Vorträge über den Brief an die Epheser
Kapitel 3
Im ersten Kapitel gab es zwei besondere Dinge, die der Apostel den Ephesern weitergeben wollte. Erstens: Was war die Hoffnung der Berufung des Gottes unseres Herrn Jesus Christus, des Vaters der Herrlichkeit? Gott hatte den Glanz des Lichtes seines Sohnes in ihre Seelen leuchten lassen, damit sie wüssten, dass sie durch Ihn berufen worden waren. Dann gab es eine bestimmte Hoffnung, die mit dieser Berufung verbunden war, und auch diese wollte Er sie wissen lassen. Zweitens wollte Er ihnen den Bereich zeigen, der geöffnet worden war, das Erbe: „...und was der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen“. Die Darstellung der Herrlichkeit wird weitaus prächtiger sein, wenn alle die, die vor Satan gerettet wurden, anwesend sind und Gott diese Darstellung in Herrlichkeit genießt. Drittens erforderte dies, dass der Sohn herabsteigen musste, um wieder hinaufzufahren; und dieselbe Kraft, die Christus aus den Toten auferweckte, wirkte in ihnen, um Christus zu folgen und mit Ihm in Gemeinschaft zu sein.
„Damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn; in welchem wir die Freimütigkeit haben und den Zugang in Zuversicht durch den Glauben an ihn“ (3,10–12).
In diesem dritten Kapitel werden zwei Dinge dargestellt, und ich glaube, sie entgehen dem Gläubigen sehr häufig. Das erste ist die Art und Weise, auf die die mannigfaltige Weisheit Gottes durch die Versammlung den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern kundgetan wird. Ihr wisst, dass eines der Dinge, vor denen der Heilige Geist uns durch den Apostel warnt, ist, in die Dinge der Engel eindringen zu wollen (Kol 2,18). Es ist sehr wichtig, nicht den Dingen nachzugehen, in die der Geist Gottes uns nicht leitet. Doch ich stelle fest, dass Christen falsche Vorstellungen über Engel haben. Einerseits geben sie den Engeln eine Wissensmacht, die das Wort ihnen nie zugesteht. Sie denken, dass Engel die Gedanken Gottes kennen, obwohl sie dies nicht tun. Wir verlieren einen großen Teil, wenn wir dies nicht verstehen. Wussten die Engel, dass die Epheser Teil eines verherrlichten Leibes waren, der mit einem Haupt im Himmel verbunden war? Viele Menschen nehmen dies im Stillen an. Sie hatten bestimmte Dinge über Gott und seine Vorsehung und Erlösung gelernt, aber bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Geist Gottes begann, es durch die Apostel zu entfalten, hatten sie nicht gelernt, was die mannigfaltige Weisheit Gottes in der Versammlung ist. Das Wort ecclesia, welches mit „Versammlung“ übersetzt wird, meint eine Gruppe, welche sich zu etwas versammelt hat. Der Begriff „Versammlung Gottes“ umfasst konkret diejenigen, welche sich, von Ihm aus der Welt gerufen, zu Ihm hin versammeln.
Ich würde gern eines nebenbei erwähnen, und zwar die Frage der Verbindung mit Christus, während Er zur Rechten Gottes sitzt. Ich kann diese Wahrheit nicht erfassen, bis ich den Ort sehe, der Christus zu dieser bestimmten Zeit zugewiesen wurde. Verworfen auf der Erde, wurde Er in den Himmel aufgenommen und erhält von dem Heiligen Geist das Zeugnis, dass in Ihm alle Fülle wohnt. Zu dem Zeitpunkt, als Er in den Himmel aufstieg, wurde Er als das Haupt des Leibes bezeugt. Wenn es eine Frage der Aufnahme ist, warum bin ich aufgenommen? Es ist gerecht, dass Gott jeden aufnimmt, der im Namen des Herrn Jesus Christus kommt.
Nun zur Frage der Verantwortung. Henoch wandelte mit Gott, indem er Ihn sah, der doch unsichtbar war, und Gott nahm ihn zu sich. Abraham wurde aufgetragen, vor Gott zu leben, und er tat es, und Gott sorgte für ihn. Und was ist der Charakter des christlichen Wandels? Nicht bloß vor Gott zu leben, sondern Gott sollte in mir leben. Ich sollte wie ein Sohn Gottes leben, aber nicht durch menschliche Anstrengung, sondern durch den freien Geist in mir, während all das Licht in mir eine gewisse Vorliebe für die Dinge Gottes bewirkt, und ein gewisses Zurückschrecken vor allem, was Ihm entgegengesetzt ist. Lebte Christus als ein guter Mensch auf der Erde? Hat Ihn das gekennzeichnet? Sicherlich lebte Er als ein guter Mensch, aber Er lebte vor allem als der Sohn Gottes, und das ist es, was auch uns kennzeichnen sollte. Er machte „sich selbst zu nichts“ und nahm „Knechtsgestalt“ an, und ging weiter bis zum Kreuz, wo Er allein mit Gott war (Phil 2,7.8) – das war der Ausdruck seiner Gesinnung – vollkommene Unterwerfung unter den Vater – die Vollkommenheit des Nazareners. Ich bekomme einen nahezu vollkommenen Ausdruck dieses Lebens in Paulus, aber ich erlange keine Kraft, Leben in Paulus zu vermitteln. Wenn ich auf Christus blicke, werde ich in dasselbe Bild verwandelt.
Kommen wir nun zum zweiten Teil des Kapitels. Es liegt sozusagen in der Natur der Sache, dass Paulus spürte, für welch eine wichtige Angelegenheit er berufen worden war. Einer der durchdringenden, häufigen Gedanken meiner Seele innerhalb der letzten 40 Jahre war: Wo ist diese Versammlung hier auf der Erde? Und wie kann ich die Seelen der Heiligen, von Gott Geliebten, in einen solchen Zustand bringen, dass ich sagen könnte: „Das ist der Ausdruck dessen, wovon Paulus gesprochen hat“? Wenn Er wiederkommt, was wird der Zustand sein, in dem Er sein Volk vorfinden wird? Kann heute über die Kinder Gottes in London gesagt werden: „Der Geist und die Braut rufen: Komm!“ (Off 22)? Ich weiß, dass viele von euch die gleiche Mühe damit haben – vielleicht sogar eine noch tiefere –, den gleichen innigen Wunsch, die Kinder Gottes als solche zu sehen, die auf ihren Herrn warten, die die Lieblichkeiten kennen, die im Aufblicken zu Gott liegen; die Lieblichkeit, hinaufzublicken und von den Segensgüssen dieser Liebe gesättigt zu werden. Ich habe den sehnlichen Wunsch, dass dies mehr und mehr hervorgebracht wird, nicht nur wegen der Kinder, sondern um des gesegneten Herrn willen, wenn Er in der Wolke der Herrlichkeit kommt.
„Von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird“ (3,15).
1 Es gibt keine Gemeinschaft, auf die Gott diese Bestätigung legt, die nicht mit Christus verbunden ist. Abrahams Familie war mit dem Zustand verbunden, der noch kommen sollte.
„Und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes“ (3,19).
Habe ich das, wovon er hier spricht? Hast du das, wovon er hier spricht?
„Damit er euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen“ (3,16).
Jetzt betet er für sie, für uns, liebe Freunde, für mich. „Nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit ... durch seinen Geist“. Ich neige dazu, hier eher den Geist als in Verbindung mit der moralischen Herrlichkeit stehend zu sehen. Nichts wird schöner sein als die äußerliche Herrlichkeit des neuen Jerusalem; aber jetzt spricht er nicht von der Herrlichkeit dieser Stadt, sondern von der moralischen Herrlichkeit des Hauses des Vaters. Der eingeborene Sohn bringt sie in das Haus des Vaters, und dort wird Er ihnen all die Liebe des Vaters zeigen und sie ihnen allen kundtun. Die äußerliche Schönheit der Stadt ist etwas ganz anderes. Alles an ihr wird prachtvoll sein, aber die Zufriedenstellung des Vaters ist der Ausdruck dieses Hauses. Dort gibt es ein Ruhen in der Liebe, das ist die moralische Herrlichkeit. Oh, die Wege Gottes sind wunderbar. Wenn wir darüber nachdenken, ist es nicht nur schön in sich selbst, sondern vor allem in Verbindung mit einem armen Heiligen auf der Erde, der hienieden seinen Weg geht. Als Gott die Erde schuf, war sie sehr gut. Und dann, was führte Ihn dazu, als der Mensch nichts aus Gott machte, den Samen der Frau den Kopf der Schlange zertreten zu lassen? Gott wusste, wer das sein würde, Er wusste, dass es niemanden gab, den Er in diesen Kampf senden konnte als diesen seinen Sohn. Er sandte Ihn nach Israel, aber sie nahmen Ihn nicht auf; und Er sollte nicht König werden, wenn sie Ihn nicht als König anerkannten. Aber Gottes Wege sind wunderbar! Ich werde einen Weg finden. Ich werden sie segnen, sodass sie meinem eigenen Herzen gefallen. Um meines eigenen Sohnes willen soll die Erde „voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn sein, so wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Hab 2,14).
„Dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, indem ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid“ (3,17).
Das ist nicht Johannes 20,22. Der Geist ist immer da, doch etwas gibt noch mehr als das, nämlich „dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne“. Wohnt Er nicht in deinem Herzen? Wenn ich in einem Haus wohne, sollte man erwarten können, mich dort zu finden. Eine Person, die hineinkommt, sollte mich immer zu Hause finden. Der Geist verlässt das Haus nie. Er ist dort immer zu Hause, aber verlässt Christus manchmal das Haus? Wenn jemand kommt, um dich zu sehen, findet er dort Christus? Wenn ich dich charakterisieren würde, wenn du morgens aufstehst, wäre da der Gedanke deines Herzens: „Oh, was für eine gesegnete Person Christus ist“ – und gehst du damit zu deinem Tagewerk über? Wenn dies der Fall ist, dann sagt Gott: „Das ist ein Mensch, in dem Christus wohnt.“ Wenn ich Paulus zu irgendeiner Zeit getroffen hätte, hätte ich feststellen können, dass er einen Hauptgedanken hatte, und das war immer Christus. Ein Gegenstand in seinem Herzen, und das war Christus. Wenn du mich zu irgendeiner Zeit aufsuchen würdest, würdest du wirklich sehen, dass Christus der Herr des Hauses ist und dass Er dort wohnt? Der Apostel will dich nicht von den Umständen entheben. Christus bewirkt die Umstände für dich, damit du alles für Ihn tust. Vielmehr betrifft dies alle Einzelheiten des Lebens. Sein Herz ist groß genug für den, der eine Straße fegt, und Er kann ihm sagen: „Fege diese Straße für mich.“ Es geht nicht darum, Werke unabhängig von seinem eigentlichen Leben zu tun, sondern Werke zu tun, die Christus in deinem Leben in kleinen Dingen ans Licht bringen. Wenn wir uns die Geschichte der Jünger anschauen, war der entscheidende Punkt, ob Christus im Boot war oder nicht. Wenn der allmächtige Sohn Gottes im Boot war, konnte es nicht untergehen. Es wird das ganze Leben kennzeichnen. Sie mögen uns auf die eine oder andere Weise töten – was soll's! Paulus schreibt, dass Christus da ist – wenn sie meine irdische Hütte zerstören, so lassen sie mich hingehen zu Christus (vgl. 2. Kor 5,1).
Gott hat einen gewaltigen Plan, und Er hat ihn in seinem Wort dargelegt. Soll ich all die kommende Herrlichkeit kennen? Man beachte, der Mittelpunkt all dessen ist Christus. Alle Pläne und Ratschlüsse Gottes münden in Christus. Er ist ihr Ende, ihr Anfang und ihr Mittelpunkt. Gott sagt: „Ich bin vorbereitet auf die Herrlichkeit meines Sohnes; ich habe meinen Plan mit Ihm, und, armer Sünder, kennst du Ihn nicht? Liebst du Ihn nicht?“ Lass Ihn in deinem Herzen wohnen, und du wirst erfüllt sein zu der ganzen Fülle Gottes. „Ich schwinde dahin“, sagst du, „da ich Teil der Gemeinschaft bin, für die dieses Gebet gesprochen wurde.“ Was für ein törichter Gedanke! Eine arme, schwache Person wie ich oder du, irgendein altes armes Ding ‒ wenn wir Christus direkt durch den Glauben in unseren Herzen wohnen lassen, dann sagt Gott: „Ich kann dem nichts hinzufügen.“ Ich sehe nach und finde Christus im Herzen, und ich kann mich in heiliger Gemeinschaft mit Ihm trotz aller Schwachheit niederlassen. Ich muss Gott oft bekennen, dass ich den Wert des Blutes nicht verstehe, aber ich sage: „Du kennst ihn.“ Es ist einfacher Glaube. Wir haben den Geist und können es erfassen. Eine vollkommene Erkenntnis der Gedanken Gottes, das war es, was der Apostel wollte. Ich weiß, dass kein anderer Name als der des Herrn Jesus Christus für Gott so wohllautend ist. Er könnte eine Seele, die in diesem Namen kommt, nie leer fortschicken. Ich will das Ende gar nicht erreichen, ich preise Gott, dass ich es nie erreichen kann, wenn ich im Haus des Vaters bin, wenn ich den ganzen gesegneten Austausch zwischen dem Vater und dem Sohn sehen werde. Ich preise Gott, dass er vollkommen und unerforschlich in seinem gewaltigen Umfang ist. Es ist unendlich und Gott ist unendlich.
„Damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei“ (3,18).
Dies wird uns in menschlicher Sprache durch den Sohn selbst aufgezeigt (3,19‒21). Die Menschen sagen: „Paulus war in Ekstase, als er dieses Gebet schrieb!“ Nun, er legte Wert darauf, zu sagen, dass er nicht so viel erbeten hatte, wie er hätte erbeten können. „Nach der Kraft, die in uns wirkt“ – sie hat auch in dir gewirkt, wenn du ein Gläubiger bist. Weiter sagen die Menschen: „Paulus war ein Apostel.“ Doch man darf das Leben, das Paulus hatte, nicht geringachten; als Apostel lehrte er immer, dass das göttliche Leben, das er als Gläubiger hatte, jenseits seines Apostelamtes lag. Die Seele gibt durch den Geist Gott das zurück, was Er ihr gegeben hat (3,21).
Es ist nicht unwichtig, dass es große Freude unter Christen geben sollte: „An welchen glaubend ... ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt“ (1. Pet 1,8). Haben wir verstanden, dass wir es wirklich mit Gott zu tun haben? Wenn Gott einen freudigen Geber liebt, so hat Er uns gezeigt, welch großer Geber Er ist; Er gab seinen eingeborenen Sohn; Er gab seinen Geist und brachte uns in den Genuss all dessen, was Er als unser Gott und Vater ist.
Fußnoten
- 1 Im Original findet sich eine Anmerkung zur englischen Übersetzung: „Of whom every family (right translation).“ Diese wurde hier weggelassen.