutet also „sobald, wann“. Das will sagen: Jetzt warten wir noch auf diesen Augenblick, noch ist er nicht da. Wenn (sobald) der Zeitpunkt jedoch gekommen sein wird, dass wir das Kleid der Vergänglichkeit abstreifen und das Gewand der Herrlichkeit anziehen werden – und das wird bei der Ankunft des Herrn geschehen DANN wird sich das Wort, „das geschrieben steht“, als völlig wahr erweisen. Wörtlich heißt es: „das Wort, das geschriebene.“ Die hier vorliegende Perfektform bedeutet: Es (das Wort) ist in der Vergangenheit geschrieben worden und steht nun als solches da – unveränderlich, unfehlbar, bis auf den heutigen Tag.

Doch um was für ein „Wort“ handelt es sich? Der Apostel zitiert zunächst den ersten Satz von Jesaja 25, Vers 8, und gibt ihn so wieder: „Verschlungen ist der Tod in Sieg.“ Er folgt dabei der Bedeutung des letzten Wortes im Aramäischen und ist darin zweifellos vom Heiligen Geist geleitet.

Mit diesem triumphalen Ausruf des Propheten Jesaja „Verschlungen ist der Tod in Sieg“ wird nun also die Auferstehung und die Verwandlung der Heiligen beschrieben. Oder wir können sagen: Er wird darauf „angewandt“. Denn tatsächlich redet Jesaja an der Stelle, die hier nur zum Teil zitiert wird, von der Erfüllung der Hoffnung Israels, wenn das Reich in Macht und Herrlichkeit eingeführt wird. Gott wird die Augen Seines irdischen Volkes öffnen und seine Schmach wegnehmen von der ganzen Erde. Auch den Schleier, der als Zeichen der Unwissenheit wie eine Decke auf den Nationen liegt, wird Er vernichten oder „verschlingen“. Israel wird dann den Tag seiner Rettung und Auferstehung erleben und singen und sagen: „Siehe da, unser Gott, auf den wir harrten, dass er uns retten würde; da ist der HERR, auf den wir harrten! Lasst uns frohlocken und uns freuen in seiner Rettung!“ (Vers 9).

Von den glühenden Aussprüchen des Propheten wählt der Apostel nur diesen einen aus; und er wird vom Geist Gottes dahin geleitet, ihn unmittelbar auf die gestorbenen und lebenden Gläubigen anzuwenden – auf ihre Vereinigung mit dem Herrn bei Seiner Ankunft.

Diese Anwendung war in den Zeiten des Alten Testaments unbekannt, sie wird uns erst im Neuen Testament gegeben. Aber sie macht zweierlei deutlich: zum einen, dass die Verheißungen des Alten Testaments mehr als eine Bedeutung haben können und deswegen häufig auf mehr als eine Weise Erfüllung finden; und zum anderen, dass die Ankunft des Herrn zur Entrückung der Seinen „jenem Tag“ vorausgeht, an dem die Schmach Seines irdischen Volkes von der ganzen Erde weggenommen wird. Diejenigen, die an der himmlischen Berufung teilhaben, werden ihren Platz ewiger Ruhe schon erreicht haben vor der Wiederherstellung aller Dinge. Für sie wird der Ausspruch Jesajas – „Verschlungen ist der Tod in Sieg“ – schon vorher Wirklichkeit geworden sein, ehe er sich auf die ganze Welt ausdehnt.

Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass der Apostel Paulus die Worte unerwähnt lässt, die unmittelbar dem Zitat folgen: „Und der Herr, Herr, wird die Tränen von jedem Angesicht abwischen.“ An geeigneter Stelle wird jedoch auch diese Verheißung im Neuen Testament angewandt – zunächst auf jene, deren Sieg gefeiert wird, nicht auf der Erde, sondern im Himmel, vor dem Thron und in der Gegenwart des Lammes: „Und Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen“ (Off 7,17). Und noch einmal, am Ende des Buches der Offenbarung, finden wir dieses Wort wieder. Dort wird es in der Beschreibung des ewigen Zustands angewandt auf die gesamte Schar der Erlösten. Es wird gleichsam den Schlusspunkt unter die ganze Geschichte der Gnade setzen: „Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen“ (Off 21,4). Nicht, dass wir im Himmel noch weinen werden. Nein. Aber der gütige Gott wird selbst jede Erinnerung an auf der Erde erfahrenes Leid von uns entfernen.

Wir wollen hier ein wenig stille stehen und die Wucht, die Gewalt der Mitteilungen auf uns einwirken lassen ... O Gott, was hast Du mit uns vor! Lass uns daran denken, wenn wir heute durch Leid, Krankheit und Not gehen: dass einmal der Tod mit all seinen scheinbaren Triumphen und Erfolgen auch für uns persönlich in Sieg verschlungen wird! – Wir preisen Dich dafür schon heute, und wir werden es in Ewigkeit tun. Amen.

Sieg des Todes?

Noch ein anderes „Wort“ zum Beweis des Triumphes über den Tod fügt der Apostel an:

„Wo ist, o Tod, dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein Stachel?“ (1. Kor 15,55).

Wie schon bei dem Zitat aus Jesaja geht es auch bei dieser Stelle aus dem Propheten Hosea vordergründig um die nationale Auferstehung (Wiederherstellung) Israels. In seiner für ihn typischen Abruptheit bricht der Prophet in diesen triumphalen Ausruf aus (Hos 13,14). Der Herr selbst wird ihr König sein. Israel wird zum Herrn, seinem Gott, umkehren, und Er wird ihre Abtrünnigkeit heilen und sie willig lieben.

In der Zwischenzeit aber wendet der Heilige Geist auch diese Vorhersage auf den Sieg an, der in der Auferstehung und Verwandlung der Gläubigen bei der Ankunft Christi errungen wird. Dabei scheint es so zu sein, dass sich der erste Satz, „Wo ist, o Tod, dein Sieg?“, mehr auf die bezieht, die, scheinbar vom Tod besiegt, im Grab liegen, während der zweite Satz, „Wo ist, o Tod, dein Stachel?“, mehr auf die noch lebenden Gläubigen Bezug nimmt.

Der Tod wird, wie schon vorher in diesem Kapitel (Vers 26), personifiziert, wird jetzt wie eine Person angerufen und jubelnd, fast herausfordernd gefragt: „Wo, o Tod – wo, o Tod?“ (Im griechischen Text fehlt beide Male das Hilfszeitwort „ist“.) Ja, wo ist sein Sieg, wo sein Stachel – wo? Er ist dahin!

Wenn wir an die toten Gebeine der Heiligen in unzähligen Gräbern denken – hat der Tod nicht auch über diese Menschen doch den Sieg davongetragen? Nein. Die Realität ist eine andere. Der Tod ist nur ein Instrument in der Hand Gottes und wird, hat er sein vorübergehendes Werk getan, weggeworfen. Die Auferstehung wird stattfinden und wird alles, was wie ein Sieg des Todes aussah, ins absolute Gegenteil verkehren.

Der gläubige Christ kann schon heute im Vertrauen auf die Macht Gottes diese triumphierende Sprache führen: „Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ Er weiß, dass der Tod für ihn ein besiegter Feind ist. Christus hat ihm durch Sein Sterben und Auferstehen vollständig und für immer die Macht genommen. Und so kann der Tod, sollte er uns nach den Gedanken Gottes noch ereilen, nur eines mit uns tun: uns von dieser armen Erde an jenen Platz bringen, wo er keinerlei Macht mehr hat. Natürlich tut das letztendlich der Herr Jesus selbst, aber das ist hier die symbolische Sprache. Insofern ist der Tod für uns nur ein Diener, ein „Pförtner“, der uns die Tür zum Verlassen dieser Erde und alles dessen, was sterblich ist, auftut.

Tatsächlich hat der Tod als solcher seinen Schrecken für uns verloren. Die Umstände unseres Heimgehens mögen uns ängstigen. Trotzdem bleibt es wahr, was wir soeben gesagt haben. Der Tod hat für uns keinen Schrecken mehr, er trägt für uns nicht den Charakter eines Gerichtes Gottes. Deswegen spricht das Neue Testament so tröstlich vom „Entschlafen“ der Kinder Gottes. Als Lazarus gestorben war, drückte der Herr Jesus das so aus: „Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen (oder: entschlafen).“

Der Tod ist für den Gläubigen – um einer landläufigen Meinung entgegenzutreten – nicht nur ein geschwächter, sondern ein völlig entwaffneter Feind. Er besitzt gegen uns keine Waffe mehr. J. N. Darby sagte auf seinem Sterbebett: „Die Menschen nennen dies Tod, ich nenne es Leben.“

Stachel des Todes – Kraft der Sünde

Was nun den Stachel des Todes angeht, so fügt der Apostel gleichsam eine Art Kommentar hinzu und sagt erklärend:

„Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft der Sünde aber das Gesetz“ (Vers 56).

Wenn der Tod der Lohn der Sünde ist (Röm 6,23), so ist auch die Sünde der Stachel des Todes. Denn ohne sie wäre der Tod nichts anderes als ein geruhsamer Schlaf. In Wahrheit aber würde der Tod gar nicht existieren, hätte es da nicht die Sünde gegeben. Weil sie aber alle gesündigt haben, ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen (Röm 5,12). Deswegen wird die Sünde ein Stachel genannt, denn sie trägt das Gift1 in sich, das nicht allein den zeitlichen Tod bewirkt, sondern den unbußfertigen Sünder auch für jenes Gericht vorbereitet, das nach dem Tod kommt.

Der Stachel des Todes – es ist das Bewusstsein von der persönlichen Schuld und die Furcht vor dem kommenden Gericht (Joh 5,24; 1. Joh 4,18). Das ist es, was den Menschen ohne Gott peinigt, so sehr er das auch abstreiten mag.

Aber dann kommt der Apostel Paulus auch auf die Beziehung zu sprechen, die zwischen dem Gesetz und der Sünde besteht. Das ist umso bedeutsamer, als er das wiederholt wohl an anderer Stelle, aber noch nicht in diesem Brief getan hat. Zum ersten Mal nennt er hier das Gesetz, und das ist nicht nur interessant, sondern auch lehrreich. Denn die Korinther waren als Ganzes gesehen von den Nationen, sie waren keine Juden. Sie waren daher persönlich nie unter Gesetz gewesen. Aber es war für sie notwendig – und das ist es auch für uns –, den wahren Charakter des Gesetzes und seiner Auswirkungen zu erkennen. Denn das wiederum führt uns zu einer tieferen Erkenntnis dessen, mit was für einem gütigen Gott wir es zu tun haben. Andererseits bewahrt es uns auch vor der Schlinge Satans, der stets versucht hat, durch einen vorgetäuschten Eifer für das Gesetz und für die praktische Heiligkeit die Gnade zu untergraben.

Und so erfahren wir hier, dass das Gesetz der Sünde Kraft verleiht. Wie ist das zu verstehen? Ein Bück nach Römer 7 belehrt uns darüber. „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte:,Du sollst nicht begehren/ Die Sünde aber, durch das Gebot Anlass nehmend, bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot. Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf; ich aber starb. Und das Gebot, das zum Leben gegeben war, dieses erwies sich mir zum Tode. Denn die Sünde, durch das Gebot Anlass nehmend, betrog mich und tötete mich durch dasselbe. Also ist das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut. Gereichte nun das Gute mir zum Tode? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot“ (Verse 7–13).

Ohne jetzt auf Einzelheiten näher einzugehen, machen diese Verse doch deutlich, dass das Gesetz, so gerecht es auch ist, dem Schuldigen keine Befreiung bringen konnte, sondern dass es vielmehr den rebellischen Geist des Menschen umso mehr gegen den Willen Gottes aufreizte.

Gerade die Tatsache, dass Gott etwas verbietet, erweckt in dem sündigen Menschen das Verlangen, das Verbotene zu tun. Das liegt nicht am Gesetz, sondern an der Bosheit des Menschen. So ist die Kraft der Sünde das Gesetz, denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde (Röm 3,20).

Christus ist aber auch das Ende des Gesetzes geworden, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (Kap. 10,4). Dadurch, dass Er den Fluch des Gesetzes getragen hat, hat Er es für uns, die Glaubenden, von einem Ankläger in einen Zeugen der Gerechtigkeit Gottes verwandelt – jener Gerechtigkeit, die die rechtfertigt, die an Jesus Christus glauben (Kap. 3,21.22).

Und was die Kraft zur Heiligkeit anlangt – nicht das Gesetz gibt sie uns, nicht die drohende Geißel der Angst, dass wir vielleicht am Ende doch noch verloren gehen könnten. Nein, die Gnade ist es, die uns Kraft und Beweggründe dafür verleiht, das Böse zu lassen und das Gute zu vollbringen. Die Gnade, die uns errettet hat, sie ist es auch, die uns „unterweist, damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf“ (Tit 2,12).

Welch einen göttlichen Lehrmeister zur praktischen Heiligkeit haben wir doch – die Gnade! Sie ist weit effektiver als das Gesetz, das zum Teil sogar das Gegenteil bewirkt. So herrscht denn die Sünde nicht mehr über uns, denn wir sind nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade (Röm 6,14).

Fußnoten

  • 1 Das Bild eines Stachels kann sich hier kaum auf einen Rinderstachel beziehen, wie es in Apg 26,14 der Fall ist. Denn solch ein Stachel tötet nicht, während der Stachel des Todes tötet. Es muss also eine scharfe, tödliche Waffe sein oder ein Giftstachel. Wahrscheinlich ist hier Letzteres gemeint.
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