Betrachtung über 1.Petrus (Synopsis)

Kapitel 4

Betrachtung über 1.Petrus (Synopsis)

Vom ersten bis zum siebenten Verse dieses Kapitels fährt der Apostel fort, die allgemeinen Grundsätze der Regierung Gottes zu behandeln, indem er die Christen ermahnt, nach den Grundsätzen Christi selbst zu wandeln; das würde sie vor dem Wandel schützen, den diese Regierung verurteilt, während sie das Gericht der Welt durch den Christus erwarteten, dem sie dienten. Der verherrlichte Christus, wie Er uns am Ende des vorigen Kapitels vor Augen gestellt wurde, ist bereit, zu richten; und die, die den Christen feindlich gesinnt waren und nach ihren eigenen Lüsten wandelten, ohne sich um das kommende Gericht zu kümmern, werden dem Herrn als Richter Rechenschaft geben müssen, den sie als Heiland nicht anerkennen wollten. Die Leiden, von denen hier die Rede ist, sind, wie man bemerken wird, Leiden um der Gerechtigkeit willen (Kap. 2,19; 3,17), in Verbindung mit der Regierung und dem Gericht Gottes. Der Grundsatz war dieser: Die Christen nahmen den Heiland an, den die Welt und die jüdische Nation verwarfen; sie folgten Ihm nach und wandelten in seinen heiligen Fußstapfen in der Gerechtigkeit, als Pilger und Fremdlinge, indem sie das Verderben verließen, das in der Welt herrschte. Dadurch dass sie in Frieden wandelten und dem Guten nachfolgten, beugten sie bis zu einem gewissen Punkt den Angriffen anderer vor, und die Augen dessen, der von der Höhe herab über alles wacht, ruhten auf dem Gerechten. Dennoch war es möglich, dass sie in den Beziehungen des gewöhnlichen Lebens (vgl. Kap. 2, 18) und in ihrem Verkehr mit den Menschen zu leiden und offenbare Ungerechtigkeiten zu ertragen hatten. Nun, die Zeit des Gerichts Gottes war noch nicht gekommen – Christus war droben; Er war hienieden verworfen worden, und es war das Teil der Christen, Ihm zu folgen. Die Zeit der Offenbarung der Regierung Gottes wird erst kommen, wenn Christus das Gericht ausübt. Inzwischen hat der Wandel des Herrn auf dieser Erde uns ein vollkommenes Muster davon gegeben, was der Gott des Gerichts gutheißt (1. Pet 2, 21–23; 4, 1 ff).

Die Gläubigen sollten Gutes tun, dafür leiden und Geduld haben, das ist Gott wohlgefällig, und das ist es auch, was Christus getan hat. Es ist besser, wenn Gott es für gut hält, für Gutestun zu leiden als für Bösestun. Christus (1. Pet 2,24) hat unsere Sünden getragen. Er hat für unsere Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, damit Er uns zu Gott führe, und damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben möchten. Christus weilt jetzt droben: Er ist bereit, zu richten. Wenn das Gericht kommen wird, werden die Grundsätze der Regierung Gottes ans Licht treten und die Oberhand haben.

Der Anfang des 4. Kapitels fordert indes noch einige eingehendere Bemerkungen. Der Tod Christi wird hier darauf angewandt, dass wir wirklich den Sünden abgestorben sind – ein Zustand, der zu dem Leben der Nationen in Gegensatz gestellt wird.

Christus hat am Kreuz (Petrus spielt hier auf den 18. Vers des vorhergehenden Kapitels an) für uns im Fleisch gelitten; Er ist, was sein menschliches Leben betrifft, tatsächlich gestorben. Wir nun sind berufen, uns mit dem nämlichen Sinn zu wappnen und keine Tätigkeit des Lebens oder der Lüste nach dem Willen des alten Menschen gutzuheißen, sondern bezüglich des Fleisches zu leiden, indem wir niemals dem Willen desselben folgen. Die Sünde ist die Tätigkeit des Willens des Fleisches in uns, des Willens des Menschen, als lebend in dieser Welt. Wenn dieser Wille tätig ist, so ist der Grundsatz der Sünde da; denn wir sind schuldig zu gehorchen. Der Wille Gottes muss die Triebfeder unseres sittlichen Lebens sein, und das um so mehr als wir jetzt, wo wir die Erkenntnis des Guten und Bösen besitzen – wo der Wille des Fleisches, der Gott nicht untertan ist, in uns ist –, entweder den Willen Gottes als unsere einzige Triebfeder annehmen oder nach dem Willen des Fleisches handeln müssen; denn das Fleisch ist stets in uns.

Christus kam, um zu gehorchen; Er wollte lieber sterben und alles erdulden, als ungehorsam sein. So starb Er denn der Sünde, die niemals auch nur für einen Augenblick in seinem Herzen Eingang fand. Bis zum äußersten versucht, wollte Er lieber den Tod erleiden, als ungehorsam sein, selbst wenn der Tod den Charakter des Zornes gegen die Sünde und des Gerichts hatte. So bitter der Kelch auch sein mochte, Er trank ihn lieber, als dass Er den Willen seines Vaters nicht völlig erfüllt und Ihn verherrlicht hätte. Er wurde bis zum äußersten versucht und darin vollkommen erfunden, und jede Versuchung, die von außen an Ihn herantrat und in Ihn einzudringen suchte – denn innerlich war Er ohne Versuchung –, wurde stets zurückgewiesen. Er ging nie in dieselbe hinein, sie begegnete keiner Regung seines Willens, die ihr günstig gewesen wäre. Vielmehr brachte sie seinen Gehorsam oder die Vollkommenheit der göttlichen Gedanken im Menschen zum Vorschein. Und indem Christus starb, indem Er im Fleisch litt, hat Er für immer mit allem, auch mit der Sünde, abgeschlossen und ist auf immerdar in die Ruhe eingegangen, und zwar nachdem Er bis zum äußersten erprobt und, was die Bewährung des Glaubens und den Kampf des geistlichen Lebens anlangt, in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir 1.

Ebenso ist es jetzt mit uns im Blick auf unser tägliches Leben. Wenn ich im Fleisch leide, so ist der Wille des Fleisches sicherlich nicht in Tätigkeit; und das Fleisch ist in dem, worin ich leide, praktisch tot, ich habe nichts mehr mit Sünden zu tun 2. Wir sind also von der Sünde befreit, haben mit ihr abgeschlossen und sind in Ruhe. Wenn wir damit zufrieden sind, zu leiden, so wirkt der Wille nicht und die Sünde ist, was ihre tatsächliche Ausübung betrifft, nicht vorhanden; denn leiden ist nicht Wille, sondern die Tätigkeit der Gnade, die nach dem Vorbild und dem Sinn Christi in dem neuen Menschen wirkt; wir sind von der Tätigkeit des alten Menschen befreit. Die Sünde ist nicht mehr wirksam; wir ruhen sozusagen von ihr und haben mit ihr abgeschlossen, um die noch übrige Zeit unseres Lebens im Fleisch hier auf der Erde nicht mehr nach den Lüsten der Menschen zu leben, sondern nach Gottes Willen, dem der neue Mensch folgt.

Es ist uns genug, die vergangene Zeit unseres Lebens den Willen der Nationen getan (Petrus redet immer zu Christen aus der Beschneidung) und in ihren Ausschweifungen gewandelt zu haben. Die Nationen gaben sich den Ausschweifungen hin und wunderten sich zugleich, dass die Christen nicht „zu demselben Treiben der Ausgelassenheit der Schwelgerei mitlaufen“ wollten; auch redeten sie aus diesem Grund übel von ihnen. Doch sie werden Dem Rechenschaft geben, der bereit ist, die Lebendigen und die Toten zu richten (V. 5).

Die Juden waren an das Gericht der Lebendigen gewöhnt, da sie den Mittelpunkt der Regierung Gottes auf Erden bildeten; das Gericht der Toten aber, mit dem wir mehr vertraut sind, war ihnen nicht bestimmt offenbart worden. Gleichwohl waren sie diesem Gericht unterworfen; denn die Verheißungen Gottes waren ihnen während ihrer Lebzeiten zu dem Zweck gegeben worden, damit sie entweder Gott gemäß im Geist leben möchten oder gerichtet würden als Menschen, die für das, was sie im Fleisch getan hatten, verantwortlich waren. Denn eines von diesen beiden Ergebnissen wird sich bei einem jeden zeigen, der die Verheißungen gehört hat. So wird, was die Juden betrifft, das Gericht der Toten in Verbindung mit den Verheißungen stattfinden, die ihnen verkündigt worden sind. Denn dieses Zeugnis von Gott stellte alle, die es hörten, unter Verantwortlichkeit, so dass sie gerichtet werden würden als Menschen, die Gott Rechenschaft zu geben hatten von ihrem Wandel im Fleisch, es sei denn, dass sie diese Stellung des Lebens im Fleisch verlassen hatten, indem sie lebendig gemacht worden waren durch die Kraft des Wortes, das an sie ergangen und durch die Wirksamkeit des Geistes auf sie angewandt worden war, so dass sie dem Fleisch durch das geistliche Leben, das sie empfingen, entflohen waren.

Nun, das Ende aller Dinge war nahe gekommen (V. 7). Der Apostel richtet, während er von dem großen Grundsatz der Verantwortlichkeit in Verbindung mit dem Zeugnis Gottes redet, die Aufmerksamkeit des Christen auf den ernsten Gedanken des Endes aller jener Dinge, auf die das Fleisch sich stützt. Dieses Ende nahte heran. Doch beachten wir, dass Petrus hier weder von dem Kommen des Herrn zur Abholung der Seinigen, noch auch von seiner Offenbarwerdung mit ihnen redet, sondern jenen Augenblick der feierlichen Bestätigung der Wege Gottes vor unser Auge stellt, wo jede Stütze des Fleisches verschwinden und alle Gedanken des Menschen auf immer vergehen werden.

Im Blick auf die Beziehungen Gottes zu der Welt hinsichtlich seiner Regierung ist die Zerstörung Jerusalems, obwohl sie nicht „das Ende“ war, von großer Wichtigkeit; durch sie wurde gerade der Sitz dieser Regierung auf der Erde, wo der Messias hätte regieren sollen und wo Er einst regieren wird, vernichtet. Gott wacht über alle Dinge, trägt Sorge für die Seinen, zählt die Haare ihres Hauptes, lässt alle Dinge zu ihrem Besten mitwirken, aber alles das inmitten einer Welt, die Er nicht mehr anerkennt. Denn nicht nur ist die irdische und unmittelbare Regierung Gottes beiseite gesetzt (was zur Zeit Nebukadnezars und in gewissem Sinn schon in den Tagen Sauls geschah), sondern auch der Messias, der in ihr herrschen sollte, ist – und das ist gerade der Gegenstand unseres Briefes – verworfen worden und hat als der Auferstandene seinen himmlischen Platz eingenommen.

Die nahe bevorstehende Zerstörung Jerusalems sollte selbst die letzten Spuren dieser Regierung verwischen, und zwar bis zur Wiederkunft des Herrn. Die Beziehungen des irdischen Volkes zu Gott auf dem Boden der Verantwortlichkeit des Menschen waren zu Ende; die allgemeine Regierung Gottes trat an die Stelle der früheren – eine Regierung, die zwar dem Grundsatz nach immer dieselbe blieb, die aber, da Jesus auf Erden gelitten hatte, zuließ, dass auch seine Glieder hienieden litten. Bis zur Zeit des Gerichts werden die Bösen die Gerechten verfolgen, und die Gerechten müssen Geduld haben. Hinsichtlich des jüdischen Volkes haben jene Beziehungen zu Gott nur bis zur Zerstörung Jerusalems bestanden; die Hoffnungen der ungläubigen Juden, als eines Volkes, sind dort auf gerichtlichem Weg vernichtet worden.

Der Apostel spricht hier in allgemeiner Weise und im Blick auf die Wirkung der ernsten Wahrheit von dem Ende aller Dinge, denn Christus ist stets „bereit zu richten“; und wenn es einen „Verzug“ gibt, so hat das seinen Grund darin, dass Gott nicht den Tod des Sünders will und die Zeit der Gnade noch verlängert.

Angesichts dieses Endes alles Sichtbaren sollten wir nüchtern sein und wachsam zum Gebet und auf diese Weise ein vor Gott geübtes Herz haben. Er verändert sich nicht und vergeht nicht, und Er wird uns durch alle Schwierigkeiten und Versuchungen dieses vorübergehenden Zeitlaufs hindurch bis zu dem kommenden Tag der Befreiung bewahren. Statt uns durch die gegenwärtigen und sichtbaren Dinge einnehmen zu lassen, sollten wir unser Fleisch und unseren Willen im Zaume halten und mit Gott Gemeinschaft machen.

Das führt den Apostel dahin, von der inneren Stellung der Christen, von ihren Beziehungen untereinander zu reden, abgesehen von der allgemeinen Weltregierung Gottes. Sie folgen, weil sie Christen sind, des Christus selbst. Das erste, was Petrus ihnen ans Herz legt, ist eine inbrünstige Liebe (V. 8), nicht bloß eine Langmut, die die Zornesausbrüche des Fleisches verhindert, sondern eine Energie der Liebe, die dadurch, dass sie allen Wegen der Christen untereinander ihren Charakter aufprägt, die Wirksamkeit des Fleisches praktisch beseitigt und Gottes Gegenwart und Wirken offenbart. Diese Liebe bedeckt eine Menge von Sünden. Petrus spricht hier nicht von der schließlichen Vergebung, sondern von der tatsächlichen Kenntnis, die Gott von den Dingen nimmt, von den gegenwärtigen Beziehungen Gottes zu seinem Volk hinsichtlich seiner Regierung; denn wir haben gegenwärtige Beziehungen zu Gott. Wenn die Versammlung uneinig ist, wenn wenig Liebe vorhanden und der Verkehr der Christen untereinander mit verengten Herzen geschieht und schwierig ist, so steht das vorhandene Böse, das gegenseitig geschehene Unrecht, vor den Augen Gottes; aber wenn die Liebe in Tätigkeit ist, so dass man dem anderen weder Unrecht tut noch das erfahrene Böse vergilt, sondern es vergibt und nur eine Gelegenheit zur Ausübung der Liebe in ihm findet, so ist das Auge Gottes auf die Liebe und nicht auf das Böse gerichtet. Sind dann auch Fehler und Sünden vorhanden, so beschäftigt sich die Liebe mit denselben, und derjenige, der Böses getan hat, wird zurückgebracht und durch die Liebe der Versammlung wiederhergestellt; die Sünden werden vor den Augen Gottes weggenommen, sie werden bedeckt. Die letzte Hälfte des 8. Verses ist eine Anführung aus den Sprüchen Salomos: „Hass erregt Zwietracht, aber Liebe deckt alle Übertretungen zu“ (Spr 10,12). Wir haben das Recht, Sünden zu vergeben, die Füße unseres Bruders zu waschen (Jak 5,15; 1. Joh 5,16). Und so vergeben wir nicht nur, sondern die Liebe erhält auch die Versammlung vor Gott gemäß seiner eigenen Natur, so dass Er sie segnen kann.

Zudem sollen die Christen Gastfreundschaft gegeneinander üben mit aller Freigebigkeit. Die Gastfreundschaft ist der Ausdruck der Liebe und trägt viel zu ihrer Erhaltung bei; man lernt sich kennen und steht einander nicht mehr fremd gegenüber. Nach der Ausübung der Gnade folgen dann die Gnadengaben (V. 10 ff.). Alles kommt von Gott. Je nachdem jeder eine Gabe empfangen hatte, sollte er mit dieser Gabe dienen, als ein Verwalter Gott gegenüber verantwortlich. Er hat alles Gott zuzuschreiben, und zwar unmittelbar; wenn er redet, so soll er reden „als Aussprüche Gottes“, d. h. als einer, der von Seiten Gottes und nicht aus sich selbst redet. Dient jemand in zeitlichen Dingen, so soll er es tun in einer Kraft und Fähigkeit, die von Gott kommen, damit, sei es dass man redet, sei es dass man dient, in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus. „Ihm“, fügt der Apostel hinzu, „sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“

Nach diesen Ermahnungen kommt Petrus auf die Leiden um des Namens Christi willen zurück. Die Gläubigen sollten die heiße Verfolgung, die zu ihrer Prüfung über sie kam, nicht als etwas Befremdendes und Seltsames betrachten, als begegne ihnen etwas Fremdes. Im Gegenteil, sie waren mit einem leidenden und verworfenen Christus verbunden und nahmen deshalb teil an seinen Leiden, und sie sollten sich darüber freuen. Die Erscheinung Christi stand nahe bevor, und bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit sollten jene Leiden um Seinetwillen ihnen zu überschwänglicher Freude ausschlagen. Die Christen sollten sich also darüber freuen, dass sie an den Leiden Christi teilnehmen durften, damit sie auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken sich freuten. Wenn sie um des Namens Christi willen geschmäht wurden, so waren sie glückselig, denn der Geist der Herrlichkeit und der Geist Gottes ruhte auf ihnen. Es war der Name Christi, der ihnen Schmach brachte. Christus war in der Herrlichkeit bei Gott, und der Geist, der aus dieser Herrlichkeit und von diesem Gott kam, erfüllte sie, indem sie die Schmähungen ertrugen, mit Freude. Es war Christus, der geschmäht wurde. Er, der Verherrlichte, wurde geschmäht von den Feinden des Evangeliums, während die Christen die Freude hatten, Ihn zu verherrlichen. Es ist schon gesagt worden, dass in dieser Stelle von den Leiden um Christi selbst willen die Rede ist, weshalb der Apostel hier auch von Herrlichkeit und Freude bei der Erscheinung Jesu Christi spricht, wovon er in 1. Pet 2,20; 3,17  nichts erwähnt (vgl. Mt 5,10 mit V. 11 und 12 desselben Kapitels).

Als ein Übeltäter sollte der Christ also nie leiden; leidet er aber als Christ, so soll er sich nicht schämen, sondern Gott dafür preisen. – Der Apostel kommt dann auf die Regierung Gottes zurück, denn diese Leiden der Christen hatten auch einen anderen Charakter. Für die leidende Person war das Leiden ein Ruhm: sie nahm teil an den Leiden Christi, und der Geist der Herrlichkeit und der Geist Gottes ruhte auf ihr, und alles sollte sich in überschwängliche Freude verkehren bei der Offenbarung der Herrlichkeit. Aber Gott hatte kein Wohlgefallen daran, sein Volk leiden zu lassen. Wohl erlaubte Er es; und wenn Christus für uns zu leiden hatte, ohne dass Er, der keine Sünde kannte, es um seiner selbst willen bedurft hätte, so hat das Volk Gottes es oft nötig, zu seinem eigenen Nutzen durch Leiden geübt zu werden, und Gott bedient sich zu diesem Zweck der Feinde des Namens Jesus, der Gottlosen. Das Buch Hiob erklärt dies, unabhängig von den verschiedenen göttlichen Verwaltungen. Aber in jeder Form seiner Wege übt Gott seine Gerichte nach der Ordnung aus, die Er festgesetzt hat. So hat Er es mit Israel getan, und so tut Er es auch mit der Versammlung (Gemeinde). Die letztere hat ein himmlisches Teil, und wenn sie sich an die Erde hängt, so erlaubt Gott dem Feind, sie in Trübsal zu bringen. Es ist möglich, dass die leidende Person voll von Glauben und hingebender Liebe für den Herrn ist; aber in der Verfolgung fühlt das Herz, dass die Welt nicht sein Ruheplatz ist, dass es sein Teil und seine Kraft anderswo haben muss. Wir sind nicht von der Welt, die uns verfolgt. Wenn ein treuer Diener Gottes durch Verfolgung aus der Welt weggenommen wird, so wird der Glaube dadurch gestärkt, denn Gottes Hand ist darin; aber diejenigen, aus deren Mitte er weggenommen wird, leiden und fühlen, dass Gott seine Hand darin hat: Seine Wege nehmen die Form des Gerichts an, wohl immer in vollkommener Liebe, aber in Zucht.

Gott beurteilt alles nach seiner eigenen Natur. Er wünscht, dass alles mit dieser Natur in Übereinstimmung sei. Kein rechtschaffener und ehrbarer Mensch möchte böse Menschen bei sich und stets vor sich haben; Gott will es sicherlich nicht. In den Ihm am nächsten Stehenden muss Er vor allen Dingen wünschen, dass alles seiner Natur, Seiner Heiligkeit, alledem, was Er ist, entspreche. In meiner Umgebung möchte ich gern alles so rein haben, dass ich nicht dadurch verunehrt werde, aber in meinem eigenen Haus muss eine Reinheit herrschen, die meinen persönlichen Wünschen entspricht. Daher muss das Gericht am Haus Gottes beginnen. Der Apostel spielt hier auf Hesekiel 9,6 an: „Mordet bis zur Vertilgung ...; und bei meinem Heiligtum sollt ihr anfangen. Und sie fingen an bei den alten Männern, die vor dem Haus waren.“ Das ist ein ernster Grundsatz. Keine Gnade, kein Vorrecht verändert die Natur Gottes; und alles muss entweder dieser Natur entsprechen oder schließlich aus seiner Gegenwart verbannt werden. Die Gnade kann uns der Natur Gottes entsprechend gestalten, und sie tut es. Sie gibt die göttliche Natur, so dass in uns ein Grundsatz bedingungsloser Gleichförmigkeit mit Gott vorhanden ist. Sobald es sich aber um praktische Gleichförmigkeit im Denken und Tun handelt, müssen Herz und Gewissen geübt werden, damit das Verständnis des Herzens und die gewohnten Wünsche und Neigungen des Willens nach der Offenbarung Gottes gebildet werden und beständig auf Ihn gerichtet sind. Wenn nun diese Gleichförmigkeit so sehr mangelt, dass das Zeugnis Gottes dadurch geschädigt wird, so tritt Gott, der sein Volk richtet und das Böse überall richten wird, ins Mittel und sendet Züchtigungen. Das Gericht fängt an am Haus Gottes. Die Gerechten werden mit Not gerettet (V. 18).

Es handelt sich hier offenbar weder um die Erlösung noch um die Rechtfertigung noch auch um die Mitteilung des Lebens; die, an die Petrus schreibt, besaßen das alles. Wir müssen uns erinnern, dass für den Apostel „die Errettung“ nicht bloß der gegenwärtige Genuss der Errettung der Seele ist, sondern die volle Befreiung des Gläubigen, die bei der Ankunft Jesu in Herrlichkeit zur Wahrheit werden wird; und wenn er sagt, dass der Gerechte mit Not gerettet wird, so hat er all die Versuchungen, all die Proben und Gefahren im Auge, durch die der Christ geht, um das Ziel seiner Laufbahn zu erreichen. Es bedarf der ganzen Macht Gottes, die, gelenkt durch göttliche Weisheit, den Glauben leitet und erhält, um den Christen wohlbehalten durch die Wüste hindurch zu bringen, wo Satan alle Hilfsmittel seiner List anwendet, um ihn zugrunde zu richten. Die Macht Gottes wird es vollenden, aber menschlich betrachtet sind die Schwierigkeiten fast unüberwindlich. Wenn nun die Gerechten den Wegen Gottes gemäß – der sein Gericht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen von Gut und Böse in seiner Regierung aufrecht halten muss und sich in seinem Handeln mit dem Feind unserer Seele nie verleugnen wird – mit Not gerettet werden, was wird dann aus dem Gottlosen und Sünder werden? Durch eine Verbindung mit ihnen konnten die Gläubigen den Schwierigkeiten nicht entgehen. Wenn sie als Christen litten, so gab es nur eins für sie zu tun, nämlich sich dem zu übergeben, der über das Gericht, das Er ausübt, wacht. Denn weil seine Hand es war, die da schlug, so litten sie nach seinem Willen. Dasselbe hatte Christus getan.

Es ist beachtenswert, dass es sich hier nicht bloß um die Regierung Gottes handelt, sondern der Apostel fordert die nach dem Willen Gottes leidenden Gläubigen auf, Ihm „als einem treuen Schöpfer“ ihre Seelen anzubefehlen. Der Geist Gottes bewegt sich hier auf diesem Gebiet. Es handelt sich um die Beziehung Gottes zu dieser Welt, und die Seele kennt Ihn als den, der geschaffen hat, und der das Werk seiner Hände nicht lassen wird. Wir stehen auf jüdischem Boden: Gott ist gekannt in seiner Verbindung mit der ersten Schöpfung. Das Vertrauen zu Ihm ist auf Christus gegründet; aber Er ist gekannt in seinen Wegen mit dieser Welt und mit uns in unserer Pilgerschaft auf dieser Erde, wo Er regiert und die Christen richtet und einst alle anderen richten wird.

Fußnoten

  • 1 In Hebräer 4,15 heißt es nicht: „Doch ohne Sünde“ (wie Luther und andere übersetzt haben), sondern: (griechisches Wort fehlt) = „ausgenommen die Sünde“. Wir werden versucht, indem wir durch unsere eigenen Lüste fortgezogen und gelockt werden. Christus hatte alle unsere Schwierigkeiten, alle unsere Versuchungen auf dem Weg, aber Er hatte nichts in sich, das Ihn hätte falsch leiten können - weit entfernt davon! -, nichts, das der Versuchung entsprach.
  • 2 Petrus beschäftigt sich mit dem äußeren Ergebnis; Paulus geht in Römer 6 wie immer bis auf die Wurzel.
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