Jesus - Mann der Schmerzen
Gedanken über die Leiden des Herrn
Einleitung
Die Leiden unseres Erlösers und Herrn Jesus Christus sollten uns immer wieder neu beschäftigen. Wenn wir einmal in der Herrlichkeit um den Thron Gottes versammelt sein werden, werden alle Erlösten – dargestellt im Bild der vierundzwanzig Ältesten – den Sohn Gottes inmitten des Thrones stehen sehen als das „Lamm wie geschlachtet“. Wir werden anbetend ein neues Lied singen, in dem es heißt: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation, und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!“ Sogar die Engel werden mit lauter Stimme sprechen: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist, zu empfangen die Macht und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Segnung.“ Dreimal wird uns also in diesem Kapitel die Tatsache vorgestellt, dass das Lamm geschlachtet worden ist (Off 5,6.9.12)!
Auf dem Weg zum Kreuz, wo Er für uns und unsere Sünden sterben musste, war Er „wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern“ (Jes 53,7; vgl. Apg 8,32). Am Kreuz war Er „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“, und dessen kostbares Blut uns erlöst hat (Joh 1,29; 1. Pet 1,18f.). So wird Er auch in der Herrlichkeit vor unseren Blicken stehen!
Wenn der Tod unseres Erlösers und die damit verbundenen Leiden uns in Ewigkeit beschäftigen werden, sollte es dann nicht auch in der Gegenwart mehr der Fall sein? Die Jünger sahen am Auferstehungsleib ihres Meisters die Male der Wunden, die die Menschen Ihm zugefügt hatten (Lk 24,39.40; Joh 20,25–27; vgl. Sach 13,6). Aber in der Ewigkeit werden wir an dem geschlachteten Lamm auch die Spuren seines Leidens von Gottes Seite sehen und Ihn dafür anbeten!
Das Wort „Leiden“ hat in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Bedeutungen. Es kann einmal das Ertragen zugefügter Schmerzen bedeuten (vgl. Mt 16,21; Heb 13,12), andererseits aber auch das schmerzliche Empfinden jeder Art des Bösen (vgl. Heb 2,18; 5,8). Der Herr Jesus hat beides vollkommen geschmeckt. Oft waren die beiden Aspekte seines Leidens miteinander verbunden. Es ist aber gut, sie zu unterscheiden.
Für das Leiden Christi am Kreuz gibt es verschiedene Gründe: den Hass der Menschen unter der Führung Satans und den heiligen Zorn sowie das daraus hervorgehende gerechte Gericht Gottes über die Sünde. Auch hier ist es wichtig, die Leiden, die Er vonseiten der Menschen zu erdulden hatte, von den Sühnungsleiden zu unterscheiden, die Er von Gottes Seite wegen unserer Sünde ertragen musste. Sowohl die Ursachen als auch die Ergebnisse dieser beiden Arten von Leiden sind nicht nur unterschiedlich, sondern stehen im vollkommenen Gegensatz zueinander.
Nur eine Form des Leidens kannte der Herr überhaupt nicht: Leiden aufgrund von Verfehlungen und Sünden, wie sie leider auch bei Christen Vorkommen können. Wenn Petrus die gläubigen Hausknechte fragen muss: „Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet?“, dann liegt darin ein deutlicher Vorwurf (1. Pet 2,20). Ähnlich ist es in Kapitel 4,15: „Dass doch niemand von euch leide als Mörder oder Dieb oder Übeltäter oder als einer, der sich in fremde Sachen mischt; wenn aber als Christ, so schäme er sich nicht, sondern verherrliche Gott in diesem Namen.“ Wenn wir dem Beispiel unseres Herrn folgen, bleiben wir vor solchen Leiden bewahrt.
Die Leiden Christi gehören zu den erhabensten Themen des Wortes Gottes. Er litt nicht nur am Kreuz, sondern während seines ganzen Lebens. Als der ewige Sohn Gottes die Erde als Mensch betrat, begann für Ihn ein Weg des Leidens, der seinen Höhepunkt in den letzten drei Stunden am Kreuz und in seinem Tod erreichte.
Einige Arten von Leiden hat der Herr Jesus ganz allein erdulden müssen. In anderen ist Er unser Vorbild, und wir können Ihm, wenn auch in schwachem Maß, darin folgen. Doch über allem stehen die sühnenden Leiden unseres geliebten Herrn am Kreuz. Mit ihnen beginnen wir daher unsere Betrachtung.
Wir betreten dabei „heiliges Land“. Wie Mose und Josua aufgefordert wurden, in der Gegenwart Gottes ihre Schuhe von ihren Füßen zu ziehen, geziemt es sich auch für uns, das heilige Geschehen und die anbetungswürdige Person unseres Erlösers Jesus Christus mit Ehrfurcht zu betrachten. Unmöglich können wir die Höhen und Tiefen seiner Leiden völlig ergründen. Ebenso wenig dürfen wir dabei seine Gottheit und Menschheit auseinander dividieren. Er ist „der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20), und zugleich „der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab als Lösegeld für alle“ (1. Tim 2,5.6). Bei allem Leiden hat Er sich jedoch nicht nur für uns als Darbringung und Schlachtopfer hingegeben, sondern auch „Gott zu einem duftenden Wohlgeruch“ (Eph 5,2). Alles ist für uns Grund zu ewiger Anbetung!
Schon öfter ist geäußert worden, dass das rechte Verständnis der Leiden Christi nicht nur eine Frage der Schriftauslegung ist, sondern auch unseres Herzenszustandes und unserer geistlichen Einsicht. Dem kann man nur von ganzem Herzen zustimmen. Möchten wir uns in ehrfurchtsvoller Haltung mit diesem erhabenen Gegenstand beschäftigen!