Betrachtung über 1.Johannes (Synopsis)
Kapitel 3
Nun, zu sagen, dass wir aus Ihm geboren sind, heißt nichts anderes, als dass wir Gottes Kinder sind 1. Welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Kinder heißen sollen! 2 Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat. Der Apostel kommt jetzt auf seine Erscheinung zurück und auf die Wirkung, die sie auf uns ausübt. Wir sind Kinder Gottes; das ist unsere gegenwärtige, gesicherte und gekannte Stellung: wir sind aus Gott geboren. Was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden; aber wir wissen, weil wir Jesus beigesellt sind und in demselben Verhältnis zum Vater stehen wie Er, indem Er selbst unser Leben ist, dass wir Ihm gleich sein werden, wenn Er erscheinen wird. Denn dazu sind wir zuvorbestimmt, Ihn zu sehen, wie Er jetzt bei dem Vater ist (von dem das Leben kam, das in Ihm offenbart und uns mitgeteilt worden ist), und in derselben Herrlichkeit zu erscheinen. Da ich nun die Hoffnung habe, Ihn zu sehen, wie Er ist, und weiß, dass ich Ihm bei seiner Erscheinung vollkommen gleich sein werde, so suche ich Ihm jetzt schon so viel wie möglich ähnlich zu sein, weil ich ja dieses Leben schon besitze; denn Er ist in mir, Er ist mein Leben.
Das ist der Maßstab für unsere praktische Reinigung. Wir sind nicht rein, wie Er rein ist, aber wir nehmen Christus, so wie Er im Himmel ist, zum Vorbild und Maßstab unserer Reinigung; wir reinigen uns seiner Reinheit gemäß, indem wir wissen, dass wir Ihm vollkommen gleich sein werden, wenn Er offenbart werden wird. Bevor der Apostel den Gegensatz zwischen den Grundsätzen des göttlichen Lebens und denen des Feindes darstellt, zeigt er uns den wahren Maßstab der Reinheit (den der Liebe nennt er ein wenig später) für die Kinder, insofern sie teilhaben an der göttlichen Natur und in demselben Verhältnis zu Gott stehen wie Christus.
Es sind hier zwei Bemerkungen zu machen. Erstens: „die Hoffnung zu ihm“, von der der Apostel im 3. Verse spricht, ist eine Hoffnung, die Christus zum Gegenstand hat. Zweitens ist es überraschend zu sehen, in welcher Weise Johannes in diesem Brief Gott und Christus zu vermengen scheint; er gebraucht das Wörtchen „Er“ oder „Ihn“, um Christum zu bezeichnen, wenn er soeben erst von Gott gesprochen hat, und umgekehrt. Den Grund dafür finden wir am Schluss des 5. Kapitels, wo der Apostel sagt: „Wir sind in dem Wahrhaftigen, (das heißt) in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.“ Diese wenigen Worte geben uns den Schlüssel zu unserem Brief in die Hand: Christus ist das Leben. Es ist offenbar der Sohn; aber Gott selbst ist offenbart worden sowie die Vollkommenheit seiner Natur, die auch für uns die Quelle des Lebens ist, wie dieses Leben in Christus als Mensch gefunden wurde. So kann ich im Blick auf Gott sagen: „aus ihm geboren“; aber in Jesus ist Gott offenbart worden, und von Ihm empfange ich das Leben, so dass die Namen „Jesus Christus“ miteinander vertauscht werden. Der, von dem in 1. Johannes 2,28 gesagt wird, dass „er offenbart werden wird“, ist Christus; Er ist gerecht, und der Gerechte ist „aus ihm geboren“. Aber in 1. Johannes 2,29 und 1. Johannes 3,1 heißt es: „aus Gott geboren“, „Kinder Gottes“; und in demselben Verse: „Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.“ Hier ist es Christus auf der Erde. Und wenn wir in Vers 2 lesen: „Wenn er offenbart ist“, und nachher: Wir reinigen uns, „gleichwie er rein ist“, so ist es wieder Christus. Es gibt noch viele andere Beispiele dieser Art (vgl. die Anmerkung 6 zu 1. Joh 2).
Wenn von dem Gläubigen gesagt wird, dass er „sich reinigt“, so liegt darin der Beweis, dass er nicht rein ist wie Christus. Christus hatte nicht nötig, Sich zu reinigen. Dementsprechend sagt der Apostel auch nicht. Der Gläubige ist rein, wie Christus rein ist – denn in diesem Fall wäre keine Sünde in uns; sondern „er reinigt sich“, entsprechend der Reinheit Christi, wie Er im Himmel ist, indem er das nämliche Leben besitzt, das Christus selbst hat.
Nachdem Johannes so die positive Seite der christlichen Reinheit hervorgehoben hat, beschäftigt er sich mit derselben unter anderen Gesichtspunkten, und zwar als einem der charakteristischen Beweise des Lebens Gottes in der Seele.
Nicht jeder, der die Sünde tut, übertritt das Gesetz, aber er handelt gesetzlos. Sein Verhalten entbehrt der Beschränkung und Regelung durch das Gesetz. Er handelt zügellos; denn Sündigen ist ein Handeln ohne den Zügel des Gesetzes, ohne Beschränkung durch die Autorität eines anderen; es ist ein Handeln nach eigenem Willen. Christus kam, nicht um seinen Willen, sondern um den Willen seines Vaters zu tun. Indessen „ist er offenbart worden, damit er unsere Sünden wegnehme, und Sünde ist nicht in ihm“; somit handelt der, der sündigt, gegen den Zweck der Offenbarung Christi und im Widerstreit mit der Natur, der wir, wenn Christus unser Leben ist, teilhaftig geworden sind. Wer daher in Ihm bleibt, sündigt nicht; jeder, der sündigt, hat Ihn nicht gesehen, noch Ihn erkannt. Alles hängt, wie wir sehen, davon ab, ob man an dem Leben und der Natur Christi teilhat. Möchten wir daher nicht uns selbst betrügen! „Wer die Gerechtigkeit tut, ist gerecht, gleichwie er gerecht ist“; denn indem wir des Lebens Christi teilhaftig sind, sind wir vor Gott nach der Vollkommenheit Dessen, der dort ist als das Haupt und die Quelle dieses Lebens. Wir sind vor Gott wie Christus, weil Er selbst wirklich unser Leben ist. Nicht unser praktisches Leben ist der Maßstab für unsere Wohlgefälligkeit oder Annahme bei Gott, sondern Christus. Aber Christus ist unser Leben, wenn wir gemäß seiner Vortrefflichkeit angenommen sind; denn wir haben hieran teil, indem wir leben von seinem Leben.
Doch das Urteil über den, der die Sünde tut, ist nicht nur verneinend. Wir lesen weiter: „Wer die Sünde tut, ist aus dem Teufel“, er hat in sittlicher Hinsicht dieselbe Natur wie der Teufel, denn der Teufel sündigt von Anfang. Das ist sein eigentümlicher Charakter als Teufel. Christus ist offenbart worden, um die Werke des Teufels zu vernichten. Wie kann nun jemand mit Christus sein, der den Charakter dieses Feindes der Seele teilt?
Andererseits tut ein jeder, der aus Gott geboren ist, nicht Sünde (V. 9). Der Grund davon ist klar: er ist der Natur Gottes teilhaftig, er leitet sein Leben von Ihm her. Dieser Grundsatz des göttlichen Lebens ist in ihm. Der Same Gottes bleibt in ihm; „er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“. Diese neue Natur trägt die Grundsätze der Sünde nicht in sich. Wie wäre es möglich, dass die göttliche Natur sündigte?
Nachdem der Apostel so die beiden Familien, die Familie Gottes und diejenige des Teufels, bezeichnet hat, fügt er ein zweites Kennzeichen hinzu, dessen Mangel den Beweis liefert, dass jemand nicht aus Gott ist. Er hat bereits von der Gerechtigkeit gesprochen; jetzt kommt er auf die „Liebe zu den Brüdern“. Denn das war die Botschaft, die die Gläubigen von Christo selbst empfangen hatten, dass „sie einander lieben sollten“. In Vers 12 zeigt Johannes die Verbindung zwischen diesen beiden Dingen: Der Hass gegen einen Bruder wird durch das Bewusstsein genährt, dass dessen Werke gut und die eigenen schlecht sind. dass die Welt uns hasst, braucht uns nicht zu wundern; denn „wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben“. Wenn diese Liebe ein wesentlicher Beweis der Erneuerung ist, so ist es ganz natürlich, dass sie sich bei den Menschen dieser Welt nicht findet. Da dies aber so ist, bleibt der, der seinen Bruder nicht liebt (ein ernster Gedanke!), im Tod. Überdies ist ein jeder, der seinen Bruder hasst, ein Menschenmörder, und ein Menschenmörder hat das ewige Leben nicht (V. 15). Nicht nur fehlt die göttliche Natur: man ist im Tod, sondern es zeigt sich auch die Tätigkeit des alten Menschen in der entgegen gesetzten Natur: man hasst, und das ist in geistlicher Hinsicht die Tätigkeit des Todes – man ist ein Mörder.
Ebenso wie bei der Gerechtigkeit und Reinheit, wird uns auch hier Christus als der Maßstab der Liebe vor Augen gestellt. Daran erkennen wir die Liebe, „dass er für uns sein Leben dargelegt hat“, auch wir sollten unser Leben für die Brüder darlegen. Wenn unser Bruder Mangel leidet, und wir besitzen die Güter dieser Welt und sorgen doch nicht für seine Bedürfnisse, ist das dann die göttliche Liebe, die Christus trieb, sein Leben für uns zu lassen? Durch diese wirkliche und praktisch tätige Liebe wissen, wir, dass wir in der Wahrheit sind, und unser Herz ist überzeugt und versichert vor Gott. Denn wenn das Gewissen nicht beschwert ist, so haben wir Freimütigkeit in seiner Gegenwart; aber wenn unser eigenes Herz uns verurteilt – Gott weiß noch mehr. Es handelt sich hier nicht um ein Mittel, das uns unseres Heils versichern, sondern das uns Freimütigkeit geben soll in der Gegenwart Gottes. Wir können diese Freimütigkeit nicht haben mit einem im praktischen Sinn des Wortes bösen Gewissen, denn Gott ist immer Licht und immer heilig.
Auch empfangen wir alles, was wir bitten, wenn wir so in Liebe vor Ihm wandeln und das vor Ihm Wohlgefällige tun (V. 22). Denn wenn wir so mit Freimütigkeit in seiner Gegenwart wandeln, entspricht das Herz mit seinen Wünschen diesem gesegneten Einfluss, indem es durch den Genuss der Gemeinschaft mit Ihm in dem Licht seines Angesichts gebildet wird. Es ist Gott, der das Herz belebt, indem das göttliche Leben und die göttliche Natur, von denen der Apostel spricht, in voller Tätigkeit sind und durch die göttliche Gegenwart, in der sie ihre Freude finden, erleuchtet und geleitet werden. Auf diese Weise sind unsere Bitten nur auf die Erfüllung von Wünschen gerichtet, die entstehen, wenn dieses Leben, wenn unsere Gedanken mit der Gegenwart Gottes und mit der Mitteilung seiner Natur erfüllt sind. Und Er leiht seine Macht zur Erfüllung dieser Wünsche, deren Quelle Er ist, und die durch die Offenbarung seiner selbst im Herzen entstanden sind (vgl. Joh 15,7). Das war in der Tat die Stellung Christi selbst, als Er hienieden war; nur war Er vollkommen darin (vgl. Joh 8,29; 11,42).
Und hier ist es das Gebot Gottes, dem wir gehorchen sollen, nämlich „dass wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, gleichwie er uns ein Gebot gegeben hat“ (V. 23).
Wer nun seine Gebote hält, bleibt in Ihm, und auch Er bleibt in dem, der gehorsam ist (V. 24). Man wird fragen, wer hier gemeint sei, Gott oder Christus. Der Apostel vermengt, wie wir gesehen haben, Gott und Christus in seinen Gedanken, d. h. der Heilige Geist vereinigt sie in unserer Vorstellung. Wir sind in dem Wahrhaftigen, das heißt in seinem Sohn Jesus Christus. Christus ist in dem im Menschen (in Ihm) geoffenbarten Leben die Darstellung Gottes vor den Augen der Menschen, und für den Gläubigen ist Er die Mitteilung dieses Lebens, so dass auch Gott in ihm bleibt, und zwar durch die Offenbarung der göttlichen Vortrefflichkeit und Vollkommenheit der Natur, an der der Gläubige teilhat, in der Kraft des in ihm wohnenden Heiligen Geistes, so dass die Liebe gleichzeitig genossen und ausgeübt wird.
Welch eine wunderbare Gnade, ein Leben, eine Natur empfangen zu haben, durch die wir befähigt sind, Gott selbst zu genießen, der in uns bleibt, und wodurch wir, da es in Christs ist, uns tatsächlich im Genuss dieser Gemeinschaft, dieses Verhältnisses zu Gott befinden! Wer den Sohn hat, hat das Leben; aber dann bleibt Gott in ihm sowohl als das Teil als auch als die Quelle dieses Lebens; und wer den Sohn hat, hat auch den Vater. Welch wunderbare Bande wirklichen, lebendigen Genusses durch die Mitteilung der göttlichen Natur Dessen, der die Quelle derselben ist; und alles das gemäß ihrer Vollkommenheit in Christus! Das ist der Christ nach der Gnade. Deshalb ist er auch gehorsam, weil dieses Leben in dem Menschen Christus Jesus (und auf diese Weise wird es das unsrige) der Gehorsam selbst war, das wahre Verhältnis des Menschen zu Gott.
Praktische Gerechtigkeit ist also ein Beweis, dass wir aus Ihm geboren sind, der in seiner Natur die Quelle dieser Gerechtigkeit ist. Auch angesichts des Hasses der Welt wissen wir, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Und indem wir so ein gutes Gewissen besitzen, haben wir Freimütigkeit zu Gott und empfangen von Ihm, was wir bitten, da wir im Gehorsam und in einer Ihm wohlgefälligen Weis wandeln. Und so wandelnd bleiben wir in Ihm 3, und Er in uns.
Nun kommt ein dritter Beweis von unseren christlichen Vorrechten. Der Geist, den Er uns gegeben hat, ist der Beweis, dass Er selbst in uns bleibt – die Offenbarung der Gegenwart Gottes in uns. Der Apostel fügt hier nicht hinzu, dass wir in Ihm bleiben, da es sich hier um die Offenbarung der Gegenwart Gottes handelt. Die Gegenwart des Geistes beweist dieselbe; aber wenn man in Ihm bleibt, so genießt man, wie wir weiter sehen werden, das, was Er ist, und ist folglich in geistlicher Gemeinschaft mit seiner Natur. Wer gehorcht, genießt das auch, wie wir gesehen haben. Hier wird die Gegenwart des Heiligen Geistes in uns betrachtet als die Darstellung der einen Hälfte dieser Wahrheit, nämlich dass Gott in uns ist. Doch die Gegenwart Gottes in uns, nach der Gnade und nach der Kraft des Geistes, schließt auch Gemeinschaft mit seiner Natur in sich; auch bleiben wir in Ihm, von dem wir diese Gnade und all die geistlichen Formen dieser Natur in der Gemeinschaft und im praktischen Leben empfangen. Hiervon spricht der Apostel im 12. und 13. Verse des 4. Kapitels.
Praktische Gerechtigkeit oder Gehorsam, Liebe zu den Brüdern und die Offenbarung des Geistes Gottes, das sind also die Beweise unserer Verbindung mit Gott. Wer in praktischer Gerechtigkeit den Geboten des Herrn gehorcht, bleibt in Ihm, und Er in ihm. Die Gabe des Geistes ist der Beweis, dass Er in uns bleibt.
Fußnoten
- 1 Siehe zu 1. Joh 2 die Anmerkung 6
- 2 Johannes gebraucht gewöhnlich das Wort „Kinder“, nicht „Söhne“, weil es bestimmter ausdrückt, dass wir zu derselben Familie gehören. Wir sind wie Christus vor Gott und in der Welt und werden es sein, wenn Er offenbart wird.
- 3 Hier wird unser Bleiben in Ihm vorangestellt, weil es sich um die praktische Verwirklichung in einem gehorsamen Herzen handelt. Sein Bleiben in uns bespricht der Apostel dann besonders und sagt, dass wir dies durch den Geist erkennen, der uns gegeben ist, um uns vor der Irreführung durch böse Geister zu bewahren.