Jesus Christus - mehr als ein König
Eine Auslegung des Matthäusevangeliums

I. Der König kommt zu seinem Volk

Jesus Christus - mehr als ein König

Damit kommen wir zur Betrachtung dieses wunderbaren Evangeliums. Ziel ist es zunächst, den Herrn Jesus in seiner Herrlichkeit – und auch in seiner Erniedrigung – als König Israels besser kennenzulernen. Daneben wollen wir erforschen, inwieweit sich dieses Evangelium von den drei anderen Evangelien unterscheidet. Schließlich wird uns beschäftigen, was wir für unsere Nachfolge des Herrn Jesus lernen können. Denn wir wollen treue Jünger sein, die von Ihm lernen.

Aus den ersten beiden Kapiteln erkennen wir, wie der Herr Jesus zu seinem Volk gekommen ist. Israel war damals hauptsächlich beschränkt auf Juda und Benjamin. Woher wissen wir, dass Jesus Christus wirklich der verheißene König ist? Wer ist dieser König eigentlich, und wie nimmt Ihn sein eigenes Volk auf? Gibt es Reaktionen von anderen Ländern der Welt? Das sind Fragen, die in den ersten beiden Kapiteln beantwortet werden.

Christus, der König, tritt in diese Welt ein (Mt 1)

Das erste, was wir in Kapitel 1 lernen, ist, dass der Herr Jesus der rechtmäßige König Israels ist, der Sohn Davids. Dieser König wurde im Alten Testament viele Male angekündigt.

  • „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter ... Die Mehrung der Herrschaft und der Frieden werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über sein Königreich, um es zu befestigen und zu stützen durch Gericht und durch Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit“ (Jes 9,5.6).
  • „Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da ich David einen gerechten Spross erwecken werde; und er wird als König regieren und verständig handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land“ (Jer 23,5).
  • „Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin“ (Sach 9,9).

Das sind drei Beispiele unter vielen anderen, die das Kommen des Messias ankündigten. Das Volk erwartete also seine Erscheinung. Wer ein treuer Jude war, betete für das Kommen seines angekündigten Königs.

Ist Jesus der verheißene Messias?

Nun stellt sich für die Juden und auch uns die Frage: Ist Jesus Christus wirklich dieser angekündigte König? Können wir uns dessen sicher sein?

Als der Herr Jesus in diese Welt geboren wurde, sah man Ihm äußerlich nicht an, dass Er anders war als andere Juden. Es gab zwar einige wenige Erscheinungen direkt nach seiner Geburt, die aber kaum jemand zur Kenntnis nahm. Lukas berichtet uns davon (Lk 2). Ansonsten finden wir keine Wunder, die Er in seiner Kindheit getan hätte, um zu zeigen, dass Er dieser versprochene König war. Nachdem sein Vorläufer Johannes der Täufer auf Ihn als den Christus1 hingewiesen hatte, zeigte sich das Volk enttäuscht von seinem Handeln und hatte viele Fragen: Warum hat Er nicht sofort sein Königreich in Israel aufgerichtet und angetreten? Ist seine Mission gescheitert, oder gibt es andere Gründe, die das Aufrichten des Reiches aufgeschoben haben? Ist dieser Jesus aus Nazareth überhaupt der Christus, der erwartete König des Volkes Israel?

Diese Fragen werden im Verlauf des Evangeliums ausführlich behandelt und beantwortet. Schon im ersten Kapitel finden sich wichtige Antworten darauf.

Anforderungen des Alten Testaments an den Messias

Wenn jemand als der wahre und verheißene König erkannt und angenommen werden wollte, musste er verschiedene Bedingungen des Alten Testaments erfüllen. Er musste „durch die Tür des Alten Testaments“ zu seinem Volk kommen (vgl. Joh 10,1), das heißt, das Alte Testament musste ihn als den Messias bestätigen. Das bedeutet im Einzelnen:

  • Der wahre König muss aus dem Stamm der Könige kommen. Das war in Israel der Stamm Juda. Jakob spricht in seinem Segen bereits davon: „Nicht weichen wird das Zepter von Juda, noch der Herrscherstab zwischen seinen Füßen weg, bis Schilo [das heißt der Ruhebringende, oder der Friedenschaffende] kommt, und ihm werden die Völker gehorchen“ (1. Mo 49,10). Aber auch das reichte nicht. Der wahre König konnte nicht irgendwie von David abstammen. Er musste Nachkomme Salomos, Nachkomme Rehabeams ..., Nachkomme Hiskias, ... Nachkomme Josias usw. sein. Die Königsherrschaft wurde über die Linie des jeweils amtierenden Königs „vererbt“. Man konnte nicht irgendjemand aus Juda zum jeweiligen König bestimmen.
    Die Auswahl war also sehr begrenzt. Der Messias musste als Sohn Davids ein Nachkomme der in Matthäus 1 aufgezählten Könige sein. Genau das soll nachgewiesen werden: Christus ist ein Sohn Davids.
  • Zu dieser Bedingung gab es jedoch noch eine Ergänzung, die geradezu gegensätzlich wirkt. Der angekündigte Messias durfte nämlich kein leiblicher Nachkomme von Jekonja (Jojakin; 1. Chr 3,16; 2. Chr 36,9) sein, denn von diesem wurde geweissagt: „So spricht der Herr: Schreibt diesen Mann [Konja, Vers 28] auf als kinderlos, als einen Mann, der kein Gelingen hat in seinen Tagen; denn von seinen Nachkommen wird nicht einer auf dem Thron Davids sitzen und fortan über Juda herrschen“ (Jer 22,30). Aufgrund der Untreue der Könige Judas und der Gottlosigkeit Jekonjas sollte keiner seiner Nachkommen auf dem Thron sitzen. Das ist insofern besonders auffallend, als Jojakin gerade einmal 3 Monate und 10 Tage in Juda regiert hat (2. Chr 36,9). Gleiches wird schon im Blick auf seinen Vater Jojakim gesagt (vgl. Jer 36,30).2
  • Das ist aber noch nicht alles. Die erste Bedingung impliziert, dass der verheißene König als Nachkomme Davids Mensch sein musste. Denn jeder Nachkomme eines Menschen ist wieder ein Mensch. So ist deutlich, dass der König auf dem Thron Davids ein Mensch ist.
  • Zu diesem Erfordernis gibt es jedoch ebenfalls eine gegensätzliche Bedingung. Denn der verheißene König durfte nicht einfach leiblicher Nachkomme der Königslinie Davids sein. Man liest nämlich an anderer Stelle, dass der Messias mehr als ein Mensch sein musste. Als Jesaja dem ungläubigen König Ahas auftrug, ein sichtbares Zeichen für die angekündigte Rettung zu fordern, wollte dieser den Worten des Propheten nicht folgen. So gab Jahwe selbst durch Jesaja ein Zeichen: „Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel nennen“ (Jes 7,14). Es wird deutlich: Derjenige, der Messias über Israel werden sollte, musste von einer Jungfrau geboren werden – das heißt, er müsste auf eine übernatürliche Weise gezeugt bzw. geboren werden. Somit musste der Messias von Gott gezeugt werden und daher selbst Gott sein. Genau das bestätigt Psalm 2: „‚Habe ich doch meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg!‘ Vom Beschluss will ich erzählen: Der Herr hat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ (Ps 2,6.7).3 Der Name „Immanuel“, das heißt „Gott mit uns“, weist ebenso auf dieses Wunder hin.

Es ist vollkommen klar, dass diese Bedingungen zusammen – menschlich gesprochen – unerfüllbar sind. Wie kann jemand Nachkomme der königlichen Linie Davids und zugleich kein Nachkomme des Königs Jekonja sein? Wie kann jemand Mensch und zugleich Gott sein? Die Anforderungen an den Messias sind für Menschen damit unerreichbar. Niemand kann ihnen entsprechen. Und doch gab es Einen, der sie erfüllte. Er wird in diesem Evangelium eingeführt als der Sohn Davids und der Sohn Abrahams. Er ist Mensch und Gott in einer Person. Er ist der von Gott Gesandte. Zugleich wurde Er als Mensch geboren. Er ist der Nachkomme Davids in der Königslinie (da Joseph, Marias Mann, Ihn als Sohn angenommen hat). Zugleich ist Er derjenige, der „nur“ von Maria geboren wurde, die zwar Nachkomme Davids war (vgl. Lk 3,23 ff.), nicht jedoch aus der Linie Jekonjas.

So ist der Herr Jesus rechtlich Nachkomme Davids über die Königslinie (Jekonja) und hat Anspruch auf den Thron. Leiblich aber ist Er kein Nachkomme Jekonjas, so dass damit die Weissagung des Propheten Jeremia erfüllt bleibt. Er ist Mensch – von Maria geboren. Zugleich ist Er der Sohn Gottes, der nicht von einem Menschen (Joseph) gezeugt werden konnte.

Vers 1: Die Überschrift des Matthäusevangeliums

Damit kommen wir zum ersten Vers. Diesen kann man wie eine Überschrift über das gesamte Evangelium setzen:

„Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“ (Mt 1,1)

Gott leitet dieses erste von vier Evangelien mit drei Namen bzw. Titeln seines Sohnes ein. Vorweg sagt Er, dass es sich um ein Buch des Geschlechts handelt.

  1. Markus nennt sein Buch „Evangelium“ Jesu Christi – also eine Botschaft über und von Jesus Christus.
  2. Lukas spricht von einem „Bericht“ über das Leben des Herrn.
  3. Johannes beginnt sein Evangelium ganz unvermittelt. Er greift auf eine Zeit zurück, die sich unseren Vorstellungen entzieht. Sie kann nach unseren Maßstäben nicht einmal Zeit genannt werden.

Matthäus dagegen will uns das „Geschlecht Jesu Christi“ in seinem Buch darlegen. Damit wird die Wichtigkeit der Vorfahren und zugleich dieser Hauptperson betont. Darüber hinaus verbinden wir mit dem Ausdruck „Geschlecht“ aber auch noch eine andere zeitliche Dimension. Wir lernen etwas über die Geburt und das Leben dieser Person. Sogar die Nachkommen Jesu, in diesem Fall geistliche Nachkommen, die es immer geben wird, stehen vor den Augen des Lesers. So ist es nicht von ungefähr, dass gerade dieses Evangelium damit endet, dass es eigentlich gar nicht endet. Es geht in der Vollendung der Zeitalter auf. Auch dann wirkt diese herrliche Person noch immer, deren Geschlecht hier beschrieben wird.

Das Buch dieses Geschlechts steht im Gegensatz zum ersten Buch, das wir in der Bibel finden – gleich nach der Schöpfung und dem Sündenfall. Es handelt sich um das „Buch von Adams Geschlechtern“ (1. Mo 5,1). Das ist ein trauriges Buch voller Versagen und Feindschaft gegenüber Gott. Hier in Matthäus 1 haben wir dagegen das Geschlecht einer einzigartigen Person, des letzten Adam (1. Kor 15,45).

Um wen handelt es sich? Diese Person erhält von Matthäus einen Namen und zwei Titel:

Die ersten Namen des Königs im Matthäusevangelium

  1. Jesus Christus: Er ist der Mensch Jesus, der zugleich der wahre Messias ist, denn „Christus“ ist, wie gesagt, die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“. Matthäus darf über Denjenigen schreiben, welcher der von Gott gesandte und gesalbte König über Israel sein soll. Erst in der Zukunft wird Er auch vom Volk Israel und von allen Völkern als der Gesalbte Gottes anerkannt.
  2. Sohn Davids: Er ist der rechtmäßige Erbe des Königsthrones Davids. Er wird dieses Erbe antreten, wenn Er wiederum in diesen Erdkreis eintreten wird (vgl. Heb 1,6). Es gab viele Könige in Israel, aber es gibt nur den Einen, welcher der wahre König in Gerechtigkeit über Israel sein wird.
  3. Sohn Abrahams: Er ist der Erbe und damit Träger der Verheißungen, die weit über Israel hinausgehen. Sie verbinden sich mit den Sternen des Himmels genauso wie mit dem Sand des Meeres (1. Mo 22,17). Er ist der Erbe aller Verheißungen, seien sie himmlischer oder irdischer Natur, betreffen sie das Volk oder auch das Land. Christus besitzt sie sowieso als der ewige Sohn Gottes. Sie sind Ihm jedoch auch verheißen als Sohn des Menschen. Als solcher wird Er sie erfüllen, denn Ihm ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde.

Sohn Davids – Sohn Abrahams

Die Person, von der man im ganzen Evangelium lesen kann, ist also der wahre Salomo (Sohn Davids) und der wahre Isaak (Sohn Abrahams). Natürlich sind diese beiden Söhne nicht „als historische Personen“ gemeint. Dies wird aus dem Bibeltext deutlich, da der Artikel vor „Sohn“ jeweils fehlt. Aber man denkt unwillkürlich auch an Salomo und Isaak, wenn von dem Sohn Davids und Sohn Abrahams gesprochen wird.

Salomo war der Geliebte Jahwes (2. Sam 12,25) und auch der geliebte Sohn Davids. Das ist ein treffender Hinweis auf den Herrn Jesus als König. Er ist geliebt von seinem Gott und zugleich der Frieden bringende und der in Frieden regierende König (das ist die Bedeutung des Namens Salomo).

Isaak war der eine, geliebte Sohn seines Vaters, mit dem dieser auf dem Weg nach Morija in einmaliger Weise Gemeinschaft hatte. Spricht das nicht davon, dass der Herr Jesus als der ewige Sohn Gottes auch hier auf der Erde der geliebte Sohn des Vaters war? Er führte sein Leben in Gemeinschaft mit seinem Vater und ging den Weg mit Ihm hin nach Golgatha. Alles das hat der Herr Jesus als Messias und Sohn des Vaters erfüllt. So ist Christus Derjenige, in dem sich die Verheißungen Davids und Abrahams, des Sohnes Davids und des Sohnes Abrahams, erfüllen.

Es ist im Übrigen nicht von ungefähr und erst recht kein Fehler, dass David vor Abraham genannt wird. Auch wenn Abraham früher gelebt hat als David, fängt Matthäus im Vorwort mit David an. Der Grund liegt auf der Hand, wir haben schon darüber nachgedacht: Es geht in diesem Evangelium besonders um den König, und der Prototyp für den König war David. Als sein Nachkomme tritt der Herr Jesus hier vor unsere Augen.4 Wir Menschen hätten sicher die andere Reihenfolge gewählt. Aber Gottes Ordnung ist immer vollkommen. So finden wir – Punkt für Punkt – Beweise der bewundernswerten Inspiration der Bibel!

Auf David folgt sofort Abraham, der dann im chronologischen Geschlechtsregister natürlich an der ersten Stelle steht. Auch in diesem Evangelium lernen wir, dass der Herr Jesus seinen Segen nicht auf Israel beschränkt, zumal Er als der verheißene König von Anfang an (Kapitel 2) von seinem Volk abgelehnt und verworfen worden ist. Sie werfen Ihn sogar aus dem Ihm gehörenden Land hinaus. Durch die Erwähnung Abrahams schon im ersten Vers wird Gottes Antwort auf diese Verwerfung deutlich. Christus werden Abrahams weitläufige Segnungen und Anrechte auf das Land und sogar die Nationen zugesprochen. Auch wenn Christus abgelehnt wird, bleiben die über die Grenzen Israels hinausgehenden, bedingungslos gegebenen Verheißungen gegenüber Abraham bestehen und werden in Christus erfüllt. Sie schließen eben die Nationen mit ein (vgl. auch Jes 49,6). So ist der Herr Jesus nicht nur König in und über Israel. Er ist zugleich der Herrscher in dieser Welt, dem alle Nationen huldigen werden und müssen (vgl. Phil 2,9–11).

Verse 2–17: Das königliche Geschlechtsregister – mit 5 Frauen

Im ersten Vers wird also schon der Anspruch Christi deutlich, der wahre Sohn Davids zu sein und auf dessen Thron ein Anrecht zu besitzen. Letzteres wird in den nächsten 16 Versen geklärt. Denn ein König braucht als Nachweis seines Anspruchs auf den Thron ein Geschlechtsregister. Oftmals wird er ein solches Geschlechtsregister zugleich als Hinweis auf seine ehrwürdigen Vorfahren verstanden wissen wollen. War das bei Christus ebenso? Wir werden die Antwort bei der Betrachtung dieses Verzeichnisses finden.

Ein Vergleich mit den anderen Evangelien

Bevor wir uns einige Einzelheiten ansehen, werfen wir einen Blick auf die anderen Evangelien. Ein Diener braucht seine Vorfahren nicht hervorzuheben. Daher finden wir bei Markus kein Geschlechtsregister. Sein Evangelium zeigt von Anfang an, dass bei dem Diener die Betonung darauf liegt, dass Er ständig unterwegs ist, um zu dienen.

Der ewige Sohn Gottes kann kein Geschlechtsregister haben, denn Er ist Derjenige, der alles geschaffen hat. Er ist der Anfang und das Ende. Er war immer und wird immer sein. Vorfahren sind bei Ihm undenkbar. Daher beginnt Johannes mit einem Blick in die „Zeit“ vor Grundlegung der Welt, als der Ewige als das Wort schon immer war.

Lukas wiederum beschäftigt sich mit dem Herrn Jesus in seiner Menschheit. Da ist es passend, dass der Schreiber zeigt, dass seine Linie wirklich bis auf Adam, ja den Schöpfer-Gott zurückzuführen ist. Wir bewundern Ihn, denn der Schöpfer von Himmel und Erde und auch von Adam kommt jetzt als Mensch auf die Erde. Ein Mensch hat ein Geschlechtsregister. Aber es fällt auf, dass Lukas dieses Register nicht an den Anfang seines Evangeliums stellt. Warum wählt der Geist Gottes eine andere Reihenfolge? Lukas wendet sich in seinem Evangelium nicht so sehr an Juden, sondern an Menschen aus den Nationen. Diese waren im Unterschied zu den Juden nicht auf Geschlechtsregister fixiert. So schreibt er zunächst über die Umstände und die Zeit, in der Jesus auf die Welt kam. Er spricht von dem wunderbaren Eingreifen Gottes, damit sein Sohn auf diese Erde kommen konnte. Dann lesen wir etwas von der Geburt und den ersten Lebensumständen unseres Herrn. Erst danach zeigt der Geist Gottes, dass diese Person wirklich in einer Linie zurückzuführen ist bis auf Adam, also ein wahrer „Sohn des Menschen“ ist. Daher hat sein Geschlechtsregister auch die umgekehrte Reihenfolge gegenüber der Namensliste bei Matthäus.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Unterschied zwischen dem Geschlechtsregister bei Lukas und dem bei Matthäus. Bei Lukas geht es nicht um die Thronfolge. Daher liegt der Schwerpunkt auf Maria und nicht auf Joseph. Es führt zwar auch zu David – aber über die Linie Nathans, wahrscheinlich des dritten Sohnes von Bathseba (vgl. 1. Chr 3,5). Manche Bibelausleger haben das Geschlechtsregister in Lukas die „Linie der Gnade“ genannt, das in Matthäus „die Linie des Gesetzes“, nämlich der gesetzlichen Erbfolge. Da das Verzeichnis bei Matthäus Abraham als Ursprung hat, ist es zugleich die Linie der Verheißung. Sie war über Jahrhunderte hin verborgen und fand ihre wahre Erfüllung in der Geburt Jesu. Es ist das Geschlechtsregister von Joseph, dem Mann der Maria, der den Herrn Jesus als Sohn annahm (Mt 1,24), ohne leiblicher Vater Jesu zu sein. Er war also nach dem Gesetz der Vater Jesu, auch wenn unser Herr keinen leiblichen Vater haben konnte, da Er der Sohn Gottes ist.

3 x 14 Geschlechter

„Abraham zeugte Isaak; Isaak aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Juda und seine Brüder; Juda aber zeugte Perez und Serach von der Tamar; Perez aber zeugte Hezron, Hezron aber zeugte Ram, Ram aber zeugte Amminadab, Amminadab aber zeugte Nachschon, Nachschon aber zeugte Salmon, Salmon aber zeugte Boas von der Rahab; Boas aber zeugte Obed von der Ruth; Obed aber zeugte Isai, Isai aber zeugte David, den König.

David aber zeugte Salomo von der, die Urias Frau gewesen war; Salomo aber zeugte Rehabeam, Rehabeam aber zeugte Abija, Abija aber zeugte Asa, Asa aber zeugte Josaphat, Josaphat aber zeugte Joram, Joram aber zeugte Ussija, Ussija aber zeugte Jotham, Jotham aber zeugte Ahas, Ahas aber zeugte Hiskia, Hiskia aber zeugte Manasse, Manasse aber zeugte Amon, Amon aber zeugte Josia, Josia aber zeugte Jekonja und seine Brüder zur Zeit der Wegführung nach Babylon.

Nach der Wegführung nach Babylon aber zeugte Jekonja Schealtiel, Schealtiel aber zeugte Serubbabel, Serubbabel aber zeugte Abihud, Abihud aber zeugte Eljakim, Eljakim aber zeugte Azor, Azor aber zeugte Zadok, Zadok aber zeugte Achim, Achim aber zeugte Elihud, Elihud aber zeugte Eleasar, Eleasar aber zeugte Matthan, Matthan aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Joseph, den Mann der Maria, von der Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird.

So sind nun alle Geschlechter von Abraham bis auf David vierzehn Geschlechter, und von David bis zur Wegführung nach Babylon vierzehn Geschlechter, und von der Wegführung nach Babylon bis auf den Christus vierzehn Geschlechter“ (Mt 1,2–17).

Ein wichtiges Kennzeichen dieses königlichen Geschlechtsregisters ist Verfall. Es ist erstaunlich, dass Matthäus sein Evangelium gleich mit der traurigen, von Verfall geprägten Geschichte des Volkes Israel beginnt. Sie beginnt mit einem Glaubensmann und den großen Königen David und Salomo. Nach und nach aber folgen untreue Könige, bis wir zu Männern kommen, über die Gott ansonsten in seinem Wort schweigt. Dabei handelt es sich bei einem Geschlechtsregister eigentlich um eine „neutrale“ Aufzählung.

Die grundsätzliche Einteilung der hier genannten Geschlechter gibt Matthäus in Vers 17 an. Das Geschlechtsregister ist in drei wichtige Zeitperioden des irdischen Volkes Israel zu gliedern. Diese Epochen kennzeichnet jeweils ein bestimmter Charakter, auf den ich später näher eingehe:

  1. die Zeit von Abraham bis David: Verheißung ist der vorherrschende Gedanke dieser Epoche.
  2. die Zeit von David bis zur Wegführung nach Babylon: Kennzeichen ist Niedergang.
  3. die Zeit nach der Wegführung bis zur Geburt des Herrn: Finsternis zeichnet sie aus.

Aber wie so oft: Wenn die Finsternis groß ist, scheint das Licht umso heller hervor: Die Finsternis musste weichen, als das Licht in diese Welt, als der Herr Jesus kam (vgl. Joh 1,4.5).

Warum sind es jeweils 14 Geschlechter?

Ganz offensichtlich ist die göttliche Absicht, jeweils 14 Personen den drei Zeitperioden zuzuordnen. Das fällt deshalb auf, weil in den beiden ersten Zeitabschnitten eindeutig Generationen weggelassen wurden. Gott wollte jeweils 14 Generationen darstellen. In der ersten Periode würde man mit diesen 14 genannten Personen unmöglich auf die Gesamtzeit kommen. In der zweiten Periode werden einzelne Könige ausgelassen. Da wir aus der dritten Periode kaum jemanden kennen, kann dies für diese Personengruppe nicht beurteilt werden.

Bekanntermaßen kann man die Zahl 14 in 2x7 aufteilen. Die Zahl 7 wird in Verbindung mit dem Volk Israel immer wieder betont: 70 Jahre Gefangenschaft in Babel (Jer 25,12; 29,10; Dan 9,2); 70 Jahrwochen (Dan 9,24); 70 Seelen des Hauses Jakob (1. Mo 46,27).

In der Schrift wird die Zahl 7 darüber hinaus mit Vollkommenheit bzw. Vollständigkeit verbunden. Wenn wir den Herrn Jesus vor Augen haben, handelt es sich um eine Vollkommenheit im Guten (Off 5,6; die sieben Aussprüche Jesu am Kreuz, usw.). Aber es gibt auch eine negative Vollkommenheit. Man denke an den Teufel in Offenbarung 12,3 oder an das erste Tier (den kommenden Herrscher des Römischen Reiches) in Offenbarung 13,1. In Matthäus 1 scheint die negative Bedeutung ebenfalls eine Rolle zu spielen: Das Volk Israel hat vollkommen (Zahl 7) gezeigt und bewiesen, dass es unfähig ist, Gottes Ansprüchen zu genügen. Sie waren des verheißenen Königs nicht würdig.

Die Zahl 2 spricht oft davon, dass Zeugnis abgelegt wird: Dies erkennen wir etwa im Gesetz. Es werden zwei Zeugen für die Verurteilung oder Bezeugung einer Sache verlangt (5. Mo 19,15). Daher gab Gott auch zwei Gesetzestafeln und nicht nur eine. Durch das Gesetz wurde die Schuldigkeit des Menschen deutlich. Es sind sozusagen zwei Zeugen der Untreue des Menschen.

Zugleich aber sehen wir das Zeugnis (Zahl 2) göttlicher Vollkommenheit (Zahl 7). Denn Gott gab sein Volk nicht auf, obwohl es Ihn ständig verunehrte. Über die drei Zeitperioden hinweg erwies Er ihnen Gnade, um die königliche Linie trotz schrecklichen Versagens aufseiten des Volkes und seiner Führer aufrechtzuerhalten. Er stellte sicher, dass der verheißene König geboren werden konnte.5 Man kann dabei nur an die Worte von Römer 5,20 erinnern: „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“ – in Christus Jesus!

Von Abraham bis zum König David

Die erste Zeitperiode umfasst die Zeit, in der die Verheißungen Gottes von einer Person an die nächste weitergetragen wurden. Das gipfelte in der Zeit, in der Gott den König nach seinem Herzen auf den Thron Israels setzte (1. Sam 13,14). Neben der Erwähnung von drei Frauen, auf die ich im Anschluss an diesen Teil zurückkomme, fallen weitere Besonderheiten auf:

  • Gott nennt Jakob bei seinem alten Namen, also nicht „Israel“. Auch wenn es um das Geschlechtsregister des Königs von ganz Israel geht, sieht Gott doch auch die einzelne Person in ihrer Verantwortung an. Gott hatte den Überlister-Jakob als Träger der Verheißungen ausgewählt. Im Übrigen trug Jakob den Namen „Israel“ noch nicht (1. Mo 32,28), als er Juda und seine Brüder zeugte. Das könnte ein weiterer Grund dafür sein, dass hier sein alter Name erwähnt wird.
  • Juda wird als Sohn Jakobs nicht für sich allein genannt, sondern „Juda und seine Brüder“. Das macht deutlich, dass es in diesem Geschlechtsregister wirklich um die Abstammung des verheißenen Königs und um seinen Bezug zum ganzen Volk Israel geht. Das Volk wurde gebildet aus den zwölf Stämmen, nicht nur aus dem Stamm Juda, auch wenn dieser als Königsstamm sicherlich eine besondere Stellung hatte.
  • Als Söhne von Juda werden sowohl Perez als auch Serach erwähnt. Damit weist der Heilige Geist wohl auf die Umstände dieser Zeugung hin: die Sünde von Juda und Tamar.
  • Schlusspunkt und sicher zugleich Höhepunkt dieser ersten Gruppe sowie des gesamten Geschlechtsregisters (wenn man von der Erwähnung der Geburt Jesu absieht) ist David. Er wird als einziger „König“ genannt. Nicht Salomo, nicht Hiskia, usw., nur David erhält diese Ehrenbezeichnung. Damit wird noch einmal Bezug auf Vers 1 genommen und zugleich unterstrichen: Es geht um das Geschlechtsregister des Königs, des Messias, des Christus!
  • Zwischen der Geburt von Perez und der von David liegen deutlich mehr als 800 Jahre. Dennoch werden dafür nur 10 Geschlechter genannt. Offensichtlich werden Generationen übergangen, wie auch schon am Ende des Buches Ruth6. Gott lässt bewusst eine Reihe von Generationen aus. Es handelt sich nicht um einen Fehler des Matthäus in dieser Aufzählung!7
Die Zeitperiode von David bis zur babylonischen Gefangenschaft

Im zweiten Zeitabschnitt fällt besonders das Fehlen von drei Königen auf: Zwischen Joram und Ussija fehlen die Könige Ahasja, Joas und Amazja. Warum werden sie nicht genannt? Zunächst geht es wieder darum, dass der Heilige Geist diese Zeit ebenfalls auf 14 Generationen beschränken wollte. Aber Er kürzte diesen Teil nicht einfach um drei Geschlechter am Ende, sondern wählte genau diese drei aus.

Eine mögliche Ursache des Fehlens der genannten drei Könige liegt in ihrer Mutter, Großmutter und Urgroßmutter: Athalja. Diese böse Frau war eine Schwester bzw. Tochter Ahabs, des gottlosen Königs Israels. Von ihm heißt es, dass er „tat, was böse war in den Augen des Herrn, mehr als alle, die vor ihm gewesen waren ... Und Ahab tat mehr, um den Herrn, den Gott Israels zu reizen, als alle Könige von Israel, die vor ihm gewesen waren“ (1. Kön 16,30.33). Athalja hatte sich selbst des Königtums Judas bemächtigt und zuvor alle königlichen Nachkommen (bis auf ihren Enkel Joas, bei dem es ihr nicht gelang) umgebracht.

Joram selbst war ein Nachkomme Davids – aber die Nachkommen Athaljas, dieser gottlosen Ehefrau Jorams, werden bis in das dritte Glied nicht genannt. Athalja trägt anti-christliche (anti-messianische) Züge. Daher lässt Gott in diesem Verzeichnis keine Verbindung mit ihren Kindern zu. Es ist zwar wahr, dass ein Teil von ihnen einen zeitweise gottesfürchtigen Lebenswandel führte. Aber Gott hasste den Götzendienst Ahabs und die Bosheit Isebels so sehr, dass Er die Nachkommen dieser Frau übergeht (vgl. Off 2,20–23).

Zwischen Josia und Jekonja fehlen zudem Joahas und Jojakim (Eljakim) sowie nach Jekonja Zedekia. Offenbar war es der Wille Gottes, von diesen vier Königen gerade Jekonja (Jojakin) in diese Reihe der Vorfahren Jesu aufzunehmen. Sicherlich nicht, weil er lange regiert hätte, denn seine Regierungszeit dauerte gerade einmal drei Monate und zehn Tage (2. Chr 36,9). Aber es gibt mehrere Gründe, warum es gerade Jekonja (Konja, Jojakin) sein sollte, der hier genannt wird:

  • Erstaunlicherweise wird im Propheten Hesekiel die Zeitrechnung gerade auf diesen Mann bezogen (Hes 1,2; 33,21; 40,1) – nicht auf Zedekia oder einen anderen weggeführten König. Aus diesem Grund wird er möglicherweise auch hier erwähnt.
  • Wie schon weiter oben angeführt, gibt es einen wichtigen Bezug zwischen Jekonja und dem verheißenen Messias, und zwar durch einen Fluch Gottes auf jenen Mann: „So spricht der Herr: Schreibt diesen Mann auf als kinderlos, als einen Mann, der kein Gelingen hat in seinen Tagen; denn von seinen Nachkommen wird nicht einer gedeihen, der auf dem Thron Davids sitze und fortan über Juda herrsche“ (Jer 22,30). Trotz dieser Prophezeiung steht Jekonja im Geschlechtsregister des Herrn – wir haben den Grund schon gesehen: Der Messias musste die Bedingungen erfüllen, kein leiblicher Nachkomme des verfluchten Jekonjas zu sein und dennoch aus der Königslinie zu stammen. Diese Bedingung war in dem Herrn Jesus erfüllt. Jekonja „musste“ daher zum Beweis, dass der Herr Jesus der Messias war, im Geschlechtsregister seines nicht leiblichen Vaters Joseph erwähnt werden. Es sollte im Neuen Testament nicht der Eindruck entstehen können, dass Gott seine eigenen Worte vergessen hätte. Nein, es soll ganz deutlich werden: Der Herr ist juristisch Nachkomme Jekonjas, nicht aber leiblich.
Die Zeitperiode von der Wegführung bis auf Christus

Den dritten Zeitabschnitt kann man nur als eine finstere Zeit bezeichnen. Bis auf Jekonja, Schealtiel und Serubbabel spricht Gottes Wort von niemand aus dieser Zeit. Nicht von ungefähr wird sie gelegentlich als die 400 stummen Jahre bezeichnet. Diese Epoche war aber nicht nur stumm, sondern auch in moralischer Hinsicht finster. Sie glich einer Nacht, die durch das Erscheinen des Morgensterns beendet wird. Die Nacht dieser dritten Zeitperiode, die nicht dunkler hätte sein können, wird durch ein strahlendes Licht abgelöst: Christus, der verheißene König, kommt zu seinem Volk.

Wenn wir so über die moralische Nacht der 400 Jahre nachdenken, bemerken wir, dass unsere heutigen Tage dieser Epoche sehr ähneln. So ist es oft in Gottes Wort. Manche Entwicklung, die wir in der Geschichte des Volkes Israel im Alten Testament lesen, wiederholt sich in der christlichen Zeit. Unsere Tage werden dunkler und dunkler, was die moralische Seite betrifft. Die prophetischen Teile des Neuen Testaments zeugen davon. Aber auch unser Morgenstern, Christus, wird kommen und die Gläubigen in den Himmel holen (Off 22,16). Danach wird Er als die Sonne der Gerechtigkeit hierher zurückkommen und Licht auf dieser Erde verbreiten (Mal 3,20).

Doch kommen wir am Schluss nochmals auf die drei Zeitepochen mit ihren jeweils 14 Geschlechtern zurück. Es fällt auf, dass man beim letzten Zeitabschnitt nur dann auf 14 Geschlechter kommt, wenn man Jekonja in dieser Gruppe noch einmal als eigenständiges Geschlecht rechnet. Das war bei David als Verbindungsglied der ersten zur zweiten Gruppe anders. Er wird nur bei der ersten 14-er-Gruppe gezählt. Offenbar war das Ereignis der Wegführung in die Gefangenschaft in den Augen Gottes so dramatisch, dass Er Jekonja als Verantwortlichen dafür zweimal zählt. Als Trennelement der zweiten und dritten Gruppe wird daher nicht allein der Name Jekonja genannt, sondern zweimal betont, dass das Volk nach Babylon weggeführt wurde, wogegen vorher die Person David als Trennpunkt angegeben wird (V. 17).

Die letzte Gruppe hat ein weiteres, trauriges Kennzeichen: Sie enthält keinen König. Wegen des Fluches über Jekonja konnte es keinen mehr geben. Bis auf den Höhepunkt des Geschlechtsregisters, Christus ...8

Zusammenfassung

Kommen wir jetzt auf unsere Frage zurück, die wir uns vor der Betrachtung des Stammbaumes gestellt haben: Wollte Christus sein königliches Geschlechtsregister zugleich als Hinweis auf seine „ehrwürdigen“ Vorfahren verstanden wissen?

Nach der obigen Betrachtung ist die Antwort eindeutig: Nein. Es handelt sich um eine Aufzählung von Personen, die alle mehr oder weniger durch Versagen geprägt waren. Wir stellen eine zunehmende Abwendung von Gott und teilweise sogar Götzendienst bei den handelnden Personen fest. Von den letzten Personen wissen wir überhaupt nichts, sie sind völlig unbedeutend. Ihre Existenz wird ausschließlich in diesem Register erwähnt. Sonst wären sie vollkommen in Vergessenheit geraten.

Warum aber hat sich Gott entschieden, für den Messias diese Vorfahren „auszusuchen“? Wir können darin nur die göttliche Barmherzigkeit bewundern. Schon in diesen Versen finden wir einen Hinweis darauf, dass Gott in der Person des Mensch gewordenen Sohnes zu Sündern gekommen ist. Er kam zu Sündern, die sein Geschlecht bildeten. Er war bereit, gesetzmäßige Vorfahren zu akzeptieren, die sündig waren: Wird Er dann nicht auch alle Menschen, die bereit sind, sich als Sünder anzuerkennen, aufnehmen?

Die fünf Frauen im Geschlechtsregister des Messias

Diese Gedanken bekommen eine besondere Betonung, wenn wir feststellen, dass fünf Frauen in dem Geschlechtsregister erwähnt werden. Allein die Tatsache, dass überhaupt Frauen aufgeführt sind, ist bemerkenswert, da dies ganz und gar unüblich für jüdische Geschlechtsregister ist. Wenn wir uns dann aber näher mit den fünf Frauen beschäftigen – besonders den vier in den Versen 3–6 genannten –, müssen wir uns noch mehr wundern: Er hat keine Frauen ausgewählt, die besonders ehrenwert gewesen wären. Das Gegenteil ist der Fall. Aber wie konnte der Herr der Herren solche Frauen als Vorfahren aufführen, obwohl ein auf seine Ehre achtender König diese normalerweise am liebsten aus seinem Geschlechtsregister gelöscht hätte? Dies alles deutet darauf hin, dass der Heilige Geist gerade mit diesen Frauen Gedanken verbindet, die es wert sind, erforscht zu werden. Tatsächlich tragen die genannten Personen nämlich zur Herrlichkeit des Messias bei – allerdings in einer anderen Weise, als man das zunächst erwartet.

Personen der Verachtung

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Frauen selbst: Genannt werden

  1. Tamar, die Schwiegertochter Judas
  2. Rahab, die Hure aus Jericho
  3. Ruth, die Moabiterin
  4. Bathseba, die Frau von Uria
  5. Maria, die Frau von Joseph.

Diese Frauen im Alten Testament – Maria nimmt als unmittelbare Mutter Jesu sicher eine Sonderstellung ein – sind keine Heldinnen wie Sara, Rebekka und vielleicht noch Lea oder Rahel. Ihre Nennung hätte man nachvollziehen können. Nein, es sind Frauen, die sicher kein Zeitgenosse des Herrn oder auch kein König vor Ihm für nennenswert gehalten hätte.

Drei von ihnen waren Nicht-Israelitinnen9:

  • Tamar10
  • Rahab
  • Ruth.

Keine von ihnen hatte daher ursprünglich ein Anrecht auf die Verheißungen Israels, geschweige denn die Möglichkeit, in die Linie des Messias aufgenommen zu werden. Tamar war Kanaaniterin; Rahab ebenfalls; Ruth war Moabiterin. Das Gesetz schloss aus, dass ihre Nachkommen das Recht besaßen, in der Versammlung Israels zu sitzen.

Drei von ihnen waren nicht nur Sünder wie alle Menschen. Sie hätten aufgrund ihrer Unzucht nach den Vorschriften Gottes eigentlich sofort zum Tode verurteilt werden müssen, wenn sie Israelitinnen gewesen wären. Zudem war das Gesetz zu Lebzeiten von Tamar noch gar nicht gegeben. Was war nun die „Schuld“ und Sünde dieser drei Frauen?

  1. Tamar: Ihr Kind, wodurch sie in das Geschlechtsregister hineinkam, war das direkte Ergebnis ihrer Unzuchthandlung, der Hurerei;
  2. Rahab: Sie war eine „professionelle“ Prostituierte;
  3. Bathseba: Sie kam durch Ehebruch und Unzucht mit David in die Königsfamilie.

    Zwei der vier Frauen
    kamen direkt durch ihre Sünde in die Königslinie des Herrn:
  4. Tamar und
  5. Bathseba

Dabei vergessen wir nicht, dass Juda und David die eigentlich Schuldigen vor Gott waren: Sie wollten sich die schnelle Befriedigung sexueller Begierden auf Kosten des Gehorsams gegenüber Gottes Wort gönnen. Das war in ihrem Fall Unzucht (Hurerei).

Auch waren Tamar und Bathseba nicht die ersten (und alleinigen) Partner ihrer Männer: Tamar war überhaupt nicht mit Juda verheiratet. Dieser hatte eigentlich Schua geheiratet. Und Bathseba war vermutlich die achte Frau Davids.

Die Nachkommen von drei der vier Frauen waren nicht die Erstgeborenen der Familie und damit kamen sie trotz nachrangiger Erbfolge in das Recht der „Thronfolge“:

  • Vor Tamars Sohn Perez kam eigentlich Schela, der dritte Sohn Judas, in den Genuss des Erstgeburtsrechts;
  • Ruths Sohn Obed hätte eigentlich ihrem ersten Mann, Machlon, oder sogar dessen Vater Elimelech, zugerechnet werden müssen;
  • Bathsebas Sohn Salomo war vermutlich der zehnte, nicht jedoch der erste Sohn Davids.

Nur die souveräne Wahl Gottes führte diese Söhne also ins Geschlechtsregister des Herrn.

Bei drei der vier Frauen können wir annehmen, dass sie deutlich jünger waren als die Väter ihrer Kinder (teilweise ihre Ehemänner):

  • Tamar war die Schwiegertochter Judas;
  • Ruth war vermutlich deutlich jünger als der wohlhabende Boas (vgl. z.B. Rt 3,10), der „im Tor“ saß und daher nicht mehr sehr jung gewesen sein dürfte;
  • Bathseba war die Enkeltochter Ahitophels, der wohl kaum zwei Generationen älter als David war. David nennt ja den Vater Bathsebas als einen seiner Helden.

Somit wären diese Frauen normalerweise nicht in den Genuss gekommen, die Hauptlinie der Nachkommen ihrer Ehemänner „zu bestimmen“.

Maria nimmt eine Sonderstellung ein

Maria unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den anderen vier Frauen:

  1. Sie selbst stammte offenbar aus dem Stamm Juda und aus der Linie Davids, war also eine Israelitin;
  2. sie kam auch nicht durch Unzucht in die Königslinie des Messias;
  3. sie war keine Hure, ganz im Gegenteil: Als sie den Herrn empfangen durfte, war sie eine unberührte Jungfrau, wenn auch mit Joseph verlobt. Sie war in dieser Hinsicht äußerlich ein besonders auserwähltes Gefäß, als sie den Retter der Welt gebären durfte, auch wenn sie wie jeder Mensch eine Sünderin war.
Die Herrlichkeit Christi erstrahlt

Doch kommen wir jetzt auf unsere Frage zurück: Wie konnte der Herr der Herren solche Frauen als Vorfahren nennen, die ein König normalerweise am liebsten aus seinem Geschlechtsregister gelöscht hätte? Warum hat sich unser Herr mit diesen Frauen „geschmückt“? Offenbar wollte Christus mit seiner verwandtschaftlichen Beziehung zu diesen Frauen etwas ganz Besonderes seines Herzens offenbaren.

Die äußerliche Herrlichkeit des Messias erstrahlte bei seinem ersten Kommen nicht in majestätischem Glanz. Es war vielmehr eine moralische, verborgene Schönheit, die der Glaube in Ihm erblicken durfte. Johannes spricht davon, dass das ewige Wort Fleisch, also Mensch, wurde (Joh 1,14). Was für eine freiwillige Erniedrigung! Matthäus nennt Ihn „Emmanuel“, Gott mit uns (Mt 1,23). Gott wurde Mensch. Schon das ist ein Akt unbegreiflicher Barmherzigkeit. Aber Gott wurde nicht Mensch, indem Er ein prachtvolles Leben unter den Besten der Menschen führte. Er kam zu den Armen, zu uns Armen und zu seinem armseligen Volk. Und war nicht auch Maria eine solche, eine Arme?

„Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken; ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße“ (Lk 5,31.32). Der ewige Sohn hat sich so sehr erniedrigt, dass Er sich mit den Kranken, den Sündern und Verlorenen einsmachte. Das lernen wir bereits in den ersten Versen des Berichts über „sein Geschlecht“. Er war keiner von ihnen – sondern rein, heilig, vollkommen. Er wurde nicht zu einem Sünder – das ist unmöglich! –, aber Er erniedrigte sich so sehr, dass Er Mensch wurde und die Sünden von Menschen am Kreuz auf sich nahm. Was für eine Gnade!

Von uns Menschen kann sich in dieser Weise keiner erniedrigen. Wir alle sind von Geburt Sünder gewesen. Aber der, der weit über uns erhaben ist und nicht eine Spur unseres erbärmlichen Daseins hätte an sich tragen müssen, ist in unsere Lebensumstände eingetreten. Das macht seine moralische und sittliche Würde so unantastbar groß und huldvoll. Und Ihn macht diese Inkarnation zugleich sichtbar, anschaubar, betastbar (1. Joh 1,1).

Genau hierin liegt die beeindruckende Antwort auf unsere Frage: Gerade in diesen vier, ja fünf Frauen erstrahlt die ganze Gnade und Barmherzigkeit Dessen, der nicht nur König, sondern auch Erretter ist (Mt 1,21). Diese Frauen erzählen eine ganze Geschichte davon, was Errettung wirklich bedeutet, was göttliche Gnade ist. Nur durch Ihn und seine Errettung sind sie fähig geworden, Teil „seiner Geschichte“ zu werden. Jede einzelne spiegelt gewissermaßen eine leuchtende Farbe des Regenbogens wider, der von dem Gericht und der Gnade im Werk Christi zeugt. Jede einzelne von ihnen ist sozusagen ein Denkmal, ein Monument seiner Gnade.

Strahlen der Gnade in den Biographien Gottes

Besonders die vier ersten Frauen zeigen uns die rettende Gnade Gottes im Leben von Menschen. Wenn diese Vorfahren des Herrn seine Barmherzigkeit erfuhren, werden die Geschlechter nach Ihm nicht die gleiche souveräne Gnade erleben dürfen? Die Geschichte der Frauen spricht eine lebendige Sprache unserer eigenen Geschichte. Und sie zeigt uns die Huld Gottes in dem Herrn Jesus, die uns geschenkt wurde – aus reiner Gnade.

Bevor wir die einzelnen Frauen in ihrer Bedeutung streifen, möchte ich kurz die Hauptlinie angeben. Es geht um die Geschichte des Menschen, wie Gott ihn zurück zu sich holt: Tamar zeigt uns das Bild der Sünde des Menschen: Wir alle sind Sünder, seit Adam und Eva. In Rahab finden wir dann den Glauben, der sich die Gnade Gottes aneignet, indem er sich genau darauf stützt. In Ruth sehen wir, dass die Gnade nicht durch die Ansprüche des Gesetzes aufgehalten werden kann. Wer auf das Gesetz zu seiner Rettung setzt, wird das Ziel nicht erreichen. Wer auf die Gnade ohne Gesetz vertraut, wird von Christus angenommen. Durch die Frau Urias lernen wir, dass Gnade durch Züchtigung in der Lage ist, sogar aus Versagen Segen hervorzubringen, auch im Leben des Gläubigen. Schließlich lernen wir durch Maria, wenn sie auch ein wenig getrennt steht von den vier anderen Frauen, dass derjenige, der die Gnade an sich erleben durfte, zugleich ein von Gott auserwähltes Gefäß ist.

So hält die Geschichte dieser vier Frauen eine Ansprache an uns alle, auch dann, wenn wir schon an den Herrn Jesus glauben. Im Folgenden möchte ich auf die besondere Bedeutung jeder der vier bzw. fünf Frauen eingehen:

Tamar

In Tamar sehen wir das Bild ungeschminkter Sünde, sündiger Taten. Sie sündigte vorsätzlich – hatte es sich also in ihrem Herzen vorgenommen. Ihr Schwiegervater, der Vater ihres Kindes, trug allerdings eine noch größere Verantwortung und war in diesem Sinn auch „noch schuldiger“. Er hatte ihr das ihr zustehende Recht einer Ehe mit seinem dritten Sohn versagt. In der konkreten Situation, die zur Zeugung des Vorfahren des Herrn Jesus führte, gab er sich seinen Begierden hin. Schon das Heiraten seiner Frau Schua war nicht nach den Gedanken Gottes. Abraham hatte jedenfalls für seinen Sohn ausdrücklich befohlen, keine Kanaaniterin zu suchen. Seinem Urenkel aber war das offenbar egal. So folgte dann eine Sünde auf die andere. Aus dem Neuen Testament wissen wird, dass Sünde in den Tod führt (vgl. Röm 6,23), in das ewige Gericht Gottes. Das sehen wir vorgeschattet in der Geschichte Tamars, der das Gericht der Verbrennung angekündigt wird (1. Mo 38,24), was allerdings dann nicht vollzogen wird.

Gibt es keine Hoffnung für solch eine Sünderin? Doch! Wenn sie in Verbindung mit dem Gesalbten des Herrn kommt. Dafür hat Gott gesorgt – im Bilde durch dieses Geschlechtsregister. Ihr wird gewissermaßen auf diesem Weg das Leben geschenkt (vgl. Röm 6,23)11. Nur so ist ein Mensch in der Lage, Frucht für Gott zu bringen, wie Frucht ausdrücklich mit der Person Tamars verbunden wird (vgl. Rt 4,12).

Rahab

In Rahab sehen wir das Bild der sündigen Natur eines Menschen. Sie hatte sich nicht nur einmal der Unzucht hingegeben, nein, das war ihr Beruf, ihr Lebenswerk, es war sozusagen Teil ihrer Natur geworden. Sie war als Prostituierte bekannt. Deshalb lesen wir immer wieder, dass Rahab eine Hure genannt wird.

Gibt es keine Hoffnung für eine solche Frau? Doch! Der Glaube, den Gott in einem Menschen bewirken will, führt den Sünder dazu, Gott zu erkennen (Heb 11,6.31). Durch dieses Glaubensvertrauen nehmen wir Ihn ernst und erkennen, dass Er ein Volk hier auf der Erde hat. Nur, wer zu diesem Volk gehört, besitzt neues, ewiges Leben. Das wird durch die Geschichte Rahabs illustriert, denn unter dem Volk Gottes beginnt für sie ein vollkommen neues Leben, ein Leben mit Werken des Glaubens (vgl. Jak 2,25).

Ruth

In Ruth sehen wir das Bild einer Fremden (Eph 2,17), einer Feindin Gottes. Sie war Moabiterin, und die Moabiter waren die Feinde des Volkes Gottes und damit Feinde Gottes selbst. Diese Frau hatte kein Recht auf irgendwelche Verheißungen in Israel. Selbst das zehnte Geschlecht ihrer Nachkommen konnte nicht in die Versammlung Israels kommen (5. Mo 23,4). Nehemia macht deutlich, was dies bedeutet (vgl. Neh 13,1): Niemand konnte aus diesem Volk in die Versammlung Israels kommen. Sie waren eigentlich ewig von den Segnungen des Volkes Gottes ausgeschlossen.

Gibt es keine Hoffnung für eine solche Person? Doch! Versöhnung (vgl. Eph 2,16) kommt durch die Gnade. Das ist die unverdiente Gunst Gottes, die ein Mensch im Glauben annehmen muss (Eph 2,8). Bei Ruth war dieser Glaube vorhanden. Sie sagt: „Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott“. Und doch war es unverdiente Gnade Gottes durch den Mann Boas. Diese Gnade machte aus einer Fremden die geliebte Ehefrau Ruth, welche die Mutter Davids und des Sohnes Davids werden durfte. Das Gesetz war unfähig, dies zu vollbringen: Auf diesem Weg hätte David nicht auf den Thron Israels kommen können. Aber die Gnade war imstande, Unmögliches möglich zu machen. Dazu war neben der Gnade auch die Lösung Ruths (Rt 4), die Erlösung (Eph 1,7) nötig. Ruth hat sie erfahren!

Bathseba

In Bathseba sehen wir ein doppeltes oder sogar dreifaches Bild. Zunächst einmal fällt auf, dass ihr Name hier nicht genannt wird, sondern der ihres früheren Mannes Urija. Manche Ausleger haben darauf hingewiesen, dass diese Sünde von David mit Bathseba abscheulich in den Augen Gottes war. Daher kann Bathseba hier nur „die Urias Frau gewesen war“ genannt werden.

Ein weiterer Gedanke scheint von Bedeutung zu sein. Das Augenmerk soll nicht so sehr auf Bathseba selbst, sondern auf die schlimme Sünde ihres Liebhabers und späteren Ehemanns, David, gerichtet werden. Das in diesem Geschlechtsregister vielleicht größte moralische Vorbild auf den Herrn Jesus, gerade den verworfenen Messias, wird hier durch eine gravierende Sünde befleckt. Der in moralischer Hinsicht wohl erhabenste König und Vorfahre des Herrn ist in gewisser Hinsicht ein schlimmerer König als alle anderen nach ihm. Dieser Gegensatz zwischen David und dem Sohn Davids wirft ein großartiges Licht auf Christus, Wurzel und zugleich Geschlecht Davids.

Bathseba selbst (wie gesagt in Verbindung mit David) stellt uns vielleicht den Menschen in seiner Schuld vor Gott dar. Letztlich waren beide dieses Vergehens und des anschließenden Mordes schuldig.

Gibt es keine Hoffnung für eine solche Person? Doch! Es gibt das Bekenntnis in Verbindung mit Buße, und dann Vergebung. Das sehen wir in 2. Samuel 12,13. Zugleich finden wir dort den Gedanken der Stellvertretung. Der unschuldige Sohn, dessen Name uns interessanterweise auch nicht genannt wird, muss stellvertretend für David (und Bathseba) sterben.

Bathseba und David sind in einer zweiten Hinsicht Vorbilder, und zwar von Gläubigen. Sowohl David als auch Bathseba hatten durchaus eine Verbindung zu Gott. Leider ist es so, dass auch Gläubige sündigen können. Auch für Gläubige gibt es in Bezug auf diese Erde Vergebung (1. Joh 2,1.2).

Drittens lernen wir eine weitere Wahrheit aus dieser Begebenheit. Aus dem Tod kommt Leben hervor. Das erste Baby – entsprungen aus der Sünde der Unzucht – stirbt. Anschließend kommt das Leben der Nachkommenschaft in Salomo hervor. Ebenso entspringt aus dem Tod des Herrn Leben für Gott (vgl. 1. Joh 5,6–12).

Maria

Dann bleibt noch Maria, die wie bereits erwähnt eine Sonderstellung einnimmt. Maria war ein Mensch wie jeder andere auch – ein Sünder. Aber hier ist sie das Bild einer Begnadigten (Lk 1,28). Sie wurde durch souveräne Auswahl Gottes zum „Gefäß“ ausersehen, das den Retter der Welt in diese Welt bringen durfte.

Beim Rückblick über die Betrachtung erkennen wir dankbar, dass Gott für jeden Missstand, der sich bei diesen Frauen fand, eine passende göttliche Antwort hatte. Sein Wirken hat für alle Bedürfnisse eine überreiche Antwort. Diese vielen Veränderungen in und an den Menschen sind letztlich nichts anderes als Strahlen der Herrlichkeit unseres Herrn. Er selbst ist es, der diese Veränderungen in den Frauen hervorgerufen hat. Ist nicht Er Derjenige, der Menschen mit sich selbst in Verbindung bringt? Ist es nicht seine Person, die Glauben bewirkt und neues Leben schenkt? Wer ist der Erlöser und die Erscheinung der Gnade hier auf der Erde? Wer schenkt Leben aus dem Tod und Vergebung, wer ist der Versöhner? Gott ist Derjenige – hier als Sohn vor uns –, der Menschen auserwählt hat. Alles dient nur zu seinem Preis!

Zusammenfassung

Wir lernen aus diesem Geschlechtsregister, dass der Herr Jesus wirklich der Sohn Davids ist. Er ist der rechtmäßige Erbe der Verheißungen Abrahams und der rechtmäßige Thronfolger Davids. Er hat Anspruch auf diesen Thron.

Zugleich aber verstehen wir schon etwas von der Bestimmung, die dieser König auf der Erde haben würde. Er verbindet sich mit Sündern, mit Sündern ganz besonders schlimmer Art. Denn „der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Was für ein Messias! Schon das Geschlechtsregister macht deutlich: Der von Gott bestimmte Messias, der Gesalbte, macht sich eins mit dem sündigen, oft versagenden königlichen Samen. Und damit verbindet Er sich auch mit nachfolgenden Generationen, die kein Stück besser sind.

Verse 18–25: Der Messias wird geboren

Die Geburt des Messias selbst wird uns dann im zweiten Teil des ersten Kapitels geschildert.

Vers 18: Der Messias ist mehr als ein irdischer König!

„Die Geburt Jesu Christi aber war so: Als Maria, seine Mutter, mit Joseph verlobt war, fand es sich, ehe sie zusammengekommen waren, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist“ (Vers 18).

Wie wichtig sind diese Verse in Bezug auf den Herrn Jesus. Wenn wir nur die ersten 17 Verse hätten, würden wir zwar anerkennen, dass der Herr einen Anspruch auf den Thron Davids hat. Aber das Geschlechtsregister, das Anrecht Jesu auf den Thron, konnte uns nicht von Sünden erlösen und retten. Es reichte nicht, dass Er ein Nachkomme Davids war. Er musste ein vollkommener, sündloser Mensch inmitten von Menschen sein, die mit Sünde behaftet sind. Genau das finden wir jetzt im Folgenden.

Zunächst einmal wird der aufmerksame Leser, der Lukas 1 und Matthäus 1 miteinander vergleicht, deutliche Unterschiede feststellen. Im Bericht von Lukas steht Maria im Vordergrund, wenn man von der eigentlichen Fokussierung auf den Herrn Jesus einmal absieht. In Matthäus 1 dagegen liegt das Augenmerk mehr auf Joseph. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: In Lukas geht es darum, dass Jesus wirklich Mensch ist und von einer Frau geboren wurde. Daher werden im Lukasevangelium besonders die Umstände Marias erwähnt. Das heißt natürlich nicht, dass nicht in gleicher Deutlichkeit betont wird, dass das in ihr Gezeugte vom Heiligen Geist ist (vgl. Lk 1,35). Ein Mensch wird von einem Menschen geboren. Und ein Mensch kann nur einen Menschen und nicht einen Engel, einen Geist oder eine andere Art von Person zur Welt bringen. Diesen Teil, der auch die Geburt des Vorläufers des Herrn beinhaltet, finden wir nicht bei Matthäus.

Im Matthäusevangelium geht es darum, dass Jesus der Christus ist, der rechtmäßige Thronerbe. Diese Linie läuft, wie wir in den ersten 17 Versen gesehen haben, über Joseph. Daher steht Joseph in diesem Abschnitt im Vordergrund, auch im weiteren Verlauf.

Von dem Heiligen Geist

Der Evangelist teilt uns hier mit, dass Jesus tatsächlich nicht einfach ein normaler Mensch unter Menschen war. Es gab zwei Menschen, die weder Vater noch Mutter hatten: Adam und Eva. Sie wurden von Gott erschaffen (1. Mo 1.2). Es gibt einen Menschen, der keinen Menschen zum Vater hat: Jesus Christus. Dieser Punkt ist nicht unwichtig. Denn wir hatten als dritte und vierte Bedingung für den verheißenen König gesehen, dass der wahre König Gottes kein leiblicher Nachkomme von David und seinem Samen in der Königslinie sein durfte, und dass Er eine übernatürliche Geburt haben sollte. Es war ja nach Jesaja 7 vorhergesagt worden, dass der verheißene König von einer Jungfrau kommen würde.

Diese Bedingung erfüllt der Herr Jesus bei seiner Geburt. Sein Kommen war das Ergebnis einer übernatürlichen Zeugung, die wir nicht physisch erklären können. Maria war von dem Heiligen Geist schwanger. Das heißt, Gott selbst hat durch ein Wunder in die natürlichen, biologischen Abläufe Marias eingegriffen. Er hat den Keim für ein menschliches Wesen gelegt, das mehr als ein Mensch ist. Wir stehen hier auf heiligem Boden und erkennen anbetend, dass Gott selbst in der Zeugung dessen tätig war, der Gott und Mensch in einer Person ist. Menschen können dies nicht ergründen. „Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater“ (Mt 11,27). Das bleibt in seiner Absolutheit immer bestehen.

Vers 19: Die edlen Überlegungen Josephs

„Da aber Joseph, ihr Mann, gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, gedachte er, sie heimlich zu entlassen“ (Vers 19).

Wir können gut verstehen, dass Joseph erschrocken war, als er mitbekam, dass seine verlobte Frau Maria schwanger war. Er musste annehmen, dass sie durch einen anderen Mann schwanger geworden war.

Verlobung zur Zeit Jesu

Dabei ist es gut, zunächst einmal zu verstehen, dass eine Verlobung in der damaligen Zeit etwas anderes war als in der heutigen. Damals wurde der Ehevertrag bereits mit der Verlobung geschlossen. Aber erst in dem Moment, als der verlobte Ehemann seine Frau zur Hochzeit abholte, waren sie nicht mehr verlobt, sondern verheiratet. Der Ehebund wurde also schon geschlossen, bevor Mann und Frau „zusammengekommen waren“, also zusammen in einem Haus wohnten (vgl. Spr 2,17; Mal 2,14).

Natürlich stellt sich die Frage, warum Joseph von der wunderbaren Veränderung in Maria nichts wusste. Die Erklärung finden wir vielleicht in Lukas 1: Dort lesen wir, dass Maria ein Engel erschien, der ihr alles ankündigte (Lk 1,26–38). Sofort danach aber ging sie „mit Eile“ zu ihrer Verwandten, Elisabeth (Lk 1,39). Dort blieb sie ungefähr drei Monate (Lk 1,56). Das ist ungefähr die Zeit, nach der man eine Schwangerschaft deutlicher erkennen kann. Wir können nur annehmen, dass sie in der Zwischenzeit keinen Kontakt mit Joseph hatte und diesem somit auch nichts von ihren Erlebnissen erzählen konnte. Wir müssen berücksichtigen, dass Kommunikation zu der damaligen Zeit bei weitem nicht so einfach und schnell ging wie heute.

Die Gedanken Josephs

Als Maria nun das nächste Mal mit Joseph zusammentraf – sie wohnten ja nicht zusammen (Mt 1,20), erkannte er sofort die Veränderung bei seiner verlobten Frau. Wir dürfen davon ausgehen, dass Maria ihm dann die Erscheinung des Engels Gabriel erzählte. Das muss ihm sicher unglaublich vorgekommen sein, so dass wir gut verstehen können, dass Joseph diese Dinge, die er ja nicht persönlich erlebt hatte, nicht glaubte. Daher gedachte er, Maria heimlich zu entlassen. Hätten wir mehr Glauben gehabt in Bezug auf diese, aus menschlicher Sicht unglaubliche Geschichte?

Aber Joseph war ein „gerechter“ Mann. Er war gottesfürchtig und schätzte Maria. Daher wollte er ihr nicht wegen Unzucht einen Scheidebrief ausstellen, was er hätte tun können (vgl. Mt 5,31; 19,7). Es hat den Anschein, dass es in der Zeit Jesu nicht mehr üblich war, eine Frau, die Ehebruch begangen hatte, zu steinigen (vgl. 5. Mo 22,23.24; Joh 8,5). Aber er wollte ihr vielleicht eine Art allgemeinen Scheidebrief geben. Dadurch wäre ihr ein Zusammenleben mit dem Mann möglich gewesen, durch den sie schwanger geworden war, wie er glaubte.

Gott sah diese inneren Fragen sowie die edlen Überlegungen im Herzen Josephs Maria gegenüber. Gott wusste, wie schwer es für Joseph sein musste, diese übernatürliche, göttliche Zeugung eines Kindes als wahr anzunehmen. Daher kommt Er Joseph zu Hilfe.

Vers 20: Gott kommt zu Hilfe – aber mit einer gewissen Distanz

„Als er aber dies überlegte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist“ (Vers 20).

Wie bereits angedeutet, ist es in diesen Versen Joseph, der im Vordergrund steht. Gott wendet sich durch einen Engel an Joseph, nicht an Maria. Dieser ist hier der Handelnde. Daher kommt Gott ihm in seiner inneren Not zu Hilfe. Auch zu Maria war ein Engel gekommen, aber im Unterschied zu Maria ist im Blick auf Joseph eine gewisse Distanz zu spüren. Denn der Frau erscheint der Engel direkt, in einer Gestalt (vgl. Lk 1,26.28), während es hier bei Joseph „nur“ im Traum ist.

Woher kommt diese Distanz? Wir dürfen nicht annehmen, dass sie mit Unglauben aufseiten Josephs zu tun hat. Zacharias in Lukas 1 fehlte es mehr an Glauben, dennoch erscheint ihm ein Engel im Tempel. Es scheint vielmehr so, dass Gott durch diese weniger persönliche Erscheinung bei Joseph seine Distanz zu dem königlichen Geschlecht ausdrücken möchte, dessen Repräsentant Joseph war. Das Volk als solches hatte sich von Gott abgewendet. Das sehen wir ja schon im nächsten Kapitel, wenn es um die Führer des Volkes geht. Aber besonders das Haus Davids war mehr und mehr von dem klaren Weg Gottes abgekommen. Nicht zuletzt führte auch der Fluch über Jekonja zu einer besonderen Distanz zum königlichen Geschlecht. Das Volk lag zudem in der Sünde (Mt 1,21). Konnte sich Gott da offen zu ihnen bekennen?

Die Ansprache des Engels

Der Engel kommt zu Joseph, um ihm zu bestätigen, dass Maria nicht durch einen Menschen, sondern durch Gott selbst bewirkt schwanger geworden ist. Die Worte, die der Engel wählt, sind großartig:

  1. Joseph: Er spricht Joseph mit seinem Namen an und macht dadurch deutlich, dass Er eine ganz persönliche Botschaft für ihn hat.
  2. Sohn Davids: Der Engel erinnert Joseph an seinen Vorfahren und bestätigt dadurch, dass der in Maria gezeugte Sohn als sein Nachkomme diesen Thron besitzen soll. Zugleich erklärt diese Anrede noch einmal, warum in Matthäus 1 die Rolle von Joseph so betont wird. Er war der Nachkomme Davids. Und in seine Rechte musste Jesus eintreten (können), um wahrer Sohn Davids zu sein.
  3. Fürchte dich nicht: Joseph brauchte in der Tat Mut, um eine schwangere Frau, die nicht von ihm ein Kind erwartete, zu sich zu nehmen. Er sollte aber keine menschlichen Überlegungen anstellen, sondern einfach durch die Ermutigung Gottes gehorsam sein.
  4. Maria ist wirklich seine verlobte Frau. Als solche sollte Joseph sie betrachten, auch wenn sie noch nicht zusammengekommen waren.
  5. Das in ihr Gezeugte ist vom Heiligen Geist: Joseph musste lernen, dass Gott selbst bewirkt hatte, dass ein Kind in Maria entstanden war. Es war zwar ein Mensch, aber göttlichen Ursprungs.

Verse 21–23: Die Ankündigung: Gott kommt zu den Menschen

„Sie wird aber einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen; denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden. Dies alles geschah aber, damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: ‚Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel nennen‘, was übersetzt ist: Gott mit uns“ (Verse 21–23).

Der Engel macht durch seine weiteren Worte ganz klar, wer von Maria geboren werden würde. Es handelt sich um einen Sohn, und zwar um einen, der vorher angekündigt worden war. Das war nicht irgendein Kind. Dieser Sohn sollte einen Namen bekommen, der eine weitreichende Bedeutung für sein Leben haben würde.

Der Name Jesus ist der griechische Name für Josua bzw. Jehoschua. Dieser Name bedeutet: Der Herr (Jahwe, Jehova) ist Rettung. Der Engel unterstreicht diese Bedeutung dadurch, dass er hinzufügt, dass Jesus wirklich zur Rettung werden würde. Diese Rettung wäre für das Volk Israel, aber nicht in der Weise, wie das Volk seinen Retter erwartete. Nein, Er sollte sie erretten von ihren Sünden, nicht von den irdischen Feinden wie Rom. Genau diese moralische Art von Rettung hatten sie nötig.

Das war nicht die Erwartung der Juden. Immer wieder finden wir bei den Jüngern und auch danach, dass man den Messias und damit den Herrn Jesus als Befreier von den Römern erwartete. Aber das war nicht das Anliegen Jesu. Er musste das „Grundbedürfnis“ des Volkes und letztlich aller Menschen stillen: Frieden mit Gott zu haben durch die Vergebung der Sünden.

So erkennen wir, wie passend das Geschlechtsregister der ersten 17 Verse war. Es war mit Menschen gespickt, die sich als Sünder „auszeichneten“. Ja, gerade für Sünder ist Gott Mensch geworden, für Sünder, die zunächst einmal zu seinem Volk gehörten, denn Christus ist zuerst zu seinem Volk gekommen. Das ist die Botschaft unseres Evangeliums. In diesem Vers lesen wir zwar noch nichts davon, dass Er als der verheißene König zu seinem Volk kommen sollte. Aber Er war gekommen, um sein Volk von ihren Sünden zu erretten. Auch wenn das Volk diese Notwendigkeit nicht sah. Gott lässt von Anfang an mitteilen, dass dies die Aufgabe Christi sein würde.

Es ist zu Herzen gehend, dass Gott zugleich klar macht, dass Er dieses Volk nach wie vor als „sein Volk“ anerkannte. Jesus ist auf diese Erde zu „seinem Volk“ gekommen. Er ist nicht einfach zu irgendeinem Volk gekommen. Er hatte Zuneigungen und Beziehungen gerade zu diesem Volk, das Er sich selbst aus der Mitte vieler Völker (5. Mo 7,6) erwählt hatte. Wenn Er als Jesus, der Retter, zu diesem Volk kam, dann nicht ohne das tiefe Empfinden, dass dies sein eigenes Volk war.

Wer ist dieser Retter Jesus? Der Name deutet darauf hin, dass der Jahwe des Alten Testaments, der dem Volk Israel immer wieder Rettung geschenkt hat, in diese Welt kam. Gerade in diesem Namen des demütigen und niedrigen Jesus finden wir die Herrlichkeit des ewigen „Ich bin“ wieder, des Herrn des Alten Testaments. Gott selbst ist der Retter seines Volkes, indem Er als Mensch diese Rettung auf dem Kreuz von Golgatha bewirkt hat. Ohne dieses Kreuz ist daher schon das erste Kapitel dieses Evangeliums nicht zu verstehen. Warum würde Er sonst als Retter von Sünden bezeichnet werden?

Christus – die Erfüllung von Jesaja 7,14

Es gibt keinen Zweifel, dass die Geburt Jesu zugleich die Erfüllung einer alttestamentlichen Vorhersage war. Der Evangelist verweist dazu auf den Propheten Jesaja, der als Sprecher Gottes dieses Zeichen gegeben hatte (vgl. Jes 7,14). Das Besondere dieses Zeichens ist nicht, dass der Messias von einer Frau geboren werden sollte. Das war seit dem Fluch über die Schlange in 1. Mose 3,15 bekannt: „Ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen“ – die erste messianische Prophezeiung in der Schrift. Das heißt, dass der Messias ein Nachkomme der Frau sein würde und damit auch von einer Frau geboren werden würde.

Das besondere an der Weissagung Jesajas war allerdings, dass die Frau eine unberührte Frau, also eine Jungfrau, sein würde. Diese außergewöhnliche Vorhersage findet in der Geburt Jesu ihre Erfüllung. Wunderbares Wunder Gottes! Denn das, was für Menschen unmöglich ist, tat Gott. Er selbst sorgte durch ein göttliches Eingreifen dafür, dass ein Jungfrau schwanger wurde und ein Kind gebar.

Formen der „Erfüllung“ von Weissagungen im Matthäusevangelium

In diesem Zusammenhang ist es nützlich, verschiedenen Formen von „Erfüllungen“ zu unterscheiden. Matthäus benutzt insbesondere drei:

  1. „damit erfüllt würde“: Die Weissagung wird an der angegebenen Stelle auf direkte Weise erfüllt (Beispiele: 1,22; 2,15.; 4,14; 12,17; 21,4; 26,56; vielleicht gehört auch 26,54 in diese Kategorie).
  2. „damit erfüllt würde“: 12 Die Weissagung erfüllt sich in einer gewissen Hinsicht, in einem gewissen Umfang (Beispiele: 2,23; 8,17; 13,35). Eine weitergehende Erfüllung steht jedoch noch bevor.
  3. „da wurde erfüllt“: Es findet eine Erfüllung der Weissagung in einem weiteren, allgemeinen Sinn statt. Das heißt, dass sich die Weissagung im engeren Sinn auf eine andere geschichtliche Situation bezieht (Beispiele: 2,17; 27,9), hier aber eine gewisse Erfüllung vorliegt.

Die Weissagung aus Jesaja 7,14 ist also genau auf die Geburt des Herrn Jesus hin ausgesprochen worden. Dort fand sie ihre einzigartige und vollständige Erfüllung!

Der göttliche Emmanuel

Wir haben schon gesehen, dass der Herr Jesus als Mensch auf eine einzigartige und göttliche Weise gezeugt worden ist. Durch die Weissagung aus Jesaja 7,14 erfahren wir zudem, das Gott selbst in der Person des Herrn Jesus zu den Menschen gekommen ist. Denn der Name des Sohnes sollte „Emmanuel“ sein. Das heißt übersetzt: Gott mit uns. Durch diesen von Maria geborenen Menschen wollte Gott selbst mit seinem Volk und mit den Menschen sein.

Was für ein Wunder ist das! Bislang war Gott verborgen hinter dem Scheidevorhang im Tempel. Aber jetzt würde Gott zu seinem Volk kommen, um inmitten des Volkes zu leben. Gott würde sich zu dem Menschen wenden und sich offenbaren. Zugleich würde Er der Erretter seines Volkes werden. Dieser Retter ist Gott selbst.

Wir erkennen in diesen Worten auch die Erfüllung von Psalm 2: „Habe ich doch meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg! Vom Beschluss will ich erzählen: Der Herr hat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ (Verse 6.7). Diese Verse verbinden die Königswürde des Messias mit der Tatsache, dass Er der von Gott gesandte Sohn ist, also Gott selbst. Der Messias und Sohn Davids ist also niemand anderes als der Sohn Gottes.

Das können wir auch mit Jesaja 9,5.6 verbinden: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst. Die Mehrung der Herrschaft und der Frieden werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über sein Königreich, um es zu befestigen und zu stützen durch Gericht und durch Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des Herrn der Heerscharen wird dies tun.“ Diese Verse zeigen uns noch einmal etwas von der Würde, von der Größe, von der Gottheit Desjenigen, der als Kind geboren werden sollte.

Wir sehen also, dass nicht nur Johannes in seinem Evangelium davon spricht, dass Christus ewiger Gott ist. Auch Lukas und Matthäus zeigen, dass der Herr Jesus Gott ist. Lukas unterstreicht, dass dieser Mensch, der von einer Jungfrau geboren werden sollte und unter Menschen aufwuchs, niemand anderes als Gott selbst ist. Matthäus macht deutlich, dass Derjenige, der zu seinem Volk und zu den Sündern gekommen ist, um Retter zu werden, der aus dem Himmel kommende Gott ist. Denn Gott wollte „mit seinem Volk“ sein.

So reiht sich Christus in seiner Herablassung in die Reihe der Sünder des königlichen Samens ein. Aber Er ist kein Sünder, Er ist Gott selbst, der sein Volk besucht. Das zeigt Erhabenheit und gleichzeitig Erniedrigung. Wer Jesus zurückwies und verwarf, würde nicht nur David verwerfen. Er würde den Sohn Gottes und damit Gott selbst zurückweisen. Das wäre zum eigenen, ewigen Schaden desjenigen, der sich zu einer solchen Schandtat erdreistete.

Was mag Joseph davon verstanden haben und was haben wir in unserem Glauben davon schon in Besitz genommen? Jedenfalls hatte das Volk einen anderen Messias erwartet: Einen, der mit dem Römischen Reich aufräumen würde. Sie hatten nicht wirklich verstanden, was der Geist Gottes durch Jesaja aufschreiben ließ. Daher warteten nur ganz wenige auf den „Gott mit uns“, auf Denjenigen, der Gott und Mensch in einer Person sein sollte. Wir finden solche Ausnahmen im Lukasevangelium in Simeon und Anna. Matthäus kann aus Israel niemand aufzählen, wohl aber Menschen aus dem Heidentum, die aus großer Entfernung kommen (Kap. 2).

Verse 24.25: Josephs Gehorsam – die Geburt Jesu

„Joseph aber, vom Schlaf erwacht, tat, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich; und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte; und er nannte seinen Namen Jesus“ (Verse 24.25).

Es ist schön zu sehen, das Joseph im Gehorsam das tat, was ihm der Engel befohlen hatte. Er nahm seine Frau zu sich. Er verließ sie nicht, wie er es aus Gottesfurcht tun wollte, sondern kümmerte sich um seine schwangere Verlobte.

Das ist von großer Bedeutung. Jesus Christus durfte, wie wir gesehen haben, nicht der natürliche Nachkomme von Joseph und damit von David sein. Nur so konnte Er Jesaja 7,14 und die Vorhersage zur Nachkommenschaft von Jekonja in Jeremia 22,30 erfüllen. Und doch musste Christus in juristischer Hinsicht Joseph zugerechnet werden. Genau das geschah. Joseph nahm seine verlobte Frau zu sich. Das muss man so verstehen, dass sie von jetzt an einen Haushalt bildeten.

Aber er erkannte seine Frau nicht, bis das Kind geboren wurde. Das heißt, dass Er bis zur Geburt des Herrn keinen intimen Verkehr mit Maria hatte. Dieser Hinweis bewahrt vor der manchmal anzutreffenden extremen Auffassung, Maria sei nie von Joseph „erkannt“ worden, habe nie intimen Verkehr mit ihrem Ehemann gehabt. Das Gegenteil ist der Fall! Aus Psalm 69,9, Matthäus 13,55.56 und Johannes 7,5 sowie manchen anderen Stellen in den Evangelien können wir schließen, dass Maria weitere Kinder bekommen hat. So hatte unser Herr Halbbrüder und -schwestern, weil diese von Joseph gezeugt worden sind.

Wenn man Vers 25 mit Lukas 2,21 vergleicht, stellt man fest, dass es im Matthäusevangelium Joseph ist, der dem Kind den Namen „Jesus“ gibt. Im Lukasevangelium wird dies offengelassen. Dort steht Maria im Vordergrund. Aber sie war es nicht, die den Namen gab. Im Matthäusevangelium hat Joseph die Verantwortung als der Träger der Verheißungen der Linie Abrahams und Davids. Daher ist ausdrücklich er es, der den Namen gibt.

Damit wird in diesen Versen erneut bestätigt, dass Jesus Christus der rechtmäßige König ist:

  1. Er entstammt der gesetzlichen, erblichen Königslinie, da Joseph Ihn als Sohn annimmt: Er ist der Sohn Davids.
  2. Er ist ein Mensch, von einer Frau geboren. Wir erinnern uns an die Worte in Galater 4,4: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz.“ Das ist die herablassende Gnade unseres Meisters und Herrn.
  3. Er ist mehr als ein Mensch, denn Er wurde von Gott selbst gezeugt.
  4. Er ist das Kind einer Jungfrau.
  5. Er ist kein direkter Nachkomme von Jekonja. Daher kann Ihm der Anspruch, auf dem Thron Davids zu sitzen, nicht versagt werden.

Im weiteren Verlauf der Evangelien lesen wir, dass der Herr später verhöhnt wurde, weil Joseph nicht sein leiblicher Vater war (Joh 8,41). Daran erkennen wir, dass die Menschen sich durchaus bewusst waren, dass die Geburt des Herrn einen besonderen Hintergrund trug. Was für ein trauriges Bild des Menschen: Er benutzt in seiner Bosheit diese Auszeichnung des Herrn, um Ihn zu verhöhnen. Bedarf es noch eines weiteren Beweises der Verderbtheit des Menschen?

Warum wurde Jesus nicht Emmanuel genannt?

Abschließend bleibt noch die Schwierigkeit, warum der Sohn „Emmanuel“ genannt werden sollte, hier jedoch auf Geheiß des Engels „Jesus“ genannt wird. Manche meinten, Matthäus damit einen Fehler nachweisen zu können. Dabei wäre es – menschlich gesprochen – leicht gewesen, dieses Zitat aus Jesaja 7 einfach wegzulassen. Nein, der inspirierte Text ist vollkommen.

Tatsächlich finden wir in Gottes Wort keinen einzigen Hinweis darauf, dass Christus diesen Namen bekommen oder je getragen hätte. Aber das stellt kein Problem dar.

Die Antwort auf diese Frage liegt wohl darin, dass der Name „Jesus“ letztlich nichts anderes als Emmanuel bedeutet. „Jahwe ist Rettung“ heißt, dass der Gott Israels, der Herr, zu seinem Volk kommt. „Jesus“ geht sogar noch weiter: Er kommt nicht nur zu seinem Volk und hilft diesem und ist bei ihnen. Er bringt seinem Volk auch Rettung von seinen Sünden. So sehr ist Gott zu seinem Volk Israel gekommen, dass Er sogar dessen Schuld vor Gott auf sich genommen hat. Das ist wirklich die Erfüllung von „Emmanuel“.

Der Gott, der Rettung ist, war zu seinem Volk in der Person Jesu gekommen. Er „war mit dem Volk“, indem Er es rettete. Das war der Beweis, dass Gott wirklich mit dem Volk Gottes war. Und eines dürfen wir nicht vergessen: Gott kann nicht bei uns sein, ohne uns von unseren Sünden zu erretten, weil die Sünde trennend zwischen dem Menschen und Gott steht. Deshalb kam Er zu seinem Volk – um es wirklich zu retten. Beide Namen stimmen also insofern überein, als das „Gott mit uns“ unweigerlich mit Rettung verbunden sein musste!

Ob sie sich zu Ihm bekennen und sich retten lassen würden? Diese Frage wird das zweite Kapitel beantworten.

Christus ist da – und wie wird Er aufgenommen? (Mt 2)

Der angekündigte König ist geboren. Das erste Kapitel hat bewiesen, dass Er Anspruch auf den Thron Davids hat, da Er das Siegel Gottes und das Siegel der alttestamentlichen Schriften besitzt. Nun stellt sich die Frage: Wie wird Er von seinem Volk empfangen werden?

Wenn heute eines der Königshäuser Nachwuchs bekommt, wird dies gebührend gefeiert, ganz besonders, wenn es um den Thronfolger geht. Viele Gäste werden zu der ersten größeren Feier eingeladen, um dem Thronfolger zu hofieren, ihn zu begutachten und zu begrüßen. Wie war das bei dem höchsten Thronerben, den diese Welt je gesehen hat und sehen wird? Wie würde Ihn sein Volk empfangen?

Verse 1–12: Die Magier und ihre Geschichte

Diese Frage wird beantwortet durch eine beeindruckende Begebenheit von Nichtjuden. In den ersten zwölf Versen dieses Kapitels lesen wir nämlich die Geschichte der Magier. Es ist bemerkenswert, dass Gott diesen Menschen aus dem fernen Orient solche Aufmerksamkeit widmet. Das ist deshalb so auffallend, als der Heilige Geist in Kapitel 1,21 ausdrücklich sagt, dass der Messias zu seinem Volk, zu Israel, kam. Er hatte den Auftrag, die Israeliten von ihren Sünden zu retten! Warum kommen dann zunächst Menschen aus dem finsteren Heidentum in den Vordergrund?

Sicher ist dieses Ereignis, das in Kapitel 2 geschildet wird, auch eine prophetische Schau. Sie zeigt uns wie die Begebenheit mit der Königin von Scheba in salomonischer Zeit (1. Kön 10), dass in künftigen Tagen, wenn das 1000-jährige Reich beginnen wird, viele Menschen aus dem Heidentum nach Israel kommen werden. Es wird ihnen ein Anliegen sein, dem Messias zu huldigen (vgl. Hag 2,7; Jes 60,10 ff.). Dann allerdings werden sie einem Volk Israel begegnen, das aus Gerechten bestehen wird (vgl. Jes 59,21; 60,21.22) und das nicht wie zur Zeit der Geburt Jesu in Sünde liegt.

Verse 1.2: Nicht Juden, sondern Heiden machen sich auf den Weg

Man hätte eigentlich erwarten können, dass die Juden den lange erwarteten und erhofften Messias mit offenen Armen empfangen würden. War Er nicht angekündigt worden als der Kommende? Warteten sie nicht auf „ihren“ König?

Es ist ernüchternd zu lesen, dass es ganz anders ist. Nicht Juden begrüßen Ihn, sondern Heiden. Sie kommen aus einer ganz entfernten Region und sind die ersten und (im Matthäusevangelium) die einzigen, die sich aufmachen, dem König Israels ein Willkommen zu entbieten. Damit beginnen die Leiden des Herrn: Er ist offenbar von Anfang an nicht erwünscht und wird von seinem Volk als solchem nicht wirklich erwartet, obwohl Er zu dessen wahrer Rettung gekommen war. Unser Retter hat das in seinem Leben tief empfunden, denn auch als Kind war Er Derjenige, der als Immanuel alles wusste und überblickte.

Dennoch wollen wir nicht übersehen, dass Gott seinem Sohn auch solche schenkte, die Ihm zur Freude und Erfrischung dienten: Johannes der Täufer zeigt später, dass es wirklich manche gab, die auf den „Kommenden“ gewartet haben: „Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3). Dies hatte seine Berechtigung, denn Daniel und andere hatten konkret vom Kommen des Messias gesprochen: „So wisse denn und verstehe: Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind 7 Wochen und 62 Wochen“ (Dan 9,25; vgl. auch Stellen wie Jes 32,1; 33,17.22; Jer 23,5; usw.).

Hätten die Schriftgelehrten in Israel nicht ein echtes Interesse an dem wahren König und innere Gottesfurcht haben sollen? Sie hätten wissen können, wann der Messias kommen würde. Gott hat es ihnen durch Daniel vorhergesagt. Und in dem Moment, wo sie darauf hingewiesen werden, sind sie schnell in der Lage, das im Alten Testament zu erkennen.

Manche hatten auf Ihn gehofft und gewartet: „Wir aber hofften, dass er der sei, der Israel erlösen solle“ (Lk 24,21), sagten seine Jünger später. Aber diese Hoffnung war offenbar für viele eher unbestimmt. Im Herzen der meisten des Volkes Israel war diese Erwartung nicht konkret vorhanden. Dennoch gab es vereinzelt treue Herzen in Israel, die zwar zum Teil wenig Verständnis besaßen, aber dennoch ihren Messias erwarteten.

Das enthält auch für uns eine Belehrung. Gibt es nicht auch eine Gefahr für uns Christen, was die angekündigte, baldige Wiederkunft unseres Herrn und Retters, Jesus Christus, betrifft? Ja, wir erwarten Ihn aus den Himmeln (1. Thes 1,10). Aber ist diese Erwartungshaltung lebendig und konkret in unsere Herzen und in unser Leben eingraviert?

In der Stadt Davids geboren: Bethlehem

„Als aber Jesus in Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen Herodes, des Königs, siehe, da kamen Magier vom Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ (Verse 1.2).

Im ersten Kapitel haben wir noch nicht gehört, wo Jesus geboren wurde. Hier finden wir das: in Bethlehem. Und das ist wunderbar! Denn genau im Blick auf diesen Ort gab es viele Weissagungen im Alten Testament. Die vielleicht erste finden wir in Ruth 4,11, diesem Segenswunsch für Ruth und Boas: „Der Herr mache die Frau, die in dein Haus kommt, wie Rahel und wie Lea, die beide das Haus Israel erbaut haben; und werde mächtig in Ephrata und stifte einen Namen in Bethlehem!“ Mit Bethlehem wird „der Name“ verbunden, der Israel erbauen sollte, der zur wahren Hilfe werden sollte. Wir denken zurück an die Worte, dass der Herr Jesus sein Volk erretten würde.

Aus Lukas 2,4 und Johannes 7,42 wissen wir, dass Bethlehem auch die Stadt Davids war, wo dieser große König geboren worden ist (vgl. 1. Sam 17,12; 20,6). Und genau in dieser Stadt wurde auch der Herr Jesus geboren. Das ist in Übereinstimmung mit der Weissagung Michas, die später noch von den Schriftgelehrten in Jerusalem angeführt wird. Christus erfüllte die Weissagungen des Alten Testaments, die sein erstes Kommen betreffen, Punkt für Punkt!

An dieser Stelle dürfen wir sehr dankbar für eine gute Übersetzung sein. Es heißt hier: „Als aber Jesus in Bethlehem in Judäa geboren war.“ Ein spezieller Zeitpunkt wird nicht festgelegt. Es ist also keine Rede davon, dass Jesus soeben geboren worden war, dass sich diese Dinge in direktem Umfeld mit seiner Geburt abspielten, sondern einfach: Jesus war geboren, wann auch immer der genaue Tag war. In diesem Zeitraum, in den Tagen Herodes, kamen die Magier nach Jerusalem. Später sehen wir, dass die konkrete Begegnung Monate später stattfand, vermutlich über ein Jahr nach der Geburt. Dieser Zeitraum ist in dieser allgemeinen Zeitangabe inbegriffen.

Das Volk Israel sucht seinen König nicht

Es waren die Tage Herodes', in denen der Messias geboren wurde. In der Einleitung haben wir schon gesehen, dass es sich bei diesem König Herodes um einen gottlosen und brutalen Mann handelte. Er besaß keine Skrupel, auch Familienangehörige zu ermorden, wenn er es für die Festigung seines eigenen Throns für angebracht hielt. Herodes war wahrscheinlich ein Edomiter und hatte damit überhaupt keinen Anspruch auf den Königsthron in Israel. Wie würde dieser König reagieren, wenn der wahre, rechtmäßige König zur Welt kam?

Zunächst einmal erkennen wir, dass er überhaupt nicht reagierte, weil er von der Geburt Jesu nichts wusste und auch keine Notiz nahm. Dabei müssen wir zunächst einmal berücksichtigen, dass Matthäus keine Angaben über die ersten Stunden, Tage und Monate nach der Geburt des Herrn macht. Jedenfalls nicht, was nationale Geschehnisse in Israel selbst betreffen. Das wird durch den Hinweis in Kapitel 2,16 deutlich, bis zu welchem Alter Herodes die Kinder töten ließ. Diese Verse spielen sich also nicht direkt nach der Geburt Jesu ab, sondern deutlich später, als Jesus zwischen einem und zwei Jahren alt war.

Simeon und Anna im Unterschied zu den Führern des Volkes Israel

Man wundert sich darüber, dass wir gerade im Matthäusevangelium von niemand aus dem Volk Gottes lesen, der sich für den Mensch gewordenen Sohn Gottes interessierte. Dies fällt auf, weil Lukas, der den Herr Jesus besonders als den wahren Menschen darstellt, doch von solchen spricht. Lukas erzählt nämlich, dass es gläubige Menschen in Jerusalem gab, die dem Herrn die Ehre erwiesen (Simeon und Anna). Sie repräsentieren die Übriggebliebenen (Überrest) des Volkes Juda, die auf den Messias wirklich gewartet hatten. Bei ihnen war echter Glaube vorhanden. Auch die Hirten auf dem Feld gehörten zu diesen Menschen.

Über diese Personen schweigt Matthäus. Ein Grund dafür mag sein, dass Matthäus auf die eigentlichen Repräsentanten des Volkes Israel abzielt. Das sind die Führer Israels wie die Hohenpriester, Schriftgelehrten, Ältesten und Pharisäer. Diese wollten von ihrem verheißenen König nichts wissen. Für sie stellte Er eher eine Bedrohung dar. Aber in dem Evangelium, das unseren Meister in seiner Menschheit zeigt, lernen wir, dass doch einige auf Ihn warteten. Sie waren eine Freude für das Herz Dessen, der gekommen war, eine ewige Errettung zu vollbringen.

Die Geschichte der Magier

Dann beeindruckt uns die Geschichte der Magier. Wir lesen nicht, wie viele dieser orientalischen Sternkundigen kamen. Manche Traditionen sprechen von drei, andere von 14 Männern. Gott ist dieser Punkt nicht wichtig. Jedenfalls kann man annehmen, dass hier ein größerer Zug ankam, vermutlich also nicht die immer kolportierten (nur) drei Personen, schon gar nicht Könige. Denn von Königen lesen wir hier ohnehin nichts. Nein, es kam wahrscheinlich eine größere Anzahl von Magiern mit ihren Assistenten und Dienern. Diese Magier waren orientalische Sternkundige und Priester, die wohl einer hochgestellten Priesterkaste angehörten. Früher waren solche Funktionäre bei den Persern und Medern bekannt und bildeten dort den geheimen Rat des Königs. Sie beschäftigten sich mit Astronomie, Medizin und geheimer Naturkunde. Bei diesen heidnischen Völkern waren sie oftmals zugleich als Priester tätig.

Wahrscheinlich sind die in Jeremia 39,3.13 genannten Fürsten des Königs von Babel solche Magier gewesen. Die im Buch Daniel genannten Weisen, Wahrsagepriester, Sterndeuter, Magier und Chaldäer (Dan 2,2.10.12) waren sicher ebenfalls Menschen dieser Art. Daniel wurde später über sie gestellt (Dan 2,48). Das zeigt, dass Weisheit und Religion in der damaligen Zeit eng miteinander verbunden waren (vgl. auch Jes 44,25; 47,9.12 ff.).

Dabei dürfen wir nicht denken, diese Männer wären Astrologen13 gewesen. Das ist eine der Esoterik zuzurechnende anthropozentrisch-mythologische Deutung 14 der Stellung bestimmter Himmelskörper (insbesondere der Gestirne des Sonnensystems). Dem begegnen wir heute zum Beispiel in Horoskopen. Nein, die Magier waren Fachleute („Professoren“) der Astronomie, welche die Gesetzmäßigkeit der Gestirne erforschten und im weitesten Sinn Wissenschaftler der damaligen Zeit waren. Zweifellos aber war das damals auch mit okkulten Praktiken verbunden.

Die Magier und Bileam

Die Magier lassen eine gewisse Parallele zu einer weiteren Person im Alten Testament erkennen. Bileam war ein Prophet (2. Pet 2,16). Aber zugleich war er ein Wahrsager (4. Mo 24,1). Er war ein Ungläubiger. Aus den drei Stellen im Neuen Testament, die über ihn sprechen, können wir das ableiten. Wie die Magier aus dem Morgenland, also dem Osten, verband auch er das Wahre mit Wahrsagerei.

Aber diese Parallele ist nicht die einzige, die aus dem Leben Bileams mit unserem Abschnitt zu tun hat. Denn in Bileams vierter Weissagung, die er aus freien Stücken und nicht beauftragt durch den moabitischen König Barak ausspricht, sagt er: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich schaue ihn, aber nicht nahe; ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels.“ (4. Mo 24,17)

Dieser Prophet, der in Mesopotamien lebte (am Euphrat, 4. Mo 22,5), bekam durch Gott eine Weissagung darüber, was viele Hunderte von Jahren später stattfinden würde. Ein Stern, der ein prophetischer Hinweis auf den Herrn Jesus ist, würde hervortreten. Bileam sagt voraus, dass Christus eine universelle Königsherrschaft antreten wird.

Anscheinend hat sich diese Weissagung unter den Weisen gehalten und wurde von Generation zu Generation weitergegeben. So wussten auch die Magier aus dem Morgenland davon. Offenbar wurden die prophetischen Aussagen Bileams in schriftlicher Form in den „Universitäten“ des Ostens aufbewahrt.

Es gibt noch eine zweite Quelle, der sich diese Magier bedienen konnten. Es ist unwahrscheinlich, dass die Weissagungen Daniels, die dieser in Babel bzw. im medo-persischen Reich ausgesprochen hatte, im Orient gänzlich unbekannt waren. Daniel 9,23–27 enthält außerordentlich genaue Vorhersagen über die Zukunft, die auch den Namen und das Auftreten bzw. die Verwerfung des Messias konkret beinhalten (Verse 25.26). Ob sich die Magier damit beschäftigt hatten, im Unterschied zu den Juden in Israel?

Die Kenntnis dieser Weisen mag auch damit zusammenhängen, dass der Tempel Jerusalems sowie die Macht Israels unter Königen wie David und Salomo weithin bekannt war. Selbst in den Jahrhunderten danach fand diese Herrschaft noch Erwähnung. Denken wir zum Beispiel an die Proselyten (Heiden, die Juden geworden sind) und gottesfürchtige Heiden, die nach Jerusalem zu den Festen kamen (vgl. Joh 12,20; Apg 8,27).

Wenn Steine schreien

Jedenfalls scheuten sich diese Männer nicht, eine solch lange Reise zu unternehmen. Ihnen war wichtig, zu Demjenigen zu kommen, von dem sie einiges gelesen und dessen Stern sie im Morgenland gesehen hatten. Man kann wohl kaum erklären, warum sie diesen Messias erwartet haben. Offensichtlich handelte es sich um wirklich gottesfürchtige Männer. Sie kannten nicht nur die Bedeutung dieses Sterns, sondern sie selbst hatten offenbar auf die Ankunft des Messias mit Spannung gewartet. Gott hatte sich ihren Herzen offenbart, und das war nicht spurlos an ihrem Leben vorbeigegangen.

Man kann das Verhalten des Volkes, zu dem der Messias gekommen war, mit dem der Heiden aus dem Osten miteinander vergleichen. Dann denkt man unwillkürlich an die Worte von Johannes dem Täufer: „Ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag“ (Mt 3,9). Wenn diejenigen, zu denen Gott gekommen war, in tiefem geistlichen Schlaf lagen, nicht bereit, sich vor Ihm niederzuwerfen, konnte Gott wahre Kinder Abrahams hervorbringen. Das waren Heiden, die von Juden als tote „Steine“ angesehen wurden. „Ich sage euch, wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien“ (Lk 19,40), musste der Herr Jesus später zu den Pharisäern sagen.

Genau das geschah hier. Die Führer des Volkes Israel versagten dem Messias ihre Huldigung. Doch nicht nur das. Wir werden sehen, dass sie das Gegenteil von Huldigung taten. Aber dann bewirkte Gott, dass Menschen aus götzendienerischen und heidnischen Gegenden kamen, um sich vor dem „König der Juden“ niederzuwerfen. Bedenken wir, dass dieser Titel des Herrn, den die Heiden benutzen, später die Überschrift am Kreuz war! Die Magier beteten Den an, dem das Volk Israel später Steine nachwerfen würde. Die Magier sind es, die Ihm ihre Huldigung darbringen wollen. Sie erwarteten den Stern; sie wussten, dass das, was Gott gesagt hatte, wahr ist. Als der Stern in wunderbarer Weise erschienen war, hatten sie sofort erkannt, dass hier Derjenige geboren worden war, der das Siegel Gottes selbst besaß. Ihr Herz war auf den kommenden König Israels gerichtet.

Dabei fällt auf, dass sie das geborene kleine Kind schon sofort „König der Juden“ nennen. Normalerweise wird niemand als König geboren. Ein Baby mag in seinem Leben von Geburt an einen Anspruch auf den Thron haben, aber es wird als Kronprinz geboren. Dann, wenn der Vater stirbt oder (freiwillig) zurücktritt, um dem Thronfolger Platz zu machen, wird aus dem Prinzen der König. Bei Christus war das anders. Er hatte nicht nur den Anspruch auf den Thron, um ihn später zu besteigen. Er war von Anfang an der König! Jedenfalls galt dies in den Augen Gottes – und auch in den Augen dieser scheinbar fremden Heiden. Sie waren Gott näher, als die Führer des Volkes es je gewesen sind. Sie erkannten in diesem Neu-Geborenen Denjenigen, von dem die Schrift sagt: „König der Könige und Herr der Herren“ (Off 19,16).

Unkenntnis über die Geburt des Königs

Man kann davon ausgehen, dass diese Magier erstaunt waren, in Jerusalem keine große Kenntnis von der Geburt dieses Königs vorzufinden. Sie hatten diese lange und aufwändige Reise hinter sich gebracht, um in Jerusalem den König anzubeten. Hier, in der Hauptstadt, vermuteten sie das „Königsbett“. Berechtigterweise erwarteten sie, den König in einer für Ihn angemessenen prächtigen Stätte der Hauptstadt anzutreffen. Aber nichts fanden sie. Und das Tragische war: Nicht einmal der König des Landes, Herodes, wusste um die Geburt. Die Magier lassen sich aber davon nicht beeindrucken und zurückschicken. Sie fragen nach und werden ihr Ziel erreichen.

Geht es nicht, um eine Anwendung zu machen, auch heute vielen Menschen so? Da kommen Muslime nach Europa, um das Christentum kennenzulernen. Und was treffen sie an? Fast niemand, der sich wirklich für die biblische Botschaft und die christliche Wahrheit interessiert. Im Gegenteil! Abschreckende Gottlosigkeit finden sie vor. Würden sie bei uns erkennen, was wahres Christentum ausmacht?

Verse 3–6: Die Führer erkennen die Sprache Gottes – aber lehnen diese ab

„Als aber der König Herodes es hörte, wurde er bestürzt, und ganz Jerusalem mit ihm; und er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erkundigte sich bei ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. Sie aber sagten ihm: in Bethlehem in Judäa; denn so steht durch den Propheten geschrieben: ‚Und du, Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die Geringste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird ein Führer hervorkommen, der mein Volk Israel weiden wird‘“ (Verse 3–6).

Ein unrechtmäßiger König saß auf dem Königsthron und hörte davon, dass Menschen kommen, um dem wahren König des Landes zu huldigen. Menschlich gesprochen ist es gut nachvollziehbar, dass Herodes einen Schrecken bekam. Als jemand, der nicht einmal vor dem Mord an eigenen Kindern zurückschreckte aus Sorge, sie könnten ihm und seinem Königsthron gefährlich werden, sah er sofort Gefahren für sich.

Noch einmal: Wir können davon ausgehen, dass hier ein größerer Zug angekommen ist. Wie viele Magier auch immer kamen, sie hatten zweifellos ihre Diener und ihren Hof dabei. So erweckten sie natürlich Aufsehen, als sie in Jerusalem eintrafen.

Das machte Herodes Angst. Er hatte Sorge, dass ihm ein Nebenbuhler erwachsen würde, der das Volk auf seine Seite bringen und ihn selbst absetzen könnte. Gerade wenn die Geburt dieses neuen Königs sogar Menschen aus großer Entfernung dazu brachte, nach Jerusalem zu kommen, musste diese Person etwas Besonderes sein.

Dass Herodes sich fürchtete, können wir, wie gesagt, nachvollziehen. Aber dass auch „ganz Jerusalem mit ihm“ bestürzt war, ruft unser Erstaunen hervor. Hatten sie sich so sehr an Herodes gewöhnt, dass sie keine Veränderung wollten? Wir wissen, dass die Herrschaft von Herodes wirtschaftlich und kulturell durchaus angenehm war. Wo aber blieb der Glaube an Gott? Meinten viele, eigene Privilegien stünden auf dem Spiel, wenn ein anderer König an die Macht kommt?

Schon unmittelbar nach der Geburt Jesu, als die Hirten anderen mitteilten, was sie in Bethlehem gesehen hatten, lesen wir: „Und alle, die es hörten, verwunderten sich über das, was von den Hirten zu ihnen gesagt wurde“ (Lk 2,18). In Jerusalem ist jetzt einige Monate danach nicht nur Verwunderung, sondern eine regelrechte Bestürzung entstanden.

Wir wundern uns über diese Gemütsbewegungen auch deshalb, weil doch eigentlich das Volk Gottes auf seinen Messias wartete. Hofften sie nicht wie später die Jünger darauf, endlich von der Herrschaft der Römer befreit zu werden? Von Herodes konnten sie eine solche Befreiung nicht erwarten, weil er gemeinsame Sache mit Rom machte.

Ihre Reaktion zeigt jedoch ihren inneren Zustand: Finsternis. Das Licht kam in diese Welt und stand im Begriff, jeden Menschen ins Licht Gottes zu stellen (vgl. Joh 1,9). So bloßgestellt zu werden ist dem Menschen unangenehm. Und hier war Gott selbst Mensch geworden.

Wir wollen nicht vergessen: Auch diese Bestürzung seines Volkes hat der Herr Jesus empfunden und darunter gelitten. „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11). Der falsche König wurde hofiert, der wahre dagegen von Beginn an von seinem Volk abgelehnt.

Der Ungehorsam der Priester

Dieser politische und gottlose Führer tut aus seiner strategischen Position heraus das einzig Richtige: Er zieht Erkundungen ein. Dazu bedient er sich der religiösen Elite des Volkes Israel: der Hohenpriester und Schriftgelehrten. Von ihnen erhofft er sich Klarheit, wo der Messias, von dem die Magier gesprochen hatten, geboren werden sollte.

Es ist auffällig, dass Herodes die Tatsache der Geburt des Christus überhaupt nicht in Zweifel zieht. Hatte er schon gehört, auch wenn es ihm bislang nicht wichtig war, dass nach den „Schriften der Juden“ einmal ein vorhergesagter König kommen würde? Wusste er von dem Gesalbten des Volkes Israel? Jedenfalls wusste er nicht, wo dieser geboren werden sollte. So genau war er also nicht in den Schriften (des Alten Testaments) bzw. in den Traditionen verwurzelt. Daher die Frage an die „Fachleute“. Mit der richtigen Antwort wäre er in der Lage, seinen Konkurrenten richtig einzuordnen und womöglich zu beseitigen.

An dieser Stelle wird im Übrigen sofort deutlich, dass der Zustand der religiösen Führung des Volkes nicht in Ordnung sein konnte. Denn nie finden wir im Alten Testament einen Hinweis auf „die Hohenpriester“ – also eine Mehrzahl von Hohenpriestern. In Zeiten des Übergangs (bei David), als die beiden Linien von Eleasar und Ithamar parallel die Priesterschaft ausmachten, gab es eine gewisse Koexistenz. Aber sonst war es immer nur ein Hoherpriester, der vor dem Herrn stand. Hier und durchgehend in den Evangelien lesen wir von Hohenpriestern bzw. von einem Hohenpriester, der in diesem oder jenem Jahr im Amt war. Das war schlicht Ungehorsam gegenüber Gottes Wort, wo immer nur von dem Hohenpriester die Rede ist.

Wir wissen aus der Geschichtsschreibung, dass in dieser Zeit sogar Priester im Amt waren, die gar nicht aus der Linie Levis und Aarons stammten. In der dunklen Zeit nach Maleachi gab es innerhalb Israels sowohl strengere als auch liberalere Strömungen, Kämpfe um das Hohenpriesteramt und sogar Bestrebungen um die Königskrone. Man wandte sich dabei immer wieder um Hilfe an die eine oder andere Seite. Unter dem Seleukiden Antiochus IV. Epiphanes bekam jemand das Amt des Hohenpriesters übertragen, der nicht aus der Linie Aarons und Zadoks stammte (vgl. 2. Mo 29,9; 4. Mo 25,13; Hes 43,19). Wahrscheinlich waren das Hasmonäer, die in jener Zeit besonders freigiebig waren. So blieb dieses auch in der Zeit des Lebens Jesu wohl in ganz falschen Händen. Wundert es da, dass sie Entscheidungen fällten, die im Widerspruch zu Gottes Wort standen?

Die religiösen Führer Israels wussten – aber wollten nicht!

Die Antwort der Hohenpriester und Schriftgelehrten erstaunt sehr. Sie wissen genau, dass der Christus in „Bethlehem in Judäa“ geboren werden sollte. Wenn sie die Schriften so genau kannten, dann sollte ihnen auch nicht entgangen sein, dass Daniel den Zeitpunkt seines Kommens vorhergesagt hatte (Dan 9,25). Warum waren sie dann nicht längst auf dem Weg, um den König – ihren eigenen Messias – in würdiger Weise in Empfang zu nehmen?

Spätestens jetzt waren sie aufgefordert, Ihn zu suchen, um Ihm zu huldigen. Zwar standen sie der Geburt des Königs nicht gleichgültig gegenüber, sonst wären sie nicht bestürzt gewesen. Aber dass sie sich aufraffen würden, zu dem Christus zu gehen, das war sozusagen zu viel verlangt. Aber wie hätten sie das tun können, wo sie doch – wie wir oben mehrfach gesehen haben – in absoluter moralischer Finsternis lagen? Vor diesem Hintergrund sind wir über ihre Untätigkeit gar nicht erstaunt, nein, leider war dies die normale, logische Folge ihres Zustandes.

Wie schlimm ist es, wenn Menschen mit ihrem Verstand alles wissen – und diese religiösen Führer waren offensichtlich genau im Gesetz unterrichtet – und dennoch nicht bereit sind, den Christus in ihre Herzen aufzunehmen, sich vor Ihm zu demütigen und vor Ihm niederzufallen. Auch heute gibt es Menschen, die alles wissen, und dennoch nicht bereit sind, sich vor dem Herrn Jesus Christus zu beugen und Ihn als Retter anzunehmen.

Selbst bei Gläubigen ist es möglich, dass man vieles mit dem Verstand weiß, das Herz aber weit entfernt ist, sich in Liebe dem Wort des Herrn unterzuordnen. Diesen gilt das Wort aus Epheser 5,14: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten! Das Wissen allein nützt nichts – es erhöht nur die Verantwortung. Das Verwirklichen des Wissens in einem reinen, aufrichtigen und gehorsamen Herzen ist dem Herrn Jesus dagegen wohlgefällig und ehrt Ihn.

Die Prophetie Michas

Die Kenntnis der religiösen Führer wird durch ihren Verweis auf Micha 5 deutlich. Dabei fällt auf, dass dieser Prophet sehr frei angeführt wird. Eigentlich heißt es dort: „Und du, Bethlehem-Ephrata, zu klein, um unter den Tausenden von Juda zu sein, aus dir wird mir hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll; und seine Ursprünge sind von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her ... Und er wird dastehen und seine Herde weiden in der Kraft des HERRN, in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden wohnen; denn nun wird er groß sein bis an die Enden der Erde. Und dieser wird Friede sein“ (Mich 5,1.3.4).

Diese Verse werden nicht – wie sonst oft üblich – aus der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des hebräischen Alten Testaments, zitiert, sondern einfach sehr frei wiedergegeben. Ob damit die liberale Haltung der religiösen Elite gegenüber den wirklichen Gedanken Gottes angedeutet werden soll? Auch wenn die Pharisäer in vielen Punkten erzkonservativ insbesondere in Bezug auf die eigenen Überlieferungen waren, so war ihnen der eigentliche Gedanke Gottes oft nicht wichtig, ja regelrecht fremd.

Augenscheinlich gibt es in der Wiedergabe von Micha 5 durch die Hohenpriester und Schriftgelehrten auch noch einen Bezug zu 2. Samuel 5,2 (vgl. auch 1. Chr 11,2), wo wir davon lesen, wie das Volk zu David spricht: „Schon früher, als Saul König über uns war, bist du es gewesen, der Israel aus- und einführte; und der Herr hat zu dir gesagt: Du sollst mein Volk Israel weiden, und du sollst Fürst sein über Israel.“

Den religiösen Führern war also durchaus bewusst, dass der Christus und damit Jesus ganz in der Linie Davids, des großen Königs stand. Sie sahen in Ihm den einen, wahren Führer, der sein Volk in guter Weise regieren würde. Trotzdem wollten sie mit Ihm nichts zu tun haben.

Der Hoffnungsruf in Micha 5

Micha 5,1 selbst stellt eine Einschaltung im Textverlauf dar. In Micha 4,9–5,8 spricht der Prophet über die beiden großen Feinde Israels, die in der Hand Gottes als Instrumente des Gerichts eingesetzt werden:

  1. Babel (4,9–13)
  2. Assyrien (4,14–5,8)

Mitten im zweiten Teil, in dem von einer Belagerung und dem Schlagen des Richters Israels die Rede ist, erschallt der Hoffnungsruf. In Israel wird doch ein Herrscher kommen, der „von den Tagen der Ewigkeit her“ ist. Er muss also längst vor Babel und Assyrien existiert haben und sie überdauern.

Zunächst spricht Gott, der Herr, und ruft den Assyrer zum Gericht auf („Nun dränge dich zusammen, Tochter des Gedränges“, 4,14). Dann spricht der gläubig gewordene Teil des in der Zukunft in Israel wohnenden Volkes: „Man hat eine Belagerung gegen uns gerichtet.“ Schließlich spricht der Prophet über die Sünden des Volkes, die den Heiland der Welt ans Kreuz gebracht hatten: „Mit dem Stab schlagen sie den Richter Israels auf die Wange.“ Er weissagt also, was die Führer Israels mit dem Herrn Jesus tun würden. Wir denken zum Beispiel an folgende Stellen: „Dann spien sie ihm ins Angesicht und schlugen ihn mit Fäusten; einige aber schlugen ihm ins Angesicht ... Und sie spien ihn an, nahmen den Rohrstab und schlugen ihm auf das Haupt“ (Mt 26,67; 27,30).

Es ist bemerkenswert, dass Micha genau in diesem Zusammenhang von einer ganz anderen Seite dieses Richters spricht, der von seinem Volk verworfen wurde: Er wird herrschen. Er wird ein Großer sein, ja der Große, Erhabene, der König. Aber dieser große König würde in einer Stadt geboren werden, die eher gering geachtet wird.

Bethlehem – ein kleiner Ort für den Herrscher Israels

Es scheint so, dass der Geist Gottes unsere Gedanken in Micha 5 auf die Geburt von Benjamin lenken will. Diese Geburt führt zum Tod von Rahel, der von Jakob besonders geliebten Ehefrau (1. Mo 35,16–19). Sie hatte ihren soeben geborenen Sohn „Benoni“ genannt, Sohn meiner Not und meines Schmerzes. Für sie war dieser Ort mit Hoffnungslosigkeit verbunden. Sie starb. Und Jakob, der inzwischen Israel hieß (1. Mo 32,29; 35,10), stand plötzlich ohne seine Ehefrau und voller Trauer da.

So stellt dieser Ort Bethlehem (1. Mo 35,19) symbolisch dar, dass jede Lebenshoffnung für Israel verloren war – aber in dem Messias, in Jesus, plötzlich wieder aufkommt. Aus dem Sohn der Not (Benoni) wird Benjamin nach den Gedanken seines Vaters (1. Mo 35,18): Sohn der Rechten, das heißt des Glücks. An anderer Stelle wird er der „Liebling des Herrn“ genannt (5. Mo 33,12). Aber eben nur in Ihm, dem wahren Benjamin, dem Herrn Jesus! Er ist dieser Spross, von dem wir in der Einleitung schon ausführlich gesprochen haben, der den Segen Gottes und zugleich Frucht für Gott hervorbringt.

Doch ist Bethlehem „zu klein, um unter den Tausenden von Juda zu sein“. Bethlehem gehörte zum Gebiet Judas, war aber im Vergleich zu Jerusalem und anderen Städten nur eine Kleinstadt. Aber es gefiel Gott, gerade diesen kleinen Ort als Geburtsort für seinen Sohn zu erwählen. Auf diese Weise sorgte Gott vor, dass es für den Menschen und auch für sein ganzes Volk keinen Anlass gab, auf diesen nach menschlichem Ermessen unbedeutenden kleinen Ort stolz zu sein. Aber dennoch war es die Stadt Davids (Lk 2,4). So musste auch der wahre David dort geboren werden.

Keine anderen Könige – auch nicht David oder Salomo – waren solche, die gänzlich nach dem Herzen Gottes waren. Sie konnten dem Volk zeitweise Rettung schenken, die aber nach und nach wieder verloren ging. Aber Derjenige, der von dem Volk geschlagen und misshandelt wurde, ist zugleich Der, dessen Ursprünge und Ausgänge ewiger Natur sind.

Der Unterschied zwischen Micha 5 und Matthäus 2

Letztlich wiesen die Hohenpriester und Schriftgelehrten genau darauf hin, obwohl sie nicht die Absicht hatten, diesem König Gehorsam zu leisten. Aber sie stellten hier dem von ihnen später auch öffentlich verworfenen Messias ein wunderbares Zeugnis aus. Während es in Micha von Bethlehem heißt, dass dieser Ort zu klein sei, „um unter den Tausenden von Juda zu sein“, heißt es in Matthäus 2,6: Du bist keineswegs die Geringste unter den Fürsten Judas. Denn Der, der in Bethlehem geboren werden sollte und jetzt geboren war, würde mit seinem Glanz diesen Ort erstrahlen lassen. Seine Herrlichkeit ist so gewaltig, dass sogar sein Geburtsort davon erleuchtet wurde.

Außer in Micha 5,1 wird in Matthäus 2 auch noch der dritte Vers und, wie gesagt, ein Zitat aus 2. Samuel 5,2 verarbeitet, das dort die fast intime Beziehung zwischen dem Herrn und David zeigt. Diese ungläubigen Führer des Volkes sprechen unwissend von dieser innigen Beziehung zwischen Gott und dem gerade geborenen König.

Wir fragen uns: Warum hat man sich nur nicht von Ihm weiden lassen und seine echte und bleibende Nahrung angenommen? Erst in Zukunft werden die sogenannten Übriggebliebenen (Überrest) dieses Versäumnis erkennen, wenn sie durch extreme Drangsale dazu geführt werden, ihren Messias als Den zu erkennen, der als Jesus von Nazareth hier auf der Erde gelebt hat und den sie ans Kreuz gebracht haben (Jes 53). Dann erst wird das Volk erkennen, dass in Ihm wahre Kraft und Hoheit ist und dass Er wahren Frieden bringt.

Verse 7.8: Herodes plant den Mord an Jesus, dem König Israels

„Dann rief Herodes die Magier heimlich zu sich und erfragte von ihnen genau die Zeit der Erscheinung des Sternes; und er sandte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht genau nach dem Kind; wenn ihr es aber gefunden habt, so berichtet es mir, damit auch ich komme und ihm huldige“ (Verse 7.8).

Zunächst fällt auf, dass Herodes die Magier anscheinend keiner konkreten Antwort auf ihre Frage für würdig hält. Sie hatten gefragt, wo der König der Juden sei. Seine Erkundigungen gibt Herodes jedoch nicht weiter. Er hat seine eigene Agenda, die ihm wichtig ist. Und diese sucht er abzuarbeiten. Er empfiehlt ihnen zwar, nach Bethlehem zu gehen, um das Kind zu suchen. Damit aber verbindet er nicht den konkreten Hinweis, dass der König dort auch geboren sei.

Die klare Aussage der Hohenpriester und Schriftgelehrten, dass der König Israels in Bethlehem geboren werden sollte, hat Herodes' Beunruhigung über die Geburt seines „Nebenbuhlers“ weiter erhöht. Er befragt jetzt die Magier, was sie wissen. Er tut dies „heimlich“. Das zeugt von unlauteren Beweggründen und seiner Angst vor dem „neuen“ König, zeigt aber auch, dass er offenbar bereits Pläne geschmiedet hatte, um die entstandene Gefahr abzuwenden. Zudem möchte er sich sicher nicht als ein Unwissender präsentieren.

Dass seine Pläne feststehen, zeigt sich an seiner Frage, wann „genau die Zeit der Erscheinung des Sterns“ gewesen ist. Er will das genaue Alter des Kindes erfahren. Wie schon bemerkt zeigt Vers 16, dass der Herr Jesus sich in dieser Zeit in einem Alter zwischen einem Jahr und maximal zwei Jahren befand. Das macht deutlich, dass die sogenannte Weihnachtsgeschichte und die Weihnachtsfeiertage, die seit 336 nach Christus belegt sind, mit der damaligen Realität nichts zu tun haben. Dagegen fanden die in Lukas 2,8–38 genannten Begebenheiten vermutlich in unmittelbarer Verbindung mit der Geburt Christi statt.

Der eigentliche Wohnort von Joseph und Maria war Nazareth (Lk 2,4). Wegen der Einschreibung, die durch Kaiser Augustus verordnet worden war (Vers 1), gingen Joseph und Maria nach Bethlehem, um sich dort einzuschreiben. Zwar fand die tatsächliche Einschreibung erst verspätet statt (Vers 2), aber die Verordnung des Augustus führte dazu, dass der Herr Jesus tatsächlich in Bethlehem geboren wurde. Aus Lukas 2,39 wissen wir, dass Joseph, Maria und ihr Kind Jesus nach Erfüllung der Pflichten, die ihnen vom Gesetz auferlegt wurden, wieder zurück nach Nazareth in Galiläa gingen.

Wie aber kam es, dass sie jetzt auf einmal wieder in Bethlehem waren? Die Antwort auf diese Frage findet sich in Lukas 2,41: „Und seine Eltern gingen alljährlich am Passahfest nach Jerusalem.“ Offenbar sind sie bei dieser Gelegenheit auf dem Weg wieder in seiner Geburtsstadt Bethlehem eingekehrt.

Exkurs: Weihnachten und die Geburt Jesu

An dieser Stelle möchte ich in einem Exkurs kurz auf die Geburt Christi eingehen, die seit langer Zeit zu „Weihnachten“ gefeiert wird. In der Bibel finden wir weder das Wort „Weihnachten“ noch einen Hinweis, dass der Tag der Geburt Jesu gefeiert werden soll.

Darüber hinaus kann man relativ leicht erklären, dass diese Geburt nicht Ende Dezember – oder wie ursprünglich gefeiert, Anfang Januar – stattgefunden haben kann. Es ist wohl kaum daran zu denken, dass in einer solchen Winterzeit eine Volkszählung durchgeführt werden konnte (vgl. Lk 2,1–7), für die viele Menschen größere Reisen im gesamten Römischen Reich hätten unternehmen müssen (Vers 1: „den ganzen Erdkreis“).

Können wir wissen, wann Christus geboren wurde?

Es gibt noch einen zweiten deutlichen Hinweis auf das ungefähre Datum der Geburt. Aus 1. Chronika 24,1–19 wissen wir, dass David den Dienst der Priester in 24 aufeinander folgende Abteilungen einteilte. Diese 24 Priesterklassen wurden – so wird es verschiedentlich überliefert – zweimal im Jahr jeweils für eine Woche in den Dienst gestellt. Bei bestimmten Festwochen wie zum Beispiel bei dem Passah und dem Laubhüttenfest waren alle Priesterklassen gefordert, weil mit großen Besuchermengen zu rechnen war, die jeweils priesterlich zu bedienen waren.

Zacharias gehörte zu der Abteilung Abijas (Lk 1,5), deren Dienst der achten Abteilung zugerechnet wurde (1. Chr 24,10). Da das jüdische Jahr im Monat Abib bzw. Nissan begann (vgl. z. B. 2. Mo 13,4; 5. Mo 16,1) – das ist ungefähr unser März/April15 –, hatte Zacharias wohl Mitte Juni seinen einwöchigen Dienst.16 Die Woche danach war dann wieder ein gemeinsamer Dienst aller Priester bei dem Pfingstfest, so dass Zacharias vermutlich Ende Juni nach Hause kam. Die Erscheinung des Engels muss vermutlich am Anfang seines Dienstes gewesen sein (vgl. Lk 1,23).

Seine Frau Elisabeth wurde unmittelbar nach seinem Dienst schwanger (Lk 1,24), also etwa Anfang Juli. Als Elisabeth im 6. Monat schwanger war (Lk 1,26), kam der Engel Gabriel zu Maria – also im Dezember – um ihr die Geburt von Christus anzukündigen. Die Geburt unseres hochgelobten Herrn dürfte somit neuneinhalb Monate später, also etwa im Oktober des Folgejahres stattgefunden haben und nicht im Dezember oder Januar.

Fehlte uns etwas, wenn die Geburt Jesu im Oktober wäre?

Fehlt uns denn etwas, wenn die Geburt Jesu nicht „an Weihnachten“, sondern in den Herbsttagen des Oktobers stattgefunden hat? Natürlich nicht. Abgesehen davon fällt die Einführung des Weihnachtsfestes, das sich ja erst seit 336 als kirchlicher Feiertag in Rom nachweisen lässt, in die kirchengeschichtliche Zeit, die in Offenbarung 2 durch die Versammlung (Gemeinde, Kirche) Pergamus dargestellt wird. Dort heißt es: „Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du solche dort hast, welche die Lehre Bileams festhalten, der den Balak lehrte, einen Fallstrick vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben“ (Off 2,14). Pergamus war da, „wo der Thron des Satans ist“ (Vers 13).

Die Krippenspiele und der Adventskranz sind seit dem 11. Jahrhundert und das Beschenken seit dem 16. Jahrhundert bzw. später bekannt. Das 11. Jahrhundert fällt in die Zeit des Mittelalters, die in Offenbarung 2 durch die Versammlung Thyatira repräsentiert wird. Das ist die Zeit, in der die römisch-katholische Kirche ihre Hochzeit hatte und die Päpste zu Weltherrschern aufstiegen. Wie wird diese Epoche charakterisiert? „Aber ich habe gegen dich, dass du die Frau Jesabel duldest, die sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzendopfer zu essen“ (Off 2,20).

Nicht immer kann man sagen, dass eine falsche Entstehung auch dauerhaft negativ auf einer Sache lastet. Ein Beispiel sind die Entstehung von „Städten“ und von Kultur, die aus der Linie Kains entstanden sind. Aber jeder muss für sich selbst die Frage beantworten, ob Weihnachten, mal abgesehen davon, dass es das falsche Datum trifft, nicht doch nach wie vor etwas von Götzendienst enthält. Es ist bemerkenswert, dass es gerade diese Tage sind, an denen die Kirchen von Menschen gefüllt sind, die mit einem persönlichen Glauben an Jesus Christus oft nicht viel zu tun haben.

Für uns Christen ist es wichtig, an dem tatsächlichen biblischen Bericht festzuhalten. Letztlich ist das spezielle Datum – wir wissen es ohnehin nicht ganz genau – nicht entscheidend. Aber es hat doch den Anschein, dass die Geburt Jesu im Oktober oder in dieser Zeit stattfand. Dies passt auch in wunderbarer Weise zu einem Vorbild, das wir durch ein Fest des Alten Testamentes dargestellt finden. Denn im Oktober fand in Israel das sogenannte Laubhüttenfest statt. Wir wissen durch die verschiedenen Vorkommen des Laubhüttenfestes im Alten Testament, dass dieses Fest als ein Hinweis auf das 1000-jährige Reich zu verstehen ist, in dem der Friede Gottes durch die Person des Herrn Jesus hier auf dieser Erde herrschen wird.

Jesus – die Erfüllung des Laubhüttenfestes

Dieses Fest der Laubhütten darf uns zunächst daran erinnern, dass der Herr Jesus auf diese Erde kam, um hier zu wohnen. „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater) voller Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). Tatsächlich steht für das Wort „wohnen“ wörtlich im Grundtext: zelten. Der Schöpfer der Welt zeltete als Mensch hier auf der Erde – beginnend mit dem Fest der Laubhütten.

Es ist interessant, dass in Johannes 14 für wohnen (zelten) das Verb des Wortes steht, das in 3. Mose 23 als Hauptwort (Hütten bzw. Laubhütten) mehrfach verwendet wird (3. Mo 23,34.42.43). Auch das unterstreicht, dass der Herr Jesus die wahre Erfüllung dieses Festes ist.

Können wir so nicht auch gut verstehen, dass es in der Herberge keinen Platz gab? Es war ja das Laubhüttenfest, an dem das ganze Volk nach Jerusalem gehen musste (5. Mo 16,13–16). Daher werden wohl alle Herbergen in der näheren Umgebung Jerusalems belegt gewesen sein.

Herodes' Lüge

Damit kehren wir wieder zurück zu Matthäus 2. Herodes wollte die Erscheinung des Sterns wissen, um das Alter des Kindes zu kennen. Denn er interessierte sich nicht dafür, warum die Magier auf den Stern gewartet hatten. Er interessierte sich auch nicht dafür, was es mit dem Stern überhaupt auf sich hatte. Er wollte schlicht den Zeitpunkt der Erscheinung kennenlernen, um daraus auf den Zeitpunkt der Geburt des Messias schließen zu können.

Im folgenden achten Vers fordert er die Magier zur genauen Erforschung auf. Das verbindet er mit einer Lüge: „damit auch ich komme und ihm huldige.“ Das Gegenteil war in seinem Herzen; aber er wollte es noch verbergen. Tatsächlich wäre die Huldigung sein persönliches Lebensglück gewesen! Aber er wollte das Kind umbringen lassen, statt Es anzubeten – um den Preis seines Lebens.

Bis heute kann sich jeder Mensch vor dem Herrn Jesus niederwerfen, um Ihm zu huldigen. Natürlich ist Christus jetzt nicht auf der Erde. Aber wer sich innerlich vor dem Christus der Schriften verbeugt und Ihn als Retter annimmt, bekommt ewiges Leben geschenkt (vgl. 1. Joh 5,12.13).

Verse 9–11: Die Magier finden den wahren Stern und huldigen diesem

„Sie aber zogen hin, als sie den König gehört hatten. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er kam und oben über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war. Als sie aber den Stern sahen, freuten sie sich mit sehr großer Freude. Und als sie in das Haus gekommen waren, sahen sie das Kind mit Maria, seiner Mutter, und sie fielen nieder und huldigten ihm; und sie taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gaben dar: Gold und Weihrauch und Myrrhe“ (Verse 9–11).

Gott war diesen Magiern durch einen Stern erschienen, den sie im Morgenland gesehen hatten. Wir können kaum annehmen, dass es sich um einen Kometen, eine Supernova oder eine Planetenkonjunktion17 gehandelt hat. Denn zum Beispiel ein normales Himmelsereignis hätten auch die Römer zweifelsfrei erkannt. Wir dürfen also davon ausgehen, dass Gott hier ein Wunder gewirkt hat und tatsächlich einen Stern leuchten ließ, den wir nicht kennen und den man auch astronomisch nicht weiter zuordnen kann.18 Ich erinnere noch einmal an die Worte Bileams: „Ein Stern tritt hervor aus Jakob“ (4. Mo 24,17). Gott hat nicht nur Christus in einer wunderbaren Weise gezeugt, Er hat auch diesen Stern auf wunderbare Weise leuchten lassen – einen Stern, der direkt von Christus spricht.

Gott benutzte also einen Stern, um diese Menschen zu leiten. Sie waren vermutlich nicht mit dem damals zur Verfügung stehenden Wort Gottes – also dem Alten Testament – vertraut. Aber Gott weist ihnen auf eine andere, einzigartige Weise den Weg bis zum Haus des Christus. Diese Magier verstehen: Der König ist in Israel geboren – in dieser Richtung leuchtete der Stern. Also gehen sie nach Jerusalem, nicht, weil der Stern direkt auf Jerusalem leuchtet, sondern weil sie davon ausgehen müssen, dass ein König Israels in Jerusalem, der Hauptstadt Israels, geboren wird.

Als sie in Israel angekommen waren, gab Gott ihnen zunächst kein weiteres Sternwunder. Denn die heiligen Schriften standen ihnen in Israel ja zur Verfügung. Diese sollten auch dazu führen, den Magiern den weiteren Weg zu weisen.

Das Wort und der Geist Gottes

Hier lernen wir einen Grundsatz, der auch heute noch Gültigkeit hat: Gott gibt uns sein Wort nicht unabhängig von der Leitung durch den Geist Gottes. Und der Geist Gottes leitet uns nicht unabhängig von seinem Wort! Beides gehört untrennbar zusammen. Viele Dinge können wir durch das Wort Gottes verstehen – da schenkt uns Gott kein Wunderzeichen. Aber viele unserer Fragen werden auch nicht endgültig durch das Wort Gottes direkt beantwortet, das einfach kein Lexikon von A bis Z ist. Gott möchte uns durch seinen Heiligen Geist leiten.

Wenn wir das Wort Gottes als einzigen Führer unseres Lebens ansehen, die persönliche Leitung des Geistes Gottes dagegen vernachlässigen, wird unser Bekenntnis zu einem toten Christentum – wie bei den Pharisäern. Wenn wir die Leitung des Geistes Gottes als alleinigen Führer für unser Leben für uns beanspruchen, aber das Wort Gottes vernachlässigen, werden wir ein äußerst subjektives, emotionales und abgehobenes Christentum führen, das letztlich charismatisch wird.

Die Magier hatten beides erfahren: Der Geist Gottes leitete sie mittelst des Sterns nach Israel; das Wort Gottes richtete ihren Weg konkret nach Bethlehem. Wir lernen also, dass der Geist Gottes nie unabhängig von dem Wort Gottes führt und nie entgegen der biblischen Wahrheit handelt! Nein, Wort und Geist haben ein perfektes Zusammenwirken: Der Heilige Geist macht die Wahrheit des Wortes Gottes lebendig und wendet sie auf die Alltagssituation an. Zugleich führt Er uns in eine ganz konkrete Abhängigkeit von dem Herrn, die wir nur durch das intensive und vertraute Gebet erleben können. So wird unser Christenleben lebendig, wirklichkeitsnah und immer wieder herausfordernd.

Der Stern begleitet die Magier

Aus Vers 10 lernen wir, dass der Stern die Magier nicht die ganze Strecke vom Orient an begleitet hatte, wie man landläufig sagt. Nein, er hatte ihnen nur deutlich gemacht, dass sie nach Israel gehen sollten. Sie hatten ihn als eine Erscheinung gesehen – daraufhin hatten sie ihre Vorbereitungen für die lange Reise getroffen und waren nach Jerusalem losmarschiert. In Jerusalem angekommen erhielten sie den Hinweis, dass das Kind in Bethlehem zu finden sei. Und da liefen sie wieder los. In diesem Augenblick erschien ihnen der Stern wieder19 – was für eine Freude für sie, was für eine Ermunterung und Bestätigung ihrer langen Reise! Jetzt ging dieser Stern tatsächlich vor ihnen her.

Offenbar gingen sie – nach orientalischer Sitte – des Nachts los, so dass sie den Stern deutlich leuchten sahen. Sie sahen, dass der Stern in Bethlehem stehen blieb, gerade an dem Ort, wo Christus mit Maria, seiner Mutter, und Joseph wohnte. Es ist ein weiteres Wunder Gottes, dass der Stern diesen Wohnort des Messias so deutlich kennzeichnete, dass für die Magier keine Frage über den Zielort offen blieb. Er bezeichnete nicht nur die Stadt Bethlehem, sondern sogar den genauen Ort, wo sich der König Israels befand! Umso verständlicher ist ihre Reaktion.

Wir können diese Freude gut verstehen, denn diese Männer hatten keine kleine Reise gemacht und nicht geringe Anstrengungen unternommen, um den König der Juden zu finden. Auch uns wird der Herr Jesus solche Ermunterungen immer wieder schenken, wenn wir auf dem Weg sind, Ihm zu huldigen und zu dienen. Manche Steine mögen uns in den Weg gelegt werden – mancher Spott mag vorhanden sein. Wenn aber dann wieder der „Stern leuchtet“, dann wissen wir, dass sich jede Entsagung und jede Anstrengung gelohnt hat. Es ist für unseren Retter!

Die Huldigung der Magier gilt Jesus allein

Als die Magier in das Haus gegangen waren, sahen sie Jesus und Maria, seine Mutter. Es fällt auf, dass von Joseph keine Rede ist. Ob er bei dieser Gelegenheit nicht zu Hause war, ob er einfach deswegen nicht erwähnt wird, weil er nicht der leibliche Vater Jesu war oder weil das Augenmerk ganz auf das kleine Kind gerichtet werden soll, wissen wir nicht. Von Joseph lesen wir in diesen Versen immer dann, wenn es um Träume geht, und diese stehen in Verbindung mit seiner Verantwortung für das Kind, wegzugehen oder an einer bestimmten Stelle zu bleiben.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen Hinweis auf den Bibeltext geben. Normalerweise würde man erwarten, dass von der „Mutter und dem Kind“ gesprochen wird. Hier jedoch ist es anders. Der Evangelist spricht unter der Leitung des Geistes Gottes fünfmal von dem „Kind und seiner Mutter“. So großartig die Stellung und Aufgabe von Maria war, hier ging es um das Kind, um Jesus, um Emmanuel. Angesichts seiner Person muss jeder andere zurückweichen!

Dazu passt, dass in dem, was die Magier jetzt tun, ihre geistliche Sensibilität, ja, das erstaunliche geistliche Verständnis dieser Männer auffällt. Sie fallen nicht vor der Mutter nieder – nein, vor dem Kind fallen sie auf den Boden und huldigen Ihm! Wir erinnern uns, dass der alte, gottesfürchtige Simeon mit derselben Einsicht zwar das Baby Jesus auf die Arme nimmt. Aber er lobt Gott und segnet die Eltern (Lk 2,28.34). Simeon segnet nicht das Kind – das würde man erwartet haben. Aber offenbar ist er sich bewusst, wen er vor sich hat. Nach Hebräer 7,7 wird der Geringere von dem Höheren gesegnet – und auch wenn Jesus hier noch ein Baby war, so war Er zugleich der Ewige, der Sohn Gottes. Dessen war sich der alte Simeon bewusst.

So auch die Magier. Sie fallen nicht vor Maria nieder, im Unterschied zu einer großen Kirche heute, die nicht so einsichtsvoll ist; die Magier huldigen dem kleinen Kind, und nur diesem. Falls Joseph nicht zugegen war, was anzunehmen ist, da er hier überhaupt nicht erwähnt wird, hätten sie allen Grund gehabt, auf ihn zu warten – normalerweise galt dem Vater die Ehre. Aber sie warten nicht, sie wollen nicht den Eltern huldigen. Sie fallen vor dem kleinen Jungen nieder. Sie tun dies ganz offensichtlich mit einer äußeren, angemessenen Verbeugung vor dem Kind. Wie lange sie in dieser Haltung verharrt haben, wissen wir nicht; das ist auch nicht so wichtig. Gott teilt uns mit, dass sie es getan haben.

Die Gaben der Magier: Gold, Weihrauch, Myrrhe

Das Niederfallen vor dem Kind blieb nicht ihre einzige Huldigung. Die Magier hatten auch Schätze mitgebracht, was der damaligen, orientalischen Sitte entsprach, vor Fürsten nicht ohne Geschenke zu kommen (vgl. 1. Mo 43,11; 1. Sam 10,27; 1. Kön 10,1.2.10). Was sie darbringen, zeigt zunächst einmal die hohe Wertschätzung, die sie dem König der Juden entgegenbringen. Gold, Weihrauch und Myrrhe. Gold ist ein Zeichen des Reichtums, Weihrauch und Myrrhe sind besondere Wohlgerüche, die im Orient verwendet werden. Diese Männer zeigten ihre Hingabe und Verehrung für den Herrn Jesus und ihre Freude an der Geburt des Messias.

Doch darüber hinaus haben die dargebrachten Gaben eine geistliche Bedeutung. Die Magier haben diese damals wohl nicht erfasst, was diese Sichtweise jedoch nicht ausschließt. Dasselbe gilt für die Materialien der Stiftshütte. Auch dort verstanden die Israeliten die einzelnen, symbolischen Bedeutungen nicht. Aber Gott sah darin einen Wert – und wir dürfen Gemeinschaft mit Ihm darin haben.

Gold ist immer wieder ein Hinweis auf die göttliche, die höchste Herrlichkeit. Man denke an die Bundeslade, die aus Holz war, aber ganz mit reinem Gold überzogen wurde – ein Bild von der vollkommenen Menschheit (Holz) und zugleich der vollkommenen Göttlichkeit des Herrn Jesus (vgl. auch Hiob 37,22; Ps 26,8). Hier nun geht es um die göttlich-königliche Herrlichkeit des Messias, der zugleich Emmanuel, Gott mit uns, ist.

Weihrauch wurde besonders in Verbindung mit dem Speisopfer verwendet (vgl. u. a. 3. Mo 2,1.2.15.16), aber auch als Teil des Räucherwerks (2. Mo 30,34), das auf dem goldenen Räucheraltar Gott geopfert wurde. Es scheint ein Hinweis auf den Wohlgeruch zu sein, den der Herr Jesus als Mensch in sich selbst für Gott darstellte, der sich aber besonders auf dem „Altar“ entfaltete – also unter dem Feuer der Leiden des Kreuzes des Herrn. Wenn Gott auch über das göttlich vollkommene Leben seines Sohnes mehrfach bezeugte, dass Er „sein geliebter Sohn“ sei, der sein ganzes Wohlgefallen gefunden hatte – so wird der Wohlgeruch des Herrn für seinen Gott doch in besonderer Weise am Kreuz in dessen Hingabe deutlich (vgl. Eph 5,2).

Das wird auch durch die Art und Weise, wie der Weihrauch gewonnen wird, unterstrichen. Den Weihrauchbäumen werden in der Erntezeit an Stamm und Ästen Schnitte zugefügt, aus denen das Weihrauchharz austritt. Der besondere Wohlgeruch wird dann beim Räuchern erzielt, wenn also das Harz der Hitze ausgesetzt wird.

Die Myrrhe wird ebenfalls aus einer Pflanze gewonnen, einem Balsambaumgewächs. Ähnlich wie beim Weihrauch wird sie durch das Verletzen des Baums geerntet. Auch sie erzielt ihren besonderen Duft durch das Räuchern.

In der Bibel wird sie das erste Mal als Teil der Salbenmischung erwähnt, mit der die Stiftshüttenteile zu reinigen waren. Von selbst ausgeflossene Myrrhe besaß einen besonderen Wert (2. Mo 30,23). Nikodemus brachte Myrrhe als ein Teil der Begräbnissalbe für den Herrn (Joh 19,39). Myrrhe bedeutet übersetzt „bitter“ und ist ein Hinweis auf die Leiden des Herrn. Durch seine Leiden kam ein Wohlgeruch für Gott hervor, der für Ihn von besonderem Wert war.

So dürfen wir in den drei Geschenken drei Seiten der (moralischen) Herrlichkeit unseres Herrn sehen – und in unseren Herzen vor Ihm niederfallen. Wir dürfen Ihn nicht nur – wie die Magier – als Den kennen, der als König geboren worden ist. Nein, unsere Beziehung zu Ihm geht weit darüber hinaus. Wir kennen Ihn als den Sieger von Golgatha, den Retter der Welt, als unseren Herrn und Retter, der sich für uns hingegeben hat – Gott zu einem duftenden Wohlgeruch (vgl. Eph 5,2).

Abschließend sei noch kurz erwähnt, wie passend diese Begebenheit der Magier für den Evangelisten Matthäus ist. Wem wird auf diese Weise gehuldigt? Diese Weisen waren nicht gekommen, um einem – wenn auch besonderen – Menschen ihre Huldigung zu geben (Lukas). Sie waren auch nicht zu Ehren eines Dieners gekommen (Markus). Nein, sie hatten von dem König gehört – Ihn wollten sie durch ihre Gegenwart beehren. Letztlich ehrte sie der König selbst durch seine Gegenwart. Wenn es um den Sohn Gottes geht (Johannes), dann brauchte dieser keine solche Ehre. Er besitzt jede Herrlichkeit in sich selbst!

Die Geschenke der Königin von Scheba

In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf die Geschenke hinweisen, welche die Königin von Scheba mitbrachte, als sie Salomo besuchte. Er war ein gestandener König, als die heidnische Königin zu ihm kam. Zu Jesus kamen die Magier, als Er ein kleines Kind war. Aber wir wissen, dass Salomo ein Vorbild auf den Herrn Jesus ist. Die Königin ist nicht nur eine Vorbotin im Hinblick auf die Magier, sondern beide zusammen sind Vorbilder auf die Nationen, die einmal im 1000-jährigen Friedensreich zum Herrn Jesus kommen werden.

Das finden wir in Jesaja 60,5.6: „Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird beben und weit werden, denn die Fülle des Meeres wird sich zu dir wenden, der Reichtum der Nationen zu dir kommen. Eine Menge Kamele wird dich bedecken, junge Kamele von Midian und Epha. Sie alle werden aus Scheba kommen, Gold und Weihrauch bringen, und sie werden das Lob des Herrn fröhlich verkündigen.“ Durch diese Verse, die deutlich von der zukünftigen Herrlichkeit der Nationen sprechen, die Israel gebracht werden wird, ist die Verbindung zur Königin von Scheba deutlich.

Interessanterweise wird in Jesaja 60 genauso wie in 1. Könige 10,2 nur von Gold und Weihrauch20 gesprochen: „Und sie kam nach Jerusalem mit einem sehr großen Gefolge, mit Kamelen, die Gewürze und Gold trugen in sehr großer Menge, und Edelsteine.“ Warum fehlt aber in Jesaja 60 die Myrrhe und wird auch in 1. Könige 10 nicht ausdrücklich unter den Gewürzen erwähnt? Vielleicht liegt die Ursache darin, dass beide Stellen von der zukünftigen Herrlichkeit sprechen, die von dem Herrn Jesus in dem 1000-jährigen Friedensreich zu sehen ist. Da ist von Leiden und vom Tod des Herrn keine Rede mehr, auch wenn wir als Gläubige Ihn immer als das Lamm wie geschlachtet sehen werden (vgl. Off 5,6).

Das 1000-jährige Friedensreich spricht von Herrlichkeit und Schönheit, von Freude und Macht, nicht jedoch von Leiden. Die Magier dagegen haben ihre Geschenke vor den Leiden und dem Tod des Herrn Jesus dargebracht. Denn seiner sichtbaren Herrlichkeit gingen die Leiden voraus. Dem trugen diese weisen Männer – unter der Vorsehung Gottes – unwissentlich Rechnung.

Vers 12: Gott bekennt sich zu den Magiern und weist ihnen den Weg

„Und als sie im Traum eine göttliche Weisung empfangen hatten, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg hin in ihr Land“ (Vers 12).

Die ersten beiden Kapitel sprechen mehrmals davon, dass Gott im Traum eingreift. Einerseits ist dies ein Hinweis auf die Distanz zwischen Gott und seinem Volk. Andererseits zeigen uns diese Interventionen, dass Gott über den Dingen steht und alles lenkt. So auch hier.

Gott lässt es nicht zu, dass die Magier Herodes dadurch ehren, dass sie ihm von ihrem Besuch beim angekündigten König Bericht erstatten. Außerdem soll auch die ganze Bosheit des Herodes im weiteren Verlauf der Geschichte umso klarer zum Vorschein kommen. Die Magier erhalten eine göttliche Weisung – Gott selbst greift ein! –, auf einem anderen Weg nach Hause zu gehen. Sie sind gehorsam – und gehen zurück in ihr Land.

Nie wieder hören wir von ihnen. Wir dürfen sicher sein, dass sie von dem, was sie erlebt hatten, erfüllt waren. Es ist zu vermuten, dass wir sie einmal aufgrund ihrer Gottesfurcht in der Herrlichkeit wiedersehen werden – im Gegensatz zu Herodes und den religiösen Führern der damaligen Zeit. Gott bekennt sich immer zu denen, die auf seine Stimme hören und in Hingabe seinem Sohn gegenüber ihr Leben führen. Das haben diese Männer bewiesen.

Verse 13–23: Was macht Israel mit seinem König?

Wir haben jetzt gesehen, wie Menschen, die von weit her kamen, dem Herrn Jesus gehuldigt haben. Sie scheuten keine Kosten, um Ihm, dem man äußerlich sicherlich nicht ansehen konnte, dass Er der Herr der Herren und der König der Könige ist, jede Ehre zu erweisen.

Nun stellt sich die Frage, ob diese Haltung und diese Tat irgendwie auf sein irdisches Volk Israel abfärben würde, auf die Menschen, in deren Mitte Er geboren war. Zu ihnen war der Messias gekommen. Wie würden sie jetzt reagieren?

Verse 13–15: Christus beginnt die Geschichte Israels von Neuem

„Als sie aber hingezogen waren, siehe, da erscheint ein Engel des Herrn dem Joseph im Traum und spricht: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter zu dir und flieh nach Ägypten und bleibe dort, bis ich es dir sage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es umzubringen. Er aber stand auf, nahm das Kind und seine Mutter bei Nacht zu sich und zog hin nach Ägypten. Und er blieb dort bis zum Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: ‚Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen‘“ (Verse 13–15).

Zum zweiten Mal in diesem Kapitel und auch in der Geschichte Josephs erscheint ihm ein Engel im Traum. Wir werden weiter sehen, dass auch in diesem Abschnitt Joseph (und nicht Maria, wie bei Lukas) im Vordergrund steht. Er ist der Nachkomme Davids, der Sorge trägt, dass der wahre Sohn Davids vor den Angriffen bewahrt bleibt, soweit dies in seinen Händen liegt.

Es ist schon eine besondere Situation: Er, der den wahren Anspruch auf den Königsthron besaß, muss jetzt fliehen. Manche Herrscher mussten einmal ins Exil fliehen. Hier aber handelt es sich um ein kleines Kind von nicht einmal zwei Jahren! Was für eine Gefahr sollte von diesem eigentlich aktuell für den König ausgehen, der sich bereits in einem Alter befand, in dem ihm dieses kleine Kind eigentlich nicht mehr in die Quere kommen konnte? Man kann diese Handlungsweise Herodes' nur vor dem Hintergrund verstehen, dass Herrscher damals ihre Dynastie fortbestehen lassen wollten, wobei Herodes ein derart misstrauischer Mensch selbst seiner eigenen Familie gegenüber war, dass er sogar seine Kinder aus Angst davor, dass sie ihn umbringen könnten, ermorden ließ.

Wir sehen in diesen Versen, wie Gott in seiner Gnade zugunsten von Joseph und Maria Vorsorge trifft, bevor Herodes seinen Angriff starten kann. Es ist auffallend, dass zuerst der Traum und die Flucht nach Ägypten kommt, bevor Herodes aktiv werden kann. Gott weiß längst, was Herodes in seinem Herzen beschlossen hat. So warnt Er Joseph und trägt ihm auf, zusammen mit Maria und Jesus nach Ägypten zu fliehen. Darin dürfen wir eine gewisse Erfüllung der Worte des Herrn in Psalm 121 erkennen: „Siehe, der Hüter Israels, er schlummert nicht und schläft nicht ... Der Herr wird dich behüten vor allem Bösen, er wird behüten deine Seele“ (Verse 4.7). Auch über seinen Sohn wachte der Herr und ließ nicht zu, dass Herodes Ihn verderben würde.

Später finden wir, dass die Versammlung in Jerusalem auf diese Gelegenheiten zurückkommt und betet, sich auf Psalm 2 beziehend: „Die Könige der Erde traten auf, und die Obersten versammelten sich miteinander gegen den Herrn und gegen seinen Christus. Denn in dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels“ (Apg 4,26.27). Natürlich ist der in der Apostelgeschichte genannte Herodes ein Sohn von Herodes dem Großen. Aber der erste Vers zeigt doch, wie sich (von Anfang an) alle gegen den Herrn Jesus verschworen. Das taten sie, bis sie Ihn am Ende auch ans Kreuz genagelt hatten.

Vorbild und Erfüllung

Abraham hatte damals keinen Auftrag, vor der Hungersnot nach Ägypten zu fliehen (1. Mo 12,10). Er ging dennoch – zu seinem Schaden. In den Tagen Jeremias war es die starrköpfige Auflehnung gegen das Wort Gottes, welche die Übriggebliebenen Judas dazu brachte, in dieses Land zu fliehen (Jer 43,1–7). Jakob allerdings erhielt in 1. Mose 46,2–4 den Auftrag Gottes, nach Ägypten zu gehen. So auch hier: Joseph bekommt den Auftrag, genau an den Ort zu fliehen, wo das Volk Israel viele Jahrhunderte vor diesem Zeitpunkt bedrückt worden war. Er ist gehorsam und geht dorthin.

Joseph flieht bei Nacht – ein deutlicher Beweis, dass es sich wirklich um eine Flucht handelt.21 Aber es zeigt uns auch etwas seinen Charakter der Ängstlichkeit. Auch in Vers 22 kommt dieser wieder zum Vorschein. Aber Gott bekennt sich zu jedem, der sich seiner eigenen Schwachheit bewusst ist. Hier hilft Er Joseph, der dieses ja nicht leichte Unternehmen mit seiner Familie aufgetragen bekommt.

Bemerkenswert ist dann die Anführung von Hosea 11. Zunächst einmal ist Jesus zu diesem Zeitpunkt gerade einmal in Ägypten angekommen. Von einem „Rückruf“ ist hier zunächst noch keine Rede. Aber dieses Zitat zeigt, dass von Anfang an klar war, dass der Herr nicht in Ägypten bleiben konnte.

Das Zitat ist aber auch noch in anderer Hinsicht interessant. Hosea tat diesen Ausspruch rund 700 Jahre nach dem Auszug Israels aus Ägypten (2. Mo 14.15) und rund 700 Jahre vor der Geburt des Herrn. Man wird die erste Bedeutung zu Recht auf das aus Ägypten gerufene Volk Israel beziehen. Das allerdings war bei Hosea bereits eine vergangene Tatsache und keine Prophezeiung. Gottes Wort zeigt hier jedoch in Matthäus 2, dass dieser Ausspruch auch eine prophetische Ankündigung war, deren Erfüllung gerade in Christus – wie Er uns hier in Matthäus 2 geschildert wird – stattgefunden hat.22

Hosea 11,1

Wer sich Hosea 11 genauer anschaut, kann wie gesagt zunächst nur zu dem Schluss kommen, dass hier Israel gemeint ist: „Als Israel jung war, da liebte ich es, und aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“. Es war die Liebe Gottes zu seinem erwählten Volk, die Ihn dazu trieb, das große Volk aus der Drangsal und dem Gefängnis Ägyptens durch die Hand Moses zu befreien. Diese Beziehung der Liebe wird dadurch unterstrichen, dass Gott sein Volk „meinen Sohn“23 nennt. Das Volk Israel war Ihm nicht egal, es war für Ihn wie ein Sohn (vgl. auch 2. Mo 4,22; Jer 31,9).

Aber damit ist der Text in Hosea noch nicht zu Ende: „Sooft sie sie riefen, gingen sie von ihrem Angesicht weg: Sie opferten den Baalim und räucherten den geschnitzten Bildern ...“ (Vers 2). Gerade dieser Vers macht deutlich: Es handelt sich um dieses widerspenstige Volk, das sich immer wieder im Götzendienst und in Unzucht verlor.

Wie kommt es nun, dass gerade dieser Vers auf den Herrn Jesus angewendet wird, ja mehr noch, seine Erfüllung in Christus finden kann? Ist Christus denn das wahre Israel? Es gibt nur eine Erklärung: Ja, so ist es! Er ist der wahre Sohn, von dem Gott so gerne spricht. Der Geist Gottes hat Christus immer vor Augen, Ihn will Er groß machen, auch im Alten Testament. Nicht, dass wir ohne weiteres jeden Vers auf den kommenden Messias anwenden könnten. Aber viel öfter, als wir uns das bewusst machen, ist es der Herr Jesus, auf den mancher Vers des Alten Testaments hinweist.

Wie wir wissen, versagte das Volk oft. Dies beschreibt auch schon der folgende Vers in Hosea 11. Trotzdem musste sich Christus mit diesem Volk eins machen. In der Taufe würde Er das kurze Zeit später für alle sichtbar tun (Mt 3,15.16). In Christus begann die Geschichte des Volkes Israel von Neuem – letztlich sogar die Geschichte der Menschheit insgesamt. Er war bereit, sich nach Ägypten bringen zu lassen.

Christus musste in allem versucht werden wie das Volk (auch wie wir) – natürlich ausgenommen von der Sünde, die nicht in Ihm war! Aber so musste Er auch ihre Verfolgung in Ägypten teilen und in der Wüste versucht werden. Auch wurde Er von Satan in der Wüste versucht, allerdings unter viel schlechteren Bedingungen, als sie Adam und Eva bei den Versuchungen Satans kannten, denn sie waren in herrlicher Umgebung im Garten Eden. Er kann aus eigener Erfahrung bei allen Prüfungen mitempfinden, die das Volk Israel hatte und einmal haben wird. Dasselbe gilt in Bezug auf unsere Prüfungen.

Jesaja 49

Ein weiteres bekanntes Beispiel, das in dem Zusammenhang der Verbindung von Christus und Israel immer wieder angeführt wird, findet sich in Jesaja 49,3. Dort lesen wir, wie Gott zu dem Propheten Jesaja spricht und ihn seinen Knecht nennt. Jesaja steht hier und an anderen Stellen für Israel: „Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich mich verherrlichen werde.“ Wie schon gesagt: Hier meint Gott sein Volk Israel, sieht es jedoch in Jesaja personifiziert.

In Vers 4 kommt dann die Antwort: „Ich aber sprach: Umsonst habe ich mich abgemüht ...“ Das sagt der Prophet, der trotz der Ablehnung und der vergeblichen Arbeit auf den Herrn vertraut. Was ist die Antwort des Herrn? „Und nun spricht der Herr, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht gebildet hat“ (V.5) – damit werden die Worte von Vers 1 noch einmal aufgegriffen – es geht immer noch um den Knecht Gottes – um Israel (Vers 3). In Vers 5 heißt es dann weiter: „um Jakob zu ihm zurückzubringen.“ Damit kommen wir zu einem interessanten Punkt. Kann damit gemeint sein, dass Israel, der Knecht, das Volk Israel zurückbringt zu Gott? Dies wird wohl kaum damit gemeint sein.

Die Lösung finden wir wieder in der Entdeckung, dass Christus als der wahre Knecht Gottes sich mit seinem Volk einsmacht. Sein Volk sollte auch Knecht sein, aber der wahre Knecht ist Christus! Die abschließende Antwort Gottes lautete: „Es ist zu gering, dass du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um meine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde“ (Vers 6). So kann nur vom Messias, dem wahren Knecht Gottes, gesprochen werden.

Was für eine große Gnade, dass Christus sich auf diese Weise mit seinem Volk einsgemacht hat. Er tat dies, obwohl es sich um ein irrendes und sündiges Volk handelte. Denselben Gedanken finden wir in Verbindung mit dem Weinstock (vgl. Ps 80,9.15; Jes 5). Israel war der Weinstock Gottes. Aber das Volk brachte keine Frucht – da kam Christus auf diese Erde als „der wahre Weinstock“ (Joh 15,1) – Er nahm die Stelle des wahren Israels ein. Ja wirklich, der Herr liebt Israel ewig (1. Kön 10,9).

Keine Wunder für Christus!

Abschließend ist noch ein Punkt wichtig. Im Laufe seines Lebens hier auf der Erde hat der Herr Jesus viele Wunder getan. Aber Er bewirkte kein einziges Wunder zu seinem eigenen Vorteil. Er war immer nur für andere tätig. Als Ihn in der Wüste hungerte, hätte Er die Steine ohne Schwierigkeiten in Brot verwandeln können, aber Er hat es nicht getan! Denn für sich wollte Er keine Wunder tun. Als der große Sturm auf dem See war, wirkte der Herr Jesus kein Wunder zur eigenen Ruhe, sondern nur, weil die Jünger umzukommen meinten.

So auch hier: Kein Wunder tötet Herodes oder verhindert den Übergriff auf Jesus. Nein, seine Familie muss fliehen. Er hat sich so sehr erniedrigt, dass Christus sogar diese Verfolgungen auf sich nahm, ohne in göttlicher Autorität einzugreifen. Wir bewundern die Selbstlosigkeit unseres Retters!

Verse 16–18: Ein grausamer Mord und trauriges Klagen

„Da ergrimmte Herodes sehr, als er sah, dass er von den Magiern hintergangen worden war; und er sandte hin und ließ alle Knaben töten, die in Bethlehem und in seinem ganzen Gebiet waren, von zwei Jahren und darunter, entsprechend der Zeit, die er von den Magiern genau erfragt hatte. Da wurde erfüllt, was durch den Propheten Jeremia geredet ist, der spricht: ‚Eine Stimme ist in Rama gehört worden, Weinen und viel Wehklagen: Rahel beweint ihre Kinder, und sie wollte sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr sind‘“ (Verse 16–18).

Gottes Wort deckt weiter schonungslos auf, wes Geistes Kind Herodes war. Mit Grausen lesen wir, was er tat, nachdem er feststellen musste, dass die Magier nicht zu ihm zurückkehrten. Es ist zu vermuten, dass er einige Wochen gewartet hatte – er konnte ja nicht wissen, dass die Magier nicht zurückkehrten. Dann aber wurde ihm klar, dass die Magier seiner Bitte nicht Folge geleistet hatten. Dies erweckte seinen Zorn.

Dabei „vergisst“ er allerdings, dass er die Magier ebenfalls hintergangen und belogen hatte. Denn er hatte davon gesprochen, nach ihnen zur Huldigung des Kindes gehen zu wollen. Aber jetzt zeigt er sein wahres, satanisches Gesicht. So wird er zum Vorbild des Antichristen, des Antikönigs, der sich in der Endzeit in den Tempel setzen wird, um sich dort als Gott anbeten zu lassen (2. Thes 2,4). Er wird die „wahren“ Juden in Israel, die gläubigen Übriggebliebenen, grausam verfolgen – nur wer das Mahlzeichen des ersten Tieres aus Offenbarung 13, des römischen Herrschers, annehmen wird, kann noch überleben.

Herodes lässt dann in grausamer Manier alle Kinder töten, die bis zu zwei Jahren alt waren. Wie viele unschuldige Kinder werden in dieser Gegend ermordet worden sein? Das ist „nur“ eine seiner vielen, grauenvollen Taten während seiner Regierung. Dieser Mann wird sich dafür einmal vor dem Richterstuhl des Christus (2. Kor 5,10) verantworten müssen – also vor dem Mann, den er ohne Erfolg umzubringen suchte.

Gott tötete Herodes wegen seiner Bosheit

Auch aus der Geschichte wissen wir, dass Herodes nicht sehr lange nach dieser letzten Tat gestorben ist. Sie offenbart ihn als ein Instrument Satans. Gott hatte zur Schlange gesagt: „Und ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihm die Ferse zermalmen“ (1. Mo 3,15). Auch hier unternahm Satan den Versuch, den Herrn Jesus zu töten. Ja, er würde bald seine Ferse zermalmen. Aber Gott wachte über seinen Sohn und ließ es hier nicht zu.

Nach den weiter oben vorgestellten Überlegungen müsste der Herr Jesus bei dieser Gelegenheit ungefähr eineinhalb Jahre alt gewesen sein (vom Laubhüttenfest des Vorvorjahres bis zum Passahfest). So „verstehen“ wir die Vorsichtsmaßnahme von Herodes, lieber alle Kinder bis zu zwei Jahren umbringen zu lassen, um sicherzustellen, dass der ihm gefährlich werdende König auf keinen Fall entkam. Trauriger Egozentriker, der nur an seine eigene Ehre und Macht dachte, dabei aber sein wahres Glück verlor. Gott würde ihn bald dafür strafen.

Wir erinnern uns an die Geschichte in Ägypten, wo der Pharao alle männlichen Säuglinge der Israeliten umbringen ließ. Damals ging es nicht um einen bestimmten Menschen – es sollte einfach die Kraft des Volkes Israel als Bedrohung für Ägypten dezimiert werden. Jetzt kam Der, der das „wahre“ Israel ist. Er sollte, zwar nicht von einem Ägypter, wohl aber von einem anderen Feind des Volkes umgebracht werden, von einem Edomiter, der inzwischen König in Israel war. Aber wie damals Mose durch die Vorsehung Gottes und die Treue seiner Eltern bewahrt wurde, konnte der Feind auch jetzt dem kleinen Kind, Jesus, nichts anhaben. Gott wachte darüber, und seine Eltern verhielten sich dem Wort Gottes gegenüber treu.

Jeremias Wehklage – eine Prophezeiung wird angewendet

In den Versen 17 und 18 finden wir dann, dass diese Morde durch Herodes und die damit einhergehenden Klagen im Alten Testament prophetisch verankert sind. Allerdings handelt es sich hier um eine Erfüllung in allgemeinerem, das heißt weitläufigerem Sinn (vgl. die Bemerkungen zu den verschiedenen Arten der Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen). Die eigentliche Erfüllung wird erst in der Zukunft erfolgen, in der großen Drangsalszeit.

In Jeremia 31,15 heißt es: „So spricht der HERR: Eine Stimme wird in Rama gehört, Wehklage, bitteres Weinen. Rahel beweint ihre Kinder; sie will sich nicht trösten lassen über ihre Kinder, weil sie nicht mehr sind.“ Dann sagt der Herr ihr, dass sie nicht mehr weinen soll, da es Lohn gebe für ihre Arbeit, also Hoffnung, und dass ihre Kinder aus dem Land des Feindes zurückkehren würden. Die in Gefangenschaft geführten Kinder – also sowohl Benjamin (mit Juda) als auch Joseph mit dem Zehnstämmereich (das sind die beiden Söhne Rahels und ihre Stämme) würden wieder zusammengebracht und „in ihr Gebiet zurückkehren“.

Das war ihre Hoffnung – daher sollte sie nicht mehr weinen. Aber bis es soweit sein wird, wird die Wehklage Rahels gehört werden, und zwar besonders angesichts der schrecklichen Drangsale, die über das Volk kommen werden in der sogenannten großen Drangsal, nachdem die Versammlung (Gemeinde, Kirche) entrückt sein wird. Außerdem wird die Wehklage gehört werden, wenn Gott schreckliche Gerichte über diese Erde bringen wird, damit diese vorbereitet wird auf das Kommen des Messias in Macht und Herrlichkeit (vgl. das Buch der Offenbarung).

Rama und Rahel

Dieser Vers scheint darüber hinaus aber auch Bezug auf die Geburt zu nehmen, bei der Rahel starb (1. Mo 35,16–20). Sie nannte Benjamin Benoni, Sohn meiner Not, meiner Schmerzen. Denn ihr Begräbnisort war der Landstrich Rama. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang wohl auch, dass ein großer Bruderkampf zwischen Benjamin (und Juda) sowie Joseph mit den anderen Stämmen in Rama stattfand (1. Kön 15,17). Das alles würde zur Wehklage Rahels führen.

Diese Prophetie wird nun auf die Situation in Matthäus 2 angewendet. Die Tatsache, dass dort viele Kinder umgebracht wurden, ist grausam. Sie stellt eine Vorerfüllung dessen dar, was einmal während der Drangsalszeit passieren wird – das muss furchtbar sein. Denn das Weinen in Matthäus 2, so schlimm es gewesen sein muss, ist vergleichsweise „schwach“, wenn man an diese Zukunft denkt. In Bethlehem und in seinem ganzen Gebiet waren durch die Morde des Herodes mehr als nur eine Stimme zu hören, die den grausamen Mord an ihren Kindern beweinten. Wir können gut verstehen, dass man sich da nicht mehr trösten lassen wollte.

Verse 19–21: Gott bereitet den Weg zur Rückkehr des Messias

„Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erscheint ein Engel des Herrn dem Joseph in Ägypten im Traum und spricht: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter zu dir und zieh in das Land Israel; denn die dem Kind nach dem Leben trachteten, sind gestorben. Er aber stand auf, nahm das Kind und seine Mutter zu sich und zog in das Land Israel“ (Verse 19–21).

Gott lässt sich nicht spotten. Derjenige, der seinen Sohn aus Israel vertrieben und einen Völkermord begangen hat, kommt nicht lange danach zu Tode. Nicht, dass Gott ein Wunder für seinen Sohn bewirkt hätte, um Ihn vor der Flucht zu bewahren. Aber als Konsequenz seiner Taten kommt der Spötter Herodes um. Wir wissen, dass Herodes an einer sehr schmerzhaften Krankheit litt und dann auch daran umkam.

Das war im Jahr 4 vor Christus. Vielleicht ist mancher darüber erstaunt, weil wir unsere Zeitrechnung ja an der Geburt Christi ausrichten. Aber das hängt mit dem Entstehungsvorgang des römischen bzw. Julianischen Kalenders zusammen, was an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden soll. Jedenfalls hat dies dazu geführt, dass das Geburtsjahr von Jesus Christus vermutlich im Jahr 5/6 vor Christus liegt.

Nachdem Herodes gestorben war, erschien Joseph zum dritten Mal ein Engel – wieder im Traum in der Nacht. Wenn nun Joseph auch wieder im Vordergrund steht, so wird doch durch die Tatsache, dass die Begegnung in der Nacht durch einen Traum stattfand, noch einmal die Distanz betont, die wir durch die Haltung des Volkes Israel und seiner Führer – die wir in unserem Kapitel gesehen haben – sehr gut nachvollziehen können. Joseph konnte persönlich für diese Haltung nichts. Aber da er zu diesem Volk gehörte, trafen die Folgen dieser Gesinnung des Volkes auch ihn.

Gott hatte Joseph von Anfang an gesagt, dass er nicht dauerhaft in Ägypten wohnen bleiben sollte, sondern, „bis ich es dir sage“ (Vers 13). Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo die sicherlich beschwerliche Rückreise anzutreten war. Denn die Verfolger waren gestorben, so dass das Leben des Knaben bis auf weiteres nicht mehr bedroht war. Wie lange die Familie in Ägypten geblieben ist, wissen wir nicht.

Bemerken wir noch, dass es hier nicht heißt: „Nimm deine Frau und das Kind“, sondern: „Nimm das Kind und seine Mutter...“. Nicht Maria als seine Mutter stand im Vordergrund, sondern das Kind Jesus. Es ist schön zu sehen, wie Gott sogar bei solch einfachen Aufforderungen und obwohl – menschlich gesprochen – der Herr Jesus noch ein kleines Kind war, darüber wacht, dass sein geliebter Sohn der Mittelpunkt der Ereignisse ist; Er hat Ihn zuallererst vor Augen. Geht es auch uns immer zuerst um Ihn?

Das Land Israel

Wohin sollte die Reise gehen? „In das Land Israel“ – so heißt es zweimal. Man liest leicht über diesen Ausdruck hinweg, dabei hat er eine große Bedeutung. Der Herr sollte nicht einfach in eine Stadt des Landes ziehen wie Bethlehem. Nein, Er sollte in das Land Israel gehen. Israel war nicht einfach ein Land wie Ägypten oder China. Joseph sollte in das Land zurückkehren, auf dem die ganzen Verheißungen Gottes lagen.

Wir erinnern uns noch einmal an die Eingangsworte dieses Buches. Es geht um den, der nicht nur Sohn Davids war, sondern zugleich auch „Sohn Abrahams“. Für Abraham waren die Verheißungen mit dem Land Kanaan, mit dem Land Israel verbunden. In dieses Land göttlichen Segens, selbst wenn Gott ihn wegen der Sünde des Volkes nur hier und da geben konnte, sollte Joseph mit Jesus und dessen Mutter Maria jetzt wieder ziehen. Denn Gott wollte, dass sein Sohn auf diesem Boden des dem Abraham verheißenen Landes sein Leben führte, wo Er später von dem Volk ans Kreuz gebracht würde.

Joseph ist gehorsam. Er tut genau das, was Gott ihm aufträgt und zieht in das Land Israel. Ob auch wir immer einen solchen Gehorsam an den Tag legen und unseren Herrn dadurch ehren, selbst wenn es beschwerlich ist und wir es uns eigentlich leichter machen könnten?

Verse 22.23: Der Nazaräer

„Als er aber hörte, dass Archelaus über Judäa herrsche anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen; als er aber im Traum eine göttliche Weisung empfangen hatte, zog er hin in das Gebiet von Galiläa und kam und wohnte in einer Stadt, genannt Nazareth; damit erfüllt würde, was durch die Propheten geredet ist: ‚Er wird Nazaräer genannt werden.‘“ (Verse 22.23).

In Ägypten hatte Joseph durch einen Traum erfahren, dass der grausame Herodes nicht mehr am Leben war. Unterwegs hörte er, dass aber an Herodes Stelle in Judäa dessen Sohn Archelaus an der Macht war. Dieser Mann ist in der Geschichte als Herodes Archelaus bekannt. Er hat wohl einen Aufruhr der Pharisäer blutig niedergeschlagen. Aufgrund seiner schlechten Regierung wurde er jedoch schon im Jahr 6 nach Christus abgesetzt und nach Vienna in Gallien (Frankreich) versetzt.

Zurück nach Nazareth

Wir lesen, dass Joseph sich fürchtet, was mit seinem uns bisher geschilderten Charakter übereinstimmt. Aber wir wollen nicht geringschätzig über seine Furcht denken, da wir solche Umstände hier nicht kennen und in Deutschland derzeit überhaupt nicht mit einer spürbaren Verfolgung zu rechnen haben. Das allerdings kann sich sehr schnell ändern, wenn Gott uns nicht weiter die Güte eines ruhigen und stillen Christenlebens schenkt und bewahrt (vgl. 1. Tim 2,2).

Wieder kommt Gott Joseph zu Hilfe, wie Er jedem helfen wird, der in Aufrichtigkeit vor Gott lebt und seine eigene Schwachheit anerkennt. Wohlgemerkt – es gibt niemand und bestimmt keinen Christen, der nicht in dem einen oder anderen Punkt seines Lebens „schwach“ wäre. Grenzen besitzen wir alle, und Schwachpunkte ebenfalls. Jeder weiß das selbst von sich am besten!

Joseph darf nach Nazareth ziehen, das zum Gebiet Galiläas gehört. Wie wir schon gesehen haben, gab es ohnehin keine Bereitschaft, den König in dem Gebiet der Hauptstadt Israels, Jerusalem, aufzunehmen. Das Volk hatte noch kein zubereitetes Herz – und der Dienst des Herrn, um diese zu bewirken, stand auch noch nicht unmittelbar vor der Tür. So wird Joseph geleitet, in den Norden Israels zu ziehen.

Nazareth24 war, wie wir vorher bereits gesehen hatten, die Wohnstadt von Joseph und Maria, bevor sie nach Bethlehem wegen der Einschreibungspflicht ziehen mussten. Auch die ersten Monate im Leben Jesu hat die Familie dort zugebracht (Lk 2,39). So verstehen wir gut, dass die Familie dort auch wieder hinziehen wollte.

Der verachtete Nazaräer

Nachdem das Stichwort „Nazareth“ gefallen ist, lesen wir im heiligen Text, dass damit alttestamentliche Weissagungen der Propheten erfüllt wurden. Wir haben weiter oben schon von verschiedenen „Erfüllungsarten“ der Prophetie gesprochen. Die hier benutzte Form deutet an, dass Vorhersagen in gewissem Umfang, in gewisser Hinsicht erfüllt werden. Man wird vergeblich im Text des Alten Testaments nach einem „Nazaräer“ suchen.

Was ist also damit gemeint, dass die Propheten gesagt haben: „Er wird Nazaräer genannt werden“? Nazareth war der verachtetste Ort in Israel. Erstens lag er in Galiläa, einem Landstrich, der von den Leuten aus Judäa verachtet wurde. Zweitens schauten sogar die Galiläer selbst geringschätzig auf Nazareth herab. Wir erinnern uns an die Worte des Galiläers Nathanael, von dem der Herr Jesus sagen konnte: „Siehe, wahrhaftig ein Israelit, in dem kein Trug ist“ (Joh 1,47): „Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?“ (Vers 46). Also selbst für solche treue Juden, die man zu den gläubigen Übriggebliebenen rechnen kann, die also auf den Messias warteten, war dieser Ort verachtenswert.

So können wir diesen Titel „Nazaräer“ als ein Synonym für „Verachteten“ auffassen. Und davon sprechen die Propheten des Alten Testaments tatsächlich. An früherer Stelle haben wir schon gesehen, wie die Juden mit ihrem Messias, mit ihrem Richter umgehen würden: „Mit dem Stab schlagen sie den Richter Israels auf die Wange“ (Micha 4,14).

Bekannt sind auch die Worte des Propheten Jesaja: „Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt; er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet“ (Jes 53,3). Schließlich denken wir an die Worte des Propheten David: „Und sie gaben in meine Speise Galle, und in meinem Durst gaben sie mir Essig zu trinken“ (Ps 69,22).

Was für ein Hinweis am Ende dieses ersten Teils, eigentlich der Einleitung des Matthäusevangeliums! Der König, um den es in diesem Buch geht, war schon im Alten Testament als der Leidende angekündigt worden, der verachtet und hinweggetan werden würde. Dieser König war von Gott anerkannt, aber verworfen von den Menschen.

Wir bewundern Ihn, dass Er unter diesen Vorzeichen gekommen ist. Dabei bedenken wir: Er selbst hat diese Prophezeiungen gegeben und aussprechen lassen. Er wusste das Ende von Anfang an, unser hochgelobter Retter und Herr!

Auf der anderen Seite ist es schön, eine Weissagung Jesajas einzubeziehen, die später in diesem Evangelium auch zitiert wird (4,15.16). Es ist gerade dieses Nazareth, das zum Gebiet Sebulons und Naphtalis gehört, das „ein großes Licht gesehen“ hat. „Die da wohnen im Land des Todesschattens, Licht hat über ihnen geleuchtet“ (Jes 9,1).

Gerade in der Finsternis lässt Gott sein Licht leuchten – dort wird es am ehesten angenommen. Hier in Sebulon wird das Licht des Messias aufgehen. Wer wird es annehmen?

Zu diesen Gedanken passt im Übrigen auch, dass manche Ausleger ein prophetisches Wort aus Jesaja 11,1 mit diesem Vers im Matthäusevangelium in Verbindung bringen. Jesaja schreibt: „Und ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen.“ Ein Schössling ist klein und unscheinbar. Aber er stellt ein Zeichen der Hoffnung für eine Pflanze dar.

In Jesaja 11 geht es darum, dass Christus die Hoffnung für Israel ist, für das Haus Davids. Die für Schössling verwendeten hebräischen Konsonanten nzr (nezer) stellen auch die Grundkonsonanten von NaZaRener dar. Auch in Sacharja 6,12 wird auf den Schössling (Spross, allerdings im Hebräischen zemach) hingewiesen. So finden wir vielleicht in direkter Weise prophetische Hinweise auf unseren Herrn, die der Evangelist Matthäus an dieser Stelle wieder aufgreift, wenn er von dem verachteten Nazarener spricht.

Die Namen und Titel des Königs in Kapitel 1 und 2

Am Ende dieses Teils möchte ich gerne den Vorschlag des Auslegers F. B. Hole aufgreifen, der die verschiedenen Namen des Herrn Jesus nennt, die sich bereits in den ersten beiden Kapiteln dieses Evangeliums finden.

  1. Jesus Christus (1,1.18): die Person, die als Mensch hier auf der Erde lebte, aber zugleich der von Gott geschenkte Messias (Christus) war. Von Ihm spricht dieses Evangelium.
  2. Sohn Davids (1,1): Derjenige, der Anspruch auf den Thron Davids hat, weil Er rechtmäßiger Erbe und Nachkomme ist.
  3. Sohn Abrahams (1,1): der Träger der Verheißungen, die Abraham gegeben worden sind: Der Segen besteht sowohl aus Personen, die Ihm geschenkt werden, als auch aus dem Land, über das Er herrschen wird.
  4. Jesus (1,16.21.25): das Kind, das Baby, das dort in Bethlehem nach seiner Geburt in eine Krippe gelegt wurde und so unscheinbar war – und doch wohnte von Beginn an die Fülle der Gottheit leibhaftig in diesem kleinen Kind.
  5. Der Christus (1,16.17; 2,4): der von Gott Gesalbte, von dem Psalm 2 sagte: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.
  6. Herr (1,22; 2,15): Jesus Christus ist niemand anderes als der Herr des Alten Testaments, der Jahwe, der Ewige.
  7. Emmanuel (1,23): der Mensch, der „Gott mit uns ist“. Gott ist Mensch geworden, ohne aufzuhören, Gott zu sein. Gott hat den Menschen besucht, Er ist „mit uns“ in der Person seines Sohnes, unseres Herrn.
  8. König der Juden (2,2): Von Geburt an war Christus der wahre König, dem Gott das Zepter über sein irdisches Volk gegeben und anvertraut hat.
  9. Führer (2,6): Der Herr Jesus besitzt Autorität in sich selbst, aber auch die Weisheit, ein ganzes Volk zu Gott zu bringen.
  10. Mein Sohn (2,15): Gott hat eine ganz persönliche Beziehung zu dem Herrn Jesus. Er ist sein Sohn.
  11. Kind (2,9.13.20.21): Man sah ein unscheinbares Kind – aber was für eine Herrlichkeit kann und konnte derjenige in Ihm sehen, der Ihn liebt!
  12. Nazaräer (2,23): Christus ist zugleich der Verachtete, mit dem man nichts zu tun haben will. Was kann aus Nazareth Gutes kommen?

Fußnoten

  • 1 Messias ist das hebräische Wort für den griechischen Ausdruck Christus und das deutsche Wort Gesalbter.
  • 2 Jojakin (Jekonja) saß nicht „auf dem Thron Davids“. Denn er war letztlich nicht mehr als ein Vasall des babylonischen Königs Nebukadnezar. Wenn von dem Thron Davids die Rede ist, meint Gott einen souveränen Herrscherthron. Den wird es erst wieder geben, wenn der Herr Jesus wiederkommt, um sein Königreich aufzurichten.
  • 3 Diese „Sohnschaft“ betont nicht die ewige Gottessohnschaft Jesu, ohne dass sie dieser entgegenstünde. Es geht darum, dass der Herr Jesus in bestimmten Lebenssituationen als Gottes Sohn erwiesen bzw. anerkannt wurde. Die ewige Sohnschaft wird an manchen Stellen im Neuen Testament bezeugt (vgl. z. B. Joh 1,1-3.14.18; 8,58; 10,30; 17,5; Mt 9,4; 1. Joh 4,3; 2. John 7; u. a.).
  • 4 Wir wissen aus Psalm 110, dass der Herr Jesus zugleich der Herr Davids ist. Darauf weist der Herr Jesus selbst in seinem Leben hin (vgl. Mt 22,41 ff.).
  • 5 Andere schlagen vor, die Zahl 14 in 10 (Verantwortlichkeit des Menschen) und 4 (die umfassenden Anordnungen Gottes) aufzuteilen. Dann sprechen die drei Zeitperioden jeweils von der Erprobung des verantwortlichen Menschen in einem umfassenden Sinn.
  • 6 Rahab wird hier als Urgroßmutter von David aufgeführt, lebte aber knapp 400 Jahre vor ihm.
  • 7 Das Auslassen einzelner Kettenglieder in Geschlechtsregistern ist in der Bibel nichts Besonderes und stellt damit keinen Fehler dar. Beim Priester Esra war es beispielsweise von größter Wichtigkeit, nach dem Exil in Babylon genau nachweisen zu können, dass er Nachkomme Aarons ist: Hat er in Esra 7,1-5 einige Kettenglieder vergessen (vgl. 1. Chr 6,3-15)? Natürlich nicht! Jede Auslassung hat eine Bedeutung, auch wenn wir nicht in der Lage sind, jede Einzelheit zu erklären. Aber wir dürfen Gott freudig vertrauen, dass alles in seinem Wort göttlich vollkommen ist.
  • 8 Es ist offensichtlich, dass sich die Linien im Lukasevangelium und im Matthäusevangelium von Salomo/Nathan an abwärts unterscheiden. Daher fragen sich manche, warum Schealtiel und Serubbabel auf einmal in beiden Registern auftauchen. Dafür gibt es mehrere Erklärungsmöglichkeiten: 1. Es handelt sich um verschiedene Personen. Serubbabel heißt übersetzt „in Babel geboren“ – das dürfte vermutlich kein seltener Name gewesen sein. Wenn man die Anzahl der Generationen vergleicht, war der von Matthäus genannte Schealtiel vermutlich ein Enkel Jekonjas und lebte um 540 v. Chr. Der in Lukas 3 erwähnte Schealtiel stammt aus der 21. Generation nach David. Da David ungefähr 1.000 v. Chr. lebte, hätte Schealtiel ungefähr um 370 v. Chr. gelebt, wenn man für eine Generation rund 30 Jahre annimmt. 2. Eine andere mögliche Erklärung ist diese: Nicht immer hat Gott den ältesten Sohn erwählt, in diesem Geschlechtsregister die Linie Davids weiterzuführen. Dafür ist Salomo ein Beispiel. 3. Manche gehen davon aus, dass die Ursache für eine (tatsächliche) Kreuzung beider Linien in der Leviratsehe liegt (5. Mo 25,5.6). Nach 1. Chronika 3,18.19 war Serubbabel der Sohn von Pedaja. Manche vermuten, dass Jekonja nur eine Tochter hatte, die den in Lukas genannten Neri heiratete, der aus der Linie Nathans kommt. Aus dieser Ehe könnte dann Schealtiel entsprossen sein, der Jekonja aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen zugerechnet werden müsse. Da Schealtiel früh gestorben sein mag, habe sein Bruder Pedaja nach 5. Mose 25 die Witwe geheiratet, und sein Sohn Serubbabel wurde dann Schealtiel zugerechnet, was schon Esra so in seinem Buch schreibt (Esra 3,2). Wir können diese Frage letztlich nicht eindeutig beurteilen. Jedenfalls kommt der in 1. Chronika 3,17 genannte Assir ebenfalls – wie auch andere – nicht in der Aufzählung in Matthäus 1 vor.
  • 9 Von Bathseba wissen wir die Volks-Herkunft nicht genau. Manche nehmen an, dass sie, genauso wie die drei anderen Frauen, nicht aus dem Volk Israel stammt. Ihr Großvater war wohl Ahitophel, der Giloniter (Gilo – heutiges Kurbet Jala – liegt auf dem Gebirge Juda, rund 10 km nördlich von Hebron, vgl. Jos 15,51). Wie kommt man auf diese Familienbeziehung? Bathseba war die Tochter Eliams (2. Sam 11,3), welcher der Sohn Ahitophels, des Giloniters war (2. Sam 23,34). Der Name „Ahitophel“ ist kein typisch jüdischer. Und zumindest Bathsebas Mann, Uria, war ursprünglich kein Israelit, sondern Hethiter.
  • 10 Vermutlich war Tamar wie ihre Schwiegermutter eine Kanaaniterin.
  • 11 Obwohl man von Tamar nicht sagen kann, ob sie zu den Gläubigen des Alten Testaments gehört.
  • 12 Leider kann man hier im Deutschen keinen Unterschied erkennen. Im griechischen Grundtext werden jedoch für „damit“ zwei verschiedene Worte verwendet. Im ersten Fall benutzt der Heilige Geist die Konjunktion „hina“, im zweiten Fall „hopōs“. Beide Wörter kann man mit „damit“ übersetzen.
  • 13 Wobei es wahr ist, dass es auch eine zweite Gruppe von Magiern gab, die als Zauberer umhergingen. Aber darum scheint es sich in diesem Fall nicht zu handeln. Dennoch bleibt wahr, dass Okkultismus und Wissenschaft damals eng miteinander verbunden waren.
  • 14 Esoterik ist das sogenannte innere, innerliche, verborgene, geheime Wissen im Gegensatz zu der Exoterik, der äußeren Lehre. Im Sinne einer Weltanschauung spricht Esoterik von der spirituellen, philosophischen Entwicklung des Einzelnen, ohne direkt Religion zu sein. Anthropozentrisch bedeutet, dass sich der Mensch als Mittelpunkt der weltlichen Realität versteht. Mythologisch weist auf die Mythen eines Kulturkreises hin.
  • 15 Das Passahfest des Jahres 8 v. Chr. begann am 4. April (7 v. Chr.: am 25. März, 6 v. Chr.: am 12. April). Das sind die möglichen Jahre der Zeugung von Johannes dem Täufer.
  • 16 Das ist die 9. Woche, weil in der Passahwoche alle Priesterklassen Dienst hatten.
  • 17 Von einer Konjunktion zweier Planeten spricht man, wenn sie sich am Sternhimmel von der Erde aus gesehen scheinbar begegnen.
  • 18 Andere glauben, dass in der Zeit der Geburt Jesu zwei oder mehr Himmelskörper (Jupiter, Saturn, Mars, Merkur und Venus) eine solche Konstellation hatten, dass sie zusammen ein helles Leuchten verursacht haben (möglicherweise in einem bestimmten Sternbild). Eine solche Konjunktion zwischen den Planeten Jupiter und Saturn gab es in der Tat 7/6 v. Chr., deshalb soll in dem Jahr die Geburt des Herrn Jesus stattgefunden haben. Doch allen Theorien haftet der Mangel an, dass sie eine mehr oder weniger natürliche Erklärung für ein von Gott geschenktes Wunder darstellen.
  • 19 Die einmalige Erscheinung und das neue Erscheinen sprechen sowohl gegen einen Meteor als auch gegen andere Planeten- oder Sternkonstellationen. Gott hat in wunderbarer Weise angesichts der wunderbaren Geburt und Kindheit des Herrn Jesus eingegriffen.
  • 20 Weihrauch ist sicher nicht im engeren Sinn ein Gewürz. In Verbindung mit 2. Mose 30,34 und Hohelied 3,6 kann man den Weihrauch jedoch vielleicht unter diese Gruppe fassen.
  • 21 Eine interessante Anlehnung an diese Flucht findet sich auch in der Offenbarung. In Offenbarung 12,5.6 wird von der Flucht der Frau (ein Bild von Israel) und der Entrückung des Kindes (das ist Christus) gesprochen – alles Hinweise auf die Verfolgung des vorhergesagten Nachkommen.
  • 22 Zu der Frage, was für eine Art von Erfüllung hier gemeint ist, verweise ich auf die Erklärung zu Matthäus 1,23.
  • 23 An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Hinweis auf den Text geben, den Matthäus zitiert. Oftmals wird im Neuen Testament in den Zitaten des Alten Testaments die griechische Übersetzung des hebräischen Textes, die sogenannte Septuaginta, zitiert. Das ist nicht durchgängig so. Von den 57 Zitaten, die Matthäus aus dem Alten Testament anführt, sind 9 der Septuaginta entnommen (vgl. Arend Remmers, Das Neue Testament im Überblick, S. 183). In dem Fall von Hosea 11,1 ist dies von besonderer Bedeutung, da die Septuaginta von „seinen Kindern“ spricht. Im hebräischen Text ist dagegen von „meinem Sohn“ die Rede. Nur das kann man auf den Herrn Jesus beziehen! So genau zitiert der Heilige Geist, der als einziger das Recht besitzt, die Version zu zitieren, die seiner Zielrichtung entspricht.
  • 24 In Nazareth herrschte übrigens nach dem Ableben von Herodes ein anderer seiner Söhne: Herodes Antipas. Das ist der Mann, der sich in seine Schwägerin und Nichte verliebte und ihretwegen Ehebruch beging. Johannes der Täufer hielt Herodes diesen Ehebruch öffentlich vor und wurde ins Gefängnis geworfen und später dann enthauptet (vgl. Mt 14,1 ff.). Es war auch dieser Herodes Antipas, der angesichts der Ereignisse um die Verurteilung des Herrn Freund von Pilatus wurde (Lk 23,7 ff.).
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