Die Gabe des Geistes
Der Heilige Geist in dem Buch der Offenbarung
„Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde!“ (Off 1,4.5).
Es würde ein bedeutsamer Zug in dem Gemälde fehlen, wenn wir zum Schluss nicht noch einen, wenn auch nur kurzen Blick, auf die Person des Heiligen Geistes werfen würden, wie sie uns in dem Buch der Offenbarung entgegentritt. Wie dieses Buch selbst einen prophetischen und richterlichen Charakter trägt, so erscheint auch der Heilige Geist hier vorwiegend als der Geist der Prophezeiung, der die dann auf Erden lebenden Gläubigen, während Er selbst im Himmel ist, auf die Zukunft hinweist; und ferner als ein Geist des Gerichts. Selbst in den Sendschreiben an die sieben Versammlungen in Kleinasien, dem Bild der Kirche, in ihrer Verantwortlichkeit hienieden betrachtet, befindet Er sich nicht in der Kirche, sondern Er redet zu ihr. Es ist nicht der Geist, der in den einzelnen Gläubigen wohnt oder der Gaben austeilt und in der Gemeinde wirkt, wie Er will; sondern wie der Herr selbst in einem priesterlichen und richterlichen Charakter gesehen wird, wandelnd inmitten der sieben goldenen Leuchter, steht auch der Geist gleichsam außerhalb und beurteilt und warnt die Versammlungen: „Wer ein Ohr hat, höre was der Geist den Versammlungen sagt.“
Und während wir in allen übrigen Schriften des Neuen Testaments nur von dem Geist oder von dem einen Geist hören, lesen wir in der Offenbarung (ohne Zweifel unter Bezugnahme auf die siebenfache geistliche Macht in Jesaja 11,2) von vornherein von den sieben Geistern, die vor dem Thron Gottes sind. Das ist eine so auffallende Erscheinung, dass sie dem aufmerksamen Leser des Buches der Offenbarung sofort zeigt, dass er sich auf einem ganz neuen Boden befindet. Die Zeit der Gnade Gottes, in welcher Er das wunderbare Geheimnis von Christus und der Versammlung, das von den Zeitaltern und Geschlechtern her in Ihm verborgen war, offenbart hat, ist vorüber, die Zeit des Gerichts ist angebrochen. Gott selbst erscheint auf dem Thron des Gerichts, und alles was im Himmel und auf Erden ist, wird gerichtet: die Kirche, der Mensch als solcher, die Mächte der Welt, die Teufel etc. Und wenn der Prophet „sieben Geister“ sieht, so erinnert das eben an die mannigfaltigen Seiten der Vollkommenheit des Geistes, wie sie sich in den Regierungswegen Gottes mit dieser Erde und ihren Bewohnern entfalten; darum wird Er auch „vor dem Thron Gottes“ gesehen. Im 4. Kapitel erscheint Er sogar unter dem Bild von,,sieben Feuerfackeln“, welche vor dem Thron brennen, und im 5. Kapitel werden die sieben Augen des Lammes, das im Begriff steht, das Buch der Gerichte zu öffnen und seine Siegel zu brechen, „die sieben Geister Gottes“ genannt, „die gesandt sind über die ganze Erde“. Nicht Gnade und Segnung ist dann das Ziel des Wirkens Gottes, sondern ein gerechtes Gericht, ausgeübt mit göttlicher Macht und in vollkommener Einsicht. Nicht als die kostbare Gabe Gottes an Seine Kirche steht der Geist vor uns, sondern als die wirkende Kraft der Richtermacht des Lammes, als der Geist des Gerichts, der alles erforscht und ans Licht bringt. Wohl werden auch in diesen schrecklichen Tagen Gläubige auf der Erde sein, Menschen, die durch die Kraft des Geistes wiedergeboren sind und von Ihm geleitet und in ihrem Zeugnis gestärkt werden; aber der Charakter Seiner Tätigkeit in ihnen ist ein ganz anderer als gegenwärtig. Während Er jetzt in den Gläubigen wohnt als ein Geist der Gemeinschaft und sie in die ganze Fülle dessen einführt, was ihnen in Christo geschenkt ist, wird Er dann wieder mehr in alttestamentlicher Weise wirksam sein als ein Geist der Prophezeiung, der nicht hienieden wohnt und die Herzen der Erlösten mit dem Himmel verbindet, indem Er sie jetzt schon die geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern genießen lässt, sondern der sie auf die Zukunft hinweist, auf das was sie empfangen werden, wenn Christus erscheint und ihre Feinde vernichtet. Daher auch ihr Rufen um Rache.
Sobald aber am Ende des Buches, nachdem der Kreis der prophetischen Mitteilungen über Gottes richterliche Wege geschlossen ist, der Herr sich an Seine Gemeinde hienieden wendet, und sich ihr, entsprechend ihrer besonderen himmlischen Hoffnung, als der glänzende Morgenstern ankündigt, lesen wir: „Der Geist und die Braut sagen: Komm!“ Es sind nicht mehr sieben Geister, die gleich Feuerfackeln vor dem Thron Gottes brennen, nicht ernste Symbole des Gerichts erschrecken das Auge; nein, es ist die der Braut so wohlbekannte Person, der vom Himmel herniedergesandte Heilige Geist, der göttliche Bote, welcher sie aus dem fernen Land dem geliebten Bräutigam zuführen soll, der sie sorglich durch die Wüste geleitet hat und nun nahe am Ende Seiner Mission steht. In völliger Übereinstimmung mit den Gefühlen der Braut verlangt Er danach, diese Erde zu verlassen und die Frucht Seiner Wirksamkeit dahin zu führen, wo sie an der Seite des Sohnes Gottes, allen Gefahren und Versuchungen enthoben, in Herrlichkeit thronen wird von Ewigkeit zu Ewigkeit.
„Wer ist der Mann da, der uns entgegenwandelt?“, fragte einst Rebekka, als sie am Ziel ihrer weiten Reise angelangt war und Isaak auf sich zukommen sah; und Elieser antwortete: „Das ist mein Herr.“ So wird auch bald – o wer könnte die Wonne dieser Stunde fassen? – unsere Reise enden; unser teurer Herr wird uns entgegenkommen, und der Heilige Geist, der während der langen Wüstenwanderung unsere Herzen und Hände so oft gestärkt hat durch den Hinweis auf Jesum, wird aller Augen dann auf Ihn lenken, den zu verherrlichen Er gekommen ist.
Teurer Leser! Wir haben einen wunderbaren hohen Gegenstand miteinander betrachtet, und du wirst mit mir fühlen, dass wir nur ein klein wenig in die Tiefen und Höhen desselben hineingeschaut, nur ganz schwach die,,Säume“ der Herrlichkeit der erhabenen, göttlichen Person des Heiligen Geistes gestreift haben. Aber Gott sei dafür gepriesen, dass Er uns dieses Wenige zu erkennen und zu verstehen gegeben hat! Er kann und will mehr geben; und das Wenige, das wir zu fassen vermögen, weckt das Verlangen nach dem „Vollkommenen“ und lässt uns die Fülle ahnen, welche vor uns und für uns bereitliegt. Und wenn wir fragen: Was ist der Mittelpunkt all dieser Fülle und Herrlichkeit, der Gegenstand und das Ziel aller Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der Anfang und das Ende aller Wege Gottes?, so ist die Antwort: Jesus – Jesus – Jesus! Er, der da sagt: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt ... Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der glänzende Morgenstern.“
„Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm! Und wen da dürstet, der komme; wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst!“