Der Prophet Obadja
Edom – seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Esau, das ist Edom
„Esau, das ist Edom“ – das wird in 1. Mose 36 dreimal wiederholt. Der Charakter dieses Volkes wurde unauslöschlich von seinem Stammvater geprägt. Wir wollen sehen, worin diese Eigenschaften bestehen.
Esau erhielt den Namen Edom nicht schon bei seiner Geburt. Gott wollte an ihm, dem Erstgeborenen der Zwillinge Rebekkas, eins der großen Prinzipien seiner Regierung zeigen: das der freien Gnadenwahl Gottes. Deshalb gibt Gott das Erstgeburtsrecht nicht dem Erstgeborenen, sondern verleiht es nach seinem festgesetzten Plan und souveränen Willen Jakob. Die Offenbarung der Wahl Gottes wurde weder Jakob noch Esau gegeben, ja nicht einmal Isaak, ihrem Vater, sondern Rebekka, die vor der Geburt ihrer Söhne zum Herrn gebetet hatte, um Ihn um Rat zu fragen (1. Mo 25,22). Damals hatte Gott ihr gesagt: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“ In diesem Ausspruch geht es auf keinen Fall um einen Fluch über Esau, denn bevor sie geboren waren, hatte keins der Kinder „weder Gutes noch Böses“ tun können (Röm 9,11); aber Gott beanspruchte damit sein Recht, die Erben der Verheißung zu wählen. Der Fluch über Esau wurde erst ausgesprochen, als er im Verlauf seiner langen Geschichte alle Rufe der Gnade abgelehnt hatte (Mal 1,3). Zu Beginn nahm Gott ihm nur die Autorität über seinen Bruder und das Recht des Erbes; nicht einmal nach seiner schändlichen Tat nahm Er ihm das Recht auf zusätzliche Segnungen. Deshalb spricht Isaak, ganz gegen seinen Wunsch und Willen, zwar das Vorrecht des Erstgeborenen Jakob zu, aber er segnet auch Esau, seinen Bruder: „Durch Glauben segnete Isaak in Bezug auf zukünftige Dinge Jakob und Esau“ (Heb 11,20). Es blieb also für Esau ein wirklicher Segen, wenn auch von bedeutend geringerem Wert als der seines Bruders: „Siehe, fern von der Fettigkeit der Erde wird dein Wohnsitz sein und ohne den Tau des Himmels von oben her. Und von deinem Schwert wirst du leben, und deinem Bruder wirst du dienen“, denn was Jakob zugesagt worden war: „Sei Herr über deine Brüder“, konnte nicht widerrufen werden. Der Patriarch fügt lediglich hinzu: „Und es wird geschehen, wenn du umherschweifst, wirst du sein Joch zerbrechen von deinem Hals“ (1. Mo 27,39.40).
Diese Prophezeiung Isaaks hat sich erfüllt. In der Geschichte Edoms hat das Schwert immer dominiert. Durch das Schwert erobert er das Gebirge Seir und rottet die Horiter aus, die vor ihm dort gewohnt hatten (1. Mo 36,21). Er kämpft fortwährend mit den Söhnen Israels und sogar mit seinen direkten Nachbarn wie Moab. Durch das Schwert bricht er schließlich das Joch Judas und befreit sich von ihm „bis auf diesen Tag“ (2. Kön 8,20-22); mit dem Schwert plündert er später Jerusalem und bemächtigt sich der Gefangenen aus Juda (Ps 137,7; Amos 1,11); durch das Schwert schließlich erweitert er sein Territorium auf Kosten Judas und Simeons. Getrieben von seinem Hass und seinem Ehrgeiz will Edom sich das Land des Herrn auf lange Sicht „zum Besitz“ machen (Hes 36,5). Von daher rührt der Name Idumäa, ein Land, das sich weit über das Gebirge Seir hinaus erstreckt (Mk 3,8).
Das verwerfliche Verhalten Esaus
Esau ist also Edom, aber nicht schon seit dem Beginn seiner Geschichte. Er erhielt diesen Namen erst, als er sich als „Ungöttlicher“ bezüglich seines Erstgeburtsrechts erwies (Heb 12,16). Er glaubte, es gehöre ihm – denn, ich wiederhole, die Verordnung Gottes über das Erstgeburtsrecht war nur Rebekka offenbart worden – und es war ihm noch nicht durch die List Jakobs genommen worden.
„Für eine Speise“ (Heb 12,17) verkaufte Esau sein Erstgeburtsrecht, verachtete die Gabe und zog ihm die augenblickliche Befriedigung eines fleischlichen Bedürfnisses vor. Auf diese Weise beraubte er sich selbst des Segens und wurde er verworfen, nicht aufgrund seiner Geburt, sondern weil er die göttlichen Gaben verachtete. Und zu dieser Zeit erhielt er den Namen Edom, eine Anspielung auf den Ausspruch: „Lass mich doch essen von dem Roten, dem Roten da“ (1. Mo 25,30).
Von diesem Augenblick an charakterisierte die unheilige Haltung Esaus die Nation, die von ihm abstammte, eine Nation, die die Kinder Israel und den Gott verachtet, der Israel zum Träger seiner Verheißungen gemacht hatte. Ein anderer Charakterzug kommt noch dazu: Die Wut Esaus entflammt gegen Jakob, der auf listige Weise von der Gleichgültigkeit Esaus gegenüber der Gabe Gottes zu profitieren wusste. Diese Wut entartet zu einem mörderischen Hass: „Und Esau feindete Jakob an wegen des Segens, womit sein Vater ihn gesegnet hatte; und Esau sprach in seinem Herzen: Es nahen die Tage der Trauer um meinen Vater, dann werde ich meinen Bruder Jakob erschlagen“ (1. Mo 27,41). Diese Pläne vorsätzlicher Tötung, die an die Pläne Kains gegen Abel erinnern, wurden durch die lange Lebenszeit Isaaks vereitelt, denn er wollte seine Rache bis zum Tod des Vaters aufschieben. Dies erklärt auch, warum der Hass Esaus gegenüber seinem Bruder Jakob nicht seinen Lauf nahm, als die beiden Brüder sich nach der Überquerung der Jabbokfurt begegneten, und dass er ihn sogar unter großzügigen Äußerlichkeiten verhüllte; die beunruhigende Anwesenheit seiner 400 Krieger und sein zweideutiges Angebot, einen Teil von ihnen bei seinem Bruder zu lassen, sprach jedoch eine andere Sprache (1. Mo 32,7; 33,15).
Die beiden Brüder waren 120 Jahre alt, als sie ihren Vater zu Grabe trugen, der im Alter von 180 Jahren starb (1. Mo 35,27-29). Von da an konnten sie wegen der Größe ihrer Herden nicht mehr zusammenbleiben – wieder ein Beweis der gütigen Vorsehung Gottes, der dadurch Jakob von einer dauernden Bedrohung befreite. Esau musste sich fern von seinem Bruder Jakob ins Land Seir begeben (1. Mo 36,8). Jedoch wohnte er schon vor dieser Zeit in dem Flachland, das von verschiedenen Seiten in die Ebene überging (1. Mo 14,6) und das den Namen „Land Seir, das Gebiet von Edom“ (1. Mo 32,4; 36,8) hatte. Die Söhne Esaus bemächtigten sich des Gebirges Seir, von wo sie das Urvolk, die Horiter, entweder ausrotteten oder sich dienstbar machten (1. Mo 36,20; 14,6). Das Volk der Horiter, dessen Name von Hor (Höhle) abgeleitet ist, waren Höhlenbewohner. Die Edomiter, die ihnen folgten, richteten sich in diesen in Felsen gegrabenen Höhlen ein, die heute noch existieren (Jer 49,16; Obad 3). Das Gebirge Seir wird in Obadja (8.9.19.21) auch als „Gebirge Esaus“ bezeichnet. Es lag zwischen Eilat an der östlichen Meereszunge des Roten Meeres und dem südlichen Punkt des Toten Meeres und wurde Hauptsitz und das Heimatland Edoms.
Amalek, der Nachkomme Esaus
Die Eifersucht, der Hass und die Rachsucht Esaus vererbten sich auf seine Nachkommen. Amalek war ein direkter Nachkomme Esaus, sein Enkel über Eliphas (1. Mo 36,12). Seine gnadenlose Feindschaft gegen Israel brach sofort aus, als dieses Volk Ägypten verließ, um nach Kanaan zu ziehen. Amalek ist in seinem Hass gegen das Volk Gottes der schreckliche Prototyp Satans. Deshalb erklärt der Herr, dass Er Krieg gegen ihn führen würde von Geschlecht zu Geschlecht (2. Mo 17,16). Bei seinem ersten Angriff besetzte Amalek einen Teil der Wüsten Paran und Schur, die den südlichen Zugang zu Israel erschließen. Als Israel das von Gott als Erbteil versprochene Land eingenommen hatte, wartete der Herr, bis Saul zum König gesalbt war, um ihm den Auftrag zu geben, die Amalekiter auszurotten; aber Saul verschonte Agag und die besten Tiere vom Klein- und Rindvieh, so dass Gott ihm durch Samuel sagen ließ: „Weil du das Wort des HERRN verworfen hast, so hat er dich verworfen, dass du nicht mehr König sein sollst“ (1. Sam 15,23). David dagegen bekämpfte Amalek, sogar noch bevor er König wurde, und rottete es aus (1. Sam 27,8-12; 30,1-20). Dieses Volk war also weitgehend vernichtet worden. Zur Zeit Hiskias besetzte der Stamm Simeon sein Land sowie einen Teil des Gebirges von Seir (1. Chr 4,42); es wurde später aber von den Edomitern zurückerobert und als Idumäa unter die Herrschaft der Römer gestellt (Mk 3,8). Im Buch Esther erfahren wir, wie durch Haman, den unerbittlichen Feind der Juden, Amalek einen letzten Versuch unternahm, das Volk Gottes zu vernichten. Das Buch Esther ist ein Bild der prophetischen Geschichte Israels in der Endzeit. Deshalb begegnen wir Amalek nochmals in dem Bund der Nationen, die sich für den Endkampf gegen Israel vereinen (Ps 83,8).
Die Edomiter hatten auch Führer, auch „Könige, die im Land Edom regiert haben, ehe ein König über die Kinder Israel regierte“ (1. Mo 36,31-39). Es war ein edomitischer König, der den Durchzug des Volkes Gottes durch sein Land ablehnte (Ri 11,17).
Der streitsüchtige Charakter Edoms, zusammen mit seinem eingefleischten Hass, brachte es in dauernden Konflikt mit Israel. Die Siege Israels steigerten noch Edoms Rachedurst und seine Mordlust. Diese andauernde Bosheit fand ihre Vergeltung: Saul forderte Edom heraus (1. Sam 14,47); dann schlug David es im Salztal (1. Kön 11,15.16; 2. Sam 8,13.14) und besetzte sein Land mit Garnisonen. Ein einziges Mal verband sich Edom mit Israel und Juda, und zwar unter Joram und Josaphat, um gemeinsam gegen Moab in den Krieg zu ziehen. Von dieser widernatürlichen Vereinigung hat Israel gewiss nicht profitiert. Dieselben Edomiter – die Meuniter vom Gebirge Seir – erhoben sich später gemeinsam mit Moab und Ammon gegen Juda, ihren ehemaligen Verbündeten, und wurden vor Josaphat und seinem Volk vom Herrn im Tal Beraka geschlagen (2. Chr 20,1.10.22). Unter der Regierung König Jorams werden die Edomiter ebenso geschlagen, jedoch erheben sie sich gegen ihn und wählen erneut einen König (2. Kön 8,20). Während eines halben Jahrhunderts halten sie ihre Unabhängigkeit aufrecht (2. Chr 21,8), werden dann wieder vom treuen König Amazja geschlagen (2. Kön 14,7; 2. Chr 25,11.12), erheben sich – unter der Herrschaft des gottlosen Ahas – erneut gegen Juda und werden von Gott als Rute gegen Juda benutzt (2. Chr 28,17).
Schließlich, um das Maß ihres unaufhörlichen Hasses voll zu machen, verbinden sie sich mit Babylon und den Feinden der Juden in den Tagen des Unheils von Juda und Jerusalem (Jer 49; Hes 25 und 35; Ps 137,7). Als Folge dieses letzten Ungehorsams sprechen die Propheten einen Fluch über Edom aus (Jes 34,9-11; 63,1-6; Jer 49,7-22; Klgl 4,21; Hes 25,12-14; Amos 1,11.12), und Edom wird nun seinerseits das Opfer des babylonischen Verwüsters Nebukadnezar (Jer 49,22; vgl. 48,8.32.40). So ist nach der Schrift die Vergangenheit Edoms.
Heute kann man diese Geschichte in wenigen Worten zusammenfassen. Edom ist von der Szene verschwunden, man findet keine einzige Spur mehr von ihm. Den Historikern zufolge wurde es ersetzt durch die Nabatäer. Einige vermuten, dass es sich bei den Nabatäern um die Nebajot handelt, Nachkommen Ismaels und Verwandte Edoms (1. Mo 25,13; 36,3). Trotz aller Recherchen und wissenschaftlichen Abhandlungen „bleiben wenige Punkte in den Annalen des antiken Orients in derart dichtes Dunkel eingehüllt“. Wir erwähnen diese Worte, um die Unsicherheit der vielgerühmten wissenschaftlichen Geschichtsforschung gegenüber der absoluten Sicherheit der biblischen Berichte herauszustellen. Wenn es Gott gefällt, zu schweigen, irrt menschliche Weisheit umher. Die Geschichte vor der Erschaffung des Menschen ist dafür ein Beweis von tausend; die Geschichte Edoms – die in ihrem so beschränkten Rahmen mit einem Blick erfassbar zu sein scheint – ist ein anderer Beweis. Wir sind nicht kompetent, um diese Fragen zu behandeln, so interessant sie auch für neugierige Menschen sein mögen. Da es unser einziges Ziel ist, die Kinder Gottes auf der Basis der Einzigartigkeit der Heiligen Schrift aufzuerbauen, begnügen wir uns damit, diese Lücke festzustellen.
Das Wort Gottes lehrt uns, dass – in vergangener Zeit und zu verschiedenen Epochen – durch schreckliche Ereignisse zuerst die zehn Stämme aufgehört haben zu existieren, dann alle Völker, die die Grenzen zu Israel bildeten: Edomiter, Amalekiter, Moabiter, Ammoniter und Philister. Die drei Letzteren wurden durch Nebukadnezar vernichtet. Ihre Gebiete wurden damals, und sind eventuell auch heute noch, besiedelt von den „Söhnen des Ostens“, den Beni-Kedem, das heißt Arabern, Nachkommen Ismaels (Hes 25,4.10; 1. Mo 29,1; Hiob 1,3; Ri 6,3.33; 7,12; 8,10), die ebenfalls von Nebukadnezar erobert worden waren (Jer 49,28). All diese erwähnten Völker spielen in der Welt keine Rolle mehr. Aber wir werden durch das Wort Gottes erfahren, dass sie den Tag ihrer nationalen Auferstehung und das endgültige Gericht erwarten, obwohl sie jetzt noch in Schlaf und Schweigen gehüllt sind. Dieser Tag wird kommen. Um dies zu beweisen, werden wir, nachdem wir soeben einen gewissen Mangel an Angaben vermerkt haben, die verlässlichen göttlichen Dokumente untersuchen, die die Geschichte Edoms zur Endzeit betreffen und die wir im Buch Obadja finden.
Nationale Auferstehung von Völkern und Reichen
Wir haben gerade festgestellt, dass der Gläubige bezüglich der Vergangenheit Edoms ein sicheres Dokument besitzt: das Wort Gottes. Wir haben auch festgestellt, dass Gott in Bezug auf die gegenwärtige Existenz dieses Volkes absichtlich schweigt. Deshalb müssen wir uns in diesem Punkt mit der Unsicherheit menschlicher Wissenschaft zufriedengeben. Daher erkennt der einfache Gläubige, dass es weise ist, sich nicht mit der gegenwärtigen Situation Edoms zu befassen – über die Gott schweigt –, sondern im Wort Gottes zu suchen, was es uns über dessen Zukunft offenbart.
Wie sieht also die Zukunft Edoms nach der Schrift aus? Eine beachtenswerte Einzelheit: Alle prophetischen Ereignisse der letzten Tage befassen sich mit einer nationalen Auferstehung der Völker und Königreiche, so dass man fast wie Paulus sagen könnte: „Warum wird es bei euch für unglaubhaft gehalten, wenn Gott Tote auferweckt?“ (Apg 26,8). Das Wiedererscheinen dieser Völker bereitet das endgültige Gericht im Hinblick auf die Einführung des Reiches Christi auf der Erde vor, des einzigen Reiches, das nie erschüttert wird. Die Prophetie betrifft immer dieses Reich auf der Erde; das himmlische Reich, in das die vollendeten Heiligen und die Gemeinde eingehen werden, gehört nicht eigentlich zum Bereich der Prophetie, ohne jedoch ganz davon ausgeklammert zu sein (s. Off 4-5; 19-21), denn die beiden Sphären des Königreiches – die irdische und die himmlische – sind in ständiger Verbindung miteinander.
Im irdischen Bereich der Prophetie also stoßen wir auf die Wiederherstellung des Römischen Reiches, das bereits totgesagt worden war (Off 13,3; 17,8); auf die nationale Wiedererstehung Israels (Hes 37), Assyriens (Dan 11,40–45 und ganz Jesaja); auf die Wiedererstehung aller heute ausgelöschten Nationen und deren endgültiges Gericht im Tal Josaphat (Ps 83; Joel 3), wobei Edom zu Letzteren gehört (Joel 4,19).
Viele Bibelausleger betrachten die Vorstellung einer nationalen Wiedererstehung als Irrtum eines gewissen Lehrmodells und verwerfen sie. Ihrer Ansicht nach werden die Prophezeiungen zu wörtlich genommen und das sei dem gesunden Menschenverstand zuwider. In der Tat entspricht ihr Widerstand der ganzen Art, wie sie die Bibel betrachten, nämlich als eine „Serie von Dokumenten“, die kritisch wie eine „Geschichtswissenschaft“ beurteilt werden müsste. Dies ist eine gefährliche Behauptung, die die absolute und göttliche Autorität der Heiligen Schrift im Voraus untergräbt. Wenn „alle Schrift von Gott eingegeben“ ist und Teil des Wortes Gottes ist, das „die Wahrheit“ ist, so befindet sich die Wahrheit niemals bei jenen, die sich anmaßen, diese Inspiration zu kritisieren.
Für den einfachen Gläubigen löst sich die ganze Frage, die uns beschäftigt, folgendermaßen: Was sagt die Heilige Schrift? Redet sie klar von der Zukunft der Welt und der der Nationen? Wenn es sich so verhält, so ordnet der Gläubige sich der Autorität des Wortes Gottes unter. Aber diese Autorität genügt der heutigen Theologie nicht, weil sie davon überzeugt ist, dass die Bibel von der Autorität der Wissenschaft kontrolliert werden müsse. Damit erhebt die Theologie die Wissenschaft zur Richterin über die Gedanken Gottes. Diese monströse Selbstüberschätzung teilt der Gläubige keinesfalls; er hat im Wort Gottes das ewige Leben gefunden, und sein Leben wird tagtäglich durch eben dieses Wort erhalten. In keiner Weise beachtet er die Zweifel und Ableugnungen dieser fälschlicherweise sogenannten Wissenschaft. Er begnügt sich damit, die Wahrheit im Wort Gottes zu schöpfen.
Die Rückkehr der zehn Stämme
Das Wiedererscheinen der Nationen in den letzten Tagen ist eng verbunden mit dem Wiedererscheinen der zehn Stämme Israels, deren Wiederherstellung genauso unmöglich erscheint wie die Wiederherstellung von Edom, wenn nicht noch unmöglicher. Was den riesigen Stamm Juda betrifft, der heute mit seinen unverwischbaren Eigenschaften unter allen Völkern der Erde als integraler Bestandteil gilt, so gibt es unzählbare, prophetische Hinweise in der Heiligen Schrift, dass dieses Volk wieder in sein Land kommen wird. Aber was ist aus den zehn Stämmen seit ihrer Verschleppung durch Salmaneser, den König von Assyrien, geworden (721 v. Chr.)? Verschwunden! Wohin? In welche Länder? Unter welche Völker? Absolute Dunkelheit! Dabei hat es zu diesem Thema nicht an Nachforschungen gefehlt; wie oft rechnete man mit Erfolg, aber die Hoffnung wurde immer enttäuscht. In keinem der Länder, von denen Gott gesagt hat, dass Er sie von dort zurückführen würde, auch nicht in China, fand man die geringste Spur von ihnen. Aber Gott weiß, wo sie versteckt sind. Er sieht sie und wird sie wiederfinden; das genügt uns.
Biblische Beweise
Die Wiederherstellung der zehn Stämme Israels, die am Ende der Zeiten in ihr Erbteil zurückkehren werden, können wir in sehr vielen Passagen der Bibel finden. Wir werden nur einige davon erwähnen.
Der Prophet Jeremia spricht von Ephraim und Israel, wenn die zehn Stämme gemeint sind: „Du wirst wieder Weinberge pflanzen auf den Bergen Samarias … Denn es wird einen Tag geben, an dem die Wächter auf dem Gebirge Ephraim rufen werden: Macht euch auf und lasst uns nach Zion hinaufziehen zu dem Herrn, unserem Gott! Rette dein Volk, Herr, den Überrest Israels! Siehe, ich bringe sie aus dem Land des Nordens und sammle sie vom äußersten Ende der Erde, … in großer Versammlung kehren sie hierher zurück. Mit Weinen kommen sie und unter Flehen leite ich sie; ich führe sie zu Wasserbächen auf einem ebenen Weg, auf dem sie nicht straucheln werden. Denn ich bin Israel zum Vater geworden, und Ephraim ist mein Erstgeborener“ (Jer 31,5-9). „Und es gibt Hoffnung für dein Ende [o. deine Zukunft], spricht der Herr“ – zu Rahel, Josephs Mutter – „und deine Kinder werden in ihr Gebiet zurückkehren“ (Jer 31,17). „Wohl habe ich Ephraim klagen hören: Du hast mich gezüchtigt, und ich bin gezüchtigt worden wie ein nicht ans Joch gewöhntes Kalb; bekehre mich, damit ich mich bekehre, denn du bist der Herr, mein Gott“ (Jer 31,18). Die Verse 21 bis 26 des gleichen Kapitels zeigen die Wiederherstellung der Gefangenen Judas, dann die Wiedervereinigung des Hauses Israel mit dem Haus Juda und den neuen Bund mit dem ganzen Volk.
In Jesaja 49 sagt der Herr zum Messias: „Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen.“ Dann kommt die eindrucksvolle Beschreibung der Rückkehr in das Land ihres Erbteils: „Siehe, diese werden von fern her kommen, und siehe, diese von Norden und von Westen, und diese aus dem Land der Siniter“ (Jes 49,6.12).
Hesekiel 20,34-38 beschreibt die Rückkehr der zehn Stämme, die ganz anders geschieht als die von Juda, das in seinem Land gerichtet wird. Im Gegensatz dazu werden die Abgefallenen von Israel auf dem Weg gerichtet werden so wie damals das Volk, das von Ägypten in die Wüste kam, und „in das Land Israel soll keiner von ihnen kommen“.
In Hesekiel 37 wird uns ein eindrucksvolles Bild von der zukünftigen, nationalen Auferstehung des Volkes Gottes gezeigt: „Diese Gebeine sind das ganze Haus Israel“ (Hes 37,11), also auch die zehn Stämme, das heißt Ephraim, das der Herr von überall her versammelt und in sein Land führt, damit „Juda“ und „Joseph“ nur noch „eine Nation“ bilden (V. 16.17.21.22).
In Sacharja 10 wird uns gesagt: „Und ich werde das Haus Juda stärken und das Haus Joseph retten und werde sie wohnen lassen … Und Ephraim wird sein wie ein Held … Ich will sie herbeizischen und sie sammeln … Und ich werde sie zurückführen aus dem Land Ägypten und sie sammeln aus Assyrien und sie ins Land Gilead und auf den Libanon bringen; und es wird nicht Raum genug für sie gefunden werden“ (Sach 10,6-8.10).
Wir wollen diese Zitate mit der bemerkenswerten Stelle aus Jesaja 11 abschließen, die uns als Übergang für das Wiedererscheinen Edoms in den prophetischen Ereignissen zur Endzeit dient. In den Versen 1–10 dieses Kapitels finden wir eine Beschreibung des Messias, der in der Fülle des Geistes Gottes sein tausendjähriges Friedensreich auf der Erde errichtet. „Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Herr noch ein zweites Mal seine Hand ausstrecken, um den Überrest seines Volkes, der übrig bleiben wird, loszukaufen aus Assyrien und aus Ägypten und aus Pathros und aus Äthiopien und aus Elam und aus Sinear und aus Hamat und von den Inseln des Meeres. Und er wird den Nationen ein Banner erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde“ (Jes 11,11.12). So werden die beiden Nationen wie zu Beginn ihrer Geschichte vereint sein: „Ephraim wird Juda nicht beneiden, und Juda wird Ephraim nicht bedrängen“ (Jes 11,13). Dies ist also ein Ausblick ganz auf die Zukunft. Aber mit dem Erwachen Judas und der zehn Stämme und ihrer Vereinigung sind ihre früheren Gegner auch erwacht: „Und sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen nach Westen, werden miteinander plündern die Söhne des Ostens; an Edom und Moab werden sie ihre Hand legen, und die Kinder Ammon werden ihnen gehorsam sein“ (V. 14).
Ankündigung der Wiederherstellung Edoms
Dieser Abschnitt führt uns nun zur Wiedererscheinung Edoms in den letzten Tagen. Dazu folgende Bibelstellen:
„Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich schaue ihn, aber nicht nahe; ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels.
Und Edom wird ein Besitz sein und Seir ein Besitz, sie, seine Feinde; und Israel wird Mächtiges tun“ (4. Mose 24,17.18).
Bileam kündet an: „Ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel.“ Diese Prophezeiung hätte sich nach Matthäus 2,2.7-10 erfüllt, wenn das Volk seinen Messias nicht gekreuzigt hätte. Sie wird sich daher später erfüllen, wenn der einst verworfene Christus sich dem Volk Israel wieder zuwenden und sein Reich auf der Erde errichten wird. Dann wird geschehen, was weiter gesagt wird (4. Mo 24,17.18): „… und zerschlägt die Seiten [o. Schläfen] Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels. Und Edom wird ein Besitz sein und Seir ein Besitz, sie, seine Feinde; und Israel wird Mächtiges tun.“ Das ist bis heute nicht geschehen. Das Zepter Christi hat sich bis jetzt noch nicht erhoben; Israel hat noch nicht Mächtiges getan und hat sich Edoms noch nicht bemächtigt. So muss also Edom wieder in Erscheinung treten, um in die Hände Israels fallen zu können.
„Damit deine Geliebten befreit werden, rette durch deine Rechte und erhöre mich!
Gott hat geredet in seiner Heiligkeit: Frohlocken will ich, will Sichem verteilen und das Tal Sukkot ausmessen.
Mein ist Gilead, mein Manasse, und Ephraim ist die Schutzwehr meines Hauptes, Juda mein Herrscherstab.
Moab ist mein Waschbecken, auf Edom will ich meine Sandale werfen, über Philistäa will ich jauchzen.
Wer wird mich in die befestigte Stadt führen, wer wird mich bis nach Edom leiten?“ (Psalm 108,7-11).
Dieses Triumphlied kann man gut sowohl dem Messias als auch dem wiederhergestellten und völlig wiedervereinten Israel zuordnen. Der Psalmist ruft aus: „Moab ist mein Waschbecken, auf Edom will ich meine Sandale werfen, über Philistäa will ich jauchzen … wer wird mich bis nach Edom leiten?“ (Ps 108,10.11). Die Antwort ist: Gott wird es sein, der das Volk verworfen hatte und mit den Heerscharen des Volkes nicht ausgezogen war. Bei der Wiederherstellung Israels – nach seiner langen, noch heute bestehenden Verwerfung – werden Edom sowie alle Nachbarländer durch das Volk Gottes erobert werden.
„Denn sie haben sich mit einmütigem Herzen beraten, sie haben einen Bund gegen dich geschlossen:
die Zelte Edoms und die Ismaeliter, Moab und die Hageriter,
Gebal und Ammon und Amalek, Philistäa samt den Bewohnern von Tyrus“ (Psalm 83,6-8).
Auch dieser Psalm, wie übrigens alle Psalmen, ist prophetisch. Der Zusammenschluss der Völker, von dem hier die Rede ist und bei dem Edom die Führung übernehmen wollte, fand nie statt. Diese Koalition, deren Ziel ist, „die Wohnungen Gottes“ in Besitz zu nehmen (Ps 83,13), wird von Edom angeführt werden. Assur schließt sich ihnen an; er führt sie also nicht an, denn der Assyrer der Endzeit scheint nicht persönlich die Attacke gegen Jerusalem zu leiten, die erste zukünftige Belagerung dieser Stadt; der Assyrer wartet bis zur endgültigen Invasion bei seiner Rückkehr aus Ägypten, und dann wird er „zu seinem Ende kommen“ (Dan 11,45). Nichts, was dieser ersten Belagerung ähneln würde, hat bis jetzt in der Geschichte stattgefunden. Wir haben dies an anderer Stelle bereits erklärt. Wir wollen hier festhalten, dass Edom am Ende der Zeiten wieder zusammen mit Nationen auftreten wird, die heute zerstört sind wie es selbst, um Jerusalem zu erobern; denn außer der Gegenwart Edoms hat die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar keinerlei Zusammenhang mit dem hier Gesagten.
„Tretet herzu, ihr Nationen, um zu hören; und ihr Völkerschaften, hört zu! Es höre die Erde und ihre Fülle, der Erdkreis und alles, was ihm entsprosst! Denn der Zorn des HERRN ergeht gegen alle Nationen, und sein Grimm gegen ihr ganzes Heer. Er hat sie der Vertilgung geweiht, zur Schlachtung hingegeben. Und ihre Erschlagenen werden hingeworfen, und der Gestank ihrer Leichname steigt auf, und die Berge zerfließen von ihrem Blut. Und das ganze Heer der Himmel zerschmilzt; und die Himmel werden zusammengerollt wie ein Buch; und ihr ganzes Heer fällt herab, wie das Laub vom Weinstock abfällt und wie das Verwelkte vom Feigenbaum.
Denn trunken ist im Himmel mein Schwert; siehe, auf Edom fährt es herab und auf das Volk meines Bannes zum Gericht. Das Schwert des HERRN ist voll Blut, es ist gesättigt von Fett, vom Blut der Lämmer und Böcke, vom Nierenfett der Widder; denn der HERR hat ein Schlachtopfer in Bozra und eine große Schlachtung im Land Edom. Und Wildochsen stürzen mit ihnen hin, und Stiere mit kräftigen Ochsen; und ihr Land wird trunken von Blut, und ihr Staub von Fett gesättigt. Denn der HERR hat einen Tag der Rache, ein Jahr der Vergeltungen für die Rechtssache Zions“ (Jesaja 34,1-8).
„Denn der Zorn des Herrn ergeht gegen alle Nationen, und sein Grimm gegen ihr ganzes Heer“ (V. 2). Es ist die Endzeit, das Gericht, das der Herrschaft Christi vorangeht (vgl. Jes 34,4 mit Off 6,13.14); es ist im Besonderen das Schwert, das auf Edom fällt und „das Opfer von Bozra“, die Zerstörung des Heeres des großen westlichen Staatenbundes in Edom, eine Umgestaltung in einen Zustand, wie er in 1. Mose 1 beschrieben wird (vgl. Jes 34,11 mit 1. Mo 1,2).
„Wer ist dieser, der von Edom kommt, von Bozra in hochroten Kleidern, dieser, prächtig in seinem Gewand, der einherzieht in der Größe seiner Kraft? – Ich bin es, der in Gerechtigkeit redet, der mächtig ist zu retten. –“ (Jesaja 63,1).
„Wer ist dieser, der von Edom kommt, von Bozra in hochroten Kleidern, dieser, prächtig in seinem Gewand, der einherzieht in der Größe seiner Kraft? – Ich bin es, der in Gerechtigkeit redet, der mächtig ist zu retten.“ Hier erscheint der Messias, und Er kommt von Edom, von Bozra. Er ist es, der Vergeltung übt: „Von den Völkern war niemand bei mir“ (Jes 63,3). Könnte diese Stelle etwa verglichen werden mit irgendeinem Ereignis in der Vergangenheit Edoms? Die Gerichte über diese Nation wurden immer „durch die Völker“ vollzogen; hier hat der Herr sie selbst ausgeführt. Dieses Ereignis geistlich zu deuten, beweist nur die Unfähigkeit, sich einfach vom Wort Gottes unterweisen zu lassen. Wenn der Herr das schreckliche Gericht in der Endzeit vollstrecken und die Zügel des Königreichs in seine Hände nehmen wird, wird Edom wieder da sein.
{{Jeremia 49,7}
In Kapitel 48,47 spricht der Herr: „Aber ich werde die Gefangenschaft Moabs wenden am Ende der Tage.“ Dasselbe wird über die Kinder Ammon in Kapitel 49,6 gesagt. Aber Edom wird keine Nachlese haben, denn wie wir in Obadja sehen, heißt es von Edom: „Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben“ (Obad 18). So werden also die drei Völker für das Gericht am Ende der Zeiten existieren, jedoch werden Moab und Ammon nicht völlig vertilgt werden, Edom allerdings schon.
„Sei fröhlich und freue dich, Tochter Edom, Bewohnerin des Landes Uz! auch an dich wird der Becher kommen; du wirst betrunken werden und dich entblößen.
Zu Ende ist deine Ungerechtigkeit, Tochter Zion! Er wird dich nicht mehr wegführen. Er wird deine Ungerechtigkeit heimsuchen, Tochter Edom, er wird deine Sünden aufdecken“ (Klagelieder 4,21.22).
Die Tochter Edom wird den Becher trinken und ihre Schuld wird aufgedeckt, wenn die Ungerechtigkeit der Tochter Zion zu Ende sein wird. Diese beiden Ereignisse finden gleichzeitig statt, und man müsste blind sein, um nicht zu erkennen, dass es sich um zukünftige Ereignisse handelt und dass Jerusalem heute noch seine Ungerechtigkeit trägt und von den Füßen der Völker zertreten wird.
„So spricht der Herr, HERR: Weil Edom mit Rachsucht gegen das Haus Juda gehandelt hat und sie sich sehr schuldig gemacht haben, indem sie sich an ihnen rächten, darum, so spricht der Herr, HERR, werde ich meine Hand gegen Edom ausstrecken und Menschen und Vieh aus ihm ausrotten; und ich werde es von Teman an zur Einöde machen, und bis nach Dedan hin werden sie durchs Schwert fallen. Und ich werde meine Rache über Edom bringen durch die Hand meines Volkes Israel, und sie werden an Edom handeln nach meinem Zorn und nach meinem Grimm. Und sie werden meine Rache kennen lernen, spricht der Herr, HERR“ (Hesekiel 25,12-14).
Ammon und Moab werden den Söhnen des Ostens ausgeliefert werden (wie wir in ihrer vergangenen Geschichte sahen). Edom dagegen, das sich am Haus Juda grausam gerächt hat und an ihm überaus schuldig geworden ist, wird durch die Hand Israels unter die Vergeltung des Herrn fallen. Da diese Ereignisse unmöglich Ereignissen in der Vergangenheit zuzuordnen sind, geben gewisse Kommentatoren zu, dass diese Prophezeiung „bis an die Endzeit reicht. Man wird dann die Kraft des Heidentums, versinnbildlicht durch Edom, zusammenbrechen sehen unter der Herrschaft Christi, die von Juda ausgeht.“ (!) Solch eine Bibelauslegung widerlegt sich selbst. In Jesaja 34 und 63 kann man sehen, wie der Herr ohne irgendein Mitwirken der Nationen an den in Edom versammelten Heeren Rache übt. Jedoch wird es ganz anders geschehen, als Er dies in der Vergangenheit getan hat, und so wird Er Israel dann gebrauchen, um sich an Edom zu rächen.
„Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: Menschensohn, richte dein Angesicht gegen das Gebirge Seir und weissage gegen es und sprich zu ihm: So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich will an dich, Gebirge Seir; und ich werde meine Hand gegen dich ausstrecken und dich zur Wüste und Verwüstung machen; ich werde deine Städte zur Einöde machen, und du selbst wirst eine Wüste werden. Und du wirst wissen, dass ich der HERR bin.
Weil du eine beständige Feindschaft hegtest und die Kinder Israel der Gewalt des Schwertes preisgabst zur Zeit ihrer Not, zur Zeit der Ungerechtigkeit des Endes: Darum, so wahr ich lebe, spricht der Herr, HERR, werde ich dich zu Blut machen, und Blut wird dich verfolgen; weil du Blut nicht gehasst hast, soll Blut dich verfolgen. Und ich werde das Gebirge Seir zur Wüstenei und Verwüstung machen und den Hin- und Herziehenden aus ihm ausrotten. Und seine Berge werde ich mit seinen Erschlagenen füllen; auf deinen Hügeln und in deinen Tälern und in allen deinen Talgründen sollen vom Schwert Erschlagene fallen. Zu ewigen Wüsteneien werde ich dich machen, und deine Städte sollen nicht mehr bewohnt werden. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin.
Weil du sprachst: „Die beiden Nationen und die beiden Länder sollen mein sein, und wir werden es in Besitz nehmen“, da doch der HERR dort war, darum, so wahr ich lebe, spricht der Herr, HERR, werde ich nach deinem Zorn und nach deiner Eifersucht handeln, wie du infolge deines Hasses gegen sie gehandelt hast; und ich werde mich unter ihnen kundtun, sobald ich dich gerichtet habe. Und du wirst wissen, dass ich, der HERR, alle deine Schmähungen gehört habe, die du gegen die Berge Israels ausgesprochen hast, indem du sagtest: Sie sind verwüstet, uns sind sie zur Speise gegeben! Und ihr habt mit eurem Mund gegen mich großgetan und eure Worte gegen mich gehäuft; ich habe es gehört.
So spricht der Herr, HERR: Wenn die ganze Erde sich freut, werde ich dir Verwüstung bereiten. Wie du deine Freude hattest an dem Erbteil des Hauses Israel, weil es verwüstet war, ebenso werde ich dir tun: Eine Wüste sollst du werden, Gebirge Seir und ganz Edom insgesamt! Und sie werden wissen, dass ich der HERR bin“ (Hesekiel 35).
Hesekiel ist besonders lehrreich für unser Thema: das Wiedererscheinen Edoms in der Endzeit. Es handelt sich hier um die „Zeit der Gesetzlosigkeit der letzten Tage“, wo die Kinder Israel „der Gewalt des Schwertes“ preisgegeben sein werden, „zur Zeit ihrer Not“ (Hes 35,5). Die ganze Prophetie belehrt uns nun über den Abfall der Juden, die in der Endzeit in ihr Land zurückgekehrt sein werden und dort unter die Herrschaft des Antichristen kommen werden. In dieser Zeit wird sich Edom, wie wir in Psalm 83 sahen, an die Spitze der Vereinigung der Völker stellen, die, unterstützt vom zukünftigen Assyrer, die „Wohnungen Gottes“ in Besitz nehmen wollen (Ps 83,13). So sagt Edom: „Die beiden Nationen und die beiden Länder sollen mein sein, und wir werden es in Besitz nehmen … Sie sind verwüstet, uns sind sie zur Speise gegeben!“ (Hes 35.10.12). Wir wissen auch, dass bei diesem letzten Kraftakt der Feinde Israels der Herr dem schwachen Überrest Jerusalems seine Herrlichkeit zeigen wird, wie einen Vorgeschmack seiner kommenden Herrschaft (Sach 14,4). Dies lässt den Propheten Hesekiel zu Edom sagen: „Weil du sprachst:,Die beiden Nationen und die beiden Länder sollen mein sein …‘, da doch der Herr dort war“ (Hes 35,10). Dies macht Edom seiner unaufhörlichen Feindschaft doppelt schuldig und deshalb wird es für immer zerstört werden: „Wenn die ganze Erde sich freut, werde ich dir Verwüstung bereiten“ (Hes 35,14).
„Und er wird ins Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen; diese aber werden seiner Hand entkommen: Edom und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon“ (Daniel 11,41).
Wenn der König des Nordens, der Assyrer der Zukunft, in Israel einfallen und mit Ägypten (dem König des Südens) kämpfen wird, werden „Edom und Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon“ seiner Hand entrinnen. Diese Prophezeiung betrifft keinesfalls heutige Ereignisse. Es genügt, sie hier ohne weitere Erklärungen zu zitieren. Wir wollen damit beweisen, dass diese Nationen bei der Zerstörung des Assyrers existieren werden, kurz vor der Errichtung der Herrschaft Christi (Dan 11,45). Die Theologen ordnen diese Prophezeiung einer problematischen Expedition des Antiochus Epiphanes gegen Ptolemäus Philometor zu. Diese Theologen sehen in der Prophetie allein die Erfüllung geschichtlicher Ereignisse.
„Das Wort des HERRN, das an Joel, den Sohn Pethuels, erging.
Hört dieses, ihr Alten, und nehmt es zu Ohren, alle ihr Bewohner des Landes! Ist so etwas in euren Tagen geschehen oder in den Tagen eurer Väter? Erzählt davon euren Kindern, und eure Kinder ihren Kindern, und ihre Kinder dem folgenden Geschlecht: Was der Nager übrig gelassen hatte, fraß die Heuschrecke; und was die Heuschrecke übrig gelassen hatte, fraß der Abfresser; und was der Abfresser übrig gelassen hatte, fraß der Vertilger.
Wacht auf, ihr Betrunkenen, und weint! Und heult, alle ihr Weinsäufer, über den Most, weil er weggenommen ist von eurem Mund! Denn eine Nation ist über mein Land heraufgezogen, mächtig und ohne Zahl; ihre Zähne sind Löwenzähne, und sie hat das Gebiss einer Löwin. Sie hat meinen Weinstock zu einer Wüste gemacht und meinen Feigenbaum zerknickt; sie hat ihn vollständig abgeschält und hingeworfen, seine Ranken sind weiß geworden.
Wehklage wie eine Jungfrau, die wegen des Gatten ihrer Jugend mit Sacktuch umgürtet ist! Speisopfer und Trankopfer sind weggenommen vom Haus des HERRN; es trauern die Priester, die Diener des HERRN.
Das Feld ist verwüstet, es trauert der Erdboden; denn das Korn ist verwüstet, der Most ist vertrocknet, verwelkt das Öl“ (Joel 1,1-10).
Joel, dessen Prophezeiungen nur den „Tag des Herrn“ – die Endzeit – behandeln, sagt: „Edom [wird] zu einer öden Wüste werden wegen der Gewalttat an den Kindern Judas, weil sie in ihrem Land unschuldiges Blut vergossen haben. Aber Juda soll in Ewigkeit bewohnt werden und Jerusalem von Geschlecht zu Geschlecht“ (Joel 4,19.20). Diese prophetische Vision betrifft die Errichtung der Königsherrschaft, die dem nationalen Gericht der Völker im Tal Josaphat folgen wird.
„Esau aber habe ich gehasst, und ich habe seine Berge zur Wüste gemacht und sein Erbteil für die Schakale der Steppe. Wenn Edom spricht: Wir sind zerschmettert, werden aber die Trümmer wieder aufbauen, so spricht der HERR der Heerscharen: Sie werden bauen, ich aber werde niederreißen; und man wird sie nennen „Gebiet der Gottlosigkeit“ und „das Volk, dem der HERR in Ewigkeit zürnt“. Und eure Augen werden es sehen, und ihr werdet sprechen: Groß ist der HERR über das Gebiet Israels hinaus!“ (Maleachi 1,3-5).
Hier kommen wir zum Ende der Geschichte Edoms. Wenn alle Versuche des Herrn, Edom zurückzuführen, nur seinen Hass geschürt haben, sagt Gott: „Esau aber habe ich gehasst.“ Dann wird Gott Edom endgültig richten. In seiner beständigen Auflehnung ruft Edom aus: „Wir sind zerschmettert, werden aber die Trümmer wieder aufbauen.“ Dann wird die Geduld Gottes endgültig zu Ende sein, und Er sagt durch den letzten der Propheten: „Sie werden bauen, ich aber werde niederreißen“ (Mal 1,4).
Die göttliche Inspiration der Schrift
All diese zitierten Stellen haben vielleicht die Geduld unserer Leser strapaziert, aber sie waren nötig, um die zukünftige Wiedererstehung Edoms deutlich zu beweisen. Die prophetischen Ereignisse sind gebunden an das Prinzip des Wiedererscheinens von Nationen, die seit langer Zeit verschwunden sind. Mögen diese Erläuterungen genügen, um ein ganzes Auslegungssystem von Prophezeiungen zu zerstören: Es verfälscht das Wort Gottes, erkennt seine Autorität nicht an, spricht ihm jegliche Bedeutung im Blick auf die Endzeitereignisse ab und dient nur dazu, die Augen von Christus und seiner Herrlichkeit abzuwenden, indem es die Prophezeiungen als vergangene Begebenheiten auslegt, ohne moralische Bedeutung für Herz und Gewissen.
Ich richte diese Zeilen an meine Brüder in Christus, die dem Einfluss dieser Denkweise ausgesetzt sind – nicht an rationalistische, ungläubige Gelehrte. Ich bitte die Brüder eindringlich, zu vergessen, was sie von dieser falschen Theologie gelernt haben, und zur Einfachheit des Glaubens an die absolute Autorität der Bibel zurückzukehren. Wenn sie klar sehen in Dingen, die wir hier behandeln und die als zweitrangig erscheinen, werden sie auch offene Augen haben für wichtigere Dinge. Sie werden die Gefahr erkennen können, die die bibelkritische Schule bringt. Leider gibt es unter ihnen bereits höchst einflussreiche Leute, die sich nicht scheuen, sich damit zu brüsten, dass „in den theologischen Kreisen die wörtliche Inspiration bereits eines natürlichen Todes gestorben sei“. (Die Bezeichnung „wörtlich“ ist nur Augenwischerei.) Wir antworten diesen Brüdern, dass sie, nachdem sie die uneingeschränkte Inspiration der Schrift verlassen haben, mit all ihrer Frömmigkeit nicht fähig sind, den Angriffen des modernen Unglaubens wirksam zu begegnen. Darüber beklagen sie sich; wenn sie jedoch auf solch eine Weise die Klinge ihres Schwertes, das Wort Gottes, stumpf werden ließen, werden sie für den Fall, dass sie ein zweischneidiges Schwert brauchen, nur noch eine unbrauchbare Waffe haben.
Obadjas Themen
Nach dieser langen Einleitung wollen wir nun mit dem Studium der Prophezeiungen Obadjas beginnen. Sie wird uns, in Proportion zu seinem Rahmen, ein Bild von dem Los Edoms in den letzten Tagen aufzeigen. Wenn wir bereits vieles vorausgenommen haben von dem, was es noch zu sagen gibt, so werden uns die wenigen Verse des Buches Obadja erlauben, das Gesagte in mancherlei Hinsicht zu überprüfen.
Obadjas Thema sind die Gerichte über Edom und die Nationen. Wir wollen die weitreichende Bedeutung dieser Gerichte für die Zukunft Israels nicht unterschätzen. Wenn die Gemeinde heute durch Gnade gerettet ist, so wird Israel in der Zukunft durch Gerichte befreit. Deshalb macht der treue Überrest sie in den Psalmen so oft zum Gegenstand seiner flehentlichen Gebete.
Die von den Propheten immer wieder erwähnten Parallelen zwischen den Gerichten der Vergangenheit und den Gerichten der Zukunft helfen uns, die zukünftigen Gerichte besser zu verstehen. Diese wiederum lenken unseren Blick auf die Person des Richters. Der Überrest Israels wird in Ihm den sanftmütigen Menschen erkennen, den sie verworfen hatten: das Lamm Gottes, das für die Sünden seines Volkes dahingegeben worden ist. Mit was für einer Freude werden dann die Treuen in dieser erhabenen Person die Majestät und die Gnade, die Sanftmut und die Gerechtigkeit vereinigt sehen: „Du bist schöner als die Menschensöhne, Holdseligkeit ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich gesegnet in Ewigkeit. Gürte dein Schwert um die Hüfte, du Held, deine Pracht und deine Majestät! Und in deiner Majestät zieh glücklich hin um der Wahrheit und der Sanftmut und der Gerechtigkeit willen; und Furchtbares wird dich lehren deine Rechte. Deine Pfeile sind scharf – Völker fallen unter dir –, sie dringen den Feinden des Königs ins Herz“ (Ps 45,3-6).