Prophetische Zeitzeichen: Israel und seine arabischen Nachbarstaaten – Schatten prophetischer Ereignisse

1. Einleitung: Das prophetische Wort und seine Schatten

„Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, auf das zu achten ihr wohltut, als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen“ (2. Petrus 1,19).

Das prophetische Wort beschäftigt uns nicht nur mit der Zukunft, sondern es ist zugleich wegweisend für die gegenwärtige Zeit. Wir benötigen die biblische Prophetie als eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet. An diesem dunklen Ort befinden sich die Gläubigen jetzt. Doch das prophetische Wort gibt uns Licht, um die Zeitverhältnisse richtig zu beurteilen.

Wichtig ist, dass wir gut verstehen, dass sich biblische Prophetie mit der Zukunft der Erde beschäftigt.1 Im Kern geht es um nichts anderes als um die „Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ und um seine „herrliche Größe“ im Tausendjährigen Reich (2. Pet 1,16). Alle Ereignisse und alle Gerichtshandlungen, die das prophetische Wort beschreibt, zielen auf diesen großen Augenblick ab. Der „Geist der Weissagung ist das Zeugnis Jesu“ (Off 19,10). Er wird einmal als der Sohn des Menschen über alle Werke der Hände Gottes regieren (Ps 8,7).

Die eigentliche biblische Prophetie setzt in dem Augenblick ein, in dem die letzte der 70 Jahrwochen Daniels beginnt (Dan 9,25–27). Die ersten 69 Jahrwochen sind bereits Vergangenheit. Sie haben mit dem ersten Kommen des Herrn Jesus auf die Erde ihr Ende genommen. Die letzte Jahrwoche (ein Zeitraum von sieben Jahren) beginnt, nachdem Jesus Christus zur Entrückung der Gläubigen gekommen sein wird. Die gegenwärtige Haushaltung der Gnade ist in der biblischen Prophetie völlig ausgeklammert. Wer das nicht klar erkennt, wird unweigerlich zu Fehlinterpretationen des prophetischen Wortes kommen.2

Folglich müssen wir sehr vorsichtig sein, aktuelle politische Geschehnisse im Licht der biblischen Prophetie zu erklären. Ausleger, die das versucht haben, sind häufig gescheitert und wurden durch die weitere Entwicklung eines Besseren belehrt.3 Die aktuellen politischen Ereignisse sind kein zuverlässiger Schlüssel, der uns das Verständnis für die Prophetie öffnet. Biblische Prophetie im eigentlichen Sinn beschäftigt sich mit Ereignissen, die nach der Entrückung der Gläubigen auf der Erde geschehen.

Dabei bleibt es natürlich wahr, dass die kommenden Ereignisse, von denen die biblische Prophetie spricht, ihre Schatten vorauswerfen. Diese Schatten erkennen wir zum Teil deutlich, und wir können daraus gewisse vorsichtige Rückschlüsse ziehen. Sie zeigen uns vor allen Dingen, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis die eigentlichen prophetischen Ereignisse beginnen werden. Die Bibel selbst erwähnt solche Schatten. Dazu drei Beispiele:

  1. Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit: 2. Thessalonicher 2,7 spricht in Verbindung mit dem Antichristen davon, dass das Geheimnis der Gesetzlosigkeit jetzt schon wirksam ist. Das erleben wir heute hautnah.
  2. Das rasante Zunehmen der Gottlosigkeit: Die Bibel spricht von der „letzten Stunde“ und dem „Geist des Antichristen“ (1. Joh 2,18; 4,3). Der Antichrist selbst wird erst in der Endzeit offenbar werden. Sein Geist wirkt jedoch heute schon in vielen Bereichen der Gesellschaft deutlich erkennbar.
  3. Das Ausschlagen des Feigenbaums: Darauf weist der Herr Jesus selbst in Lukas 21,30 hin. Der Feigenbaum spricht von Israel. Die Tatsache, dass es seit 1948 einen Staat Israel gibt, ist ein Beweis dafür, dass der Feigenbaum ausgeschlagen ist. Die Frucht wird erst später gesehen werden.

Ein weiterer Vorbote und Schatten ist ebenso ohne Frage die Existenz der Europäischen Union auf dem Territorium des ehemaligen Römischen Reiches. Bibelleser wissen, dass das alte Römische Reich eine Zukunft hat (Off 17,1) und von einem Gewaltherrscher, in Offenbarung 13,1 das „Tier aus dem Meer“ genannt, regiert werden wird. Wir lassen es ganz bewusst offen, um welche Länder Europas es sich genau handeln wird. Der vor wenigen Monaten entschiedene Brexit und andere Entwicklungen in Europa und darüber hinaus mahnen uns zur Vorsicht.4 Jedenfalls wird in Europa eine Macht und Einheit entstehen, die im Kern aus den alten Nationen besteht, die früher das Römische Reich bildeten. Am 25. März 1957 wurden die Römischen Verträge von Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden in Rom (man beachte den Namen der Verträge und den Ort) unterzeichnet. Damit begann das moderne Europa endgültig zusammenzuwachsen. Zunächst handelte es sich um eine Wirtschaftsgemeinschaft, aus der dann 1967 die Europäische Gemeinschaft und 1993 die Europäische Union entstand.

Weitere deutliche Schatten sind neben der Existenz des Staates Israel ebenso die Existenz mancher arabischer Nachbarstaaten Israels. Bibelleser wussten schon immer, dass es zu einem Zeitpunkt X wieder einen Staat Israel geben würde. Man staunt beim Lesen alter Auslegungen über die biblische Prophetie, mit welcher Selbstverständlichkeit Ausleger schon im 19. Jahrhundert darüber geschrieben haben.

Es ist völlig klar, dass der Nahe Osten und insbesondere das Land Israel wesentliche Schauplätze der prophetischen Ereignisse sein werden. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht Israel. Wenn man sich eine 100 Jahre alte politische Landkarte dieser Region anschaut, wird man schnell feststellen, dass sie völlig anders aussieht als heute. Staaten, die heute permanent in den Schlagzeilen stehen, existierten entweder überhaupt nicht oder waren völlig unbedeutend. Die betroffenen Länder waren zunächst häufig Teil des Osmanischen Reiches 5 und standen dann bis vor etwa 70 Jahren unter der Herrschaft führender europäischer Weltmächte (England und Frankreich). Speziell seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Szene völlig verändert. Seit 1948 gibt es Israel wieder als Staat, und viele andere Nationen, die wir als Feinde Israels aus dem Alten Testament kennen, sind plötzlich wieder existent und spielen eine nicht unerhebliche Rolle.

Noch einmal: Es geht dabei um Schatten und Vorboten von Ereignissen, über die wir in der Bibel lesen – nicht mehr und nicht weniger. Israel und die es umgebenden arabischen Staaten spielen in der biblischen Prophetie eine große Rolle. Dazu ist es natürlich notwendig, dass sie aus der zum Teil jahrhundertelangen Versenkung auftauchen und sich wieder formieren. Genau das ist seit einigen Jahrzehnten zu beobachten.

Der interessierte Bibelleser – und jeder von uns sollte das prophetische Wort nicht achtlos zur Seite legen – wird sich also gerne damit beschäftigen, was diese Länder betrifft und was die Bibel dazu zu sagen hat. Dazu soll diese Abhandlung eine kleine Hilfestellung geben. Wir wollen versuchen herauszufinden, welche Zeitzeichen und Schatten wir speziell im Nahen Osten erkennen können. Europa und die (ehemals) christlichen Länder werden dabei ganz bewusst ausgeklammert.6 Es geht auch weniger um das, was in der Zukunft mit diesen Ländern geschieht (wir werden das nur andeuten können), sondern vielmehr darum, wie sie sich heute formieren und wieder auf der Bildfläche erscheinen.

Fußnoten

  • 1 Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die himmlische Zukunft der Gläubigen der Gnadenzeit (und besonders das Vaterhaus) nicht Gegenstand der biblischen Prophetie ist.
  • 2 Das Studium der 70 Jahrwochen in Daniel 9 ist unerlässlich für jeden, der sich einen Überblick über die biblische Prophetie verschaffen möchte. Ohne ein gutes Verständnis dieser Weissagung Daniels werden wir keinen klaren Blick für die biblische Prophetie bekommen.
  • 3 Ein Beispiel dafür ist der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 und die anschließende Wiedervereinigung Deutschlands. Viele Ausleger hatten das vorher für völlig ausgeschlossen gehalten. Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung im Irak, die manche völlig anders erwartet haben.
  • 4 Immerhin war z.B. Britannien Teil des Römischen Reiches. Es muss daher eine offene Frage bleiben, ob England am Ende wieder dazu gehört oder nicht. Prophetisch ist ein Exit vom Brexit jedenfalls nicht ausgeschlossen.
  • 5 Das Osmanische Reich war das Reich der Dynastie der Osmanen. Es begann Anfang des 14. Jahrhunderts und endete 1922. Die Länder des Nahen Ostens bildeten seit dem 15. und 16. Jahrhundert einen Teil des Osmanischen Reiches. In der Zeit der größten Ausdehnung im 17. Jahrhundert erstreckte es sich von seinem Kernland Kleinasien im Norden bis zum Schwarzen Meer im Westen, bis weit in den Balkan hinein. Im Süden reichte es bis Ägypten und im Osten bis Persien. In dieser Zeit war es eine politische, militärische und wirtschaftliche Großmacht. Im 18. und 19. Jahrhundert ging der Einfluss deutlich zurück, und das Territorium verkleinerte sich nach und nach. Nach dem Ende des Osmanischen Reiches wurde 1923 die Türkei als Nachfolgestaat gegründet.
  • 6 Es ist völlig klar, dass Europa in der biblischen Prophetie eine große Rolle spielt. Doch im Rahmen dieser Abhandlung wollen wir Europa bewusst nicht behandeln, sondern uns auf die Länder des Nahen Ostens konzentrieren.
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